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Höret, urtheilt nun und sprecht, Ob die Tafelrund ihr Recht |
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5 | Bewahrte heut. Seit manchem Tag Hing Artus dieser Sitte nach: Kein Ritter durfte mit ihm eßen, Wenn Aventüre noch vergeßen Hatt an seinen Hof zu kommen. |
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10 | Aventür genug ward heut vernommen, Man darf zur Tafelrunde gehn. Blieb sie gleich zu Nantes stehn,309, 12. Die Tafelrunde selbst, oder eigentlich die runde Tafel war zu Nantes geblieben, aber hier am Plimizöl ward sie durch ein kostbares rundes Tuch vorgestellt. Man sprach ihr Recht auf blumgem Feld; Nicht störte Staude noch Gezelt. |
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15 | So hatt es Artus geboten, Der den Ritter ehren wollt, den rothen, Seiner Würdigkeit zu Lohn. Ein Pfellel aus Akraton, Fern aus der Heidenschaft gebracht, |
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20 | Ward zum Tischtuch gemacht, Nicht breit, doch rund geschnitten Nach der Tafelrunde Sitten. Denn so höfisch waren sie, Vom Ehrensitze sprach man nie, |
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25 | Die Sitze waren alle gleich. Auch gebot Artus der König reich, Daß man Herrn und Frauen An dem Kreiße dürfe schauen. Alles, was da Preis besaß, Magd, Weib und Mann zu Hofe aß. |
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Da kam die Köngin Ginover |
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5 | Auch war der Tafel Kreiß so weit, Daß ungedrängt und sonder Streit Manche Frau bei ihrem Freunde saß. Artus, zu aller Falschheit laß, Führte den Waleis an der Hand. |
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10 | Frau Kunneware de Laland Ging ihm zur andern Seite, Die er von Harm befreite. Artus sah den Waleis an; Hört, wie der König da begann: |
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15 |
»Ich will euern klaren Leib |
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20 | Nur um Eins ich bitten will: Daß ihr vergeltet diesen Kuss In euerm Hause,« sprach Artus. »Ich thu, wie ihr mich bittet, dorten,« Sprach der Waleis, »und aller Orten.« |
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25 | Ein wenig trat sie ihm entgegen Und empfing mit einem Kuss den Degen. »So sei verziehen,« sprach sie da, »Das Leid, das mir von euch geschah: Viel Kummer habt ihr mir gegeben, Da ihr Itheren nahmt das Leben.« |
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Diese Sühne schöpfte Thränenthau |
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5 | Ans Ufer zu dem Plimizöl. Bei ihm saß Jofreit fils Idöl. Zwischen Klamide und Gawan Der Waleis seinen Platz gewann. Wie die Aventüre weiß, |
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10 | Niemand saß in diesem Kreiß, Der je Mutterbrüste sog, Dessen Zucht so wenig trog. Kraft und Tugend trug fürwahr Der Waleis und ein Antlitz klar. |
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15 | Wer Männer kennt, der muß gestehn, Manche Frau hat sich besehn In trüberm Spiegel, denn sein Mund. Von seiner Farbe sei euch kund Am Kinn und an den Wangen, |
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20 | Sie wär zu einer Zangen Wohl gut: sie wüste festzuhalten Und ließe Unbestand nicht walten. Ich meine Fraun, die wanken, Von Dem zu Jenem schwanken: |
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25 | Die Frauen feßelte sein Glanz. Ihr Unbestand verschwand da ganz, Ihr Blick getreulich an ihm hing, Durch die Augen in ihr Herz er ging. Ihm waren Mann und Weib ergeben: |
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312 | Bis an das klagenswerthe Ziel. Hier kam, von der ich sprechen will, Eine Maid, um Treue hoch zu loben, Scheint ihre Zucht uns gleich zu toben: |
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5 | Ihre Botschaft in viel Herzen schnitt. Nun höret wie die Jungfrau ritt: Ein Maulthier wie ein Kastilian, Fahl, doch scheckig um und an, Geschlitzter Nase, und verbrannt |
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10 | Wie ein Pferd aus Ungerland. Ihr Zaum und all ihr Reitgeräth War schön gestickt und wohl genäht, Dazu kostbar und reich. Das Maul ging eben und gleich. |
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15 | Fraulich war nicht ihr Erscheinen. Weh, was mag ihr Kommen meinen? Sie kam jedoch, das muste sein: Sie bracht Artusens Heere Pein. Die Jungfrau war der Künste voll, |
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20 | Alle Sprachen sprach sie wohl, Französisch, Heidnisch und Latein. Sie hatt erlernt obendrein Dialektik und Geometrie; Auch von Astronomie |
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25 | War ihr Alles wohlbekannt: Kondrie wurde sie genannt. Sorziere war der Zunamen Der am Mund fürwahr nicht Lahmen, Denn er sprach ihr genug, Die viel hoher Freuden niederschlug. |
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Diese Magd an Künsten reich |
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5 | Lazurfarben und noch blauer, Das trug der Freuden Hagelschauer Als einen Mantel wohl geschnitten Nach französischen Sitten: Darunter sah man Pfellel gut. |
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10 | Von Lunders ein Pfauenhut Unternäht mit Plialt (Der Hut war neu, die Schnur nicht alt), Hing ihr nieder auf den Rücken. Ihre Botschaft glich wohl einer Brücken, |
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15 | Die Jammer über Freude trug: Behagens raubte sie genug. Ueber den Hut ihr Zopf sich schwang |
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20 | Lind wie der Schweine Rückenhaar. Genaset war sie wie ein Hund; So ragten auch ihr aus dem Mund Zwei Eberzähne spannenlang. Jedwede Augenbraue schwang |
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25 | Sich in langen Zöpfen nieder. Wahr sprech ich, ob der Zucht zuwider, Daß ich so muß von Frauen sagen; Keine andre darf es von mir klagen. Kondrie hatt Ohren wie die Bären; |
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314 | War ihr Antlitz rauh genug. Eine Geisel in der Hand sie trug; Die hatte seidner Schwenkel viel; Ein Rubin war der Stiel. |
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5 | Von Farbe wie des Affen Haut Trug Hände diese schöne Braut; Die Nägel waren nicht zu licht: Denn die Aventüre spricht, Sie sahn wie Löwenklauen aus. |
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10 | Um sie gabs selten Kampf und Strauß.
So ritt sie zu des Kreißes Rund, |
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15 | Aß mit König Artus; Die Königin von Janfus Mit Frau Ginoveren aß. Artus der König herlich saß. Kondrie ritt vor den Britten hin: |
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20 | Ansprach sie auf französisch ihn: Wenn ichs im Deutschen sagen soll, Ihre Botschaft thut mir auch nicht wohl: »Fils dü Roi Utpandragon, |
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25 | Hast du geworben Schande. Die Besten aller Lande Säßen hier, ein würdger Kreiß, Fiele nicht dieß Gift in euern Preis. Hin ist die Tafelrunde: Ein Falscher ist im Bunde. |
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315 | König Artus, hoch erhob Ueber deine Genoßen sich dein Lob; Dein steigender Preis nun sinkt, Deine schnelle Würde hinkt, |
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5 | Dein hohes Lob wird tief geneigt, Da Falsch an deinem Preis sich zeigt. Der Preis der Tafelrunde Muß erlahmen seit der Stunde, Daß ihr aufnahmt Parzivalen, |
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10 | An dem die Ritterzeichen pralen. Ihr nennt ihn nach dem Ritter roth, Der vor Nantes fand den Tod; Doch ungleich sind die Zwei gewesen: Von Niemand ward noch je gelesen, |
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15 | Der so höchlich wär zu preisen.« Von dem König ritt sie zum Waleisen. Sie sprach zu ihm: »Ihr sollt mir büßen, |
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20 | Verflucht sei euer lichter Schein Und eures Wuchses Männlichkeit. Hätt ich Heil und Seligkeit, So blieben sie euch theuer. Ich dünk euch ungeheuer |
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25 | Und bin geheurer doch als ihr. Herr Parzival, nun saget mir, Wie sich das begeben hat: Da ihr den traurgen Fischer saht Freudlos sitzen, ungetröstet, Daß ihr des Leids ihn nicht erlöstet? |
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»Er zeigt' euch seines Jammers Last: |
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5 | Der Zunge, mein ich, drinne, Wie eur Herz ist rechter Sinne! Der Hölle hat euch vorbestimmt, Der im Himmel giebt und nimmt: So soll euch auch auf Erden |
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10 | Der Guten Abscheu werden. Ihr Glücksverwiesner, Heilverbannter, Vom Preis Verlaßner, Ungekannter, Ihr seid an Ehre lahm und schwank Und an der Würdigkeit so krank, |
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15 | Euch kann kein Arzt mehr Heil gewähren. Ich will auf euerm Haupte schwören, Stabt mir Jemand solchen Eid, Nie sah man größern Trug bis heut An einem also schönen Mann. |
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20 | Ihr tücksche Angel, Natterzahn! Gab euch nicht der Wirth das Schwert, Des ihr niemals wurdet werth? Doch statt zu fragen, schwiegt ihr still; Ihr seid des Höllenhirten Spiel. |
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25 | Ehrloser Mann, Herr Parzival! Trug man nicht vor euch hin den Gral, Schneidendes Silber, blutgen Sper! Ihr Freudenziel, des Leids Gewähr! »Hättet Ihr zu Monsalväsch gefragt, |
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317 | Tabronit, die jeden Wunsch erfüllt: Hier hätt euch Fragen mehr enthüllt. Feirefiss Anschewin Hat jenes Landes Königin |
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5 | In scharfem Ritterkampf erworben. An dem ist nicht die Kraft verdorben, Die euer beider Vater trug. Euer Bruder ist seltsam genug: Wohl ist schwarz zumal und blank |
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10 | Der Köngin Sohn von Zaßamank.
»Nun gedenk ich auch an Gachmureten, |
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15 | Denn wie ihr habt geworben: Ihr seid am Preis verdorben. Hätt eure Mutter je gesündigt, So hätte mir eur Thun verkündigt, Daß ihr sein Sohn nicht könntet sein. |
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20 | Doch nein, sie lehrte Treue Pein. Glaubt von ihr das Allerbeste Und daß eur Vater ehrenfeste War, zu aller Treue weise Und weitfängig hohem Preise. |
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25 | Die Welt erfüllt' er rings mit Schalle; Großes Herz und kleine Galle, Darob war seine Brust ein Dach. Er war Reus und Netz und fängig Fach: Seine Kraft, sein hoher Muth Stellten nach dem Preise gut. |
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318 | Nun ist eur Preis zu Fall gekommen. O weh mir, hätt ichs nie vernommen, Daß der Sohn von Herzeleiden Sich vom Preise mochte scheiden!« |
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5 |
Kondrie war selbst des Kummers Pfand, |
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10 | Klagen ihres Herzens Leid. Sie kehrte wieder zu dem Wirth, Wo sie noch Andres melden wird. Sie sprach: »Ist hier kein Ritter werth, |
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15 | Und nach hoher Minne Zier? Ich weiß der Königinnen vier Und vierhundert Jungfrauen, Die man gerne möchte schauen. Zu Chatel Merveil ists, wo sie sind. |
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20 | All' Aventür ist nur ein Wind Gegen Die; wer die Gefahr nicht scheute, Der fände hoher Minne Beute. Schafft mir die weite Reise Pein, Ich will doch heunte dort noch sein.« |
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25 | Traurig war die Magd, nicht froh: Ohn Urlaub schied sie dannen so. Die oft noch weinend um sich schaut, »Weh!« ruft sie endlich überlaut, »Weh Monsalväsch, du Jammers Ziel, Weh, daß dich Niemand trösten will!« |
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Kondrie la Sorziere, |
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5 | Und wahre Zucht und Mannheit? Der Beschämung blieb er nicht befreit, All seines Thuns gereut' ihn doch. Wahre Bosheit mied ihn noch: Denn Scham giebt Preis zu Lohne |
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10 | Und wird einst der Seele Krone; Scham will alle Zucht bewahren. Weinen sah man Kunnewaren, Daß Parzivaln, den Degen werth, Kondrie beschimpft hatt und entehrt, |
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15 | Ein Geschöpf so wunderlich. Vor Herzeleid ergoßen sich Der Augen viel der werthen Frauen, Die man weinend muste schauen. Kondrie hats ihnen angethan. |
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20 | Die ritt hinweg: da ritt heran Ein Ritter, der trug hohen Muth. All seine Rüstung war so gut Vom Fuß empor bis an das Haupt, Daß man sie theur und kostbar glaubt. |
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25 | Reich ist der Helmschmuck, den er führt; Ritterlicher Harnisch ziert Das Ross wie auch des Helden Leib. Er fand sie alle, Mann und Weib, Bekümmert in dem Kreiße hie; Dem ritt er zu; vernehmet wie: |
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320 | Sein Muth stand hoch, doch Jammers voll. Wie kann das sein? Ich weiß es wohl: Mannheit gab ihm hohen Sinn; Den Jammer lehrte Herzleid ihn. |
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5 | Er kam dem Kreiße zugesprengt. Ward da der Degen wohl gedrängt? Viel Knappen sprangen näher gleich: Da empfingen sie den Degen reich. Sein Schild wie er war unbekannt; |
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10 | Den Helm er nicht vom Haupte band. Dem alle Freude war verwehrt, Er trug in seiner Hand das Schwert, Doch bedeckt von der Scheiden. Da fragt' er nach den beiden: |
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15 | »Wo ist Artus und Gawan?« Die zeigten ihm die Junker an. Da ging er durch die weite Schar. |
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20 | Als er den Wirth hatt erblickt, Stand er still und sprach also: »Gott mache König Artus froh! Dazu den Herrn und Frauen, Die meine Augen schauen, |
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25 | Biet ich dienstbereiten Gruß, Den ich Einem nur versagen muß: Dem will ich nicht zu Diensten stehn, Sein Haß mag wider mich ergehn: Was er mit Haßen leisten kann, Mein Haß ist seinem Haße Mann. |
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»Wer Der sei, will ich euch sagen. |
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5 | Das ist hier der Herr Gawan, Der sonst wohl hohen Preis gewann. Er hatte Würdigkeit errungen; Doch Unpreis hat ihn jetzt bezwungen, Da seine Gier so weit ihn trug, |
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10 | Daß er meinen Herrn im Gruß erschlug: Judas küssender Verrath Verführt' ihn zu der Missethat. Es geht viel tausend Herzen nah. Meuchelmörderisch war da |
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15 | An meinem lieben Herrn gethan. Läugnet das Herr Gawan, Mit Kampf er sich befreien mag Von heut am vierzigsten Tag Vor dem Könige von Askalon |
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20 | In der Hauptstadt Schamfanzon. Kampflich fordr ich ihn heraus Mit mir zu fechten Kampf und Strauß. »Daß er sichs nicht entschlage |
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25 | Will ich ihn ferner mahnen Beim Helm und bei den Fahnen Und allem Brauch der Ritterschaft. Die hat zwei Schätze großer Kraft: Rechte Scham und stäte Treu; Der beiden Preis ist alt und neu. |
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322 | Von Scham soll sich nicht scheiden Gawan, will er bekleiden Noch die edle Tafelrunde, Die hier steht zu dieser Stunde: |
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5 | Denn um ihr Recht wärs gethan Saß ein Treuloser dran. Ich bin zu schelten nicht gekommen; Glaubt mir, denn ihr habts vernommen, Ich fordre Kampf für Schelten. |
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10 | Da soll der Tod nur gelten Oder Leben mit Ehren, Wenn das Glück es will gewähren.« Der König schwieg und war unfroh; |
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15 | »Herr, Gawan ist mein Schwestersohn: Wär er todt, ich ginge schon Selbst in den Kampf, eh sein Gebein Beschimpft und ehrlos sollte sein. Wills Gott, so macht euch Gawans Hand |
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20 | Wohl im Kampfe dort bekannt, Daß er Treue hält und ehrt Und sich aller Bosheit hat erwehrt. Hat euch anders Jemand Leid Gethan, so wärs nicht an der Zeit, |
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25 | Daß ihr ihn schmähtet sonder Schuld. Denn erwirbt er eure Huld Und beweist, daß er unschuldig ist, So habt ihr hier in kurzer Frist Von ihm gesagt, was euerm Preise Schadet, sind die Leute weise.« |
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Beaukorps, der stolze Mann »Herr, ich stelle mich zum Pfand, |
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5 | Wohin ihr immer Gawan fodert. Sein Schmähn hat mich mit Zorn durchlodert. Laßt ihr ihn der Schmach nicht frei, Haltet euch an mich, sein Pfand ich sei, Ich will für ihn den Kampf bestehn. |
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10 | Es kann mit Worten nicht geschehn, Daß man höhern Preis erniedre, Als den Gawan trägt, der Biedre.« Er ging zu seinem Bruder hin, |
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15 | Hört, wie er zu dem Bruder sprach: »Gedenke, daß du manchen Tag Mir halfst zu großer Würdigkeit. Laß mich für dich in diesem Streit Ein kampfliches Geisel sein. |
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20 | Soll ich dann im Kampf gedeihn, Stäts wird dirs Ehre bringen.« Er wollt ihn flehend zwingen Bei Bruderlieb und Ritterpreis. Gawan sprach: »Ich bin so weis, |
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25 | Daß ich dir, Bruder, nicht gewähren Kann dein brüderlich Begehren. Was mir der Streit soll, weiß ich nicht, Auch bin ich nicht auf Streit erpicht. Ungerne wollt ich dir versagen; Doch müst ichs ewig Schande tragen.« |
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Beaukorps fuhr zu bitten fort; |
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5 | Was hätt ich wider ihn zu klagen? Stark, kühn, sonder Zagen, Reich, getreu und minniglich, Ist er das Alles völliglich, So taugt er wohl zum Bürgen; |
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10 | Doch ich will ihn nicht würgen. Mein Herr und nächster Vetter ists, Des Tod mich mahnet solchen Zwists. Unsre Väter Brüder hießen, Die nichts einander ließen. |
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15 | Kein gekrönter König ist so hehr, Dem ich nicht ebenbürtig wär, Ihm kampflich Rede zu stehn, Der Rache Pflicht zu begehn. Ich bin ein Fürst aus Askalon, |
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20 | Der Landgraf von Schamfanzon, Und heiße Kingrimursel. Tönt Herrn Gawans Lob so hell, So kann er nimmer sich entschlagen Gegen mich den Schild zu tragen. |
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25 | Ich geb ihm Frieden durch mein Land, Nur nicht von meiner eignen Hand. Der Friede, den ich ihm verheiße, Gilt allwärts außerm Kampfeskreiße. Gott nehm euch All in Schutz und Hut; Nur Einen nicht: ihr kennt ihn gut.« |
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So schied der wohlgelobte Mann |
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5 | Voll von seines Namens Preis War das Land in weitem Kreiß; Sie sprachen Alle, Herrn Gawan Dürf im Kampf wohl Sorge nahn; Kraft genug und Mannheit habe |
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10 | Der Fürst, der dort von hinnen trabe. Auch schuf es Manchem große Noth, Daß man ihm hier nicht Ehre bot; Doch solche Botschaft ist gekommen, Ihr habt es selber wohl vernommen, |
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15 | Daß leicht ein Gast des Wirthes Gruß Diesen Tag entbehren muß. Von Kondrieen erst vernahm man recht |
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20 | Und der Anschewein ihr Gatte war. Da hub wohl Mancher an: »Ich weiß, Daß er sie vor Kanvoleiß Ritterlich erworben hat Mit mancher Tjost, die er that, |
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25 | Und seine Mannheit unverzagt Ihm erwarb die wonnigliche Magd. Anflise, die geehrte, Auch Gachmureten lehrte Kurtoisie und reine Sitte: Nun freue sich ein jeder Britte, |
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326 | Daß der Held uns ist gekommen, Da so viel Preises ward vernommen Von ihm und Gachmureten auch; Würdigkeit war stäts sein Brauch.« |
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5 |
Artusens Heer war an dem Tage |
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10 | Man sah sie trauern allzumal. Die Besten gingen, wo im Kreiß Sie Gawan und den Waleis Beieinander fanden stehn: Sie wollten sie zu trösten sehn. |
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15 |
Klamide, den Degen wohlgeboren, |
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20 | »Wärt ihr auch König bei dem Gral, Doch müst ich sprechen sonder Spott: Das Heidenland Tribalibot326, 22. Unter Tribalibot ist Indien verstanden. Und des Kaukasus goldreicher Grund, Was je von Reichtum las ein Mund, |
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25 | Dazu des Grales Herlichkeit, Die ersetzten nicht das Herzeleid, Das ich vor Pelrapär gewann. Ich armer, unselger Mann! Mich schied von Freuden eure Hand. Hier ist Kunware de Laland: |
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327 | Auch ist als ihrem Ritter euch So zugethan die Fürstin reich, Daß sie andern Dienst nicht will, Mag sie auch lohnen Rittern viel. |
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5 | Doch verdröß es billig ihren Sinn, Daß ich ihr Gefangner bin So lange Zeit gewesen. Soll ich zum Glück genesen, So helft, daß sie sich selber ehrt, |
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10 | Mir ihre Minne des gewährt Ein Theil, das eure Kraft mir nahm, Als der Freude Ziel mir ferne kam. Getroffen hätt ichs, säumtet ihr! Nun helft mir zu dem Mägdlein hier.« |
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15 |
»Das thu ich,« sprach der Waleis, |
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20 | Kondwiramor.« Von Janfus die Heidin, Artus und die Königin, Kunneware de Lalant Und Frau Jeschute von Karnand, |
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25 | Die traten tröstend hinzu. Was wollt ihr, daß man weiter thu? Kunwaren gab man Klamide: Dem war nach ihrer Minne weh. Er gab sich ihr zu Lohne Und ihrem Haupt die Krone. |
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Als das die von Janfuse sah, |
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5 | Seine Kraft reicht weit und breit. Zweier Kronen Herlichkeit Dient mit Furcht seiner Hand Auf dem Meer wie auf dem Land, Aßagog und Zaßamank, |
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10 | Zwei mächtge Reiche weit und lang. Seinem Reichtum vergleicht Sich nur des Baruchs vielleicht, Oder auch Tribalibot. Er wird angebetet als ein Gott. |
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15 | Seine Haut ist wunderlich: Nicht weiß, noch schwarz, wie ihr und ich, Nein, er ist schwarz und weiß zugleich. Ich kam gefahren durch sein Reich: Wohl große Mühe wandt' er an, |
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20 | Von der Fahrt, die ich hieher gethan, Mich abzuziehn; doch nicht vermocht er. Seiner Mutter Muhmentochter Bin ich: er ist ein König hehr. Vernehmt von ihm der Wunder mehr. |
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25 | Nie hielt wer Sitz vor seinen Tjosten; Er läßt sich seinen Preis auch kosten: Kein mildrer Mann ward je geboren. Die Falschheit hat das Spiel verloren Bei Feirefiss Anschewein; Oft litt er Fraun zu Ehren Pein. |
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»Zwar hatt ich wenig Freunde hier, |
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5 | In euch, daß alle die Getauften Durch euern Preis sich Lob erkauften, Wenn euch edler Anstand zählt, Und wie sich Schönheit vermählt In euch mit mannlichem Brauch; |
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10 | Der Kraft gesellt ihr Jugend auch.« Der reichen weisen Heidin Gab Unterweisung den Gewinn, Daß sie gut französisch sprach. Der Waleis begann darnach. |
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15 |
Also sprach er zu ihr: |
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20 | Ich mag das Leid nicht leiden, Das sich mir angekündigt: Daß sich Mancher nun versündigt An mir, der meinen Schmerz nicht räth Und mich mit seinem Spott belädt. |
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25 | In Frieden sieht mich Niemand mehr, Ersah ich nicht den Gral vorher, Es währe kurz oder lang. Mich jagt dahin der Seele Drang; Auch wendet nichts mir den Entschluß, So lang ich bin und leben muß. |
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»Trug Bescheidenheit und Zucht |
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5 | Daß ich unbescheidne Frage miede Und mich von allem Vorwitz schiede. Viel werther Ritter seh ich hier: Bei eurer Zucht, nun rathet mir, Wie erwerb ich wieder eure Huld? |
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10 | Man warf mir eine schwere Schuld Hier mit strengen Worten vor. Wessen Huld ich drum verlor, Der ist mir ohne Grund nicht gram. Wenn ich zu Preis einst wieder kam, |
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15 | So seht, ob ihr darnach mich schätzt: Von euch zu scheiden eil ich jetzt. Ihr gelobtet mir Genoßenschaft, Dieweil ich blüht' in Preises Kraft: Deren seid nun frei. Hin zu dem Orte, |
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20 | Wo meine grüne Freude dorrte! Mein Herz soll tiefen Jammers pflegen, Den Augen geb es immer Regen, Seit ich auf Monsalväsch verließ, Was mich vom wahren Heil verstieß, |
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25 | O Gott, wie manche klare Magd! Was je von Wundern ward gesagt, Viel größre Wunder hat der Gral. Der Wirth trägt seufzerreiche Qual. Ach hülfeloser Anfortas, Was half dir, daß ich bei dir saß!« |
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Was sollen sie hier länger stehn? |
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5 | Den Rittern und den Frauen, Ihren Urlaub woll er schauen Und Heil erwünschen Allen. Niemand wollt es gefallen, Daß er so traurig ritt hindann. |
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10 | Leid war sein Scheiden Weib und Mann.
Artus gelobt' ihm in die Hand, |
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15 | Auch bedaur' er, daß ihm Lähelein Nahm zweier reichen Kronen Schein. Viel Dienste Mancher noch ihm bot; Den Helden trieb hindann die Noth. Kunnewar die schöne Magd |
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20 | Nahm den Degen unverzagt Und führt' ihn an der Hand hindann. Da küsst' ihn mein Herr Gawan. Auch sprach der Held verwegen Zu dem kraftreichen Degen: |
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25 | »Ich weiß wohl, Freund, du must nun fahren, Darfst dich in manchem Kampf nicht sparen. Gebe Gott dir Glück im Streit Und mir noch einst Gelegenheit Dir zu dienen, wie ich es begehre. Daß seine Kraft mir das gewähre!« |
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Der Waleis sprach: »Weh, was ist Gott? |
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5 | Ich war mit Dienst ihm unterthan, So lang ich bin und beten kann. Ich will ihm künftig Dienst versagen: Hat er Haß, den will ich tragen. Freund, kommt deine Kampfeszeit, |
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10 | Ein Weib beschütze dich im Streit. Die müße segnen deine Hand, An der du Keuschheit hast erkannt Und weibliche Güte, Ihre Minne dich behüte. |
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15 | Weiß nicht, wann ich dich wieder sehe; Ich wünsche, daß dir Heil geschehe.« Zu Nachbarn gab ihr Scheiden |
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20 | Führt' ihn, wo das Zelt ihr stand. Sein Geräth ließ sie ihm bringen: Ihre linden Hände hingen Es um den Gachmuretens Sohn. Sie sprach: »Ich schuld euch solchen Lohn, |
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25 | Da der König mich von Brandigan Euerthalb zur Braut gewann. Sonst giebt mir eure Würdigkeit Noth und seufzerreiches Leid. Wenn ihr euch Trauerns nicht erwehrt, Eure Sorg an meiner Freude zehrt.« |
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Nun war sein Roß mit Stahl verdeckt, |
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5 | Theuer, aller Mängel bar; Korsett und Wappenrock ihm war Geschmückt mit Gesteine. Seinen Helm alleine Hatt er nicht aufgebunden. |
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10 | Da küsst' er unumwunden Kunnewar die klare Magd; Also ward mir gesagt. Da geschah ein traurig Scheiden Von den liebenden Beiden. |
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15 | Wir laßen reiten unsern Helden; Was die nächsten Abenteuer melden, Das geht ihn so genau nicht an; Doch hört ihr einst, was er begann, Wohin er fuhr und wo er blieb. |
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20 | Wem Kampf und Ritterspiel nur lieb, Denk unterdessen nicht an ihn, Räth ihm das sein stolzer Sinn. Kondwiramor, Dein minniglicher beau korps, |
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25 | Wie oft der Degen sein gedenkt, Was er dir Aventüren schenkt! Schildesamt um den Gral Uebt nun der Held, den mit Qual Einst Frau Herzeleid gebar, Der auch des Grals Anerbe war. |
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Da fuhr des Ingesindes viel |
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5 | Und vier Königinnen hehr Gefangen hielt ein Zauberer. Das Schloß heißt Schatelmerveil. Was ihnen dort ward zu Theil, Nicht beneid ich ihnen das; |
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10 | Ich bin doch Frauenlohnes laß.
Da sprach der Grieche Klias: |
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15 | Hinters Ross zu meiner Schmach. Von vier Königinnen sprach Er mir. die da gefangen sind; Zwei sind alt, und zwei noch Kind. Die eine heißet Itonjê, |
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20 | Die andre heißet Kondriê, Die dritte heißt Arnive, Die vierte Sangive.«334, 11–22. St. Marte hält diese Stelle für einen unechten Zusatz, weil die Nennung des Namens der vier auf Schatelmerveil gefangenen Königinnen ihre Verwandtschaft mit Artus au den Tag gebracht hätte, der dann nicht gesäumt haben würde, die Verschollenen sogleich mit Heeresmacht zu erlösen. Aber Klias sprach diese Worte nicht vor dem ganzen Hofe, sondern nur vor den Wenigen, die das Abenteuer auf Schatelmerveil zu beschauen auszogen. Auch steht ihm entgegen, daß die dreißig Zeilen, die eine Art Strophe bilden, bei Auslaßung dieser Verse nicht voll würden, und die ganze Verszählung in Unordnung geriethe. Die ganze allerdings entbehrliche Strophe für untergeschoben zu erklären, trage ich doch Bedenken, weil der Dichter auch sonst Gelegenheit nimmt, das Abenteuer auf Schatelmerveil vorzubereiten. Vgl. 66. 7. Die Neugier trieb sie hinzugehn; Doch konnt es anders nicht geschehn, |
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25 | Sie musten Schaden dort erjagen; Den Schaden will ich mäßig klagen. Wer um Frauen duldet Noth und Streit, Das giebt ihm Freude, wenn auch Leid Wohl mitunter überwiegt: So geht es wo die Minne kriegt. |
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Auch Gawan machte sich bereit, |
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5 | Von mancher Frau und mancher Magd Ward es herzlich auch beklagt, Daß er zum Kampf sollt reisen. An Würdigkeit verwaisen Sah man die Tafelrunde. |
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10 | Gawan erwog zur Stunde, Womit er möchte siegen. Harte Schilde wohlgediegen (Gleich galt ihm, wie die Farbe war) Brachten Kaufleute dar |
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15 | Auf Säumern, doch nicht wohlfeil: Dreie wurden ihm zum Theil. Auch erwarb der Degen hochgemuth Sieben Ross zum Kampfe gut; Zwölf scharfe Spere von Angram |
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20 | Sich der Held zu Freunden nahm, Starke Rohrschäfte drein Von Oraste Gentesein, Aus einem Moor im Heidenland. Gawan nahm Urlaub zuhand |
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25 | Und fuhr hinweg mit Mannheit. Artus gab willig und bereit Zu der Fahrt ihm reichen Sold, Licht Gestein und rothes Gold Und Silbers manchen Sterling; Viel Mühen er entgegen ging. |
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Nach der Heimat schiffte da |
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5 | Das Volk von dem Plimizöl. Artus fuhr gen Karidöl; Doch nahmen von ihm Urlaub eh Kunnewar und Klamide. Orilus der Herzog auserkannt |
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10 | Und Frau Jeschute von Karnant Nahmen Urlaub auch sofort; Doch verblieben sie noch dort Bis zum dritten Tag bei Klamiden: Des Hochzeit sollte da geschehn; |
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15 | Jedoch nicht laut, nur insgeheim: Sie wurde größer bald daheim. Denn wie ihm seine Milde rieth, Viel Ritter, welche Reichtum mied, Nahm er mit in seiner Schar; |
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20 | Die Fahrenden noch alle gar. Daheim in seinem Lande Mit Ehren ohne Schande Vertheilt' er ihnen seine Habe, Versagte Niemand karg die Gabe. |
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25 |
Auch Frau Jeschute fuhr zumal, |
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Nun hoff ich, sinnge Frauen gut, |
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5 | Daß ich Frauen beßer schildern mag, Als ich einst von Einer sprach. Belakane, die Königin, Tadelsohne war ihr Sinn Und zu aller Falschheit laß, |
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10 | Da ein todter König sie umsaß. Frau Herzeleiden füllt' ein Traum Mit Seufzern aus des Herzens Raum. Wie groß war Ginoverens Klage An Itherens Todestage! |
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15 | Auch fühlt ich ihren Kummer mit, Da Jeschute solche Schmach erlitt, Des Königs Tochter von Karnant, Eh ihre Unschuld ward erkannt. Misshandelt wurde Kunnewar |
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20 | Und gerauft ihr schönes Haar: Das seht ihr Beiden wohl ersetzt; Sie haben Preis für Schande jetzt. Diese Märe führe fort ein Mann, |
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25 | Und Reime weiß zu sprechen, Zu paaren und zu brechen. Ich thäts euch gerne weiter kund, Geböt und lohnt' es mir ein Mund, Den aber kleinre Füße tragen, Als die mein Ross mit Sporen schlagen. |