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Gawan, den Minnenoth nicht schlafen läßt, springt vom Lager und beschaut sich die Wunderburg. Auf dem Warthaus steht eine hohe Säule, die Alles abspiegelt, was sich im Umkreiß von sechs Meilen begiebt. Darin sieht er Orgelusen mit einem Ritter, dem Türkowiten, nach der Kampfwiese reiten. Er hält dieß, wie es in der That gemeint ist, für eine Herausforderung, wappnet sich, reitet hin und sticht auch diesen Kämpen der Herzogin ab. Diese reizt ihn wieder durch höhnische Reden, verheißt ihm aber Minne, wenn er ihr aus dem Klinschorwalde einen Kranz von dem Baume bringe, den König Gramoflanz hege. Diesen zu holen will er bei dem Waßer Sabins über die gefährliche Furt Ligweiß Prellius sprengen, stürzt aber mit dem Pferde in die reißende Flut und erreicht nur mit großer Noth das Gestade. Als er den Kranz bricht, erscheint Gramoflanz unbewaffnet, verschmäht aber den Kampf mit ihm, weil er nur mit Zweien zugleich zu kämpfen gewohnt sei. Gramoflanz hat Orgelusens Gemahl Cidegast erschlagen und sie selbst entführt, ohne sie gewinnen zu können; aus Rache stellt sie ihm jetzt nach dem Leben. Er liebt nun eine der vier Königinnen auf Schatelmerveil, die junge Itonjê, Gawans Schwester, deren Vater Lot jedoch seinen Vater Irot im Gruß erschlagen haben soll, weshalb er mit Lots Sohne Gawan ausnahmsweise zum Einzelkampfe bereit sei. Als sich Gawan zu erkennen giebt und für seinen Vater einzustehen erbietet, wird ein Zweikampf auf dem Plan vor Joflanze verabredet, zu dem sich beide Theile mit großem Gefolge von Rittern und Frauen, namentlich Gawan mit Artus und seiner Massenie (Ingesinde), einfinden sollen. Darauf sprengt Gawan, obwohl eine Brücke in der Nähe ist, über den Strom zurück und bringt Orgelusen den Kranz. Diese bittet ihm fußfällig ihre bisherige Härte ab, die ihn nur versuchen und für den Kampf mit Gramoflanz gewinnen sollte. Um an diesem Cidegasts Tod zu rächen, hat sie eine große Schar von Rittern, worunter Herzoge und Könige, um Sold und Minnelohn geworben (nur Parzival hatte sie verschmäht) und den reichen Kram (den Sekundille mit Kondrien la Sorziere und Malkreatüre dem Anfortas, und dieser Orgelusen, seiner Geliebten geschenkt) mit Klinschors Bewilligung vor das Thor des Schloßes gesetzt, damit Gramoflanz, weil ihr Besitz daran hing, zu dem Abenteuer gereizt würde und umkäme. Die Herzogin begleitet nun Gawan nach dem Schloße, von dessen Zinne sie erkannt und von Klinschors Ritterschaft eingeholt werden. Nach der Ueberfahrt, bei welcher sie Bene bewirthet, bedingt sich Plippalinot als Lischoisens Lösegeld aus Sekundillens Goldkram eine Harfe, Schwalbe genannt. Gawan schickt Artusen Brief und Boten nach Bems an der Korka im Lande Löver wegen seines Zweikampfes mit Gramoflanz. Arnive, der Gawan seinen Namen und nahe Verwandtschaft verheimlicht, versucht vergebens den Boten auszuforschen.
583 | Wer ihm nun Schlummer nähme, Wenn jetzt ihm Schlummer käme, Der würde sich versündigen. Wir hörten uns verkündigen, |
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5 | Welche Drangsal er bestanden, Wie seinen Preis viel Landen Kund that seines Kampfes Noth. Was der werthe Lanzelot Auf der Schwertbrücke litt, |
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10 | Und als er Meljakanz bestritt, Das vergleicht sich diesen Schrecken nicht, Noch was von Garel man spricht, Dem reichen König unverzagt, Der es ritterlich gewagt, |
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15 | Den Leu zu werfen vor den Saal Zu Nantes, vor den Herren all. Das Meßer holte auch Garel; Doch büßt' es schwer der Degen schnell In der marmornen Säule. |
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20 | Trüg ein Maulthier die Pfeile, Es wär ihm allzuschwere Last, Die Gawan der muthge Gast Auf sein Herz abschnurren ließ, Wie ihn seine Kühnheit hieß. |
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25 | Ligweiß Prellius die Furt, Und Erecks Noth, der Schoidelakurt Von Mabonagrein erstritt, Schuf nicht solch Leid, wie Gawan litt, Auch Iweins nicht (der stolze Degen Ließ den Guß nicht unterwegen |
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584 | Auf der Aventüre Stein):583, 8–584, 1. Lanzelots Abenteuer auf der Schwertbrücke und sein Kampf mit Meljakanz ist schon zu 387, 2–8 besprochen. Was Garel, ein Ritter der Tafelrunde, mit dem Löwen und dem Meßer bei der Marmorsäule für ein Abenteuer bestand, wißen wir auch aus dem spätere Gedichte des Pleiers nicht, obgleich Garel dessen Held war. Die Furt Ligweis Prelljus werden wir bald (600, 12; 602, 6) näher kennen lernen; Erecks Kampf mit Mabonagrein und Schoidelakurt haben wir schon erwähnt, und Iweins (Iwans, Iwanets) Waßerguß auf den Stein der Aventüre ist uns aus Hartmanns gleichnamigem Meisterwerke bekannt. Im Walde Briziljan, den wir auch im Parzival kennen gelernt haben, hing neben einem Brunnen ein kostbares Becken. Goß man damit Waßer auf den Stein, so erhob sich ein furchtbares Gewitter, das den Wald verwüstete, das Wild und die Vögel erschlug; wenn der Sturm sich gelegt hatte, erschien der Herr des Brunnens und Landes, Rechenschaft für den Schaden zu fordern, welcher durch den Waßerguß verursacht worden. Dieß Abenteuer bestand Iwein, besiegte den Herrn des Brunnens und vermählte sich hernach durch Lunetens Vermittlung mit Laudine, der Wittwe des Erschlagenen. Vgl. zu 253, 10–14. Fügt in Eins all diese Pein, Noch größre Noth bestand Gawan, Wer Ungemach ermeßen kann. |
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5 |
Welche Noth mag ich nun meinen? |
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10 | Wo er Zagheit nie empfangen, Nur hohen Muth und kühnen Sinn. Wie geschahs, wie barg sich drin Die große Frau in kleiner Statt? Sie kam so einen engen Pfad |
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15 | In Gawans beklommnes Herz, Daß all sein übriger Schmerz Neben dieser Noth verschwand. Es war doch eine niedre Wand, Die solch hohes Weib verdeckte, |
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20 | Der zu dienen nichts erschreckte Sein dienstliches Wachen. Niemand soll drüber lachen, Daß also wehrhaften Mann Ein Weib so überwinden kann. |
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25 | Alle Welt, was soll das sein? Nun lehrt der Minne Zorn ihn Pein, Der hohen Preis sich hat erjagt. Wehrlich und unverzagt Hat sie ihn doch befunden. Gewalt zu thun dem Wunden, |
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585 | Kanns ihrer Ehre frommen? Sollt ihm zu Gut nicht kommen. Daß sie ihn bei voller Kraft Wider Willen zwang in ihre Haft? |
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5 |
Frau Minne, wollt ihr Preis erjagen, |
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10 | Desgleichen auch sein Vater Lot, Und all sein mütterlich Geschlecht Euch zu Diensten war gerecht Schon seit jenem Mazadan, Welchen gegen Feimorgan |
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15 | Terredelaschoi entführte, Da eure Macht sein Herz berührte. Von Mazadans Nachkommen Hat man noch stäts vernommen, Daß Keiner jemals von euch ließ. |
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20 | Ither auch von Gahevieß Hat euer Wappenkleid getragen: Hört' eine Frau nur von ihm sagen, Die bedachte sich nicht lang, Auf seines Namens bloßen Klang |
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25 | Sich überwunden zu gestehn: Wie jene denn, die ihn gesehn? Der war frohe Zeit gekommen. An dem ward euch viel Dienst benommen. Nun gebt Gawanen auch den Tod |
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586 | Den eure Macht so lange zwang, Bis der Junge, Süße rang Nach der Liebsten günstgem Blick; Florie wars von Kanedick. |
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5 | Früh must er seine Heimat fliehn; Ihn erzog die Königin; Er sah Britannien nicht mehr. Mit Minne lud sie ihn so schwer, Es trieb ihn auch aus ihrem Land. |
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10 | Zuletzt in ihrem Dienste fand Man ihn todt; ihr habts vernommen. Gawans Geschlecht ist oft gekommen Durch Minn in herzliche Beschwer. Ich nenn euch seiner Vettern mehr, |
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15 | Denen auch von Minne wurde weh. Wie zwang der blutige Schnee Parzivals getreuen Sinn? Das schuf sein Weib, die Königin. Galoes und Gachmureten |
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20 | Habt ihr zu Boden so getreten, Daß sie auf der Bahre lagen. Itonjê die junge muste tragen, Die schöne Schwester Gawans, Mit Treuen um Roi Gramoflanz |
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25 | Der Minne peinlichen Streit. Frau Minne, schuft ihr nicht auch Leid Sürdamur um Alexandern?586, 27. Sürdamur lernen wir 712, 8 als Schwester Gawans kennen. Sie und ihr Geliebter, der Griechenkaiser Alexander, hatten ihre eigene Sage, auf die schon der wälsche Gast anspielt. In dem Romane von Cliget (Verfaßer Chrestien von Troyes) ist dieser Held der Sohn Alexanders und Sürdamurs, deren Liebesgeschichte gleichfalls darin enthalten ist. Hist. lit. 15. 209. Dem Einen wie dem Andern, Die Gawanen zum Verwandten hatten, Wolltet ihr es nie gestatten |
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587 | Eure Feßel nicht zu tragen: Nun wollt ihr Preis an ihm erjagen. Ihr solltet Kraft der Kraft erwiedern |
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5 | Ihn schmerzen noch die Wunden: Bezwingt erst die Gesunden. Schon Mancher viel von Minne sang, Den Minne nie so sehr bezwang; Ich möcht es in Geduld ertragen: |
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10 | Verliebte Herzen solltens klagen, Wie ihr den von Norweg schlagt in Banden; Die Aventür hatt er bestanden: Da traf den Armen allzubitter Der Minne schauriges Gewitter. |
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15 |
»Weh,« sprach er, »daß zur Ruhestätte |
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20 | Orgelus die Herzogin Muß Genad an mir begehn, Soll ich noch frohe Tage sehn.« Wie er vor Ungeduld sich wand, Zerriß ihm mancher Wundverband. |
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25 | In solchem Ungemache lag Der Held, bis ihn beschien der Tag. Den hatt er unsanft erharrt. Ich weiß, daß oft ihm wohler ward In manchem scharfen Schwerterstreit Als heut in seiner Ruhezeit. |
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Soll ein Leid an seines reichen |
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5 | Das schmerzt vielleicht ihn schon so sehr Als all sein Liebesschmerz vorher. Gawan trug Minn und andre Noth. |
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10 | Schier verdunkelt muste sein. Vom Bette sprang der Weigand. Da war all seine Leinewand Von Blut und Eisenrost befleckt. Doch war ein Stuhl für ihn bedeckt |
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15 | Mit Hos und Hemd von Buckeram: Dem Wechsel war er gar nicht gram. Dann war ein Marderhut bereit, Von gleichem Pelz ein Unterkleid; Darüber kam ein weit Gewand |
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20 | Von Zeuch aus Arras hergesandt. Zwei Stiefeln standen auch dabei, Nicht zu eng, doch schön und neu.588, 19–22. Vgl. St. Marte Germ. II. 85. Die neuen Kleider legt' er an: |
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25 | Zu des Zimmers Thür hinaus. Nun ging er hin und her im Haus, Bis er den reichen Pallas fand. Sein Auge hatt in keinem Land Solche Pracht noch erschaut, Wie hier verwandt war und verbaut. |
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589 | Zu einem Bau von mäßger Weite Gings auf im Saal an Einer Seite: Stufen führten in der Runde Zu der herlichen Rotunde. |
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5 | In ihr stand eine Säule stolz, Nicht etwa aus faulem Holz, Nein, schön und licht, dabei so stark Und groß, der Frau Kamille Sarg589, 8. Vgl. 504, 25. Kamille, die in dem dort erwähnten Kampfe gefallen war, läßt Heinrich von Veldeck in einem prächtigen Sarge beisetzen (9308–413). Hätte wohl darauf gestanden. |
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10 | Aus Feirefissens Landen Brachte Klinschor der weise, Was hier prangt' im Kreise. Runder sah man Zelte nie. |
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15 | Der es schaffen wollen, Hätte Kunst gebrechen sollen: Geschaffen hatt es Zauberlist. Diamant und Amethist (Die Märe hat es uns verrathen), |
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20 | Topasen und Granaten, Chrysolithen und Rubinen, Smaragden und Sardinen Schmückten alle Fenster reich. Weit und hoch, den Säulen gleich, |
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25 | Die sich zwischen Fenstern hoben, War verziert die Decke droben. Doch keine Säule zeigte sich, |
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590 | Viel Wunder zeigte sich daran. Schaulustig stieg Herr Gawan Auf dieß Warthaus allein Zu manchem kostbaren Stein. |
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5 | Da fand er Wunder übergroß, Daß ihn des Schauens nicht verdroß Ihn dauchte, daß er Fern und Nähe In der großen Säul gespiegelt sähe. Die Länder drehten sich im Kreise, |
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10 | Es drängten wie in Kampfesweise Die großen Berg einander. In der Säule fand er Leute reiten, Leute gehn, Diesen laufen, jenen stehn. |
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15 | In ein Fenster setzte sich Gawan Und sah das Wunder staunend an. Da kam die alte Arnive |
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20 | Ihm nahten die vier Königinnen. Gawan sprang auf, als er sie sah. Arnive sprach, die alte, da: »Herr, ihr solltet noch der Ruhe pflegen. Wollt ihr der Ruh euch schon begeben, |
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25 | Ihr seid dazu noch allzuschwach; Ihr braucht nicht neues Ungemach.« Da sprach er: »Frau und Meisterin, Mir hat so viel Kraft und Sinn Eure Kunst zurückgegeben, Ich wills euch danken all mein Leben.« |
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Die Köngin sprach: »War es nicht Tand, |
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5 | Ihr könnt nicht Schimpf davon gewinnen: Sie sind geborne Königinnen.« Dieser Bitte freut' er sich: Die Frauen küsst' er minniglich, Sangiven erst, dann Itonjê |
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10 | Und die süße Kondriê; Selbfünfter setzt' er dann sich nieder; Prüfend blickt' er hin und wieder Auf der Jungfraun klaren Leib. Doch bewirkte das ein Weib, |
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15 | Die in seinem Herzen lag, Daß all ihr Glanz ein Nebeltag Ihm gegen Orgeluse war. Ihm schien so minniglich und klar Von Logrois die Herzogin, |
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20 | Sie benahm ihm Herz und Sinn.
Nun, auch dieß war abgethan: |
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25 | Es mochte wohl ein Herz verwunden, Das nicht für Andre schon empfunden. Seine Meisterin frug er da Nach der Säule, die er vor sich sah, Daß sie ihm sagte Märe Wie es damit doch wäre. |
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Da sprach sie: »Herr, dieser Stein |
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5 | So daß man drin gespiegelt sah, Was binnen diesem Raum geschah Auf dem Waßer, auf dem Felde: Von Allem giebt er Melde. Den Vogel wie das Säugethier, |
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10 | Den Gast und den vom Waldrevier, In seinem Spiegel schauet man Den heimschen wie den fremden Mann. Sein Schimmer reicht sechs Meilen weit; Er hat auch solche Festigkeit, |
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15 | Von seiner Stelle rückte, Wie er Hau und Hammer zückte, Ihn nicht der allerstärkste Schmied. Er ward geraubt zu Thabronit Der Köngin Sekundille: |
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20 | Denn gewiss wars nicht ihr Wille.«
In der Säule sah Gawan |
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25 | Die Frau bedaucht ihn schön und klar. Mann und Ross gewappnet war, Und der Helm schön verziert. Sie kamen hastig galoppiert Durch den Hohlweg auf den Plan: Seintwegen ward ihr Ritt gethan. |
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Die beiden ritten aus dem Holze |
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5 | Den Ritter an dem Zaume her: Tiostieren wollt auch er. Zum Fenster kehrt sich Gawan um, Nicht mindert sich sein Leid darum. Die Säule hatt ihn nicht betrogen: |
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10 | Denn dort sieht er ungelogen Orgelusen de Logrois Und einen Ritter kurtois Reiten auf den Kampfeswasen. Wie die Nieswurz in der Nasen |
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15 | Scharf wirkt und strenge, So in des Herzens Enge Fuhr ihm die Herzogin mit Pein Durch die Augen oben ein. Weh, ein hülfloser Mann |
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20 | Ist gegen Minne Herr Gawan. Als er den Ritter kommen sah, Zu seiner Meisterin sprach er da: »Dort fährt ein Ritter einher, Herrin, mit gezücktem Sper. |
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25 | Er will sich Suchens unterwinden: So soll er, was er sucht, denn finden. Da er Ritterschaft begehrt, So sei ihm Streit von mir gewährt. Doch welche Frau geleitet ihn?« Sie sprach: »Es ist die Herzogin |
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594 | Von Logrois, das schöne Weib. Wem will sie feindlich an den Leib? Den Türken seh ich mit ihr kommen, Von dem man immer hat vernommen, |
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5 | Sein Herz sei kühn und unverzagt. Er hat mit Speren Preis erjagt, Es zierte dreifach wohl ein Land. Wider seine starke Hand Sollt ihr noch Kampf vermeiden: |
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10 | Ihr mögt nicht Kampf erleiden, Ihr seid zum Kampf noch allzuwund. Und wärt ihr völlig auch gesund, Ich rieth' euch Kampf mit ihm nicht an.« Da sprach mein Herr Gawan: |
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15 |
»Ihr sagt mir, daß ich Herr hier wäre: |
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20 | Groß Weinen sah man da geschehn Von den Frauen allen vieren. Sie sprachen: »Wollt ihr zieren Euern Ruhm mit neuem Preise, So kämpft in keiner Weise. |
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25 | Fändet ihr vor ihm den Tod, Schrecklich wüchs erst unsre Noth. Und ob ihr ihm das Leben nähmt, Wenn ihr in den Harnisch kämt, Stürbt ihr an den alten Wunden: Uns würde nimmer Heil gefunden.« |
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Gawan mit großem Kummer rang, |
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5 | Ihn schmerzten auch die Wunden sehr Und die Minne noch viel mehr, Dazu der Jammer dieser Frauen: Denn ihre Güte war zu schauen. Er bat, daß sie das Weinen mieden; |
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10 | Sein Mund begehrte doch entschieden Harnisch, Ross und Schild und Schwert. Die vier klaren Frauen werth Wollten in den Saal ihn bringen. Er bat sie, daß sie vor ihm gingen |
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15 | Hinab. wo die andern waren, Die süßen und die klaren. Als Gawan zu seiner Fahrt |
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20 | Obwohl es so geheim geschah, Daß es Niemand erfuhr, Als der gute Krämer nur, Der sein Ross befahl zu streichen. Hinaus sah man den Helden schleichen, |
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25 | Wo Gringuljet das Ross ihm stund. Doch war er noch so schwach und wund, Daß er den Schild mit Mühe trug; Durchlöchert war der auch genug. Da schwang sich Herr Gawan zu Ross |
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596 | Zu seines treuen Wirthes Haus, Der ihm willig überaus Alles gab, was sein Begehr. Von ihm empfing er einen Sper |
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5 | Unbeschabt und wohl zu loben. Er hatte manchen aufgehoben Jenseits auf seinem Wiesenplan. Da bat ihn mein Herr Gawan: »Schafft mich hinüber balde.« |
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10 | In einer breiten Schalde Fuhr der ihn über an den Strand, Wo er den Türkowiten fand, Den werthen Helden hochgemuth. Der war vor Schand in solcher Hut, |
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15 | Daß Niemand Tadel an ihm fand; Auch ward der Preis ihm zuerkannt: Wer eine Lanze mit ihm brach, Daß er hinterm Rosse lag Von seiner Tjost mit jähem Fall. |
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20 | Also hatt er sie noch all, Die wider ihn geritten, Mit Tjosten überstritten. Auch gab sich aus der Degen werth, Mit der Lanze wollt er, sonder Schwert, |
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25 | Hohen Preis erwerben Oder seinen Preis verderben. Und wer den Preis erränge, Daß er vom Ross ihn schwänge, Dem wollt er sich nicht weiter wehren Er wollt ihm Sicherheit gewähren. |
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Das erfuhr Herr Gawan |
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5 | Daß Einer fiel, der Andre saß, So empfing er ohne Beider Haß Des Verlust und des Gewinn: Das ist das Ross, das zog er hin Gleichviel, ob sie sich satt geritten. |
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10 | Wer sich Preis, wer Schmach erstritten, Das entschieden ihm die Frauen; Die mochten manchen Zweikampf schauen. Den Held er fest zu sitzen bat, Er zog das Ross ihm ans Gestad, |
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15 | Er bot den Schild ihm und den Sper. Nun fuhr der Türkowit einher Galoppierend wie ein Mann, Der seine Tjost wohl meßen kann. Nicht zu hoch und nicht zu tief. |
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20 | Hurtig ihm entgegenlief Von Monsalväsche Gringuljet, Das nach Gawans Willen thät, Wie der Zaum ihm Weisung gab: So lief es auf den Plan im Trab. |
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25 | Hurtig, tiostiert geschwind! Einher fährt König Lotens Kind Kühn und unerschrocken itzt. Wißt ihr, wo die Helmschnur sitzt? Da traf ihn hin der Türkowite. Gawan lehrt' ihn andre Sitte, |
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598 | Er traf ihn durch des Helms Visier. Offenkundig ward es hier, Wer der Besiegte wäre. An dem kurzen starken Spere |
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5 | Empfing den Helm Herr Gawan: Fort ritt der Helm, dort lag der Mann, So lang der Mannheit Blume, Bis er hier zu Gawans Ruhme Das Gras gedeckt mit jähem Fall, |
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10 | Daß seines Helmschmucks Zierden all Im Thau mit Blumen stritten. Gawan kam hingeritten, Wo er Sicherheit von ihm gewann. Da sprach das Ross der Fährmann an: |
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15 | Das war sein Recht, wer streitet drum? »Ihr freut euch (wißt ihr auch warum?)« Sprach Orgelus die Schöne, Daß sie Gawanen höhne, »Weil des starken Löwen Fuß |
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20 | Euch im Schilde folgen muß; Und wollt hier neuen Preis empfahn, Da diese Frauen alle sahn, Wie ihr tiostieren könnt: Sei euch die Freude denn gegönnt. |
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25 | Wohl dankt ihrs billig euerm Heil, Daß sich an euch das Lit merveil So wenig hat gerochen. Zwar ist euer Schild zerbrochen, Als wär euch doch, was Streit heißt, kund. Doch seid ihr sicherlich zu wund |
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599 | Zu neuem Lanzenbrechen, Wärs auch nur Gänsestechen. Gleicht euer Schild nun einem Sieb, So ists euch rühmenshalber lieb, |
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5 | Daß ihn so mancher Pfeil zerbrach. Flieht klüglich neues Ungemach Nach so viel Schüßen, so viel Pfeilen: Laßt euch erst den Finger heilen. Reitet wieder zu den Frauen: |
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10 | Wie dürftet ihr euch wohl getrauen Neuen Kampf noch zu bestehn, Wär euch selbst zum Lohn ersehn Meiner Minne Gewinn?« Da sprach er zu der Herzogin: |
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15 |
»Herrin, meine Wunden |
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20 | Darin ich euch nicht Dienste böte. Sie sprach: »Ich laß euch reiten (Neuen Preis zu erstreiten) Neben mir, geliebt es euch.« Aller Freuden ward da reich |
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25 | Der stolze werthe Gawan. Den Türken sandt er gleich hindann Mit seinem Wirth Plippalinot, Durch den er aus der Burg entbot, Es möchten gütig seiner wahr Nehmen dort die Frauen klar. |
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Gawans Sper war ganz geblieben, |
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5 | Von der blühenden Aue. Wohl weinte manche Fraue, Die ihn von dannen reiten sah. Arnive sprach, die Königin, da: »Unser Trost traf eine Wahl |
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10 | Den Augen süß, des Herzens Qual. Wir sehn ihn folgen mit Verdruß Gen Ligweiß Prelljus Orgelus der Herzogin. Seinen Wunden bringt es Ungewinn.« |
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15 | Vierhundert Frauen sah man klagen; Hin ritt er, neuen Preis erjagen. Wie schwer er noch verwundet war, |
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20 | Sie sprach: »Ihr sollt mir einen Kranz Von eines Baumes Reise Holen. Seht, ich preise Euch um die That, wollt ihrs gewähren: Meine Minne dürft ihr dann begehren.« |
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25 | Da sprach er: »Herrin, wo das Reis Auch stehe, das so hohen Preis Mir soll zum Heile tragen, Daß ich, Frau, euch dürfe klagen Erhörung hoffend meine Noth, Ich brech es, wehrt mirs nicht der Tod.« |
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Wohl standen da viel Blumen licht, |
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5 | So wohl, sein altes Ungemach Ließ mit allen Schmerzen nach. So ritt sie mit dem Gaste Von der Burg wohl eine Raste, Grad war die Straße und geraum, |
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10 | Vor eines grünen Waldes Saum. Tämris und Prisin Waren all die Bäume drin; Man nannt ihn nur den Klinschors-Tann. Da sprach der kühne Held Gawan: |
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15 | »Wo brech ich, Herrin, nun den Kranz, Von dem mein wundes Herz wird ganz?« Was stieß er sie nicht nieder, |
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20 | Sie sprach: »Ich laß euch schauen, Wo ihr Preis erwerbt zur Stunde.« Feldüber tiefem Schlunde So nahe ritten sie heran, Daß sie den Baum des Kranzes sahn. |
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25 | Sie sprach zu ihm: »Herr, jenen Stamm, Den heget, der mir Freude nahm: Bringt ihr mir davon ein Reis, So ward um Minne höhrer Preis Nie einem Ritter zum Gewinn.« Also sprach die Herzogin. |
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602 | »Ich kann nicht weiter mit euch reiten; Wollt ihr fürbaß, mög euch Gott geleiten: So dürft ihrs länger nicht verhängen: Das Ross von dieser Höhe sprengen |
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5 | Müßt ihr nach kühnen Herzens Schluß Ueber Ligweiß Prellius.« Stille hielt sie auf dem Plan; |
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10 | Durchbrochen hatt es sich ein Thal Weit, tief, schier unzugänglich. Da nahm Gawan nicht bänglich Das Ross mit Schenkeln und mit Sporen: So triebs der Degen wohlgeboren, |
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15 | Daß es jenseits das Gestad Mit zweien Füßen betrat. Nach dem Sprunge stürzte Ross und Mann; Die Herzogin sahs weinend an. Voll und reißend ging die Flut; |
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20 | Gawan en kam die Kraft zu gut, Doch drückt' ihn seiner Rüstung Last. Da sah er eines Baumes Ast Ragen zwischen Felsenriffen: Der Starke hatt ihn bald ergriffen: |
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25 | Denn er lebte gern noch mehr. An seiner Seite schwamm sein Sper: Den ergriff der Weigand Und stieg hinauf an das Land. Gringuljet schwamm auf und nieder: |
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603 | Doch wie der Strom es mit sich riß, Folgt' er nicht ohne Hinderniss. Schwer drückt der Harnisch, den er trug Wunden hatt er auch genug. |
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5 | Nun trieb es ihm ein Wirbel her, Daß ers erreichte mit dem Sper Hier, wo der Regen weiten Fluß Gebrochen hatte seinem Guß Durch einer tiefen Halde Saum |
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10 | Des gespaltnen Ufers Raum Kam dem armen Ross zu gut: Mit dem Spere zog ers aus der Flut So nahe zu sich an den Strand, Daß den Zaum ergriff des Helden Hand. |