Wolfram von Eschenbach
Parzival und Titurel
Wolfram von Eschenbach

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

        Was bericht' ich nun noch mehr?
Poidikonjonz war stolz und hehr.
5   Der kam mit solcher Heereskraft,
Wär im Schwarzwald jedes Reis ein Schaft,
Da könnte dichtrer Wald nicht stehn
Als in seiner Schar zu sehn.
Er kam sechs Fähnlein stark geritten:
10   Von denen wurde bald gestritten.
Posaunen hört man krachend tönen,
So pflegt der Donner zu erdröhnen,
Wenn er die Welt in Schrecken setzt.
Wirbelnd stimmten Trommeln jetzt
15   In der Posaunen Blasen.
Blieb noch ein Halm am Rasen
Unzerstampft, so weiß ichs nicht.
Der Erfurter Wingert spricht379, 18. König Philipp, dem wie §. 4 gesagt ist, Walther und wahrscheinlich auch Wolfram anhing, ward 1203 von dem Landgrafen Herman, der bis zum Sommer 1204 auf der Seite des Gegenkönigs Otto stand, zu Erfurt neun Tage lang belagert. Da die Spuren davon noch sichtbar waren, als Wolfram diesen Theil des Parzival dichtete, so schließt Lachmann zu Walther 20, 4 daraus, daß er nicht lange nach dem Sommer 1204 nach Eisenach gekommen sei.
Noch von solcher Tritte Noth,
20   Dem mancher Huf Verwüstung bot.

Da kam der Herzog Astor
Im Kampf an Die von Jamor.
Da stachen Spere scharf gewetzt;
Da ward manch werther Mann entsetzt

25   Hinters Ross auf den Acker.
Sie stritten scharf und wacker.
Da scholl viel fremdes Feldgeschrei,
Manch Rösslein lief im Felde frei,
Des Herr auf seinen Füßen stund;
Mich dünkt, dem war Gefälle kund.

380  

Da ersah mein Herr Gawan
Sich verflechten auf dem Plan
Die Freunde mit der Feinde Reihn:
Da schwang auch er sich mitten drein.

5   Ihm zu folgen hielt da schwer;
Die Rosse schonten doch nicht sehr
Scherules und die Seinen:
Gawan zwang sie sich zu peinen.
Was er da Ritter niederstach
10   Und was er starker Spere brach!

Dieser werthe Tafelrunder,
Lieh ihm die Kraft nicht Gottes Wunder,
Des höchsten Preises wär er werth;
Da ward erschwungen manches Schwert.

15   Er fragte nicht, von welchem Heer,
Seine Hand traf Beide schwer,
Die von Li und die von Gross.
Man sah ihn manch erbeutet Ross
Von der wie jener Seiten
20   Zu des Wirths Panier geleiten.
Ob es Jemand wolle, frug er da;
Ihrer Viele sprachen Ja.
Manchem wurde Gut verschafft
Durch seine Kampfgenoßenschaft.

25  

Da kam ein Ritter angefahren,
Der auch nicht Spere konnte sparen;
Von Beauvais der Kastellan
Und der höfische Gawan
Geriethen aneinander,
Daß der junge Lisavander

381   Hinterm Ross auf Blumen lag:
In der Tjost empfing er solche Schmach.
Das thut mir um den Knappen leid,
Der gestern erst mit Höflichkeit
5   Gawanen sagte Märe,
Wie der Zwist entsponnen wäre:
Der bog auf seinen Herrn sich nieder.
Ihn erkennend, gab ihm Gawan wieder
Das Ross, das er dem abgejagt.
10   Dank sprach der Knapp, ward mir gesagt.

Nun seht, wie dort Kardefablet
Selber auf dem Acker steht,
Auf den ihn eine Tjost gerannt,
Gezielt von Meljakanzens Hand.

15   Die Seinen hoben ihn empor.
Vielstimmig ward da Jamor
Zu hartem Schwertschlag geschrien.
Enger ward es rings um ihn,
Da Anlauf wieder Anlauf drang,
20   Und mancher Helm betäubend klang.
Zu Hülfe kam ihm Gawan.
Kräftig sprengt' er heran:
Ueberdeckt hatt er schier
Mit seines Wirthes Panier
25   Von Jamor den edeln Mann.
Mit ihm wurden auf dem Plan
Kühner Ritter viel gefällt.
Glaubets, wenn es euch gefällt:
Zeugen sind mir gar versagt;
Mir hats die Aventür gesagt.

382  

Le Komte de Montan ersah
Zum Gegner sich Gawanen da.
Eine schöne Tjost ward gethan,
Davon der starke Lahduman

5   Hinterm Ross lag auf der Flur.
Sicherheit bezwungen schwur
Der stolze Degen auserkannt:
Die gelobt' er in Gawanens Hand.

Zunächst vor der Zingeln Thor

10   Stritt der Herzog Astor:
Da gabs Getös und Lanzenstreit.
Nantes ward oft laut geschreit:
Das war Artusens Heerzeichen.
Man sah da stehen und nicht weichen
15   Manch vertriebnen Bretaneis;
Die Söldner auch von Destrigleis
Aus König Ereckens Land
Machten sich da wohlbekannt:
Sie führte Dük de Lanveronz.
20   Auch dürfte jetzt Poidikonjonz
Die Bretonen ledig laßen gehn,
Die er so tapfer heut gesehn.
Dem König Artus waren
Sie am Berge Klus vor Jahren
25   Genommen und hiehergebracht;
Das war geschehn in heißer Schlacht.
Sie riefen Nantes nach ihren Sitten
Hier und wo sie immer stritten;
Das war ihr Ruf nach altem Brauch.
Schon grauen Bart trug Mancher auch.
383   Dann führte jeder Breton
Zum Kennzeichen ein Gampilon
Auf dem Helm und auf dem Schild,
Ilinotens Wappenbild:
5   Der war Artusens Sohn gewesen.383, 1–5. Vgl. 575, 28 und 580, 5–11. Der frühe Tod Ilinots, des Sohnes Artus, wird im Parzival mehrfach erwähnt; am ausführlichsten ist aber davon im altern Titurel Str. 147–48 die Rede. Das Gampilon, ein fabelhaftes Thier (vgl. Liebrecht in Pfeiffers Germania I, 4, 479), kommt auch in der Gudrun vor. Ilinots Tod und die Gefangenschaft der Artusritter zer montâne Clûse 382, 24 knüpft sich an die Entführung der Königin durch Meljakanz (vgl. zu 543, 25), also an den Roman von Lanzelot, aber in seiner ältern Gestalt: denn bei Chrestien von Troyes kommt zwar noch le Passage des Pierres vor, wo dem Könige Artus von Bademaguz (Poidikonjonz) ein Theil seiner Ritter abgefangen wird, aber Ilinots Tod fehlt, und die gefangenen Ritter werden von Lanzelot wieder befreit.
Wie sollte Gawan hier genesen?
Er seufzt', als er das Wappen sah,
Weil ihm im Herzen Weh geschah.
Seines Oheims Sohnes Tod
10   Schuf Gawanen Herzensnoth.
Er erkannte wohl der Wappen Schein:
Seine Augen füllten sich vor Pein.
Die Bretonen ließ der Held
Unbestritten aus dem Feld;
15   Mit ihnen kämpfen mocht er nicht;
So ehrt man noch der Freundschaft Pflicht.

Er ritt zu Meljanzens Heer.
Die Bürger standen dem zur Wehr,
Man sagt' es ihnen billig Dank;

20   Wiewohl es dießmal nicht gelang
Das Feld der Uebermacht zu wehren:
Da sah man sie zum Graben kehren.
Der hier den Bürgern Tjoste bot,
Der Held war allenthalben roth;
25   Er hieß der Ungenannte,383, 25. Es ist Parzival, den der Leser wohl schon an der rothen Rüstung erkannt hat.
Weil hier ihn Niemand kannte.

Dieß ists was ich vernommen.
Her zu Meljanz gekommen
War er erst vor dreien Tagen.
Die Bürger mochtens wohl beklagen,

384   Daß er Meljanzen sich versprach.
Der gab ihm da von Semblidag
Zwölf Knappen, bei der Tjost sein wahr
Zu nehmen und in dichter Schar:
5   Was er Spere mocht aus ihren Händen
Empfahn, die sah man ihn verschwenden.
Seine Tjoste schollen hell,
Als er den König Schirniel
Und seinen Bruder nahm gefangen.
10   Doch ward noch mehr von ihm begangen,
Da er dem Herzog Marangließ
Gefangenschaft auch nicht erließ.
Die fing er Alle vor dem Heer;
Noch lange stand ihr Volk zur Wehr.

15  

Meljanz ritt selber in den Streit.
Ob er Lieb wem oder Leid
Gethan, sie musten All gestehn:
Selten sah man mehr geschehn
Von einem also jungen Mann,

20   Als von ihm hier ward gethan.
Seine Hand manch festen Schild zerklob,
Manch starker Sper vor ihm zerstob,
Als Haufen sich in Haufen schloß.
Sein junges Herz war so groß,
25   Stäts must er Kampf begehren.
Niemand konnt ihm gewähren
Voll und satt, das schuf ihm Noth,
Bis ihm Gawan Tjostieren bot.

Gawan zu seinen Knappen nahm
Der zwölf Spere Einen von Angram,

385   Die er erwarb am Plimizöl.
Meljanzens Ruf war Barbigöl,
So hieß die werthe Hauptstadt Li's.
Gawan seiner Tjost sich fliß;
5   Da lehrte Meljanzen Pein
Von Oraste-Gentesein
Der starke Schaft, der gerohrte,
Der ihm Schild und Arm durchbohrte.
Eine schöne Tjost geschah da wieder:
10   Gawan stach ihn flüglings nieder;
Doch brach sein hintrer Sattelbogen,
Daß beide Helden ungelogen
Hinter den Rossen stunden.
Da schlugen sie sich Wunden
15   Mit den Schwertern, den hellen.
Da ward zwei bäurischen Gesellen
Gedroschen mehr als genug.
Des andern Garbe Jeder trug;
Die Stücke wurden hingeschlagen.
20   Einen Sper auch muste Meljanz tragen:
Der stak dem Helden im Arm;
Ihm war von blutgem Schweiße warm.
Da zog ihn mein Herr Gawan
In der Brevigarier Barbigan385, 24 vgl. zu 376, 14.
25   Und zwang ihn, Sicherheit zu geben:
Die gab er: denn er wollte leben.
Wäre der junge Mann nicht wund,
So bald gelobte wohl sein Mund
Sich keinem Helden unterthan;
Das stünde länger wohl noch an.

386  

Lippaut, des Landes Fürsten,
Sah man nach Ehre dürsten,
Da er mit dem König focht von Gross.
Da musten beide, Leut und Ross,

5   Von Geschütz erleiden Pein,
Als die Söldner von Kahetein
Und von Semblidag die Schergen
Ihre Kunst nicht wollten bergen.
Die Schützen sah man schnell sich schwenken;
10   Die Bürger musten erdenken,
Was den Feind von ihren Letzen schied.
Sie hatten Schergen a pied:
Ihre Zingeln schützten die so gut
Als die allerbeste Hut.
15   Die das Leben dort verlor'n,
Entgalten schwer Obiens Zorn:
Ihre junge Thorheit
Brachte Manchem Herzeleid.
Wes entgalt der Fürst Lippaut?
20   Sein Herr, der alte König Schaut,
Hätts ihm erlaßen fürwahr.
Müdigkeit befiel die Schar.

Wacker stritt noch Meljakanz:
War der Schild ihm noch ganz?

25   Kaum handbreit war er ihm geblieben.
Ihn hatte weit zurückgetrieben
Der Herzog Kardefablet,
Bis jetzt ihr Spiel zur Neige geht
Auf einem blumigen Plan.
Da kam dahin auch Herr Gawan.
387   Das brachte Meljakanz in Noth,
Daß selbst der werthe Lanzelot
Ihm schärfer nicht entgegentrat,
Als er von der Schwertbrücke Pfad
5   Kommend mit ihm hob den Streit.
Dem war die Gefängniss leid,
Die Frau Ginover erlitt,
Der die Freiheit er erstritt.

Lotens Sohn kam angesprengt:

10   Da war wohl Meljakanz gedrängt,
Den Gaul entgegen ihm zu führen.
Viel Leute sahn ihr Tiostieren.
Wer da hinterm Ross gelegen?
Den Der von Norwegen
15   Geworfen hatte auf die Au.
Der Ritter viel und manche Frau,
Die diese Tjost mit angeschaut,
Priesen Gawan überlaut.
Leicht konnten es die Frauen
20   Vom Saal hernieder schauen.
Meljakanz ward gestampft:
Den Rock betrat ihm unsanft
Manch Ross, dem nie mehr Hafer schmeckte:
Schweiß und Blut ihn überdeckte.
25   Heut ist der Rosse Schelmetag,
Der wohl die Geier sättgen mag.
Da nahm der Herzog Astor
Meljakanzen Denen von Jamor:
Die hätten ihn gefangen schier.
Vorüber war das Turnier.

388  

Wer da am Besten hat geritten
Und um der Frauen Lohn gestritten?
Darüber kann ich nicht erkennen:
Sollt ich die Besten alle nennen,

5   Das wär ein allzuweites Feld.
Im innern Heer stritt ein Held
Für die junge Obilot;
Im äußern ein Ritter roth:
Die Zween errangen da den Preis
10   Und gönnten Niemand nur ein Reis.

Da der Gast im äußern Heer
Gewahrte, daß er Dank nicht mehr
Von seinem Dienstherrn mocht empfangen
(Die Städter hielten ihn gefangen),

15   Ritt er, bis er die Seinen sah.
Zu den Gefangenen sprach er da:
»Ihr Herren gabt mir Sicherheit;
Nun widerfuhr mir hier ein Leid:
Von Li der König ist gefangen.
20   Nun seht, ob ihr es mögt erlangen,
Daß sie für euch ihn befrein;
So kann ich ihm doch nützlich sein,«
Sprach er zum König von Avendroin
Und zu Schirniel von Lirivoin
25   Und dem Herzogen von Marangließ,
Die er mit dem Gelübde ließ
Zu den Bürgern reiten,
Daß sie Meljanz befreiten,
Wo nicht, ihm hülfen zu dem Gral.
Da konnten sie ihm allzumal
389   Nicht sagen, wo der wäre,
Als daß Anfortas ihn wehre.

Da diese Rede geschah,
Wieder sprach der rothe Ritter da:

5   Kann nicht geschehen mein Begehr,
So fahrt gegen Pelrapär
Und bringt der Köngin Sicherheit.
Da sagt, der einst für sie den Streit
Focht mit Kingron und Klamide,
10   Dem sei nun nach dem Grale weh
Und zugleich nach ihrer Minne;
Darnach tracht ich stäts und sinne.
Als meine Boten mögt ihrs melden.
Bewahre nun euch Gott, ihr Helden!«

15  

Mit Urlaub ritten sie hinein.
Da sprach er zu den Knappen fein:
»Uns blieb Gewinn hier unversagt;
Nehmt was von Rossen ward erjagt
Und laßt mir selbst nur eines,

20   Ihr seht wohl, wund ist meines.«
Da sprachen die Knappen gut:
»Großen Dank, Herr, ihr thut
An uns mit großer Mildigkeit:
Wir sind nun reich für alle Zeit.«
25   Da wählt er Eins für seine Fahrt,
Mit den kurzen Ohren Ingliart,
Das Gawanen war entgangen,
Als er Meljanzen nahm gefangen;
Hin zogs des rothen Ritters Hand:
Das büßte mancher Schildesrand.

390  

Mit Urlaub schied der Degen hehr
Funfzehn Rosse, wo nicht mehr,
Ließ er den Knappen ohne Wunden:
Sie mochten ihm wohl Dank bekunden.

5   Zu bleiben baten sie ihn viel;
Doch fern gesteckt war ihm das Ziel.
Hin fuhr der getreue Mann,
Wo er nicht oft Gemach gewann.
Denn er suchte nur zu streiten.
10   Mich dünkt, zu seinen Zeiten
Stritt kein Mann so viel als er.
Da vertheilte sich das äußre Heer,
Wo es Herberg hoffte zu gewinnen.

Lippaut unterdes dort innen

15   Frug, wie Alles war gekommen:
Denn er hatte wohl vernommen,
König Meljanz wär gefangen.
Da war es ihm nach Wunsch ergangen
Auch sollte jetzt ihm Freude nahn.
20   Den Aermel löste Gawan
Von dem Schilde sonder Zerren
(Es blühte neuer Preis dem Herren)
Und gab ihn Klauditten.
Am Rand und in der Mitten
25   War er durchstochen und durchschlagen:
Sie sollt ihn Obiloten tragen.
Da ward des Mägdleins Freude groß.
Ihr blanker Arm war noch bloß:
Darüber schob sie ihn zuhand.
Sie sprach: »Wer hat mir dieß gesandt?«
391   Wenn sie vor ihre Schwester ging,
Die diesen Scherz mit Zorn empfing.

Den Rittern war Erholung Noth
Nach großer Müdigkeit Gebot.

5   Scherules nahm Gawan
Und den Grafen Lahduman
Und was er da der Ritter fand,
Die Gawan mit seiner Hand
Des Tags gefangen hatt im Feld,
10   Wo Manchen niederwarf der Held.
Der Burggraf setzte sie zumal
Vor ein ritterliches Mal.
So müd er war, und all sein Lehn,
Man sah sie vor ihm dienend stehn,
15   Während Meljanz aß, der König;
Seiner Hast entgalt der wenig.

Das dauchte Gawan allzuviel:
»Wenn der König es gestatten will,
Herr Wirth, so sitzt: was sollt ihr stehn?«

20   Sprach der Degen ausersehn,
Wie ihn edle Zucht bewog.
Der Wirth versagt' es ihm jedoch:
»Mein Herr ist des Königs Mann:
Diesen Dienst hätt er gethan,
25   Wenn dem König beliebte,
Daß er den Dienst wieder übte.
Aus Zucht vermied mein Herr zu kommen,
Weil ihm des Königs Huld benommen.
Sühn und Freundschaft stifte Gott,
Und Alle thun wir sein Gebot.«

392  

Da sprach der junge Meljanz:
»Ihr bewahrtet stäts die Zucht so ganz,
Als ich hier Wohnsitz hatt erwählt;
Nie hat mir euer Rath gefehlt.

5   Wie ihr mir riethet, that ich so,
So sähe man mich heute froh.
Helft mir nun, Graf Scherules,
Wohl getrau ich euch des,
Bei dem Herrn, der mich gefangen hat
10   (Sie thun wohl gern nach Euerm Rath),
Und Lippaut, dem zweiten Vater mein,
Daß sie mir Gnad und Gunst verleihn.
Ich wär in seiner Huld geblieben;
Doch hat Obie mit mir getrieben
15   Possenhaften Thorenscherz:
Das zeigt unweibliches Herz.«

Da sprach der werthe Gawan:
»Eine Sühne wird hier bald gethan,
Die Niemand scheidet als der Tod.«

20   Da kamen, die der Ritter roth
Den Städtern abgefangen,
Vor den König hingegangen.
Sie sagten ihm, wie Alles kam.
Als dessen Wappenschild vernahm
25   Gawan, der sie besiegt' im Streit,
Und dem sie gaben Sicherheit,
Und sie ihm sagten von dem Gral,
Da sah er wohl, daß Parzival
Es war, der Alles dieß gethan.
Seine Augen auf zum Himmel sahn
393   Und dankten Gott, daß er sie heut
Von einander hielt im Streit.
Es war bescheidner Zucht ein Pfand,
Daß Beide blieben ungenannt.
5   Sie kannte Niemand hier zur Zeit,
Doch kennt die Welt sie weit und breit.

Zu Meljanz Scherules begann:
»Herr, wenn ich euch erbitten kann,
So geruht ihr, meine Herrn zu schauen

10   Und der Freunde Urtheil zu vertrauen,
Was beiderhalben gelten soll.
Tragt ihm ferner keinen Groll.«
Sie billigten den Rath zumal.
Da ritten zu des Königs Saal
15   All die Krieger aus der Stadt,
Wie sie des Fürsten Marschall bat.
Da sprach mein Herr Gawan
Zu dem Grafen Lahduman
Und den Andern, die er heut gefangen
20   (Sie kamen All dahin gegangen):
»Bringet eure Sicherheit,
Die ihr mir angelobt im Streit,
Meinem Wirthe Scherules.«
Niemand säumte sich des:
25   Die Entbotnen eilten allzumal
Gen Beaurosch auf den Saal.
Meljanzen reiche Kleider trug
Die Burggräfin, dazu ein Tuch,
Den rechten Arm hineinzuhangen,
In den er Gawans Tjost empfangen.

394  

Gawan durch Scherules entbot
Seiner Freundin Obilot,
Daß er wünsche sie zu sehn,
Um ihr mit Wahrheit zu gestehn,

5   Er sei ihr treulich unterthan;
Auch halt' er um den Urlaub an:
»Ich laß' ihr auch den König hie:
Sie möge sich bedenken, wie
Sie also mit ihm schalte,
10   Daß sie Ruhm davon behalte.«

Die Rede hörte Meljanz:
»Obilot wird recht ein Kranz
Weiblicher Güte.
Es leiht mir froh Gemüthe,

15   Daß ich ihr Sicherheit soll geben
Und in ihrem Frieden leben.«
»Euch fing hier, seis euch nur bekannt,
Niemand als des Mägdleins Hand,«
Fiel der werthe Gawan ein;
20   »Ihr gehört mein Preis allein.«

Scherules kam vorgeritten.
Man sah bei Hof nach höfschen Sitten
Weder Mann, Magd noch Weib,
Die nicht so geziert den Leib,

25   Daß man in ärmlichem Gewand
Des Tages selten Jemand fand.
Mit Meljanz zu Hofe ritten,
Die seine Freiheit zu erbitten
Waren in die Stadt geschickt.
Schon saßen droben wohlgeschmückt
395   Lippaut mit Töchtern und Gemahl.
Die da kamen, traten in den Saal.

Der Wirth dem Herrn entgegensprang.
Groß im Saale ward der Drang,

5   Als er Freund und Feind empfing;
Neben Gawan Meljanz ging.
»Konnte sie's von euch erlangen,
Küssend möcht euch gern empfangen
Eure alte Freundin:
10   Das ist mein Weib, die Herzogin.«
Zum Wirthe hub da Meljanz an.
»Gern will ich Gruß und Kuss empfahn
Zweier Frauen, die mein Aug ersieht;
Der dritten Sühne nicht geschieht.«
15   Die Aeltern weinten bitterlich;
Obilot nur freute sich.

Mit Kuss der Fürst empfangen ward
Und noch zwei Könge sonder Bart,
Dazu der Herzog Marangließ;

20   Auch Gawanen man ihn nicht erließ.
Seine Herrin ward ihm vorgeführt:
Er zog das schöne Kind gerührt
Wie eine Dock an seine Brust;
Dazu zwang ihn freundliches Gelust.
25   Zu Meljanz sprach er von der Maid:
»Eure Hand versprach mir Sicherheit:
Die gebet diesem Mägdlein jetzt.
Alles was mein Herz ergetzt,
Sitzet zu der Rechten mein:
Ihr Gefangner sollt ihr sein.«

396  

Als da Meljanz näher kam,
Gawanen bei der Hand sie nahm:
Das sahn viel Ritter kühn im Streit.
[eine Zeile fehlt]

5   »Herr König, Unrecht thatet ihr,
Wenn ein Kaufmann ist mein Ritter hier,
Wie meine Schwester hat gewollt,
Daß ihr Fianz ihm habt gezollt.«
So sprach die junge Obilot.
10   Meljanzen sie darauf gebot,
Er solle Sicherheit geloben,
Und zwar Hand in Hand geschoben,
Ihrer Schwester Obie.
»Zur Herrin und Amie
15   Habt sie mit Gottes Segen;
Zum Ami und Herrn dagegen
Soll sie euch haben immerfort:
Gehorchet Beide meinem Wort.«

Gott sprach aus ihrem jungen Munde.

20   Ihr Gebot geschah zur Stunde.
Da meisterte Frau Minne
(Wohl hat die Kraft und Sinne)
Im Bund mit herzlicher Treu
Der Beiden Minne wieder neu.
25   Obiens Hand dem Kleid entschlüpfte,
Meljanzens Armbinde lüpfte:
Mit Weinen küsst' ihr rother Mund
Ihn, der von der Tjost noch wund.
Manche Zähre seinen Arm begoß,
Die ihr aus lichten Augen floß.
397   Wer macht sie vor dem Volk so dreist?
Die Lieb ermuthigt allermeist.
Lippaut sah seinen Wunsch vollbracht:
Er hatte Liebres nie erdacht,
5   Da ihm Gott die Ehre zuerkannte,
Daß er die Tochter Herrin nannte.
Wie man die Hochzeit beging
Fragt den, der Gabe dort empfing,
Und die beim Feste ritten.
10   Ob sie ruhten oder stritten,
Das ist mehr als ich berichten kann.
Man sagte mir, daß Gawan
Auf dem Saale Urlaub nahm,
Zu dem er Urlaubs willen kam.
15   Wohl weinte Obilot da viel.
Sie sprach: »Nun führt mich mit euch hin.«
Da ward. der jungen süßen Magd
Von Gawan dieser Wunsch versagt.
Die Mutter kaum sie von ihm brach,
20   Als er des Abschieds Worte sprach.
Lippaut, der holdes Herz ihm trug,
Der bot ihm Dienste da genug.
Scherules, sein stolzer Wirth,
Mit den Seinen nicht versäumen wird,
25   Den Helden zu geleiten:
Es ging durch Waldesweiten.
Drum sandt' er Jäger vor mit Speise,
Ihn zu versorgen auf der Reise.
Urlaub nahm der Degen werth:
Mit Kummer war Gawan beschwert.

 << zurück weiter >>