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13.

Die schlimme Sage schlich im Land
Mit schnöder Schattenbilder Tand,
Sie zeugte Zwietracht und Verrath,
Zernichtung aller edeln Saat.

Uhland.

Indem der Junker von Sonnenberg mit seinem Begleiter die in den obern Theil des Palatium's führende Wendeltreppe hinanstieg, entdeckte ihm dieser, daß der Kaiser selbst seine Gegenwart verlangt und sich in so freundlichen Worten über ihn geäußert habe, wie dieses nur dann der Fall zu sein pflege, wann er gegen irgend jemand besondere Beweise seiner Gunst an den Tag zu legen gedenke.

»Er weiß nun was an Dir ist, und daß der alte Ludwig von Sonnenberg einen Sohn erzogen hat, der seines Namens würdig ist und in dem der wackere Vater sich selbst noch einmal hinstellt, wie er war in den Tagen seiner Jugendkraft;« fuhr der Ritter fort, während er auf einer breiten Stufe der Treppe stehen blieb und hierdurch auch unsern jungen Freund zum Verweilen nöthigte. »In der Vertheidigung von Schloß Sonnenberg hast Du Deine Treue und Deinen Muth bewährt, hier Deine Kraft und Deine Gewandtheit in ritterlichen Dingen. Daß Du aber dem tüchtigen Meister Freigang eins beigebracht, ist fürwahr ein starkes Stück, welches ich selbst Dir nicht zugetrauet hätte. Sonnenberger, Sonnenberger,« sprach Herr Schelm weiter und das sonst so heitere Antlitz des alten Ritters nahm den Ausdruck einer Wehmuth an, die den Junker auf eine seltsame Eröffnung vorbereitete: »wir haben lange zwischen Glück und Ungemach geschwommen und uns noch immer über den Wogen erhalten; aber bald, fürchte ich, ist's vorbei mit uns und das Ungemach wird wie ein Riese, den wir nicht zu bändigen vermögen, auf uns einbrechen und uns erdrücken. Des Kaisers Feinde vermehren sich von Tage zu Tage, seiner Freunde werden immer weniger. Allenthalben lauert das Ohr des Verräthers und Adolph selbst, von unbegreiflicher Blindheit geschlagen, hegt in seiner Nähe die Schlange, deren Gift ihn bedroht, und gibt keiner noch so treu gemeinten Warnung Gehör. Ich bin alt und meine Tage sind gezählt. Jeder Augenblick kann mich abrufen zu meinen Vätern und ich lasse den geliebten Herrn dann zurück, preisgegeben seinen offenen und heimlichen Feinden. Du, Sonnenberger, bist noch ein Jüngling, der eine lange Zukunft vor sich hat und von dem ich Großes erwarten zu dürfen glaube. Gelobe mir, treu zu hangen an dem Kaiser, unserm Herrn, ihm Leib und Leben zu widmen in Noth und Tod, und ihn von Verräthern frei zu halten, wo Du sie erkennst und wie Du es vermagst!«

Leidenschaftlich bewegt ließ sich Friedmann auf ein Knie vor dem alten Ritter nieder und gelobte auf den Griff seines Schwertes mit heiligem Schwure, was jener begehrte. Herr Schelm hob ihn mit einem wehmüthigen Lächeln auf und sagte:

»So ist's recht, Sonnenberger, und ich baue fest auf Deinem Schwur. Nie habe ich auf Ahnungen etwas gehalten, aber seit einigen Tagen kann ich mich trauriger Gedanken über des Kaisers Zukunft nicht erwehren, und je weniger ich ihnen eine bestimmte Richtung zu geben vermag, desto mehr werde ich von ihnen beunruhigt und gequält.«

Nach diesem kurzen Zweigespräch, dessen Inhalt einen tiefen Eindruck auf unsern jungen Freund hinterließ, stiegen die beiden Männer, in ein ernstes Schweigen versunken, weiter hinauf und gelangten bald in den Gang, der zu den Gemächern des Kaisers führte. Ein düstres Licht drang durch die kleinen runden Fenster in das hohe und schmale Gewölbe, in welchem ernst und schweigend die von Kopf bis zu den Füßen gepanzerten kaiserlichen Leibwächter auf und nieder schritten. In ihren Schuppenpanzern und mit den eisernen Bickelhauben auf den Köpfen, den langen Schwertern an der Seite, deren Griff bis zur Schulter hinanreichte, und mit der ruhigen gleichmäßigen Haltung, waren sie wandelnden Statuen aus Erz mehr ähnlich, als lebenden mit freiem Willen begabten Wesen. Einen sehr auffallenden Gegensatz zu ihnen bildeten die diensthabenden Edelknaben, welche sehr zierlich gekleidet, mit großer Leichtfüßigkeit zwischen den riesigen Gestalten hindurchschlüpften, während jedoch auch ihre Zunge durch das hier herrschend scheinende Gesetz des Schweigens gebunden war, und sie sich nur durch eine höchst lebendige Zeichensprache gegen einander zu verständigen suchten. Ihrer ungemeinen Beweglichkeit schien übrigens kein eigentlicher Zweck zum Grunde zu liegen und sie dünkte dem Junker von Sonnenberg mehr ein geschäftigtes Müßiggehn, als eine nützliche und nothwendige Thätigkeit.

Auf einen leicht Wink des Ritters Schelm vom Berge gaben die zwei Leibwächter, welche unbeweglich vor einer, in das Innere der Gemächer führenden Thüre aufgepflanzt standen, sogleich Raum. Sie senkten die bloßen Schwerter vor dem alten Herrn und ließen den Junker, als zu diesem gehörig, ungehindert folgen. Das Zimmer, welches Friedmann mit seinem Begleiter betrat, zeigte in seiner ganzen Einrichtung eine Einfachheit wie sie damals selbst in Kaiserwohnungen gewöhnlich war. Die Wände waren nicht einmal übertüncht und der Fußboden bestand aus schlecht zugehauenen Quadersteinen, deren Rohheit den Damen unserer Tage sogar im Gehen beschwerlich gefallen sein würde. Große Steine in horizontaler Lage, den Mangel der Tische ersetzend, ragten aus den Wänden hervor. An diesen saßen auf steinernen Blöcken mehrere schwarz gekleidete Männer von finsterm Aeußern. Einige von ihnen waren mit Lesen beschäftigt; andere malten mit glänzenden Farben die großen Buchstaben auf den vor ihnen hingebreiteten Pergamenten aus, welche kaiserliche Urkunden und Ausschreiben enthalten mochten; wieder andere rollten diese Pergamente vorsichtig zusammen und fügten ihnen das kaiserliche Siegel in hochrothgefärbtem Wachse bei. Keiner blickte auf und ließ sich durch die Erscheinung Herrn Mainhard's und seines Schützlings nur im Mindesten in seiner Arbeit stören. Auch hier herrschte eine Grabesstille, die nur durch die dumpf herüberhallenden Tritte der in dem Gange auf und nieder schreitenden Leibwächter, taktmäßig unterbrochen wurde.

»Das sind die kaiserlichen Geheimschreiber,« flüsterte Ritter Schelm dem Junker von Sonnenberg so leise zu, daß dieser es kaum vernahm und deutete dabei auf die schwarz gekleideten Männer. »Die Federhelden, von denen mehr Böses als Gutes ausgeht: entsprungene Mönche und fahrende Schüler aus Padua und Bologna.«

Ein leises Klopfen ließ sich plötzlich vernehmen. Dieses schien den alten Ritter zu benachrichtigen, daß man ihn bemerkt habe und sein, wenn auch noch so vorsichtig geführtes Gespräch an diesem Ort nicht billige. Mit verdrießlicher Miene wandte er seine Blicke nach einem rothgekleideten Mann hin, der vor einer im Hintergrunde des Gemachs befindlichen, mit dunkelblauen Sammetvorhängen bedeckten Thüre stand, und so eben die Spitze des elfenbeinernen Stabes, mit welchem er jenes Zeichen gegeben, wieder vom Boden erhob. Rascher als bisher schritt Herr Mainhardt auf ihn zu und sagte mit zornbewegter, nur mühsam unterdrückter Stimme:

»Ich weile lange genug in kaiserlicher Nähe um zu wissen was ziemlich ist an dieser Stelle und was nicht. Laßt Euern Stecken künftig in Ruhe, Meister Kämmerer, gegen einen Rittersmann, der sich mit Blut und Wunden das Recht erworben hat, seine Stimme unaufgefordert vor kaiserlicher Person selbst zu erheben, wenn Eueresgleichen nur demüthig harren müssen auf das Gebot zum Sprechen oder auf den Befehl, die Thüren zu öffnen und zu schließen.«

Ohne ein Wort zu erwiedern, machte der Kämmerer eine Bewegung mit der Hand, welche den Ritter und seinen jungen Gefährten anwies, durch eine neben dem verhängten Eingange befindliche Seitenthüre einzutreten. Beide folgten dem Winke und befanden sich nun in einem schmalen Gange, der an seinen zwei Enden mit noch zwei Thüren versehen war. Hier hatte man schon mehr dafür gesorgt, dem Auge wohlgefällig zu begegnen, als in dem eben verlassenen Zimmer. Steinerne Heiligenbilder so gut gearbeitet, wie es der freilich sehr gesunkene Kunstgeschmack zu den Zeiten des Erbauers Ludwig des Frommen, mit sich gebracht hatte, befanden sich in den Wandvertiefungen zu beiden Seiten des Ganges aufgestellt. Gesicht und Kleidungsstücke dieser Statuen waren mit angemessenen Farben übermalt. Diese Buntscheckigkeit, mit welcher man sie zu verzieren gedacht hatte, gab ihnen ein sehr profanes, fast lächerliches Ansehn und sie wurden hierdurch den chinesischen Pagoden ähnlich, welche noch vor einigen Decennien in dem Prunkgemache eines reichen Holländers nicht fehlen durften. Die Wände zwischen den Nischen waren mit einfachen wollenen Decken überhängt und der Fußboden nach damaligem Gebrauche reichlich mit frischen Binsen bestreut.

»Hier sind wir ganz in der Nähe des Kaisers,« hob Ritter Mainhard mit gedämpftem Tone an, »und unter den Stimmen, deren Laut zu uns herdringt, erkenne ich die seinige und die des salernitanischen Doktors Alessandro. Diese Thüre links führt in das kaiserliche Gemach, diese rechts zu einer geheimen Treppe, welche in die Kapelle hinabsteigt und nur von dem Kaiser selbst betreten wird.«

Der alte Ritter schwieg und lauschte seitwärts, ob ihn vielleicht irgend ein Zeichen benachrichtige, seinen Schützling vor die Person des Kaisers zu bringen. Da aber selbst die Stimmen im Arbeitgemache jetzt still wurden und sich auch sonst niemand sehen ließ, fuhr er mit trübem Lächeln fort:

»Ehemals war Alles anders hier! In den Vorgemächern tönte Gesang und Becherklang, Ritter und schöne Frauen erfreuten sich an Spiel und Kurzweil, und Kaiser Adolph selbst war heiter und lebenslustig und sang oft in die Wette mit den reisenden Minstrels, welche das kaiserliche Hoflager besuchten. Bei den großen Rittertafeln war er gegenwärtig und ermunterte durch sein Beispiel zu Fröhlichkeit und scherzhaften Gesprächen. Seltsame Schauspiele, welche er selbst erfunden und angegeben, ergötzten Auge und Geist. Eine schöne Vergangenheit wurde wieder jung und die Geister der kunstbefreundeten Hohenstaufen schienen durch die Hallen der Kaiserpfalz zu ziehen. Imagina, die hohe Kaiserin, mit dem Sohne Ruprecht und der Tochter Mechtildis, waren immer in der Nähe des glücklichen Gemals und der Kreis von Frauen und Jungfrauen, welcher Mutter und Tochter umgab, reizte Herrn und Ritter aus allen Landen, ihre ritterliche Tugend am Kaiserhofe zu bewähren. Wie glänzend zeigte sich doch die Blüthe der Ritterschaft bei der Vermälung der Prinzessin Mechtildis mit dem Pfalzgrafen Rudolph! Welche Pracht, welcher Muth und welche Gewandtheit in ritterlichen Werken offenbarten sich damals bei den Turnieren und den übrigen Festspielen! Niemand aber vermochte den Kaiser selbst in diesen Tugenden zu übertreffen. Alle Preise errang er selbst zu Ehren der schönen Tochter, und Bewunderung erfüllte die Brust eines jeglichen gegen den ritterlichen Kaiser und Aller Liebe wußte er sich durch sein freundliches Betragen zu gewinnen. Mit Mechtildis schien der gute Engel vom kaiserlichen Hoflager gewichen zu sein. Kaum war sie mit dem Gemale in dessen Heimath gezogen, so ließ sich Adolph zu dem unseligen Kaufe der thüringischen Erbländer überreden, und der Streit, der über ihre Besitznahme entstand und noch immer wüthet, verscheuchte die Heiterkeit seines Gemüths und machte ihn unempfänglich für die Lust an ritterlichen Spielen, und für die Freuden, welche ihm bisher Kunst und Geselligkeit gewährt. Dann grub auch die Treulosigkeit und Bosheit seines früheren Freundes und Verwandten Gerhard von Mainz den giftigen Stachel tief in seine Brust. Dann – doch das ist seine eigene Angelegenheit und es ziemt mir nicht darüber zu entscheiden. Kurz! Zwischen dem Kaiser und der Kaiserin erhoben sich Zwistigkeiten, die bald so weit gediehen, daß Imagina und ihr Sohn Ruprecht den Hof verließen und immer die Orte mieden, wo Adolph verweilte. Viele suchen die Schuld auf der Seite des Kaisers, andere wollen sie bei ihr finden, deren hochfahrender Sinn und stolze Gemüthsart bis jetzt auch jeden Versuch der Wiedervereinigung zurückwiesen. Doch was war das?« unterbrach sich Ritter Schelm jetzt selbst und that einige Schritte nach der in das kaiserliche Gemach führenden Thüre hin. »War das nicht des Kaisers laut erhobene Stimme und rief er vielleicht nach Dir, Sonnenberger?«

Die beiden Männer näherten sich lauschend dem Zimmer, in welchem der Kaiser sich befand. Adolph sprach so laut und heftig, daß sie jedes Wort verstehen konnten; aber der Name des Junkers von Sonnenberg wurde nicht genannt.

»Nein, Ales,« sagte der Monarch in einem Tone, der von einer besondern Gemüthsbewegung zeugte, »ich glaube es nicht und will es nicht glauben. Du bist ein alter Mann und siehst alles mit trüben Augen an und dieses Mißtrauen mag auch wohl Einfluß auf deine Berechnungen und Deutungen gewinnen, so daß Du meine besten Freunde für meine Gegner hältst und mir zu Maßregeln räthst, die mit meinem eigenen Gefühle in Widerspruch stehn. Nein, nein! und tausendemale nein! der Günther kann mich nicht verrathen. Er hat in blutigen Schlachten neben mir gekämpft, ich habe in Zeiten der höchsten Noth den letzten Bissen mit ihm getheilt, wir haben manche Nacht auf einem Lager neben einander geschlafen und er hat meinen hülflosen Zustand nicht mißbraucht, um diejenigen, denen er nach Deiner Angabe dienen soll, mit einemmale von ihrem verhaßten Gegner zu befreien. Ich weiß, daß er viele Feinde unter meinen nächsten Umgebungen hat! Diesen ist die Geschmeidigkeit seiner Sitten zuwider, die er aus dem Auslande mitgebracht, und sie wittern in ihr auch ausländische Gesinnung, obgleich wenigen ein so treues Herz für mich in der Brust schlagen mag, als dem Ritter von Nollingen. Aber dieser thörigte Argwohn hat selbst den sonst weisen Alessandro angesteckt, und er sieht einen bösen Dämon, wo er einen guten Geist erblicken sollte.«

»Unseliger Wahn!« raunte Herr Schelm vom Berge dem Junker zu, indem er ihn in den Hintergrund des Ganges zog, um nicht ferner eine Unterredung zu belauschen, bei der keine Zeugen vorausgesetzt wurden. Aber durch einen Zufall öffnete sich jetzt die Thüre des kaiserlichen Gemachs und ließ einen freien Raum, der sie wider ihren Willen zu Zuhörern des weitern Gesprächs zwischen Adolph und seinem Vertrauten machte.

»Was kümmern den hundertjährigen Greis die Neigungen und Abneigungen der Menschen, die fast alle unter dem Einflusse der eigenen Schwächen stehn?« antwortete die wohllautende und vernehmliche Stimme des Arztes. »Die Zungen der Menschen sind trüglich und ihre Gesinnungen veränderlich, wie die kurze Spanne Zeit, die sie das Leben nennen. Untrüglich aber ist die Sprache der Wissenschaft, die sich in den Gestirnen, in allen Werken der Schöpfung, in kunstreichen Berechnungen und in den Zügen jener schwachen Wesen selbst offenbart für denjenigen, der sie verstehen gelernt. Als ich die letzten Hohenstaufen vor den Zügen nach Italien warnte, glaubten sie mir auch nicht und folgten ihrem Willen; aber sie alle haben dort ihr Grab gefunden: der kühne Friedrich und die übrigen bis auf den blonden Ezzelin herab. Noch einmal, Monarch: drei Dinge thun Noth, damit Du Dir Glück und Leben erhältst und nicht binnen Jahresfrist traurig untergehst: die Entfernung des Verräthers, Versöhnung mit Gerhard von Mainz und Wiedervereinigung mit Deiner Gattin Imagina von Limburg.«

»Meister Ales,« erwiederte der Kaiser gemäßigter als vorher, »ein Wahnbild Deiner kranken Einbildungskraft kann ich nicht entfernen, da es in der Wirklichkeit nicht vorhanden ist. Was Gerhard von Mainz für seine zweideutige Freundschaft verlangt, gereicht zum Nachtheile des Reichs, und Ehre und Pflicht erlauben mir nicht, ihm zu willfahren. Was die Versöhnung mit Imagina betrifft, so will ich darüber nachdenken; aber ich weiß nicht, ob es Mittel geben wird, ihren stolzen und harten Forderungen zu genügen.«

»Folge meinem Rathe, Adolphus von Nassau,« sagte der Greis in der vertrauten Weise, die ihm gestattet war: »entdecke ihr Alles!«

»Nimmermehr!« entgegnete heftig und bestimmt der Kaiser. »Du kennst sie nicht, wie ich sie kenne, da Du mir diesen Anschlag gibst. Sie würde mit grausamem Hohne die Blume zertreten, die ich auf meinem öden Lebenspfade gefunden, und deren Glanz den einzigen Sonnenblick in meine trüben Tage wirft. Diesen Preis kann ich nicht wagen, um ein kaltes Herz wieder dem meinigen nahe zu bringen; aber ich verspreche Dir, es auf eine andere Weise zu versuchen.«

»Und Günther von Nollingen?« hob im Tone der Warnung Alessandro nach einer kurzen Stille wiederum an.

»Kein Wort mehr von ihm!« brauste Adolph unwillig auf. »Er ist erprobt und ächt erfunden. Wer gegen ihn spricht, meint es nicht gut mit mir.« –

»Und Gerhard von Mainz?« fragte der Greis noch einmal in demselben Tone.

»Der Abtrünnige! Der Bundbrüchige!« sprach ruhiger, aber mit gepreßter Stimme der Kaiser. »Er ist verloren auf immer. Er ist unwiederbringlich dahin. Kann ich aus seinem Herzen Tücke und Falschheit, Blutdurst und Mordlust vertreiben, und statt ihrer Redlichkeit und Treue, Milde und Menschenliebe, mit denen er sonst groß that und mich hinterging, dahin verpflanzen? Darf ich gewähren, was er erheischt, und würde er, selbst in dem Falle, daß ich es könnte, nicht immer weiter greifen mit nie zu befriedigender Habsucht und so, zwar langsam, aber um so sicherer seinen Zweck, mich zu verderben, erreichen? Nein! Es ist keine Freundschaft mehr denkbar zwischen mir und ihm. Wir kämpfen auf Leben und Tod: ich mit den Waffen des Rechts und in offner Fehde; er mit denen des Trug's und auf jeglichem Wege, selbst auf dem des Verraths und des Mord's.«

»So rüste Dein Leichenbegängniß, Adolphus von Nassau!« sagte eintönig und dumpf der hundertjährige Alte. »Bereite vor was Deine Feinde Dir versagen werden: ein Grab, wie es dem Kaiser Deutschlands gebührt, die letzte Ruhestätte, wo Du Dein Haupt niederlegen kannst zum ewigen Schlafe. Schon schwirren die Adler und die Geier über dem Gefilde, das Dein Blut trinken wird. Ich sehe die Schwerter gezückt nach Deinem Haupte, die Lanzen zielen nach Deinem Herzen: wehe, wehe! Da steigt eine schwarze Gestalt vor Dir auf, sie hat tausend Arme, tausend Schwerter. Die Schwerter fallen nieder. Du sinkst – Deine Feinde triumphiren – und inmitten eines weiten Leichenfeldes liegt starr und kalt die Kaiserleiche, gekleidet in den Purpur des eigenen Blutes!«

»Mag es geschehen wie Du sagst!« versetzte nach einigen Augenblicken der Stille Adolph von Nassau in einem Tone, der seine innere Erschütterung verrieth. »Mögen Deine Träume Wahrheit werden, mag bald mein Leben hinschwinden in Todesnacht: ich kann nicht anders handeln! Einmal mag ich auf einen Abweg gerathen sein, als ich jene Länder, die noch immer ein trauriger Gegenstand des Streites sind, von dem Manne erkaufte, dessen Recht auf ihren Besitz nicht zu bestreiten ist; aber ich glaubte zum Besten des Reichs zu handeln und diesen Glauben mußte ich vertheidigen mit Kraft und Würde: so gebot es die Ehre des Szepters, den das Geschick in meine Hand gelegt. Seit jener Zeit lebe ich in einem ewigen Streite mit mir selbst und nimmer kann ich mir die Frage beantworten: war es recht, was Du thatst, oder war es nicht recht? Nun sollte ich gar, nur auf meine eigne Wohlfahrt bedacht, dem Gebote meiner Kaiserpflicht entgegen handeln und die Rechte des Reichs verschleudern, um mir Hoheit, Frieden und Leben zu gewinnen? Nein, Meister Ales! Da ist es besser ehrenvoll zu sterben, als auf solche Weise ein Leben mit Schmach bedeckt und von schrecklicher Reue beunruhigt, zu erkaufen.«

»Schmeichle Dir nicht mit dem Gedanken, daß die Nachwelt dieses Opfer anerkennen wird!« wandte Alessandro ein. »Die Diener Deiner Gegner halten den Griffel der Geschichte in ihren Händen. Ihre Pergamente werden die Schmach, welche Du von Deinem Leben abhältst, auf Deinen Namen wälzen.«

»Mag auch das geschehn!« erwiederte der Kaiser mit einem unterdrückten Seufzer, den die beiden verborgenen Zuhörer kaum vernahmen. »Mein Selbstbewußtsein muß mir genügen.«

In diesem Augenblicke sprang der Lieblingshund des Kaisers, ein zierlich gebauetes weißes Windspiel mit braunen Flecken, das immer in seiner Nähe sein mußte, durch die klaffende Thürspalte in den Gang, wo sich Ritter Schelm vom Berge und sein junger Freund befanden. Das wachsame Thier verrieth durch sein Gebell sogleich ihre Gegenwart. Der Kaiser öffnete nun selbst die Thüre und gab den beiden Männern, welche er hieher beschieden hatte, mit einem trüben, aber wohlwollenden Lächeln, ein Zeichen bei ihm einzutreten.



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