Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
5 | »Die Köngin denkt gewiss, du tobst, Daß du also mich belobst. Verkaufen wirst du doch mich nicht: Leicht sieht der Käufer, wo's gebricht. Du hast den Mund zu voll genommen. |
|
10 | Doch wie bist du hieher gekommen?« »Das werthe Volk von Punturtois Hat mich und diesen Champanois Freigeben dieses Mal. Morholt, der meinen Neffen stahl, |
|
15 | Von dem soll er entledigt sein, Wenn Herr Brandelidelein Ledig wird von deiner Hand. Wir stehn noch beide sonst zu Pfand, Ich und meiner Schwester Sohn: |
|
20 | Du lösest uns, das weiß ich schon. Ein Vesperspiel nur gab es hier; Es kommt nun gar nicht zum Turnier Diesesmal vor Kanvoleis, Wenn ich die rechte Märe weiß. |
|
25 | Der Aeußern Stärke sitzet hie: So sage selbst, wie könnten sie Vor uns das Feld noch halten? Großen Preises magst du walten.« Da wandte sich die Königin |
|
87 | »Was mein Recht nun an euch sei, Ich flehe, laßet mich dabei: Gern wär ich eurer Huld auch werth. Könnte, wenn ihr dieß gewährt, |
|
5 | Euer Preis zu Schaden kommen, So würde mir Entsagung frommen.« Anflise, der Königin, |
|
10 | Er sprach: »Nicht doch, sein hat Gewalt Meine Frau, die in dieß Land Um seine Minne mich gesandt. Schon lang verzehrt sie sich um ihn: Ihrer Minne hat er sich verliehn, |
|
15 | Sie soll ihn auch behalten, traun: Denn sie liebt ihn über alle Fraun. Ihre Boten sind hier Fürsten drei, Kinder alles Tadels frei. Der eine heißet Lanzidant |
|
20 | Von hoher Art aus Grünland: Der ist gen Kärlingen gekommen Und hat die Sprache angenommen; Der andre heißet Liadarz, Fils dü Comte Schiolarz.« |
|
25 |
Wer denn nun der dritte wäre, |
|
88 | Die liefen alle drei vor ihn Und sprachen: »Herr, hast du nun Sinn (Dir zollt la Reine de France Der werthen Minne Schanze), |
|
5 | So magst du spielen sonder Pfand, Deine Freud ist Kummers frei zuhand.«88, 1–6. Vgl. Anm. zu 82, 18–20. Als diese Botschaft ward vernommen, |
|
10 | Da wandte sie das Wort an ihn: »Sag an, ist dir noch mehr geschehn? Ich habe Blut an dir gesehn.« Da begriff sie ihm zur Stunden Seine Quetschungen und Wunden |
|
15 | Mit ihren linden Händen weiß, Auf die verwandt war Gottes Fleiß. Da hatt er manchen Schaden, War mit Schrunden überladen An Hüfte, Kinn und an der Nase. |
|
20 | Vermählt war ihm der Königin Base, Die ihm diese Ehr erzeigte, Sich so nahe zu ihm neigte. Da sprach sie, wie die Zucht sie hieß, |
|
25 | »Der Franzosen Königin Entbeut euch minniglichen Sinn. Nun ehrt an mir die Frauen all Und bringet nicht mein Recht zu Fall. Bleibt hier, bis ich mein Recht genommen; Ihr laßt mich sonst zu Schaden kommen.« |
|
89 | Das versprach der werthe Mann; Mit Urlaub schied sie da hindann. Sie hob Kailet, der Degen werth, Ohne Schemel auf ihr Pferd. |
|
5 | Wieder trat er dann herein, Wo er fand die Freunde sein. Er sprach zu König Hardeiß: |
|
10 | Da nun ein Andrer sie bekam Und ein Beßerer als ich, So erlaßt doch eures Zornes mich. Sie hat den Fürsten Lämbekein; Soll sie auch nicht gekrönet sein, |
|
15 | Sie herscht doch als gewaltge Frau. Brabant und Hennegau Dient ihr, und mancher Ritter gut. Grüßt mich nun wieder frohgemuth, Laßt mich in euern Hulden stehn: |
|
20 | So soll mein Dienst euch nicht entgehn.«
Gaskoniens König sprach dagegen |
|
25 | Dem ihr so manche Schmach gethan, So scheint es, Furcht war Schuld daran. Mich fing hier eurer Muhme Sohn; Der wägt zwar Niemand übeln Lohn.« »Euch giebt wohl ledig Gachmuret: Das sei zuerst von ihm erfleht. |
|
90 | Wenn ihr dann ungezwungen seid, So erlebt mein Dienst wohl noch die Zeit, Daß ihr mich zum Freunde nehmt; Ihr habt euch nun genug geschämt. |
|
5 | Was mir auch von euch geschicht, Eure Schwester schlüge mich doch nicht.« Der Rede lachten sie zumal; |
|
10 | Der Wirth in Leid und Reue, Denn Jammer ist ein scharfes Reis. Sie sahen Alle rings im Kreiß, Wie er schwer mit Kummer rang Und seine Freude Leid bezwang. |
|
15 | Seiner Muhme Sohn hub zürnend an Und sprach: »Du thust nicht wohl daran.« »Nein, ich weiß, warum ich traurig bin: |
|
20 | Um die mir noch das Herz ist wund, Von reiner Art ein süßes Weib. Ihre Reinheit legt mir Seel und Leib In des Minnekummers Band. Sie gab mir Leute, gab mir Land. |
|
25 | Mannliche Freuden meinem Sinn Belakane raubt die Königin: Scham geziemt dem Mann doch gut Um der Minne Wankelmuth. Da mich ihre Zärtlichkeit Hütete vor Kampf und Streit, |
|
91 | Da wähnt ich, daß mir Ritterschaft Sänftete des Unmuths Kraft; Hier hab ich doch genug gethan. Wohl denkt manch unverständger Mann, |
|
5 | Daß ihre Schwärze mich vertrieb: Die war mir wie die Sonne lieb. Mir schafft der Werthen Preis dies Leid: Sie hat die höchste Würdigkeit. »Ich muß das Ein und Andre klagen: |
|
10 | Meines Bruders Wappen sah ich tragen Mit emporgekehrtem Ende.« Weh diesem Elende! Wie laut der Jammer da erscholl! Die Augen wurden Waßers voll |
|
15 | Auch dem kühnen Spaniole: »O weh, Königin Fole,91, 16. Nach 346, 16 hieß die Königin von Averre (Auvergne), Galoes Geliebte, nicht Fole sondern Annore. Vielleicht ist hier folle, thörichte Königin, zu lesen. Ihr heftiger Tadel im Munde Kailets setzt voraus, daß er nicht weiß, wie schwer sie ihre Härte gegen Galoes gebüßt hat: die Reue hat ihr nämlich den Tod gegeben. Vgl. 80, 26 mit 346, 15. Obiens Worte: Ihr seid mir lieb wie Annoren Galoes, sagen nur, ich liebe euch zwar, doch sollt ihr meine Liebe ritterlich verdienen müßen, wie es Annore von Galoes verlangte. Um deine Minne starb den Tod Galoes: das ist die Noth, Die treulich klagen sollten |
|
20 | Alle Frauen, wenn sie wollten, Daß es ihrer Sitte brächte Ruhm, wo man des gedächte. Ja, Averrens Königin, Rührt es dir auch nicht den Sinn, |
|
25 | Den Freund verlor ich doch durch dich, Dem das Ende ritterlich Gab eine Tjost, die ihn erschlug, Als er deine Farben trug. Nun wollen Fürsten, die ihm waren Genoßen, keine Klage sparen. |
|
92 | Sie haben ihres Schildes Breite, Als zum Trauergeleite, Zu der Erden gekehrt, Wie sie großer Kummer lehrt. |
|
5 | Also thun sie Ritterschaft. Sie überwältigt Jammers Kraft, Da Galoes, meiner Muhme Sohn, Nicht Dienst mehr thut um Minnelohn.« Als er vernahm des Bruders Tod, |
|
10 | Das schuf ihm neue Herzensnoth. Da sprach der Degen jammerhaft: »Wie hat nun meines Ankers Haft Grund erfaßt bei einem Grab!« Da legt' er dieses Wappen ab. |
|
15 | Das Herz ihm schier vor Jammer brach. Der Held aus wahrer Treue sprach: »Von Anschau Galoes! Wohl versichert sind wir des: Nie wurde so mannliche Zucht |
|
20 | Geboren; wahrer Milde Frucht Dir aus dem Herzen blühte: Nun erbarmt mich deine Güte.« Da begann er zu Kailetten: |
|
25 | Der Mutter mein, der Freudenarmen?« »So daß Gott es mag erbarmen: Da ihr erstorben war Gandein, Und Galoes, der Bruder dein, Und sie auch dich nicht bei sich sah, Im Tode brach das Herz ihr da.« |
|
Da sprach der König Hardeiß: |
||
5 | Sein Kummer leider war zu groß: Ein Guß ihm von den Augen floß. Er schuf den Rittern gute Ruh; Er selbst ging seiner Kammer zu, Ein kleines Zelt von Samt: die Nacht |
|
10 | Ward mit Jammer zugebracht.
Als der andre Tag erschien, |
|
15 | Sei er alt oder jung, Sei er schwach, sei stark genung, Sie tiostierten heute nicht. Da schien der mitte Morgen licht. Sie waren auch so aufgerieben, |
|
20 | Die Pferde schon so abgetrieben, Daß die Ritter kühn im Streit Doch übernahm die Müdigkeit. Selber ritt die Königin Zu Felde nach den Werthen hin |
|
25 | Und nahm sie mit sich in die Stadt, Wo sie die Allerbesten bat, Daß sie zum Löwenplane ritten. Da geschah nach ihren Bitten: Sie kamen, als man Messe sang Dem traurgen König von Zaßamank. |
|
Da nun gegeben ward der Segen, |
||
5 | Da sprach er: »Frau, ich hab ein Weib, Die ist mir lieber als der Leib. Wenn ich der ledig wäre, Wüst ich noch andre Märe, Damit entging' ich euch fürwahr, |
|
10 | Nähm Jemand meines Rechtes wahr.«
Sie sprach: »Die Möhrin laßet |
|
15 | Nach unserm Glauben mich zu minnen; Eure Minne liegt mir in den Sinnen. Oder bringt mir Ungewinn Der Franzosen Königin? Ihre Boten haben süß gesprochen, |
|
20 | Und nie habt ihr sie unterbrochen.«
»Ja, Die ist mir Gebieterin! |
|
25 | Sie bildete mich erst zum Mann, Denn sie floh, was Fraun entstellen kann. Wir waren Kinder beide noch, Und sahn wir uns, es freut' uns doch. Anflise hat, die Königin, An allem Frauenpreis Gewinn. |
|
95 | Was ihr steuern mocht ihr Land, Gab sie mir mit milder Hand (Ich war da noch ein armer Mann): Das nahm ich Alles willig an. |
|
5 | Zählt mich jetzt noch zu den Armen. Ihr solltet, Frau, euch mein erbarmen; Mir ist mein werther Bruder todt: Erlaßt mir gnädig andre Noth. Kehrt Minne hin, wo Freude wohnt; |
|
10 | Mein Herz hat Jammer nicht verschont.«
»Soll ich noch länger mich verzehren? |
|
15 | Hier sein: es hatt nicht Statt gefunden; Das können Zeugen viel bekunden.« »Ein Vesperspiel hat das erlähmt; Die Kühnsten sind schon jetzt gezähmt: Davon verdarb das Turnier.« |
|
20 | »Eure Stadt nur wehrt' ich hier Mit Andern, Siegern in der Fehde. Erlaßt mir weitre Gegenrede; Hier thaten Viele mehr als ich. Ihr seht, ihr habt kein Recht an mich; |
|
25 | Nur euer Gruß geziemt mir wohl, Wenn ich den noch haben soll.« Wie mir die Aventüre sagt, |
|
96 | Man sprach dieß Urtheil zuhand: »Wer hier den Helm sich überband, Wenn zum Turnier er war gekommen, Hat er den höchsten Preis genommen, |
|
5 | Dem vermähle sich die Königin.« Die Folge ward dem Spruch verliehn.96, 6. Folge ist (nach dem altd. Gerichtsverfahren), wenn dem zuerst urtheilenden die übrigen Schöffen oder auch die umstehenden freien Männer beipflichten. J. Grimm. Vgl. 97, 16, wo es heißen sollte: Da Folg und Urtheil ward gethan. Da sprach sie: »Herr, nun seid ihr mein. Ich will euch Huld und Dienst verleihn, Geb euch an Freuden solchen Theil, |
|
10 | Daß ihr vom Jammer werdet heil.«
Er hatte doch von Jammer Pein. |
|
15 | Man sah es überall ergrünen. Das mag ein blödes Herz erkühnen Und verleihen Hochgemüthe. Man sah die Bäum in Blüte Von der süßen Luft des Maien. |
|
20 | Vom Geschlecht war er der Feien: Das muß minnen oder Minne gehren; Seine Freundin wollt ihm die gewähren. Frau Herzeleiden blickt' er an, |
|
25 | »Frau, soll ich bei euch gedeihn, So müßt ihr nicht mein Hüter sein. Läßt ab von mir des Jammers Kraft, So thät ich gerne Ritterschaft. Laßt ihr nicht turnieren mich, So kann ich noch den alten Schlich, |
|
97 | Womit ich meinem Weib entrann, Die ich auch mit Ritterschaft gewann: Weil sie Streitens mich entband, Ließ ich ihr Volk und ließ ihr Land.« |
|
5 | Sie sprach: »Herr, nehmt euch selbst ein Ziel; Ich laß euch eures Willens viel.« »Viel Spere brech ich noch entzwei. Alle Monat ein Turnei: Wenn ich die besuchen will, |
|
10 | Darüber, Herrin, schweiget still.« Sie versprachs, ward mir gesagt: Er empfing die Länder und die Magd. Anflisens kleine Junker drei |
|
15 | Und der Königin Kaplan, Da Folg und Urtheil ward gethan, Daß er wohl Alles hört' und sah, Zu dem König sprach er heimlich da: »Meiner Herrin wurde kund, |
|
20 | Ihr hättet vor Patelamunt Den höchsten Preis erhalten, Dürftet zweier Kronen walten. Sie hat auch Land und solchen Muth, Daß sie euch Leben giebt und Gut.« |
|
25 |
»Seit sie mir gab die Ritterschaft, |
|
98 | Es sei mein Schade, sei mein Glück, Mich hält hier Ritters Spruch zurück. Nun sagt ihr meinen Gruß daheim, Ich woll ihr Ritter dennoch sein. |
|
5 | Wären alle Kronen mir bereit, Nach ihr hab ich mein höchstes Leid.« Da bot er ihnen große Gabe; Doch sie verschmähten seine Habe. Die Botschaft fuhr zu Lande |
|
10 | Ohn ihrer Frauen Schande. Um Urlaub hielten sie nicht an, Wie es im Zorn wohl wird gethan. Den Fürsten sah man, diesen Kinden, Die Augen schier vor Leid erblinden. |
|
15 |
Die im Feld den Schild verkehrt getragen, |
|
20 | Mein Herr ist leider längst schon fort Um Rittersehre zu den Heiden: Das ist hier unser gröstes Leiden.« »Der hier den Preis erwarb im Feld, Der so manchen Ritter hat gefällt, |
|
25 | Derselbe, der so stach und schlug, Und der den theuern Anker trug Auf dem Helme lichtgesteinet, Der ist es, den man meinet. Mir sagt der König Kailet, Der Anschewein war Gachmuret. |
|
99 | Dem ist hier wohl gelungen.« Zu den Rossen ward gesprungen. Ihr Kleid ward von den Augen naß, Als sie hinkamen wo er saß. |
|
5 | Sie empfingen ihn, er empfing auch sie: Freud und Jammer sah man hie. Da küsst' er die Getreuen all: |
|
10 | Ich hoffe, ich ersetz euch ihn. Kehrt auf den Schild nach alter Art, Nach der Freude Brauch gebahrt. Meines Vaters Wappen will ich tragen: Mein Anker hat sein Land beschlagen. |
|
15 | Der Anker sei ein freies Ziel: Den nehm und trage, wer da will. Ich muß nun wie ein Lebemann Gebahren, da ich Gut gewann. Ich soll des Volkes Herscher sein: |
|
20 | Dem schüfe leicht mein Jammer Pein. Frau Herzeleide, helfet mir, Daß wir bitten, ich und ihr, Könge und Fürsten insgemein, Daß sie mir zu Willen sei'n |
|
25 | Und bleiben, bis Ihr mir gewährt Was Lieb vom süßen Lieb begehrt.« Die Bitte bat da beider Mund: Da versprachens jene gleich zur Stund. Ein Jeder fuhr zu seiner Ruh. |
|
100 | »Verlaßt euch nur auf meine Pflege.«100, 1–18. Die Gedichte dieser Zeit laßen das Beilager, durch welches die Ehe rechtlich zu Stande kam, der Hochzeit und der Trauung vorhergehen. Da wies sie ihn geheime Wege. Der Gäste ward doch wahr genommen, Wohin der Wirth auch sei gekommen. |
|
5 | Beider Ingesinde ward gemein; Den König sah man ganz allein, Nur mit zweien Jungherrn, ziehn. Jungfrauen und die Königin Ihn führten, wo er Freude fand, |
|
10 | Und all sein Kummer gar verschwand. Seine Trauer lag darnieder, Hochgemüthe kam ihm wieder: Das hat die Liebe stäts verliehn. Frau Herzeleid die Königin |
|
15 | Ihres Magdtums ohne ward. Die Munde blieben ungespart, Mit Küssen wurden die verzehrt, Und dem Leid mit hoher Lust gewehrt. Ein höfsche Zucht ward da begangen: |
|
20 | Er gab sie frei, die er gefangen. Hardeißen und Kailet, Seht, die versöhnte Gachmuret. Da erging eine solche Hochzeit, Wer Gleiches schuf nach seiner Zeit, |
|
25 | Wohl hatt er Reichtum und Gewalt. Gachmuret entschloß sich bald, Seiner Habe ward nicht viel gespart. Arabisch Gold gespendet ward Dürftgen Rittern insgemein; Den Köngen manchen Edelstein |
|
101 | Schenkte Gachmuretens Hand Und allen Fürsten, die er fand. Da ward das fahrende Volk ihm hold, Sie empfingen reicher Gaben Sold. |
|
5 |
Nun laßt die Gäste reiten heim |
|
10 | Der Königin ein Hemdelein,101, 10. Vgl. zu 32, 14. Das ihr berührt den bloßen Leib, Die nun geworden war sein Weib, Das deckte seinen Halsberg da. Ihrer achtzehn man durchstochen sah |
|
15 | Und mit Schwertern ganz zerhauen, Eh er schied von der Frauen. Sie legt' es auf die bloße Haut, Wenn aus dem Streite kam ihr Traut, Wo er zerbrochen manchen Schild. |
|
20 | Ihre Minne war der Treue Bild.
Er hatte Würdigkeit genug, |
|
25 | Ihm kam gewisse Botschaft, Der Baruch wär mit Heereskraft Ueberfallen vor Babylon. Der Eine war Ipomidon, Pompejus der andre hieß; Die Aventüre meldet dieß. |
|
102 | Das war ein stolzer, werther Mann (Nicht jener, der von Rom entrann Julius Cäsarn hiebevor); Der König Nachbuchdonosor, |
|
5 | Seiner Mutter Bruder war, Der in verlognen Büchern gar Las, er wäre selber Gott: Das wäre nun der Leute Spott. Sie schonten weder Leib noch Gut. |
|
10 | Edel war der Brüder Blut: Von Ninus, der der Herschaft pflag, Eh gestiftet wurde Baldag; Er stiftete auch Ninive. Ihnen that ein Schimpf, ein Schade weh: |
|
15 | Der Baruch sprach sie an für eigen; Drum muste sinken Glück und steigen Im Krieg zu beiden Seiten: Man sah die Helden streiten. Nun schuft' er wieder über Meer |
|
20 | Und mehrte seines Herren Wehr. Mit Freuden er empfangen ward, Wie mich auch jammert seiner Fahrt. Was da geschah, wie's da ergeh, |
|
25 | Das weiß Frau Herzeleide nicht. Sie war als wie die Sonne licht Und hatte minniglichen Leib. Jugend und Gut besaß das Weib Und Freuden mehr noch als zuviel: Sie überflog der Wünsche Ziel. |
|
103 | Ihr Herz sann nur auf gute Kunst: Das erwarb ihr aller Leute Gunst. Frau Herzeleid die Königin Erwarb durch Sitte Lobs Gewinn; |
|
5 | Ihre Reinheit ward mit Preis erkannt. Drei Lande dienten ihrer Hand: Waleis und Anschau, Die beherschte sie als mächtge Frau: Auch trug sie Krone zu Norgals |
|
10 | In der Hauptstadt Kingrivals. Ihr war auch wohl so lieb ihr Mann, Wenn nimmer eine Frau gewann So werthen Freund, was that ihr das? Dawider trug sie keinen Haß. |
|
15 |
Als er außen blieb ein halbes Jahr, |
|
20 | Weh o weh und heia hei! Daß Güte solchen Kummer trägt Und immer Treue Jammer regt! Seht das Looß der Menschheit! Heute Freude, morgen Leid. |
|
25 |
Die Frau um einen mitten Tag |
|
104 | Mancher feurge Donnerstral. Ringsher flogen sie zumal Nach ihr: mit Knistern sengte Glut Ihres langen Haares Flut. |
|
5 | Der Donner mit Gekrach erscholl, Sein Guß von heißen Zähren schwoll. Als sie Besinnung wieder fand, |
|
10 | Da sah sie Dinge wunderlich: Wie sie mit einem Wurme kreiße, Der ihr den Mutterschooß zerreiße, Ihr ein Drach die Brüste söge, Und dann plötzlich von ihr flöge, |
|
15 | Daß sie ihn nimmer wiedersah. Das Herz im Leibe brach ihr da Der Schrecken, den sie muste sehn. Wohl nie ist einer Frau geschehn Im Schlaf ein Unheil diesem gleich. |
|
20 | Bis dahin war sie freudenreich; Ach leider, das verkehrt sich gar, Sie hat nun Jammer immerdar. Ihr Schade wird noch lang und breit, Ihr droht ein nahend Herzeleid. |
|
25 |
Die edle Frau begonnte, |
|
Da kam geritten Tampaneis, |
||
5 | Sie klagten ihres Herren Tod. Da kam Frau Herzeleid in Noth, Sie sank besinnungslos dahin. Die Ritter sprachen: »Den Gewinn Nahm unser Herr im Harnischkleid? |
|
10 | Er ritt doch wohlverwahrt zum Streit.«
Wie den Knappen Jammer plagte, |
|
15 | Die Hitze zwang ihn zu der Frist. Verfluchte heidnische List Hat uns geraubt den Ritter gut. Ein Ritter hatte Bocksblut105, 18. Daß man mit dem Blut eines gewissen Thieres den Diamant erweichen könne, weiß auch Hartmann im Ereck 8436. Genommen in ein langes Glas; |
|
20 | Das schlug er auf den Adamas: Da ward er weicher denn ein Schwamm. Den man oft gebildet als ein Lamm Und ihm ein Kreuz zu tragen gab, Den erbarme was sich da begab. |
|
25 |
»Als die Scharen auf einander ritten, |
|
106 | Da sie sich treffen mochten. Wie die Haufen sich verflochten, Panier sich wirrte mit Panier! Da fielen viel der Helden zier. |
|
5 | Hier wirkte meines Herren Hand, Daß aller Andern Preis verschwand. Da fuhr heran Ipomidon: Mit Tod er meinem Herren Lohn Gab; er stach ihn nieder da, |
|
10 | Daß es manch Tausend Ritter sah.
»Vor Alexandrien der Stadt |
|
15 | Der Speer durchschnitt ihm Helm und Stirn, Das Eisen fuhr durch Haupt und Hirn, Daß man den Splitter drinne fand. Noch saß zu Ross der Weigand; Sterbend ritt er aus dem Streit |
|
20 | Auf einen Plan, der war breit. Ueber ihn da kam sein Kapellan. Er hob mit kurzen Worten an Zu beichten und sandte her Dieß Hemde und denselben Sper, |
|
25 | Der ihn von uns geschieden hat. Er starb ohn alle Missethat. Euch, Frau Königin, befahl Er Kind' und Knappen allzumal. »Zu Baldag ward der Held besargt. |
|
107 | Mit Golde ward das Grab geschmückt, Des Reichtums Siegel drauf gedrückt; Auch glühn viel edle Steine, Wo bestattet ist der Reine. |
|
5 | Gebalsamt ward sein junger Leib. Jammer faßte Mann und Weib. Es deckt ein köstlicher Rubin Sein Grab: durchscheinend sieht man ihn. Nach Christensitte ließ man auch |
|
10 | Ein Kreuz ihm, nach der Marter Brauch, Durch die uns Christi Tod erlöste, Daß es seine Seele tröste Und schirme, bilden auf sein Grab. Der Baruch gern die Kosten gab. |
|
15 | Es ist von köstlichem Smaragd. Ohne der Heiden Rath ward dieß vollbracht, Die nicht das Kreuz zu ehren pflegen, Daran Christ uns sterbend ließ den Segen. Ihn selber beten sonder Spott |
|
20 | Die Heiden an als ihren Gott, Zwar nicht dem Kreuz zur Ehre, Noch nach der Taufe Lehre, Die uns einst am jüngsten Tag Von Höllenstricken lösen mag. |
|
25 | Die ritterliche Treue sein Giebt ihm im Himmel lichten Schein Und seine reuge Beichte, Den Falschheit nie erreichte. »In seinen Helm, den Diamant, |
|
108 | Das man ins Kreuz versenken ließ. Die Buchstaben melden dieß: »Eine Tjost durch diesen Helm erschlug Den Werthen, der Mannheit trug. |
|
5 | Gachmuret war er genannt; Drei Reiche dienten seiner Hand. Sein Haupt trug dreier Kronen Zier, Und reiche Fürsten folgten ihr. Er war von Anschau geboren |
|
10 | Und hat vor Baldag verloren Das Leben für den Baruch. Seine Tugend nahm so hohen Flug, Kein Anderer erreicht das Ziel, Man prüfe Ritter noch so viel. |
|
15 | Von der Mutter ist noch ungeboren, Dem er als Dienstmann Treu geschworen, Uebt' er anders Schildesamt. Doch lieh er Hülf und Rath gesamt Mit Stätigkeit den Freunden sein. |
|
20 | Von Fraun erlitt er scharfe Pein. Er war getauft nach Christenbrauch; Der Sarazene klagt ihn auch: Das ist ohne Lüge wahr. Seit er bei vollen Sinnen war, |
|
25 | Hat seine Kraft nach Preis geworben, Bis er mit Ritterpreis gestorben. Der Falschheit hat er obgesiegt. So wünscht ihm Heil denn, der hier liegt.« Also sprach der Knappe da; Der Waleisen viel man weinen sah. |
|
Die hatten Grund zu klagen. |
||
5 | Schon lebt' es achtzehn Wochen lang, Des Mutter mit dem Tode rang, Frau Herzeleid die Königin. Die Andern hatten Thorensinn, Daß man nicht half dem Weibe: |
|
10 | Denn sie trug in ihrem Leibe Der aller Ritter Blume wird, Wenn ihn der Tod daran nicht irrt. Da kam ein altgreiser Mann Klagend zu der Frau heran, |
|
15 | Die da mit dem Tode rang: Ihre Zähn er von einander zwang, Man goß ihr Waßer in den Mund: Alsbald ward ihr Besinnung kund. »O weh, wo ist mein Herzenstraut?« |
|
20 | Sie beklagt' ihn überlaut. »Vor Freude ward das Herz mir weit Ueber Gachmuretens Würdigkeit. Sein Hochsinn ließ ihn mir nicht mehr. Ich war viel jünger als er |
|
25 | Und bin ihm Mutter doch und Weib: Trag ich hier nicht seinen Leib Und von seinem Fleisch den Samen? Wir gaben ihn und nahmen Durch unser beider Minne. Hat nun Treue Gott im Sinne, |
|
110 | Laß er ihn mir zu Reife kommen. Zuviel Schaden hab ich schon genommen An meinem stolzen werthen Mann. Wie hat der Tod an mir gethan! |
|
5 | Ward je ihm eines Weibes Minne, Ihre Freuden freuten seine Sinne, Ihr Leid sein Herz betrübte, Weil er immer Treue übte, Denn alles Falsches war er leer.« |
|
10 | Nun vernehmet andre Mär,
Was die edle Frau beging: |
|
15 | Die werthe Frucht von Gachmuret: Das erfleht mein herzliches Gebet. Gott wahre mich vor dummer Noth: Das wär Gachmuretens andrer Tod, Wenn ich mich selber schlüge, |
|
20 | Dieweil ich bei mir trüge, Was ich von seiner Minn empfing, Der immer Treu an mir beging.« Unbekümmert, wer es sah, |
|
25 | Ihr Brüstlein lind und weiß Pflegte sie mit Mutterfleiß Und hob sie an den rothen Mund: Weiblich Gehaben thät sie kund. Also sprach die weise: »Du wirst meines Kindes Speise: |
|
111 | Die hat es sich voraus gesandt, Seit ichs im Leibe lebend fand!« Es schuf der Frau kein Ungemach, |
|
5 | Die Milch in ihrem Tüttelein: Die drückte draus die Köngin rein. Sie sprach: »Du kommst von Treue her. Wär ich noch ungetauft bisher, Mit dir ich gern mich taufen ließe; |
|
10 | Ich weiß, daß ich mich oft begieße Mit dir und mit den Augen mein Oeffentlich und insgeheim: Denn Gachmureten will ich klagen.« Sie ließ ein Hemd zur Stelle tragen, |
|
15 | Das von Blut geröthet war, Darinnen vor des Baruchs Schar Das Leben Gachmuret verlor, Der ein herlich Ende kor Mit rechter mannhafter Wehr. |
|
20 | Da fragte sie auch nach dem Sper, Der Gachmureten schuf das Weh: Ipomidon von Ninive Gab also wehrlichen Lohn, Der stolze Held von Babylon; |
|
25 | In Fetzen hing das Hemd von Schlägen. Die Herrin wollt es an sich legen, Wie sie sonst auch wohl gethan, Wenn vom Turnieren kam ihr Mann: Sie nahmen ihr es aus der Hand. Die Fürstin allzumal im Land |
|
112 | Begruben Speer und auch das Blut Im Münster, wie man Todten thut. Da ward in Gachmuretens Land Abwärts Jammer bekannt. |
|
5 |
Darauf am vierzehnten Tag Hier beginnt der Aventüre Spiel: |
|
10 | Wir stehn an ihres Anfangs Ziel; Nun ist er erst geboren, Dem die Märe ward erkoren. Seines Vaters Freud und Noth, Sein Leben und zumal sein Tod, |
|
15 | Davon vernahmet ihr bisher. So habt ihr Kunde denn, woher Dieser Märe Held entsprang, Und wie man ihn bewahrte lang: Man barg ihn vor Ritterschaft, |
|
20 | Bis er erwuchs zu Sinn und Kraft.
Als die Köngin zu sich kam |
|
25 | Was es zwischen den Beinen trug. Geliebkost ward ihm genug, Als er männlich war von Glieden. Mit Schwertern lernt' er schmieden: Den Helmen Feuers viel entschlug, Des Herze Kraft und Mannheit trug. |
|
113 | Die Königin kannte kein Gelüste, Als daß sie ihn fleißig küsste. Sie sprach viel tausendmal gewiss: »Bon Fils, scher Fils, beau Fils.« |
|
5 |
Die Köngin ohne lange Wahl |
|
10 | Die ihn trug im keuschen Schrein: Sie erzog ihn an der Brust, Der aller Falsch war unbewust. Sie daucht', als war ihr Gachmuret In ihren Arm zurück erfleht. |
|
15 | Sie legte sich auf keinen Trug; Demuth hatte sie genug. Frau Herzeleide sprach mit Sinn: |
|
20 | Der für uns den scharfen Tod Am Kreuze menschlich empfing Und seine Treu an uns beging. Der eignen Seele Schaden bringt, Wer ihn nun zum Zorne zwingt, |
|
25 | Wie verständig sonst er wäre: Des weiß ich sichre Märe.« Sich begoß des Landes Frau |
|
114 | Seufzen, Lachen konnt' ihr Mund Beides wohl in Einer Stund. Des Sohns Geburt erfreut' ihr Herz; In der Klage Furt ertrank ihr Scherz. |