Wolfram von Eschenbach
Parzival und Titurel
Wolfram von Eschenbach

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        »Urjan der Fürst aus Punturtois
Stand da vor dem Bretanois
Angeklagt auf Ehr und Leben:
Da kam sie Klage zu erheben,
25   Daß es Alle mochten hören.
Sie begann den König zu beschwören,
Daß er aller Frauen wegen
Ließ' ihre Schande sich bewegen
Und aller Jungfraun Ehre willen.
Auch bat sie ihn ihr Leid zu stillen
527   Bei dem Ruhm der Tafelrunde
Und der Botschaft, deren Kunde
Sie als Gesandtin überbracht:
Hätt er hier zu richten Macht,
5   Daß er mit Gerechtigkeit
Richten möge dieß ihr Leid.
Sie bat der Tafelrunde Schar:
»Nehmt meines Rechtes wahr,«
Da, was der Räuber ihr genommen,
10   Nimmer möge wieder kommen,
Unbefleckte Jungfrauschaft:
Daß sie All aus Herzenskraft
Um Recht den König bäten
Und mit Worten sie vertreten.

15  

»Einen Anwalt nahm der schulde Mann,
Den ich erst jetzt recht würdgen kann;
Der sprach zu seinen Gunsten viel,
Es half ihm aber nicht zum Ziel.
Man sprach ihm Leben ab und Preis,

20   Und daß man winden sollt ein Reis:
Ohne blutige Hand
Ward der Tod ihm zuerkannt.
Er schrie zu mir in seinem Leid:
Ich hätt ihm doch für Sicherheit
25   Das Leben wollen schenken.
Meine Ehre schiens zu kränken,
Verlör er Leben dort und Leib.
Ich bat das klaghafte Weib,
Da sie gesehn, wie im Gefecht
Ich mannlich ihre Schmach gerächt,
528   Daß sie mit Weibesgüte
Möchte sanften ihr Gemüthe:
Es war doch ihre Liebeshuld,
Die ihn verleitet zu der Schuld,
5   Und ihr wonniglicher Leib.
Wenn je ein Mann von einem Weib
Gekommen sei in Herzensnoth,
»Die dann ihm gnädig Hilfe bot:
Der Hülfe thuts zu Ehren,
10   Laßt euerm Zorne wehren.«

»Ich bat den König und die Seinen,
Jetzo möcht er mirs bescheinen,
Ob ich je ihm Dienst gethan,
Indem er aus der Schande Bann

15   Mich durch seine Hülfe nähme
Und zu Hülfe diesem Ritter käme.
Ich bat sein Weib, die Königin,
Der ich nah befreundet bin
(Da mich der König hat erzogen,
20   Sie stäts mir treulich war gewogen),
Daß sie mir hülfe: das geschah.
Beiseit zog sie die Jungfrau da:
Das Leben dankt er Ginoveren;
Doch sollt ihn bittre Schmach beschweren.
25   Für sein verwirktes Leben
Ward Buß ihm aufgegeben:
Aus einem Troge aß sein Mund
Mit dem Bracken und dem Leithund
Vier volle Wochen:
So ward die Maid gerochen.

529  

»Frau, das ist sein Zorn auf mich.«
»Es beschimpft ihn,« sprach sie, »sicherlich.
Werd ich euch auch nimmer hold,
Er empfängt dafür doch solchen Sold,

5   Eh er kommt aus meinem Lande,
Daß er es zählt für Schande.
Da es der König nicht gerochen,
Was er an der Maid verbrochen,
So ist das Urtheil billig mein;
10   Euer Beider Richter will ich sein,
Weiß ich gleich nicht, wer ihr Beide seid.
Ich straf ihn drum zu seiner Zeit,
Der Jungfrau Pein zu stillen,
Doch nicht um euretwillen.
15   Mit Schlagen und mit Stechen
Soll man solchen Unfug rächen.«

Gawan zu der Mähre ging,
Die er mit leichter Müh fing.
Da kam der Knappe hinten nach,

20   Zu dem sie auf arabisch sprach,
Was sie zu melden ihm gebot.
Nun nahet bald Gawanens Noth.

Der Knappe lief zu Fuß hindann.
Da sah sich Gawan näher an

25   Des Knappen Ross: mit Spat und Dampf
War es zu schwach für einen Kampf.
Der Knappe hatt es dort genommen,
Eh er den Berg herabgekommen,
Einem armen Vilan;
Nun sollt es aber Gawan
530   Für sein Ross behalten:
Solchen Tausches must er walten.

Sie sprach zu ihm mit Spott und Haß:
»Nun sagt mir, wollt ihr fürbaß?«

5   Da sprach mein Herr Gawan:
»Meine Fahrt von hinnen wird gethan,
Wie es euer Mund mir räth.«
Sie sprach: »Mein Rath, der kommt euch spät.«
»Nun, so dien ich doch darum.«
10   »Daran thut ihr eben dumm.
Wollt ihr das nicht meiden,
Müßt ihr von Freude scheiden
Und euch zur Trübsal kehren,
Euer Kummer muß sich mehren.«
15   Da sprach der Minnegehrende:
»In euerm Dienst der währende
Bin ich, obs Freude bringt, ob Noth.
Seit eure Minne mir gebot,
Muß ich euch zu Gebote stehn,
20   Ich möge reiten, möge gehn.«

So stand er bei der Frauen,
Sich das Ross zu beschauen.
Wohl schiens zu raschen Tjosten
Zu wenig Geld zu kosten:

25   Steigriemen hingen dran von Bast;
Dieser herrliche Gast
War beßer Sattelzeug gewohnt.
Mit Reiten hätt ers gern verschont:
Denn er sorgte, daß dabei
Riem und Sattel bräch entzwei.
531   Der Mähre war der Rücken jung;
Hätt er darauf gethan den Sprung,
Zerbrochen wär er sicherlich;
Darum enthielt er dessen sich.

5  

Er hätt es sonst nicht leicht gethan:
Er zogs am Zaum und schritt voran,
Den Schildrand tragend und den Sper.
Seiner peinlichen Beschwer
Begann die Frau zu lachen,

10   Die ihm Kummer wollte machen.
Den Schild er auf die Mähre band.
Da sprach sie: »Führt ihr Kramgewand
Feil hier in meinem Lande?
Die Begleitung bringt mir Schande:
15   Ein Arzt und ein Krämer!
Bedenkt den Zolleinnehmer,
Daß euch nicht auf diesen Wegen
Das Handwerk meine Zöllner legen!«

Wie scharf ihm auch ihr Spotten schien,

20   So nahm er doch es willig hin
Und kehrte sich nicht weiter dran.
Sah er sie dann wieder an,
So war verschwunden all sein Leid.
Sie war ihm eine Maienzeit,
25   Ein Blütenflor vor seinen Blicken,
Ein herzenbittres Augerquicken.
Stäts war ein Fund hier beim Verlust,
Davon genas die kranke Lust:
So ward er immer wieder frei
Und blieb gebunden doch dabei.

532  

Mich lehrte mancher Meister so:
Amor und Cupido
Und Venus, Mutter dieser zwein,
Pflegten Minne zu verleihn

5   Mit Geschoßen und mit Feuer.
Solche Minne dünkt mich nicht geheuer.
Hat ein Herz getreue Sinne,
So wird es nimmer frei von Minne,
Seis zur Wonne, seis zur Pein;
10   Wahre Minn ist Treu allein.

Cupido, nimmer trifft
Mich deines flüchtgen Pfeiles Gift;
Stäts verfehlt mich Amors Sper.
Seid ihr beiden über Minne hehr,

15   Und Venus mit der Fackel Brand,
Solcher Kummer ist mir unbekannt.
Soll ich in wahrer Minne glühn,
So muß sie mir aus Treue blühn.

Könnt ich mit klugem Sinne

20   Wem helfen wider Minne,
Herrn Gawan wär ich wohl so hold,
Ich wollt ihm helfen ohne Sold.
Zwar bringt es ihm nicht Schande,
Halten ihn Minnebande,
25   Wenn ihn Minne überwindet,
Vor der die stärkste Wehr verschwindet.
Er war so wehrlich doch fürwahr,
Der Wehr so mächtig immerdar,
Daß nicht bezwingen sollt ein Weib
Seinen wehrlichen Leib.

533  

Laßt euch beschaun, Herr Minnezwang!
Die Freude rauft ihr uns so lang,
Bis dünn die Saat der Freude steht,
Und der Weg des Kummers drüber geht.

5   Allmählich geht da Kummers mehr;
Wenn sein Ziel ein andres wär
Als in des Herzens hohen Muth,
Das käm der Freude noch zu gut.
Zu leichtfertgem Sinne
10   Dünkt mich zu alt die Minne.
Oder schiebt sie's auf die jungen Jahre,
Daß sie mit Unart gebahre?
Der Unart gönnt ich lieber Jugend,
Als wenn das Alte misste Tugend.
15   Uebels hat sie viel gethan;
Wem von beiden rechn ichs an?
Will sie mit jungen Streichen
Von den alten Sitten weichen,
Das wird ihren Preis nicht mehren;
20   Eines Beßern soll man sie belehren.
Nur lautre Minne preisen
Mag ich und auch die Weisen:
Weib und Mann, insgemein
Stimmen alle mit mir ein:
25   Wo das Herz dem Herzen Minne giebt,
So lautre, daß kein Hauch sie trübt,
Und der Herzen keins verdrießt,
Wenn sie der Minne Schlüssel schließt
In unwandelbarem Sinne,
Die Minn ist über alle Minne.

534  

So gern ich ihn befreite,
Herr Gawan kann doch heute
Der Minne nicht verwehren,
Sie muß sein Herzleid mehren.

5   Was frommte mein Vermitteln dann,
Und was ich drüber sprechen kann?
Es wehre sich kein Mann der Minne:
Sie hilft ihm erst zu rechtem Sinne.
Gawanen gab sie diese Buße;
10   Seine Herrin ritt, er ging zu Fuße.

Orgeluse mit dem Degen kühn
Kam zu einem Walde grün.
Da zog der unberittne Mann
Sein Pferd zu einem Block heran:

15   Seinen Schild, den er darauf gelegt,
Des er kraft Schildesamtes pflegt,
Nahm er zu Hals und stieg zu Pferde;
Die Mähre trug ihn mit Beschwerde
Wieder auf gebautes Land.
20   Bald hatt er eine Burg erkannt,
So stattlich, daß er nie gesehn,
Wohl must es Aug und Herz gestehn,
Eine Veste, die ihr glich.
Ringsum war sie ritterlich.
25   Sie zählte manchen Saal, vor Sturm
Schützte sie manch fester Thurm;
Auch mocht er viel der Frauen
Sehn aus dem Fenster schauen,
Wohl vierhundert oder mehr;
Vier schienen vor den andern hehr.

535  

Eine vielbefahrne Straße trug
An ein Waßer, breit genug,
Schiffbar, mit raschen Wellen,
Die Frau und den Gesellen.

5   Eine blühende Wiese lag daran;
Auf der ward mancher Sper verthan.
Jenseits ragte das Kastell.
Da sah Gawan, der Degen schnell,
Einen Ritter sich entgegen fahren,
10   Der Schild und Sper nicht wollte sparen.

Orgelus die Königin
Begann zu ihm mit stolzem Sinn:
»Ob es euer Mund auch spricht,
Ich breche meine Treue nicht:

15   Ich hab es euch voraus gesagt,
Daß ihr hier Schande nur erjagt.
Wehrt euch, wenn ihr euch wehren könnt,
Kein ander Heil ist euch vergönnt.
Der hier einhersprengt, in den Sand
20   Setzt euch unsanft seine Hand.
Platzt euch dabei das Niederkleid,
Das sei euch um die Frauen leid,
Die droben sitzend niederspähn:
Wie wenn die eure Schande sähn?«

25  

Ein Schiffmann fuhr von drüben her
Auf der Herzogin Begehr;
Daß der sie in den Nachen nahm,
Das war Gawanen neuer Gram.
Orgelus die Wohlgeborne
Sprach aus dem Kahn zu ihm mit Zorne:

536  

Ich nehm euch nicht zu mir hinein;
Ihr müßt zu Pfand hier hüben sein.«
Nach rief der Held ihr trauriglich:
»Frau, warum verlaßt ihr mich?
5   Soll ich euch nie mehr wiedersehn?«
Sie sprach: »Das könnte noch geschehn:
Wenn ihr siegt, sollt ihr mich schaun;
Doch das ist euch nicht zuzutraun.«

Sie schied von ihm der breite Fluß,

10   Da kam Lischois Giwellius.
Ich weiß wohl, daß ich löge,
Wenn ich sagte, daß er flöge;
Doch berührt' er kaum die Erde;
Ich rühm es an dem Pferde:
15   Das bewies Geschwindigkeit
Auf dem grünen Anger breit.
Da gedachte Herr Gawan:
»Wie erharr ich diesen Mann?
Welches mag gerathner sein?
20   Zu Fuß oder auf dem Rösselein?
Will er sein Roß nicht sparen,
Kommt er spornstreichs angefahren,
Zu Boden stürz ich sicherlich:
Doch auch sein Ross, wie hält es sich,
25   Daß es über meins nicht fällt?
Wenn er dann auf blumgem Feld
Mit mir kämpfen will zu Fuß,
Und erwürb ich nimmer ihren Gruß,
Die mich verlockt' in diesen Streit,
Ich biet ihm willig Kampf und Streit.«

537  

Der Kampf war unvermeidlich:
Doch kämpft der Nahnde weidlich,
Wie auch der Harrende streitet;
Schon hat er sich zur Tjost bereitet.

5   Er setzte seiner Lanze Knauf
Dem Filzbesatz des Sattels auf;
So hatt er sich es ausgedacht.
Als ihre Tjost nun ward gebracht,
Die Spere brachen beid in Splitter,
10   Zu Boden fielen beide Ritter.
Der beßer berittne Mann
Strauchelte, daß er mit Gawan
Auf die Blumen kam zu liegen.
Wie sollten sie nun kriegen?
15   Aufspringend, mit den Schwerten,
Die noch beide Kampf begehrten.
Die Schilde hatten viel zu leiden:
Zerschnitten wurden sie, daß beiden
Kaum ein Span blieb vor der Hand,
20   Denn der Schild ist stäts des Kampfes Pfand.

Da blitzt das Schwert, der Helm sprüht Feuer.
Er bestand ein glücklich Abenteuer,
Der den Sieg davon soll tragen;
Doch muß er erst sich weidlich schlagen.

25   Also lange währt' ihr Streit
Auf dem blumgen Anger breit,
Es würden wohl zwei Schmiede,
Wie stark sie wären, müde
Von all den mächtigen Schlägen:
So rangen um den Preis die Degen.

538  

Wer aber wird sie preisen,
Daß die unweisen
Sich ohne Feindschaft schlagen,
Nur um Preis zu erjagen?

5   Keiner hat am Andern Theil:
Was boten sie ihr Leben feil?
Sie thaten nie sich was zu Leide:
Das musten sie gestehen beide.

Ein starker Ringer war Gawan,

10   Zu Boden warf er Jedermann,
Konnt er unters Schwert ihm springen:
Den seine Arme befingen,
Zwang er, wozu er wollte.
Nun er sich wehren sollte,
15   Wollt er wehrlich gebahren.
Der Held, im Kampf erfahren,
Ergriff den Jüngling mit Gewalt,
Der auch mit Kraft die Kraft vergalt
Und zwang ihn hurtig unter sich.
20   Er sprach zu ihm: »Held, nun versprich
Sicherheit, willst du noch leben.«
Doch wollte sie ihm nicht ergeben
Lischois noch; bis diese Zeit
Hatt er noch nie geboten Sicherheit.
25   Es daucht ihn wunderlich genug,
Daß ein Mann die Stärke trug,
Die ihn zwänge zu bedingen,
Was er nie sich ließ entringen:
Sicherheit ihm abgedrungen,
Die er nur selbst im Kampf erzwungen.
539   Hier wars ihm schlimm ergangen;
Oft hatt er empfangen,
Was er nicht weiter mochte geben:
Statt Sicherheit bot er sein Leben
5   Und sprach: Geschäh was immer,
Fianze bät er nimmer:
Er hätt es auch nicht nöthig,
Er war zum Tod erbötig.

Da sprach der Unterliegende:

10   »Bist du nun, Held, der Siegende?
Ich wars, so lang Gott wollte,
Daß Preis mir bleiben sollte.
Nun hat mein Preis ein Ende
Durch die Kraft deiner Hände.
15   Hört nun Mann und Männin,
Daß ich überwunden bin,
Des Preis so siegreich strebt' empor,
Den Tod zu sterben zieh ich vor,
Eh' meine Freund' und Lieben
20   Solche Botschaft soll betrüben.«
Ihm zu sichern mahnte Gawan ihn;
Doch stand sein Will und all sein Sinn
Nur auf des Leibs Verderben
Oder ein jähes Sterben.
25   Da dachte mein Herr Gawan:
»Was soll ich tödten diesen Mann?
Wollt er mir zu Gebote stehn,
Gern ließ ich ihn gesund entgehn.«
Er macht' ihm solch Gedinge kund;
Doch nicht gelobt' es Jenes Mund.

540  

Auf ließ er doch den Weigand
Ohne sichernde Hand.
Sie setzten beide sich aufs Gras.
Gawan des Leides nicht vergaß,

5   Daß sein Pferd so elend sei.
Da fiel ihm der Gedanke bei,
Mit Sporn und Schenkel zu erproben,
Ob des Besiegten Ross zu loben.
Wohlgewappnet wars zum Streit;
10   Der Couvertüre Ueberkleid
War aus Samt und Pfellel zugeschnitten.
Da ers im Kampfe hat erstritten,
Was sollt er es nicht reiten?
Sein Recht wer kanns bestreiten?
15   Der Held bestiegs: da ging es so,
Seiner weiten Sprünge ward es froh.

»Gringuljet,« rief Gawan,
»Bist dus, das mit Verrath Urjan,
Er weiß wohl wie, von mir erwarb

20   Und seinen Preis damit verdarb.
Wer hat dich nun gewappnet so?
Gewiss du bists, Gott macht mich froh,
Der mir so schön dich wiedersendet,
Wie er Manchem Kummer wendet.«
25   Der Degen stieg herab und fand
Des Grales Wappen eingebrannt,
Eine Turteltaube, seinem Bug.
Lählein gewanns: denn er erschlug
Tjostierend den von Prienlaskross.
Dem Orilus ward dieses Ross,
541   Der es dann Gawanen gab
An des Plimizöls Gestad.

Darob gewann der Degen gut
Wieder fröhlichen Muth;

5   Doch zwang ihn Minne nun aufs Neue
Und die dienstbare Treue,
Die er zu seiner Herrin trug,
Nach der, that sie ihm gleich genug
Zu Leid, all sein Gedanke rang.
10   Lischois indes, der Stolze, sprang
Und hob vom Boden auf sein Schwert,
Das Gawan der Degen werth
Ihm entwunden. Viel der Frauen
Wollten ihr ander Kampfspiel schauen.

15  

Die Schilde waren so zerschlagen:
Man ließ sie liegen, wo sie lagen,
Und eilte bloß in den Streit.
Jedweder drang bei guter Zeit
Heran zu herzhafter Wehr.

20   Ob ihnen saß ein Frauenheer
In den Fenstern auf dem Saal,
Den Kampf zu schauen allzumal.
Da hob sich erst ein grimmer Zorn.
Jedweder war so hochgeborn,
25   Sein Preis es ungern litte,
Wenn ihn Jener niederstritte.
Da kamen Helm und Schwert in Noth,
Die allein sie schirmten vor dem Tod.
Wer sah, wie sie die Hiebe schnellten,
Der ließ es gern für Arbeit gelten.

542  

Lischois Giwellius wehrte sich,
Der schöne Jüngling, ritterlich:
Kühnheit und vermeßne That
War seines hohen Herzens Rath.

5   Er schlug manch schnellen Schwertesschwang,
Indem er bald von Gawan sprang,
Bald wieder heftig ein auf ihn.
Gawan hielt es fest im Sinn,
Er dachte: »Krieg ich dich zu faßen,
10   Ich will es dich schon büßen laßen.«

Da sah man Funken sprühen
Und geschwungne Schwerter glühen
In der starken Männer Hand.
Sie trieben sich von ihrem Stand

15   Vorwärts, rückwärts und zur Seite.
Rache rief sie nicht zum Streite,
Auch trieb sie keine Feindschaft an.
Da ergriff ihn Herr Gawan
Und warf ihn unter sich mit Kraft:
20   So möcht ich ungern Brüderschaft
Mit Umhalsung schließen;
Sie würd auch euch verdrießen.

Gawan heischte Sicherheit:
Dazu ist jetzt so unbereit

25   Lischois, den er niederhält,
Als da er ihn zuerst gefällt.
Er sprach: »Du säumst dich ohne Noth:
Statt Sicherheit biet ich den Tod.
Aller Preis, den je ich fand,
Nun tilg ihn deine werthe Hand.
543   Da ich in Gottes Haß verfiel,
Damit hat doch mein Preis ein Ziel.
Seit ich um Minne dienstbar bin
Orgelus, der edeln Herzogin,
5   Muste mancher werthe Degen
Seinen Preis in meine Hände legen:
Kannst du mich nun ersterben,
Magst du viel Preis ererben.«

Da dachte König Lotens Kind:

10   »Nein, das bin ich nicht gesinnt:
Denn ich verlör des Preises Huld,
Erschlüg ich ohne seine Schuld
Den unverzagten Helden jetzt.
Sie hat ihn ja auf mich gehetzt,
15   Deren Minne mich auch zwingt
Und mir so viel Kummer bringt:
Ihr zu Lieb will ich ihn schonen.
Soll sie mir künftig lohnen,
Er kann es doch nicht wehren,
20   Will mirs das Glück gewähren.
Hat sie unsern Kampf gesehn,
So muß sie mir wohl eingestehn,
Daß ich um Minne dienen kann.«
Da sprach mein Herr Gawan.
25   »Wohlan, der Herzogin zu Ehren,
Will ich dich nicht sterben lehren.«

Sie waren müd, nicht wunderts mich.
Er ließ ihn auf; sie setzten sich,
Beide von einander fern.
Da sahen sie des Kahnes Herrn

544   Vom Waßer steigen auf das Land.
Er ging und trug auf seiner Hand
Einen jährgen Falken grau.
Dieß Recht besaß er an der Au
5   Zu Lehn: wenn man da tiostierte,
Daß ihm dessen Ross gebührte,
Der da den Unsieg fände:
Und der ihn überwände,
Dem sollt er dankend neigen,
10   Seinen Preis nicht verschweigen.
Oft hat er solchen Zins genommen:
Es war sein einzig Einkommen,
Wenn einer Lerche nicht etwa
Von seinem Falken Leid geschah.
15   Ihm ging zu Feld kein andrer Pflug;
Doch daucht ihn dieß Besitz genug.
Er war zum Ritterstand geboren
Und früh zu edler Zucht erkoren.

Nun trat er hin zu Gawan:

20   Um den Zins von seinem Plan
Bat er mit Bescheidenheit.
Da sprach der Degen kühn im Streit:
»Herr, ich bin kein Kaufmann,
Daß ich euch Zoll entrichten kann.«
25   Der Herr des Schiffs versetzte da:
»Herr, der Fraun so manche sah
Euch hier den Preis erlangen;
Laßt auch mich mein Recht empfangen:
Mein Recht nur sei mir zuerkannt.
In rechter Tjost hat eure Hand
545   Mir dieses Ross erworben.
Euer Preis ist nicht verdorben:
Denn eure Hand hat ihn gefällt,
Dem den höchsten Preis die Welt
5   Mit Wahrheit gab bis diesen Tag.
Euer Preis und des Geschickes Schlag
Hat ihm des Sieges Lust genommen;
Doch euch ist großes Heil gekommen.«

Gawan sprach: »Er stach mich nieder;

10   Doch erholt' ich mich wieder.
Gebührt euch Zins von Tjosten,
Geh der Zins auf seine Kosten.
Hier seht ihr, Herr, die Mähre,
Die des Siegers billig wäre.
15   Nehmt sie, wenn es euch gefällt;
Der dieses Roß für sich behält,
Bin ich: es muß mich hinnen tragen,
Solltet ihr nie ein Ross erjagen.
Ihr spracht von Recht; soll Recht entscheiden,
20   So dürft ihr selber es nicht leiden,
Daß ich zu Fuß von hinnen geh.
Gewiss, es thäte mir zu weh,
Sollte dieß Ross euer sein.
Es war ganz unbestritten mein
25   Noch heute Morgen in der Frühe.
Glaubt ihr, ihr nehmt es ohne Mühe,
Ihr rittet sanfter einen Stab.
Der mir dieß Ross zu eigen gab
War Orilus der Burgondois;
Urjan, der Fürst aus Punturtois,
546   Hat es mir heut gestohlen.
Eines Maulesels Fohlen
Möchtet ihr eh gewinnen.
Auf Ersatz doch will ich sinnen.
5   Ihr haltet jenen Mann so werth:
Statt des Pferds, das ihr begehrt,
Nehmt ihn, der's ritt in diesem Streit.
Ob es ihm lieb ist oder leid,
Ich kehre wenig mich daran.«
10   Da freute sich der Schiffmann.

Er sprach mit lachendem Mund:
»Nie ward mir reichre Gabe kund,
Wenn das Glück nur wollte,
Daß ich sie haben sollte.

15   Wenn ihr sie, Herr, im Ernst gewährt,
Das ist weit mehr als ich begehrt.
Fürwahr, stets klang sein Lob so hell,
Fünfhundert Rosse stark und schnell
Nähm ich sicher nicht für ihn:
20   Auch wärs mein großer Ungewinn.
Ihr macht mich zum reichen Mann.
Nur um eins noch halt ich an,
Genügt euch anders die Kraft:
Daß ihr in meinen Kahn ihn schafft;
25   So seid ihr mild und hochgesinnt.«
Da sprach König Lotens Kind:
»In den Kahn und hinaus
Und hinein in euer Haus
Schaff ich gern ihn euch gefangen.«
»So werdet ihr wohl empfangen,«
547   Sprach der Schiffmann. Nicht verschweigen
Wollt er großen Dank mit Neigen.

Da sprach er: »Lieber Herre mein,
Geruht auch selbst mein Gast zu sein

5   In meinem Hause diese Nacht.
Größre Ehre zugedacht
Ward keinem Fergen je wie ich.
Glücklich preist mich männiglich,
Bewirth ich solchen werthen Mann.«
10   Da sprach mein Herr Gawan:
»Ich wollt euch selber schon drum bitten.
So müde hab ich mich gestritten,
Daß mir wohl Ruhe wäre Noth.
Die mir dieß Ungemach gebot,
15   Weiß ihre Süße wohl zu säuern,
Dem Herzen Freude zu vertheuern;
An Sorgen macht ihr Dienst es reich:
So ist ihr Lohn sich selbst nicht gleich.
O weh dir, Fund, du bist Verlust:
20   Du senkest mir die eine Brust,
Die sonst empor begehrte,
Da mir Freude Gott gewährte.
Da ward ein Herz gefunden:
Nun, fürcht ich, ists verschwunden.
25   Wie soll ich Trost nun finden,
Muß ich mich unterwinden
Solcher Sehnsucht nach Minne?
Folgt sie weiblichem Sinne,
Sie soll mir Freude schenken
Statt mich in Leid zu senken.«

548  

Der Schiffmann hörte, daß er rang
Mit Sorg, und daß ihn Minne zwang.
»Das ist hier Brauch, Herr,« hub er an,
»In dem Forst und auf dem Plan,

5   Soweit Klinschor Gebieter ist.
Ob ihr Muth habt oder misst,
Anders geht es nicht als so,
Heute traurig, morgen froh.
Euch ists vielleicht noch unbekannt:
10   Nichts als Wunder ist dieß Land,
Das währt hier immer, Nacht und Tag;
Nur Glück bei Mannheit helfen mag.
Die Sonne seh ich niedrig stehn:
Laßt uns, Herr, zu Schiffe gehn.«
15   Also bat der Schiffmann.
Lischoisen führte Gawan
Mit sich an des Schiffes Bord.
Da folgte sonder Widerwort
Ihm der Held geduldiglich.
20   Der Schiffmann zog das Ross mit sich.

Sie fuhren über. Am Gestad
Der Fährmann Gawanen bat:
»Seid selber Wirth in meinem Haus.«
Das war so herlich überaus,

25   Daß zu Nantes kaum, wo Artus saß,
Sich sein Haus mit diesem maß.
Lischoisen führte Gawan ein.
Der Wirth und das Gesinde sein
Nahmen sich des Gastes an.
Zu seinem Töchterlein begann
549   Der Wirth und sprach zur holden Maid:
»Gut Gemach und frohe Zeit
Schaff meinem Herren, der hier steht;
Mir ist lieb, wenn ihr beisammen geht.
5   Nun so dien ihm unverdroßen:
Durch ihn ist Heil uns zugefloßen.

Seinem Sohn befahl er Gringuljeten.
Was er das Mägdlein gebeten,

10   Das ward mit großer Zucht gethan.
Mit der Maid darauf Gawan
Zu einer Kemenaten ging,
Wo den Estrich überfing
Bins und Blumen frisch geschnitten
Als Gestreusel nach des Landes Sitten.
15   Da entwappnete sie ihn.
»Würd euch der Dank von Gott verliehn!«
Sprach Gawan. »Frau, es schafft mir Noth;
Es ist des Vaters Gebot,
Sonst dientet ihr mir allzusehr.«
20   Da sprach sie: »Ich dien euch mehr,
Daß ich eure Huld erringe,
Herr, als um andre Dinge.«

Des Wirthes Sohn, ein Knappe, trug
Weicher Betten genug

25   An die Wand der Thür entgegen,
Und ging dann einen Teppich legen:
Da sollte sitzen Gawan.
Der Knappe ging und brachte dann
Ein Kissen von lichtem Glanz,
Aus rothem Zindal war es ganz;
550   Auch ward dem Wirth ein Sitz gelegt.
Ein andrer Knappe kommt und trägt
Linnen auf den Tisch und Brot;
Beides nach des Wirths Gebot.
5   Die Hausfrau kam um nachzusehn:
Als sie den Gast sah vor sich stehn,
Herzlich willkommen hieß sie ihn.
Sie sprach: »Ihr habt uns viel verliehn;
Die Gabe hat uns reich gemacht:
10   Ich seh, daß unser Glück noch wacht.«

Da nun der Wirth war gekommen,
Und das Waßer Gawan schon genommen,
Da that er eine Bitte kund
Seinem Wirth mit holdem Mund:

15   »Laßt mit mir eßen diese Magd.«
»Herr, es ist ihr untersagt,
Daß sie mit Herren äße
Und so nah bei ihnen säße:
Sie überhebt sich sonst so sehr.
20   Doch gilt mir euer Wunsch noch mehr:
Tochter, thu all sein Verlangen;
Es sei dir im Voraus verhangen.«

Wohl ward vor Scham die Süße roth;
Doch that sie, was der Wirth gebot.

25   Da saß bei Gawan Bene.
Starker Söhne zweene
Hatt außer ihr der Wirth erzogen.
Sein jährger Falke hatt erflogen
Am Abend drei Galander:
Die ließ er miteinander
551   Gawanen bringen alle drei
Und eine Brühe dabei.
Mit Anstand legt' ihm vor die Maid.
Sie wust ihm auch mit Freundlichkeit
5   Gute Bißen auszusuchen,
Die sie auf weißem Kuchen
Ihm bot mit klaren Händen.
»Wollt ihr meiner Mutter senden
Der gebratnen Vögel einen?
10   Sie bekommt sonst heute keinen,«
Sprach die Jungfrau zu Gawan.
Er sprach zum Mägdlein wohlgethan,
Daß er ihren Willen thäte
Hierin, und was sie sonst ihn bäte.
15   Ein Galander ward gesandt
Der Wirthin. Seiner milden Hand
Ließ sie großen Dank vermelden,
Und Dank entbot der Wirth dem Helden.

Da wurde noch in Essig

20   Portulack und Lattich
Von einem Sohn des Wirths gebracht.
Nicht hilft zu großer Leibesmacht
Auf die Länge solche Nahrung;
Auch macht sie bleich, lehrt die Erfahrung.
25   Solche Farbe thut die Wahrheit kund,
Wenn sie verschlucken will der Mund;
Doch falsch sind aufgelegte Farben:
Die müßen alles Lobes darben.
Ergiebt der Treu ein Weib sich ganz,
Die, dünkt mich, trägt den schönsten Glanz.

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Genügte Gawan guter Willen,
So mocht er hier den Hunger stillen:
Keine Mutter gönnt dem Kind das Brot
So gern, als ihm der Wirth es bot.

5   Die Tische wurden weggebracht;
Die Wirthin wünscht ihm gute Nacht.
Zur Stelle trug man manches Bette
Zu des Helden Ruhestätte:
Von Flaum das eine ganz und gar,
10   Ein grüner Samt die Zieche war;
Kein Samt zwar von der höchsten Art,
Es war ein Sammet-Bastard.
Ein leichtes Kissen dient' als Decke,
Daß sich Gawan darunter strecke;
15   Der Ueberzug schien lautres Gold,
Fern aus der Heidenschaft geholt
Gesteppt auf Palmenseide.
Jedoch zum Ueberkleide
Zog man zwei große Linnen auf.
20   Auch kam ein Ohrkissen drauf
Und ein neuer Mantel, ihm geliehn
Von der Magd, aus reinem Härmelin.

Urlaub nahm von seinem Gast
Der Wirth, bevor er ging zur Rast;

25   Gawan verblieb, ward mir gesagt,
Allein zurück, mit ihm die Magd.
Hätt er mehr von ihr begehrt,
Sie hätt es ihm vielleicht gewährt.
Doch schlaf auch er, wenn ers vermag;
Gott hüte sein bis an den Tag.

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