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Gawan, während Parzivals Verzweiflung Herr der Aventüre, begegnet einem Heere, das der junge König Meljanz von Li gegen Lippaut, seinen Erzieher und Lehensträger, nach Beaurosche führt, weil ihm dessen Tochter, die schöne Obie, obwohl sie ihn liebte, Minnelohn verweigert hat. Sein Oheim, König Poidikonjonz von Gross, dessen Sohn Meljakanz, und der Herzog Astor von Lanveronz, der die vor Jahren von Poidikonjonz gefangen genommenen Britten führt, bilden die Stärke seines Heeres, das sonst meist aus Kinden (Edelknaben) besteht, die Meljanz zu Rittern geschlagen hat. Die Bürger, welche die Pforten vermauert hatten, öffnen sie wieder, als ihnen Hülfe zuzieht. Auch Gawan, welcher der Burg zugeritten ist, wird von Obiens kleiner Schwester Obilot zum Beistand ihres Vaters vermocht, während Obie selbst, aus Minnezorn und um gegen die Schwester Recht zu behalten, ihn als einen Falschmünzer verfolgen läßt. Die kindische Jungfrau nimmt ihn zu ihrem Ritter an und schenkt ihm einen Aermel als Kleinod, den er auf seinen Schild schlagen läßt. Gawan reitet mit seinem Wirthe, dem Burggrafen Scherules, in den Streit, rennt Lisavander, den Schatelier (Kastelan) von Beauvais, einen der Kinde des jungen Königs, der die Sporen an ihm verdienen will, nieder, schützt den Herzog Kardefablet de Jamor, den Schwager Lippauts, vor Meljakanz, fängt den starken Lahduman, Komte de Montan, weicht den gefangenen Britten aus, verwundet und fängt Meljanzen und würde auch Meljakanzen gefangen haben, wenn ihn der Herzog Astor ihm nicht entzogen hätte. Unterdessen hat ein rother Ritter (Parzival), der auf Meljanzens Seite focht, den König Schirniel von Lirivoin, dessen Bruder König von Avendroin und den Herzog Marangließ gefangen, die er nun in die Stadt schickt, um gegen Meljanz ausgewechselt zu werden. Gawan giebt den im Kampf zerfetzten Aermel Obiloten zurück, die ihn sogleich anlegt. Hernach schenkt er ihr auch seinen Gefangenen König Meljanz. Sie schenkt ihn ihrer Schwester Obie, wodurch Sühne und Vermählung zu Stande kommt. Gawan, dessen Ross Ingliart, mit den kurzen Ohren, bei Meljanzens Gefangennehmung dem rothen Ritter zugelaufen ist, nimmt Abschied von Obiloten und zieht weiter.
338 | Wer Schande floh bis in den Tod, Eine Weile soll ihm zu Gebot Diese Aventüre stehn, Gawan, dem Degen ausersehn.338, 1–4. Der Grund, warum hier der Dichter einen andern Helden in den Vordergrund stellt, ist in der Einl. §. 9 mit Lachmanns Worten angegeben. |
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5 | Manchen Helden rühmt sie gern Neben oder vor dem Herrn Dieser Märe, Parzival. Wer seinen Freund in jedem Fall Auf den höchsten Thron will tragen, |
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10 | Muß Andern billges Lob versagen. Doch dem alleine glaubt die Welt, Des Lob sich an die Wahrheit hält; Sonst, was er spricht und was er sprach, Bleibt seine Rede sonder Dach. |
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15 | Wer soll des Sinnes Haus erhalten, Will die Weisheit sein nicht walten? Verlogne, falsche Märe, Bedünkt mich, beßer wäre Die dach- und fachlos auf dem Schnee, |
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20 | So daß dem Munde würde weh, Der für Wahrheit sie verbreitet: So hätt ihn Gott dahin geleitet, Wo ihn der Gute gerne sieht, Dem oft um Wahrheit Leid geschieht. |
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25 | Wer sich zu solcher That beeilt, Der Unglück billig Lohn ertheilt, Will den ein werther Dichter preisen, Des müst ihn Thorheit unterweisen. Er meidets, weiß er sich zu schämen: Den Brauch soll er zum Vogte nehmen. |
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Gawan trug den rechten Muth: |
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5 | Im Felde war sein Herz ein Thurm, Und doch so rasch im Kampfessturm, Daß man stäts ihn im Gedränge fand. Freund und Feind ihm zugestand, Sein Schlachtruf laute löblich hell, |
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10 | Wie gern ihm auch Kingrimursel Hätte solchen Preis benommen. Nun war von Artus gekommen, Ich weiß nicht, schon wie manchen Tag Gawan, der aller Mannheit pflag. |
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15 | So ritt der Degen wohlgestalt Seines Wegs aus einem Wald Mit dem Gefolg durch einen Grund. Da ward ihm auf dem Hügel kund Ein Ding, das Angst wohl lehrte, |
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20 | Doch seine Mannheit mehrte.
Da sah der Held wohl unbetrogen, |
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25 | Kehr ich wieder in den Wald.« Da ließ der Degen gürten bald Ein Ross, das Orilus ihm ließ; Zwei rothe Ohren senkte dieß. Gringuljet sein Name war: Er empfing es ohne Bitte gar. |
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340 | Es war von Monsalväsch gekommen; Da hatt es Lähelein genommen Bei Brumban, so hieß der See. Seine Tjost that einem Ritter weh, |
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5 | Den er todt herunter stach: So erzählte Trevrezent hernach. Gawan gedachte: »Wer verzagt |
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10 | Stapf ich näher hin darum, Was mir davon auch mag geschehn. Die Meisten haben mich gesehn; Doch wird Rath zu Allem werden.« Da schwang er sich zur Erden, |
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15 | Als wollt er rasten sich einmal. Die Haufen waren ohne Zahl, Die da rottenweise ritten. Er sah viel Kleider wohlgeschnitten Und manchen Schild mit solchen Zeichen, |
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20 | Daß er noch nie gesehn dergleichen, Noch die im Fähnlein an dem Sper. »Fremd bin ich sicher diesem Heer,« Sprach der werthe Gawan, »Da ich ihrer Kunde nie gewann. |
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25 | Will man mir das zum Argen kehren, Einer Tjost wohl will ich sie gewähren Mit eignen Händen, Gott weiß, Eh ich scheid aus ihrem Kreiß.« Da war auch Gringuljet bereit, Der oft in ängstlichen Streit |
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341 | Tiostierend ward gebracht. Das war ihm jetzt auch zugedacht. Gawan sah da reich floriert, |
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5 | Kostbarer Helme viel. Sie führten vor ihr Kriegsziel Neuer Spere manche Garbe. Sie waren bunt von Farbe, Junkern in die Hand gegeben; |
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10 | Im Banner sah man Wappen schweben.
Gawan Fils du Roi Lot |
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15 | Zur Herberg eilte Maul und Ross. Hinterdrein der Krämertross Zog gar wunderlich daher; Es geht halt anders nimmermehr. Auch Frauen sah man da genug; |
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20 | Manche den zwölften Schwertgurt trug Zu Pfande für verkaufte Lust. Nicht Königinnen warens just: Solche Buhlerinnen Nannte man Marketenderinnen. |
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25 | Dabei Hallunken mannigfalt, Der eine jung, der andre alt: Sie liefen sich die Glieder krank. Manchem ziemte mehr der Strang, Als daß er hier das Heer vermehrte Und werthes Volk verunehrte. |
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Die hier Gawan traf, die Haufen |
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5 | Meint', er wär desselben Heers. Weder dieß- noch jenseits Meers Fuhr jemals stolzre Ritterschaft; Sie hatten hohen Muth und Kraft. Dicht hinter ihnen fuhr |
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10 | Eilends folgend ihrer Spur Ein Knapp gar alles Tadels frei; Ein ledig Ross ging nebenbei. Er führte einen neuen Schild; Die Sporen stieß er unmild |
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15 | Dem Ross in die Seiten: Denn ihn lüstete zu streiten. Sein Gewand war wohlgeschnitten. Gawan hatt ihn bald erritten Und frug ihn nach dem Gruß um Märe, |
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20 | Wes das Ingesinde wäre?
Der Knapp sprach: »Herr, ihr spottet mein. |
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25 | Sie beschimpfte mich nicht so wie das. Um Gott, besänftigt euern Haß. Ihr seid bekannter hier als ich: Warum also fragt ihr mich? Sicher tausendmal so gut Kennt ihr dieses Heeres Flut.« |
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Gawan ihm hoch und theuer schwur, |
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5 | Doch hab ich Alle nie gesehn, Wie ich in Wahrheit muß gestehn, Vor dieser Zeit an keinem Ort, Dient' ich gleich bald hier bald dort.« Der Knappe sprach zu Gawan: |
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10 | »So that ich Unrecht, Herr, daran, Daß ich euch nicht Bescheid gesagt: Da war mein beßrer Sinn verzagt. Richtet über meine Schuld Nach eurer eigenen Huld: |
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15 | Hernach will ich euch Alles sagen; Erst ziemts, mein Unrecht zu beklagen. »Nun sagt mir, Junker, wer sie sei'n, Wollt ihr so gefällig sein.« »Herr, so heißt der vor euch fährt |
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20 | Und dem die Reise Niemand wehrt: Roi Poidikonjonz, Mit Dük Astor de Lanveronz. Bei ihnen fährt ein wüster Mann, Der Frauenminne nie gewann. |
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25 | Er trägt der Unsitte Kranz Und heißt mit Namen Meljakanz.343, 26. Meljakanz ward schon im dritten Abschnitte als Jungfrauräuber genannt. In Hartmanns Iwein entführt er die Königin Ginover, und zwar, wie Aehnliches im Tristan geschieht, mit Zustimmung ihres Gemahls, der ihm die Gewährung einer Bitte verheißen und nichts weniger vermuthet hatte, als daß jener den Besitz Ginovers erbitten würde. Artus, dem sein Wort ein Eid war, mußte die Königin hinführen laßen; doch erbietet sich, seinen Unwillen zu beschwichtigen, Meljakanz mit jedem seiner Ritter, der ihm nachreiten würde, um sie zu kämpfen. Auf dieses Abenteuer wird 357, 22 angespielt; denn Keie, der der Erste sein wollte, ward so hoch abgestochen, daß er an einem Baumast hängen blieb; und auch 387, 2–8 bezieht sich darauf. Vgl. 583, 8. Der franz. Roman von Lanzelot (Roman de la Charette), dessen Verfaßer Chrestien von Troyes ist, bestätigt nach dem Auszuge in der hist. lit. de la France 15, 255 diesen Zusammenhang. Meljakanz (Méléaganz fils de Bademaguz, roi de Gorre) wird aber zuletzt von Lanzelot besiegt und getödtet. Ob es Weib war oder Magd, Von der er Minne je erjagt, So nahm er sie mit Nöthen: Man sollt' ihn drum ertödten. |
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344 | Poidikonjonzens Sohn ist er Und will auch kämpfen mit dem Heer. Oftmals hat er Ritterschaft Gethan mit unverzagter Kraft. |
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5 | Was hilft sein mannlicher Brauch? Ein Mutterschwein wehrt sich auch Tapfer, wenns dem Ferkel gilt. Der Mann verdient, daß man ihn schilt, Der zum Muth nicht Sitte fügt; |
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10 | Ihr bezeugt mir, daß mein Mund nicht lügt.
»Herr, noch meld ich Wunder viel: |
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15 | Von Li Meljanz der König hehr. Sich selber schuf er viel Beschwer Durch Zorn und Hochfahrt ohne Noth. Verschmähte Lieb es ihm gebot.« Noch sprach der höfsche Knappe da: |
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20 | »Herr, ich sag euch was ich selber sah. König Meljanzens Vater, Auf dem Todbett zu sich bat er Die Herrn in seinem Lande. Unlöslich zu Pfande |
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25 | Stand sein tugendreiches Leben: Es muste sich dem Tod ergeben. Da solches Leid ihm widerfuhr, Bei ihrer Treu er sie beschwur Und befahl Meljanz den klaren Den Fürsten, die da waren. |
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345 | Aus diesen wählt' er Einen dann, Der war sein höchster Lehensmann; Er hatte stäts sich treu bewährt, Von aller Falschheit abgekehrt. |
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5 | Den bat er, seinen Sohn zu ziehn. Er sprach: »Bewähre gegen ihn Deine Treu aufs Beste. Lehr ihn, daß er die Gäste Und die Heimschen halte werth. |
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10 | Wenn der Dürftige begehrt, So lehr ihn milde sein mit Gaben.« So befahl er ihm den Knaben. »Da that der Fürst Lippaut, |
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15 | Ihm befohlen hatt im Sterben. Er ließ kein Wort verderben, Richtet' Alles treulich aus. Er nahm den Knaben in sein Haus. Zwei liebe Kinder hatt er dort, |
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20 | Er liebt sie wohl noch immerfort: Eine Tochter, welcher nichts gebräche Als das Alter, daß man spräche, Sie möge Minn um Minne leihn. Obie heißt das Töchterlein; |
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25 | Ihre Schwester heißet Obilot. Obie schafft uns diese Noth. »Eines Tags es sich begeben hat, |
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346 | Und fragt' ihn, was er dächte, Daß er sich von Sinnen brächte? Sie sprach zu ihm: »Wärt ihr so alt, Daß ihr gefochten, wo es galt, |
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5 | Den Helm aufs Haupt gebunden Unterm Schild in würdgen Stunden, In Gefahr und hartem Drang Fünf volle Jahre lang; Hättet stäts den Preis gewonnen |
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10 | Und wäret dann zurück gekommen, Mir zu Gebot gewesen da, Und ich spräche dann erst Ja Zu dem, was ihr schon heut begehrt, Noch hätt ichs euch zu früh gewährt. |
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15 | Ihr seid mir lieb (wer leugnet des?) Wie Annoren Galoes,346, 16. Vgl. zu91, 16. Die den Tod um ihn erwarb, Da er in einer Tjost erstarb.« »Ungern, Frau, ich muß bekennen, |
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20 | Seh ich euch so in Liebe brennen, Daß euer Zorn sich auf mich kehrt. Dienst,« sprach er, »ist doch Gnade werth, So mag man Minne wohl erproben. Frau, ihr habt euch überhoben, |
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25 | Als ihr mich von Sinnen schaltet; Da hat Klugheit nicht gewaltet. Wenig dachtet ihr daran, Daß euer Vater ist mein Mann Und daß er hat von meiner Hand Burgen viel und all sein Land.« |
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»Dem ihr was leiht, verdien ers auch,« |
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5 | Jeder Krone hoch genug, Die ein irdisch Haupt noch trug.« Er sprach: »Das hat man euch gelehrt, Daß ihr so die Hochfahrt mehrt. Da euer Vater gab den Rath, |
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10 | So büß er mir die Missethat. Ich will hier Wappen also tragen, Gestochen werd und geschlagen. Ob es Krieg heißt ob Turnei: Hier bricht mancher Sper entzwei.« |
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15 |
»Im Zorne schied er von der Magd. |
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20 | Drang auf Untersuchung Und erbot zum Eid sich gar Lippaut, der unschuldig war. Ob es krumm wär oder schlicht, Von Genoßen heisch' er ein Gericht, |
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25 | Wenn die Fürsten all bei Hofe wären: Denn er käm zu solchen Mären Ganz ohn alle seine Schuld. Er bat um gnädigliche Huld Inständigst seinen Herrn; Den hielt der Zorn von Freuden fern. |
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»Es wär nicht angegangen, |
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5 | Der König ohne Urlaub schied, Wie sein bethörter Sinn ihm rieth. Da weinten mit Gestöhne Seine Knappen, Fürstensöhne, Die mit dem König dort gewesen: |
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10 | Sie ließen Lippaut gern genesen. Getreulich hatt er sie erzogen, Um edle Sitte nicht betrogen. Meinen Herrn nur lockt ehrgeizger Sinn; Wohl pflegte doch der Fürst auch ihn. |
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15 | Mein Herr, der ist ein Franzais, Le Schatelier de Beauvais; Er heißt Lisavander. Alle Knappen miteinander Musten dem Fürsten widersagen; |
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20 | Sie sollten Schildesamt hier tragen. Fürsten- und Grafenkinder schlug Zu Rittern Meljanz heut genug. »Des vordern Heeres pflegt ein Mann, |
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25 | König Poidikonjonz von Gross; Er führt manch wohlgewappnet Ross. Meljanz ist seines Bruders Sohn. Hochfahrt verstehen Beide schon, Der Junge wie der Alte. Daß denn der Unfug walte! |
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»So hat der Zorn sich vorgenommen, |
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5 | Mancher Sper wird da zerbrochen, Gerannt wird und gestochen. Doch steht Beaurosche wohl zur Wehr: Hätten wir zwanzigmal dieß Heer Und größer als wirs haben, |
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10 | Wir füllten nicht den Graben.
»Dem hintern Heer bleibt verhohlen |
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15 | Eine Tjost durch seinen ersten Schild, Die seinen jungen Ehrgeiz stillt.« Da sah der Knappe hinter sich: Sein Herre folgt' ihm hurtiglich. Zwei blanke Spere und drei Rosse |
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20 | Wurden ihm nachgebracht vom Trosse. An seiner Hast verrieth sich klar, Er sann, vorauf der ganzen Schar, Die ersten Tjoste zu erjagen; Die Aventüre hört ichs sagen. |
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25 |
Der Knappe sprach zu Gawan hier: |
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350 | Er dachte: »Soll ich kämpfen sehn, Und solls von mir nicht auch geschehn, So ists um meinen Preis gethan. Und fang ich erst zu kämpfen an |
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5 | Und versäume meine Stunde, So muß ich mit Grunde Auf allen Preis verzichten. Nein, ich bleibe hier mit Nichten; Ich folge meinem Kampfgebot.« |
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10 | Verwickelt wurde seine Noth: Zu bleiben bis sein Tag erschien, Allzugefährlich daucht' es ihn; Und doch war hier nicht durchzukommen. »Nun mag mir Gottes Hülfe frommen, |
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15 | Daß ich bestehe wie ein Mann.«
Gen Beaurosche ritt Gawan. |
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20 | Eine Krone aller Vesten, Mit starken Thürmen wohlgeziert. Schon war das äußre Heer quartiert Vor der Stadt auf den Plan. Da ersah Herr Gawan |
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25 | Manch reich geschmückten Zeltbering. Die Hochfahrt war da nicht gering! Von Panieren mannigfalt Sah er einen ganzen Wald Und fremden Pöbel aller Art. Mit Zweifel war sein Muth gepaart; |
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351 | Der legt' ihm scharfe Foltern an: Mitten hindurch ritt Gawan. Eine Zeltschnur die andre drang |
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5 | Da sah er, wie sie lagen, Was der, was jene pflagen. Wer zu ihm sprach Bien sois venü, Dem gab er Antwort Grand Merzi. In großer Rotte dorten lag |
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10 | Ein Söldnerheer von Semblidag; Von Bogenschützen lag dabei Ein Geschwader auch aus Kahetei. Unbekanntschaft zeugt oft Haß, An König Lotens Sohn bewies sich das: |
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15 | Da ihn zu bleiben Niemand bat, Gawan wandte sich zur Stadt. Er dachte: »Muß ich Schmuggler sein, |
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20 | Auf Gewinn will ich nicht sinnen, Nur das Meine zu erhalten, Will das Glück mir freundlich schalten.« Zu einer Pforte ritt er hin: |
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25 | Die Bürger hatt es nicht gedauert, Ihre Pforten waren all vermauert. Die Thürme stehen wohl verwahrt: An jeder Zinne gewahrt Einen Schützen er, die Armbrust Gerichtet auf der Feinde Brust; |
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352 | Sie flißen sich zu trotzger Wehr. Bergauf ritt der Degen hehr. War er gleich dort unbekannt, |
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5 | Da durften edler Frauen Seine Augen viel erschauen. Gekommen war des Wirths Gemahl Sich umzuschauen auf den Saal Mit ihren schönen Töchtern zwein; |
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10 | Ihre Farbe hatte lichten Schein.
Wohl hat er ihr Gespräch vernommen: |
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15 | Da hub die ältre Tochter an: »Mutter, es ist ein Kaufmann.« – »Er führt doch manchen Schild daher.« – »Das thun der Kaufleute mehr.« Die Jüngere versetzte da: |
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20 | »Du zeihst ihn, was wohl nie geschah, Schwester, dessen schäme dich: Er war nie Kaufmann sicherlich. Er ist so minniglich und hold, Zum Ritter ich ihn haben wollt. |
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25 | Er mag um Dienst hier Lohn begehren: Ich will ihm Lieb und Lohn gewähren.« Da sah sein Ingesinde, |
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353 | Was meint ihr, daß geschehen werde? Herr Gawan schwang sich vom Pferde, Wo er willkommnen Schatten sah. Sein Kämmrer säumte nicht, ihm da |
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5 | Matratz und Kissen hinzulegen: Drauf setzte sich der stolze Degen; Ein Heer von Frauen sahs von Oben. Von den Saumthieren hoben Die Knappen Rüstzeug und Gewand. |
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10 | Wo sich sonst ein Baum noch fand, Da nahmen Herberg im Schatten, Die ihn dahin begleitet hatten. Die alte Herzogin begann: |
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15 | Wüste so sich zu gehaben? Du unterschätzest seine Gaben.« Da sprach die junge Obilot: »Unart ihr noch mehr gebot: Durch Hochmuth verletzte sie |
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20 | Den König Meljanz von Li, Der sie um Minne wollte bitten: Das sind unfeine Sitten.« Obie sprach dagegen, Unmuth mochte sie bewegen: |
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25 | »Ich kann so viel nicht an ihm finden: Ein Wechsler sitzt dort an der Linden; Er wird ein gut Geschäft hier machen. Den Goldschrein hütet gleich den Drachen Dein Ritter, närrsche Schwester mein: Er will sein Wächter selber sein.« |
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In Herrn Gawans Ohren |
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Ein schiffbar Waßer floß vorüber; |
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10 | Der vor der Brücke Herberg nahm Auf einem Felde groß und breit. Sein Herr kam auch zur rechten Zeit Und die Andern, die noch sollten kommen. Ich sag euch, habt ihrs nicht vernommen, |
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15 | Wer dem Wirth zu Hülfe ritt, Und wer für ihn mit Treue stritt: Ihm kam von Brevigariez Sein Bruder Dük Marangliez; Und dem zu Lieb zwei Ritter schnell, |
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20 | Der werthe König Schirniel, Der die Krone trug zu Lirivoin, Und sein Bruder, Herr zu Avendroin. Als die Bürger sahen, |
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25 | Was mit Aller Willen war geschehn, Schien ihnen jetzt ein groß Versehn. Da sprach der Herzog Lippaut: »Weh daß Beaurosch den Tag erschaut, Wo ihm vermauert sind die Pforten. Doch wenn ich meinem Herren dorten |
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355 | Im offnen Feld entgegen stünde, So würde Tapferkeit zur Sünde. Mir ziemt' und frommte seine Huld Mehr als sein Haß ohn alle Schuld. |
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5 | Eine Tjost steht meinem Schilde schlecht, Die mein Herr mir stößt im Zwiegefecht; Ungern auch verletzt mein Schwert Den Schild ihm, meinem Herren werth! Wenn ein kluges Weib das lobt, |
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10 | Die hat sich allzulos erprobt. Gesetzt, ich hätte meinen Herrn In meinem Thurm: ich löst' ihn gern Und ginge mit in seinen. Wie er mich wollte peinen, |
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15 | Ich stünd ihm gänzlich zu Gebot. Danken gleichwohl muß ich Gott, Daß ich noch ungefangen, Da Lieb und Zorn ihn zwangen, Daß er mich hier umlagert hat. |
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20 | Gebt mir einen weisen Rath,« Sprach er zu den Bürgern nun, »Was ist in solcher Noth zu thun?« Wohl sprach da mancher werthe Mann: |
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25 | So stünd es anders hier zur Stunde.« Sie riethen ihm aus Einem Munde, Daß er die Pforten aufthäte Und die Besten alle bäte Zur Tjost hinaus zu reiten. »Laßt uns offen streiten, |
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356 | Statt von den Zinnen uns zu wehren, Mit Meljanzens beiden Heeren. Es sind doch meist nur Kinde In des Königs Heergesinde. |
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5 | Vielleicht, daß wir ein Pfand uns fangen: So ist oft schon großer Zorn vergangen. Wenn er Ritterschaft hier thut, So legt sich wohl sein Unmuth, Daß er aus dieser Noth uns nimmt |
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10 | Und seinen Zorn herunterstimmt. In der Feldschlacht lieber sterben Als vermauert hier verderben. Es sollt uns wohl gelingen Vor ihren Zeltberingen, |
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15 | Wär Poidikonjonz nicht so stark: Dem folgt des Heeres Kern und Mark. Dann müßen wir zumeist erbangen Vor den Britten, die er hält gefangen: Sie führt der Herzog Astor, |
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20 | Der kämpft im Streit den Andern vor. Dann ist sein Sohn Meljakanz: Hätte den erzogen Gurnemans, So mehrte sich sein Preis erst recht, Und so schon scheut er kein Gefecht. |
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25 | Doch auch uns ist Hülfe jetzt gekommen.« Nun habt ihr ihren Rath vernommen. Der Herzog that, wie man ihm rieth: |
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357 | Hier Eine Tjost, die Andre dort. Auch zog das fremde Heer sofort Der Stadt zu mit hohem Muth; Ihr Vesperspiel wurde gut. |
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5 | Zu beiden Seiten zahllos Heer: Die Knappen riefen hin und her; Wälsch und Schottisch her und hin Und durcheinander ward geschrien. Von Ritterthat wär viel zu melden: |
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10 | Waidlich versuchten sich die Helden.
Es waren meistens wohl nur Kinde |
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15 | Der ein Kleinod nie von einem Weibe Verdiente, mocht an seinem Leibe Beßer Gewand nicht tragen. Von Meljanz hört' ich sagen, All seine Rüstung wäre gut; |
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20 | Er trug auch selber hohen Muth Und ritt ein schönes Kastilian, Das einst Meljakanz gewann, Als er Kei'n so hoch herunter trieb, Daß er am Aste hängen blieb. |
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25 | Das dort Meljakanz erstritt, Meljanz von Li wars, der es ritt. Er war voraus schon so bekannt, Obiens Blick hing unverwandt Vom Saal an seinem Ritterspiel, Wo sie zusah mit der Frauen viel. |
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Sie sprach zur Schwester: »Sieh doch, Kleine, |
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5 | Und die Burg verlieren sollen; Andre Wehr wir suchen wollen.« Die Junge must ihr Spotten tragen. Sie sprach: »Man soll an nichts verzagen: Ich trau es seiner Kraft noch zu, |
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10 | Er schafft vor deinem Spott sich Ruh. Mag er mit seinem Dienst mich ehren, Dafür will ich ihn Freude lehren: Da du sagst, daß er ein Kaufmann sei, Meinen Lohn erhandeln mag er frei.« |
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15 |
Von dem Streit der Jungfraun über ihn |
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20 | Das muß der Tod von hinnen nehmen. |