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14.

Mit Gut und Blut, mit Leben, mit dem Liebsten,
Was uns auf Erden jemals blühen mag,
Will ich so ganz Euch eigen sein, mein König,
Daß nur der Tod die Treue lösen soll.

M. v. Collin.

Die Ehrfurcht, welche in der Brust Friedmanns gegen den ihm angestammten Herrn seit früher Kindheit Wurzel gefaßt hatte, wurde durch das, was ihm eben zufällig zu Ohren gekommen, in einem hohen Grade vermehrt. Es war ganz natürlich, daß der unglückverkündende Sinn in den Worten des salernitanischen Greises auf einen jungen Mann, der in den Irrthümern jener Zeit aufgewachsen und überdem schon Zeuge eines durch Alessandro bewirkten anscheinenden Wunders gewesen war, einen tiefen Eindruck hervorbrachte. Aber dieser gab bald der Bewunderung vor dem hohen Herrscher Raum, der die Furcht vor dem nahen Tode, das Leben selbst und den Tadel der Nachwelt nicht hoch genug achtete, um ihretwegen seiner Pflicht und seinen Grundsätzen untreu zu werden. Indem der Junker von Sonnenberg, seinem ritterlichen Begleiter folgend, das kaiserliche Gemach betrat, wiederholte er im Stillen den Eid, den er jenem geleistet, mit einer Inbrunst und Festigkeit, welche ihn selbst mit der Ueberzeugung erfüllten, daß nichts auf der Welt ihn veranlassen könnte, wankend in seinen Vorsätzen zu werden.

Das Innere des kaiserlichen Wohnzimmers trug in den Decken von himmelblauem Sammet, mit welchen die Wände behängt waren, eine außergewöhnliche Zierde. Den steinernen Fußboden verbargen, wie es überhaupt in den Wohn- und Prunkgemächern der reichern und höhern Klassen jener Zeit Sitte war, dick ausgestreuete Binsen, aus welchen die ihnen zugemischten wohlriechenden Kräuter einen gewürzigen Duft in den nicht sehr großen Raum hauchten. Der Geschmack unserer Zeit würde an den Sesseln und Tischen von Eichenholz, welche zur Bequemlichkeit des erhabenen Bewohners und seines Vertrauten dienten, Vieles auszusetzen gehabt haben; allein damals begnügte man sich gern mit einem plumpen und mangelhaften Geräthe, von dem man doch selten Gebrauch machte, da der eigentliche Aufenthalt der kriegerischen Generationen des Mittelalters im Freien war und das gewohnte Lieblingsroß alle Bedürfnisse dieser Art ersetzte. Die kleinen runden Glasscheiben der Fenster ließen ein helleres Licht in das Gemach fallen, als man es damals, wo der Gebrauch des Glases noch sehr selten war und statt dessen, selbst in den Häusern vornehmer und reicher Leute, ölgetränktes Pergament und dünn geschabtes Horn angewendet wurde, in dem Innern der Gebäude zu finden gewohnt war.

Hinter dem Sessel, in welchen sich der Kaiser niederließ, befand sich eine Nische mit einem kleinen steinernen Betaltare und einem Marienbilde. Dicht neben ihm saß Meister Alessandro vor einem mit purpurrothen Sammet bedeckten Tische, auf welchen große Pergamentblätter ausgebreitet lagen, in deren Inhalt der Greis so vertieft war, daß er die beiden Eintretenden gar nicht zu bemerken schien. Als Friedmann auf das Geheiß des Monarchen näher trat, bemerkte er auf einer der Pergamenttafeln einen Kreis von allerlei buntfarbigen Thiergestalten, auf einer andern einen blauen Grund mit goldnen Sternen, die wiederum durch viele seltsame Gebilde, welche einzelne Sterne in sich aufnahmen, von einander abgesondert waren. Bei der Beschränktheit von Kenntnissen, die er mit der Mehrzahl seiner Standesgenossen theilte, hielt er diese Abbildungen für magische Charactere, aus denen der weise Arzt, der mit außerordentlichem Eifer Buchstaben und Zahlen auf ein kleines Pergamentblatt niederschrieb, seine Voraussagungen schöpfte.

Das artige Windspiel des Kaisers sprang, sobald der Wille des Monarchen den Junker von Sonnenberg näher geführt hatte, mit freundlichen Liebkosungen an diesem hinauf, leckte ihm die Hand und legte überhaupt solche Zeichen der Freude an den Tag, als habe es einen guten alten Bekannten wiedergefunden.

Adolph sah eine Weile lächelnd diesem Spiele zu. Dann sprach er langsam und sinnend zu Alessandro hin:

»Sieh, Meister, diese schnelle Befreundung meiner Aura mit dem jungen Manne! Sonst läßt sie sich von Leuten, die jahrelang in meiner Nähe weilten, nicht berühren und ihm, den sie zum ersten Male erblickt, gibt sie Beweise einer Anhänglichkeit, wie nur ich sie bisher von ihr erhielt.«

»Der Sinn des Thieres leitet oft richtiger, als die Erkenntniß des Menschen,« versetzte der Arzt, nachdem er einen flüchtigen Blick auf die Gruppe geworfen hatte. »Treue und Treue finden sich, ob auch die Gestalt sie verhüllt.«

»Du meinst also, daß ich diesem Jünglinge vertrauen kann, Ales?« warf der Kaiser fragend hin. »Du, der fast Alles jetzt unter einem trüben Schleier erschauet, glaubst seine Seele ohne Falsch, sein Herz mir aufrichtig zugethan?«

Ernster und prüfend blickte der Greis den Junker von Sonnenberg an, der den Blitzen seines Auges die ruhige Fassung eines schuldlosen Selbstbewußtseins entgegenstellte. Dann sah der Alte wieder auf sein Pergament nieder und antwortete, indem er seine Berechnungen fortsetzte:

»Halte ihn lieb und feßle ihn an Deinen Schritt! Er wird treu an Dir hangen wie wenige und aushalten bei Dir, wenn Alle Dich verlassen. Ja! Trügt mich nicht, was ich beobachtet habe in den Augenblicken, als er Dir zum erstenmale nahete; so wird er dereinst das Wesen beglücken, welches Dir das Theuerste ist auf der Welt, und wird dessen Tage mit Freuden ausstatten, wann Dein böser Genius an Dir vorübergerauscht ist und Dich mit dem unheilbringenden Flügel berührt hat.«

Der Monarch wurde offenbar durch den Inhalt dieser Rede tief ergriffen. Eine matte Röthe trat auf seine bleiche Wange. Er sprang unruhig von seinem Sitze auf und maß einigemale mit großen Schritten das Gemach. Bald aber hatte er sich wieder gefaßt, trat mit edler Würde in seiner ganzen Haltung auf Friedmann zu und sagte:

»Junker von Sonnenberg, wir setzen das gute Vertrauen in Dich, daß Du Dich nicht beleidigt, sondern vielmehr geehrt fühlst durch den Ausspruch des hundertjahrigen Weisen über Dich und Deine Zukunft. Wir sind Dir noch verpflichtet für den Muth und die reife, einem erfahrenen Ritter würdige Einsicht, mit welcher Du uns eine unserer wichtigsten Festen erhalten hast. Diese That, der Geist Deines Vaters, der in dem Sohne fortleben wird, und Deine Geschicklichkeit in ritterlichen Dingen berechtigen uns, Großes von Dir zu erwarten. Bei der ersten Gelegenheit sollen Dir die vollständigsten Beweise unserer kaiserlichen Huld werden. Bis dahin ernennen wir Dich, um Dich mit unserer Person zu befreunden und unserm eigenen Wunsche, Dich in unserer Nähe zu wissen, zu genügen, zu unserm ersten Leibjunker und werden Sorge tragen, daß man Dich von den Pflichten dieses Amtes in Kenntniß setze.«

Die Stelle eines ersten kaiserlichen Leibjunkers galt für so ehrenvoll und wichtig, daß sogar Söhne von Grafen und Reichsfürsten sich bemüheten sie zu erhalten. Die unmittelbare Nähe, in welcher sich derjenige, der sie bekleidete, zu der Person des Reichsoberhauptes befand, räumte ihm, wußte er die Gelegenheit klug zu benutzen, einen größern Einfluß ein, als selbst der angesehenste Ritter oder der erste Geheimschreiber zu erlangen vermochte. Deshalb konnte sie auch nur einem solchen zu Theil werden, in dessen Einsichten und treue Gesinnungen der Monarch ein unbedingtes Vertrauen hatte und dessen Rechte auf eine solche Begünstigung durch eine offenkundige, dem Reiche und dem Kaiser besondern Nutzen bringende Handlung begründet waren. Wann wir erwägen, daß neben so wichtigen Beziehungen, die in diesem Augenblicke den Gedanken Friedmanns nicht fremd bleiben konnten, die Brust des Jünglings mit unbegrenzter Ehrfurcht und Liebe zu seinem Gebieter erfüllt war; so mag uns der Taumel des Entzückens nicht befremden, der ihn ergriff, als er sich auf diese Weise vor so vielen andern, die Stand und Geburt zu der ihm übertragenen Würde eher beriefen als ihn, ausgezeichnet sah.

Er wußte seinem Danke keine Worte zu leihen. In der Ueberwallung seiner Gefühle ließ er sich auf ein Knie vor dem Kaiser nieder und ergriff den Saum seines Mantels, um diesen an seine Lippe zu führen, was jedoch Adolph durch eine Bewegung, mit der er ihm zugleich andeutete sich zu erheben, verhinderte.

Ritter Schelm trat in freudiger Rührung vor und fand für gut, statt des verwirrten Friedmann, das Wort zu nehmen.

»Ihr habt gewiß keinen Fehlgriff gethan, mein kaiserlicher Herr, indem Ihr den Sohn meines alten Waffengenossen, Ludwig von Sonnenberg, zu Euerm Leibjunker erwählet!« sagte er mit zitternder Stimme. »Ein guter Stamm treibt auch einen guten Zweig, und die Lehren des edeln Vaters werden Euch goldene Früchte tragen in den Werken des Sohnes.«

»Auch wir sind davon überzeugt;« versetzte lächelnd der Monarch. »Zwar halten wir Euch weit mehr für einen tüchtigen und trefflichen Ritter, als für einen feinen Menschenkenner; aber diesesmal scheint es uns, daß Ihr das Rechte getroffen habt in der schweren Kunst, das Herz eines Andern zu wägen und sein Inneres zu durchschauen.«

Jetzt gewann auch der Junker von Sonnenberg die Kraft zu reden wieder, ob er gleich sich noch nicht hinlänglich fassen konnte, um die Erhabenheit der Person, vor der er stand, und die Rücksichten, welche die Umstände erheischten, zu beachten:

»So zürnt Ihr mir doch nicht, mein hoher Gebieter?« brachte er stammelnd hervor; »so ruht doch nicht auf mir Euer Zorn, den ich nicht zu ertragen vermöchte, wegen jenes unglücklichen Pergaments? Nein, nein! Ihr habt meine Unschuld erkannt, in Euerer hohen Seele ist kein schmachvoller Verdacht gegen den Sohn Eueres getreuen Statthalters laut geworden!«

»Beruhige Dich, Jüngling!« sagte gütig der Kaiser, der ein besonderes Wohlgefallen darin fand, daß Friedmann einen höhern Werth in seine gute Meinung setzte, als selbst in die ihm ertheilte große Gunstbezeugung.

»Wir glaubten Dich nimmer eines Antheils an diesem verbrecherischen Versuche schuldig und offen gestanden, ist auch nicht die geringste Ursache vorhanden, einen Argwohn gegen Dich zu veranlassen. Aber ein dichtes Dunkel liegt noch über diese Angelegenheit verbreitet. Du vielleicht kannst es erhellen. Berichte mir noch einmal auf das Genaueste, was Dir mit jenem büßenden Mönche begegnet; beschreibe mir genau seine Gestalt und sein ganzes Wesen; füge außerdem noch hinzu, was Dir mit dieser Sache in Beziehung zu stehen scheint.«

Da erzählte Friedmann ausführlich, wie ihn schon der lombardische Kaufmann Antonio Bandini vor jenem büßenden Mönche gewarnt, der auf so seltsame Art die Ueberfahrt über den Fluß bewerkstelligt, wie er dann gleich, als wiederum ein Bruder vom Orden der weißen Büßenden ihm in dem engen Strassendurchgange erschienen sei, geahnt habe, beide Mönche möchten wohl eine und dieselbe Person sein. Er beschrieb das Aeußere des Mönches, den Ton seiner Stimme und vor Allem, den ihm unvergeßlichen Ausdruck seines Auges.

»Er war es selbst!« unterbrach hier hastig Adolph von Nassau den Sprechenden, indem ein schmerzliches Lächeln seinen schön gebildeten Mund umlagerte. »Hast Du gehört, Alessandro?« fuhr er zu dem Arzte gewendet fort. »Du kennst ja auch diese Augen, die ihn verrathen würden unter jeder Verkappung, Du kennst seine Verwegenheit, die ihn vor keinem noch so kühnen Wagestück zurückschrecken läßt, seinen starren und tückischen Sinn, der kein Verbrechen scheut, wo es die Befriedigung der Rache oder irgend einen selbstsüchtigen Zweck gilt. Es ist mir lieb, daß er entronnen ist. Ich mag meine Hand nicht mit dem Blute eines Verwandten beflecken, damit sie das Szepter sicherer halte.«

Nach diesen Worten, welche für unsern mit den Welthändeln der damaligen Zeit noch nicht sehr vertrauten jungen Freund räthselhafter waren, als vielleicht für Ritter Mainhard, versank der Kaiser in ein kurzes Nachdenken. Plötzlich aber fuhr er aus diesem empor und sprach:

»Wie kam dieser Italiener dazu, ihn in solcher Entfernung und in einer Verhüllung zu erkennen, die seine Gestalt und sein Antlitz verbarg? Das ist in der That seltsam und setzt nicht allein eine vertraute Bekanntschaft, sondern auch ein Mitwissen des Unternehmens voraus. Doch wir wollen diese Sache nicht näher untersuchen. Wir wollen die Schande unseres eigenen Blutes nicht offenbaren vor aller Welt. Aber noch eins, Junker von Sonnenberg! Wie wurdest Du mit dem Lombarden, den Du, wenn wir nicht irren, Antonio Bandini nanntest, bekannt?«

Diese Frage setzte den neuernannten Leibjunker in große Verlegenheit. Das ihm unerklärliche Verhältniß, in welchem, dem seltsamen Winke Bandini's und dem sonderbaren Benehmen des Augsburger Brautpaars zu Folge, die schöne Amalgundis zu dem Monarchen stehen mußte, kam ihm in den Sinn. Der bestimmten Frage des Kaisers auszuweichen, war nicht möglich. Er entschloß sich daher nach einem kurzen Zögern, das bereits die Ungeduld Adolphs zu erregen schien, der Wahrheit getreu zu bleiben und berichtete nun ohne Umschweife das Ereigniß, welches sich vor der Bude des Italieners zugetragen und die Art und Weise, wie er die zagenden Frauen vor dem Andrange der zügellosen Menge geschützt hatte. Seine Erzählung war schmucklos, aber er vermochte doch die in seinem Herzen erwachte innige Neigung zu der reizenden Begleiterin des Fräuleins von Praunheim nicht so zu verbergen, daß ein so scharfer Beobachter, wie der Kaiser, sie nicht entdeckt hätte.

Als er geendet hatte, sah ihn der Monarch einige Augenblicke lang starr und betroffen an. Dann trat Adolph mit einer hastigen Bewegung zu dem ruhig fortschreibenden Arzte und fragte diesen halblaut.

»Wußtest Du darum, Alessandro?«

»Nein, Herr,« entgegnete dieser leise und bestimmt. »Aber ich beobachtete sie, als er Dir zum erstenmale gegenüberstand.«

Der Kaiser verweilte eine kurze Zeit in nachdenklicher Stellung hinter dem salernitanischen Arzte. Er hatte die eine Hand auf die Lehne des Sessels gestützt und überließ die andere unabsichtlich den Liebkosungen seiner Aura, die spielend an ihm aufsprang und ihre muntere Laune durch halblautes Bellen und leise Bisse in die tändelnden Finger ihres Gebieters zu erkennen gab. Endlich, nach einer langen Pause, in der sich Friedmanns Verlegenheit bedeutend vermehrt und Herr Schelm vom Berge durch öfteres Scharren mit den Füßen seinen Wunsch, von dem Zwange einer feierlichen Audienz erlöst zu werden, an den Tag gelegt hatte, wandte sich der Monarch wieder an seinen Leibjunker und sprach mit freundlicher Miene:

»Schutz den Bedrängten und Ehre den Frauen! So heißt die erste Pflicht eines wackern Ritters und Edelmannes. Wir besitzen leider der Ritter viele an unserm Hofe, die von Dir lernen könnten in dieser Hinsicht. Faltet nicht die Stirn so finster zusammen, Ritter Mainhard. Ihr seid nicht gemeint, denn Ihr habt bei tausend Gelegenheiten bewiesen, daß Euch keine ritterliche Tugend fremd ist. Wir erwarten von Dir, Junker von Sonnenberg, daß Du fortwandelst auf der neuen Bahn Deines Lebens in der Weise, wie Du sie betreten: das Recht stets im Auge, Muth im Herzen und das Schwert in der Hand, wie Pflicht und Ehre es erheischen. Du zählst der Jahre noch nicht viele und die Sorge hat noch nicht Zeit gefunden, sich in Deine Seele einzuschleichen. Wenn Du aber älter wirst geworden sein, dann wirst Du erkennen, welche süße Befriedigung es ist, auf eine tadellose Vergangenheit zurückblicken zu können. Ist aber Dein Inneres rein von Vorwürfen aller eigenen Schuld geblieben und sendet dennoch ein ungerechtes Schicksal Gram und Kummer in Dein Leben, dann gibt es nur eine Sache, die trösten und erheben kann: die treue Liebe und milde Pflege edler Frauen. Deßhalb ehre und schätze sie, wo Du es vermagst. Wer weiß, welcher schöne Lohn Deiner am Ziele harrt.«

Der Ton, in welchem der Kaiser sprach, war gegen das Ende seiner Rede hin weicher geworden, und sein schönes Antlitz hatte wieder jenen Ausdruck von Schwermuth angenommen, der selten von ihm wich. Als wolle er sich gewaltsam aus dieser Stimmung emporreißen, sagte er plötzlich mit gänzlich veränderter Stimme, und indem er mit einigen raschen Schritten an's Fenster trat und so dem Ritter vom Berge nebst seinem Begleiter ein Zeichen der Verabschiedung gab.

»Dem Ralph Strichauer geschieht übrigens sein Recht. Er ist ein wüster Gesell ohne Zucht und Sitte. Sein Beispiel möge andere warnen vor gleichem Uebermuthe und sogar dem Nollingen zu gefallen würde ich nicht zu seinen Gunsten gesprochen haben, wäre selbst nicht vorauszusetzen gewesen, daß jede Verwendung bei dem starrköpfigen Stadtschultheißen, einmal eine Ausnahme zu machen und von den städtischen Gerechtsamen abzulassen, unnützig geblieben sein würde. Welches Glück, daß dieser Jüngling den tollen Haufen zu bändigen wußte!« setzte er leiser hinzu, so daß es nur von Alessandro verstanden wurde. »Ohne ihn wäre der Stern in meines Lebens Kummernacht jetzt vielleicht schon erloschen, ohne ihn – doch genug der schrecklichen Wahrscheinlichkeiten. Sie ist ja gerettet, und noch verflicht sich ihr Dasein beglückend in das meine, das, würde es nicht durch ihre Liebe aufrecht gehalten, unter der Last einer bestrittenen Kaiserkrone erliegen müßte.«

Während dieses Selbstgesprächs, in dem die heftig bewegten Gefühle des Monarchen laut wurden, hatte Ritter Mainhard seinen jungen Freund aus dem kaiserlichen Gemache geführt. Friedmann befand sich in einer seltsamen Gemüthsstimmung. Bei der Liebe und Bewunderung, welche er dem kaiserlichen Helden zollte, mußte ihn dessen Lob mit freudigem Stolze erfüllen; allein es war ihm während dieser Zusammenkunft mit dem hohen Gebieter so Manches in der dichten Verhüllung eines seltsamen Räthsels erschienen, dessen tief liegender Sinn ihn in seinen geheimsten Wünschen und Empfindungen berührte, daß er, mit seinen Gedanken im Reiche der Möglichkeiten umherirrend, gleich einem Träumenden neben Herrn Schelm hinschritt. Dieser gab ihm jedoch nicht Zeit, sich allzusehr seinen Grillen zu überlassen. Er brachte ihn zu dem kaiserlichen Oberkämmerer, der, auf das Verlangen des Ritters, sich sogleich bereit fand, den Junker von Sonnenberg in den Verpflichtungen des neu übernommenen Amtes zu unterweisen.



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