E. T. A. Hoffmann
Die Serapions-Brüder
E. T. A. Hoffmann

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Wie der dritte Gesell zum Meister Martin ins Haus kam, und was sich darauf weiter begab

Als die beiden Gesellen Reinhold und Friedrich einige Wochen hindurch in Meister Martins Werkstatt gearbeitet hatten, bemerkte dieser, daß, was Messung mit Lineal und Zirkel, Berechnung und richtiges Augenmaß betraf, Reinhold wohl seinesgleichen suchte, doch anders war es bei der Arbeit auf der Fügbank, mit dem Lenkbeil, oder mit dem Schlägel. Da ermattete Reinhold sehr bald und das Werk förderte nicht, er mochte sich mühen wie er wollte. Friedrich dagegen hobelte und hämmerte frisch darauf los, ohne sonderlich zu ermüden. Was sie aber miteinander gemein hatten, war ein sittiges Betragen, in das vorzüglich auf Reinholds Anlaß, viel unbefangne Heiterkeit und gemütliche Lust kam. Dazu schonten sie in voller Arbeit, zumal wenn die holde Rosa zugegen war, nicht ihre Kehlen, sondern sangen mit ihren lieblichen Stimmen, die gar anmutig zusammengingen, manches herrliche Lied. Und wollte dann auch Friedrich, indem er hinüberschielte nach Rosen, in den schwermütigen Ton verfallen, so stimmte Reinhold sogleich ein Spottlied an, das er ersonnen und das anfing: »Das Faß ist nicht die Zither, die Zither nicht das Faß«; so daß der alte Herr Martin oft den Degsel, den er schon zum Schlage erhoben, wieder sinken ließ und sich den wackelnden Bauch hielt vor innigem Lachen. Überhaupt hatten die beiden Gesellen, vorzüglich aber Reinhold, sich ganz in Martins Gunst festgenistet, und wohl konnte man bemerken, daß Rosa auch manchen Vorwand suchte, um öfter und länger in der Werkstatt zu verweilen, als sonst wohl geschehen sein mochte.

Eines Tages trat Herr Martin ganz nachdenklich in seine offne Werkstatt vor dem Tore hinein, wo Sommer über gearbeitet wurde. Eben setzten Reinhold und Friedrich ein kleines Faß auf. Da stellte sich Meister Martin vor sie hin, mit übereinandergeschlagenen Armen und sprach: »Ich kann euch gar nicht sagen, ihr lieben Gesellen, wie sehr ich mit euch zufrieden bin, aber nun komme ich doch in große Verlegenheit. Vom Rhein her schreiben sie, daß das heurige Jahr, was den Weinbau betrifft, gesegneter sein werde, als je eins gewesen. Ein weiser Mann hat gesagt, der Komet, der am Himmel heraufgezogen, befruchte mit seinen wunderbaren Strahlen die Erde, so daß sie aus den tiefsten Schachten alle Glut, die die edlen Metalle kocht, herausströmen und ausdunsten werde, in die durstigen Reben, die in üppigem Gedeihen Traub auf Traube hervorarbeiten, und das flüssige Feuer, von dem sie getränkt, hineinsprudeln würden in das Gewächs. Erst nach beinahe dreihundert Jahren werde solch günstige Konstellation wieder eintreten. – Da wird's nun Arbeit geben die Hülle und die Fülle. Und dazu kommt noch, daß auch der hochwürdige Herr Bischof von Bamberg an mich geschrieben und ein großes Faß bei mir bestellt hat. Damit können wir nicht fertig werden und es tut not, daß ich mich noch nach einem tüchtigen Gesellen umschaue. Nun möcht ich aber auch nicht gleich diesen oder jenen von der Straße unter uns aufnehmen und doch brennt mir das Feuer auf den Nägeln. Wenn ihr einen wackern Gesellen irgendwo wißt, den ihr unter euch leiden möchtet, so sagt's nur, ich schaff ihn her und sollt es mir auch ein gut Stück Geld kosten.« Kaum hatte Meister Martin dies gesprochen, als ein junger Mensch von hohem kräftigen Bau mit starker Stimme hineinrief: »He da! ist das hier Meister Martins Werkstatt?« »Freilich«, erwiderte Meister Martin, indem er auf den jungen Gesellen losschritt, »freilich ist sie das, aber Ihr braucht gar nicht so mörderlich hineinzuschreien und hineinzutappen, so kommt man nicht zu den Leuten.« »Ha, ha, ha«, lachte der junge Gesell, »Ihr seid wohl Meister Martin selbst, denn so mit dem dicken Bauche, mit dem stattlichen Unterkinn, mit den blinzelnden Augen, mit der roten Nase, gerade so ist er mir beschrieben worden. Seid mir schön gegrüßt Meister Martin.« »Nun was wollt Ihr denn vom Meister Martin«, fragte dieser ganz unmutig. »Ich bin«, antwortete der junge Mensch, »ich bin ein Küpergesell und wollte nur fragen, ob ich bei Euch in Arbeit kommen könnte.« Meister Martin trat vor Verwunderung, daß gerade in dem Augenblick, als er gesonnen war einen Gesellen zu suchen, sich einer meldete, ein paar Schritte zurück, und maß den jungen Menschen von Kopf bis zum Fuße. Der schaute ihn aber keck an mit blitzenden Augen. Als nun Meister Martin die breite Brust, den starken Gliederbau, die kräftigen Fäuste des jungen Menschen bemerkte, dachte er bei sich selbst, gerade solch einen tüchtigen Kerl brauche ich ja, und fragte ihn sogleich nach den Handwerkszeugnissen. »Die hab ich nicht zur Hand«, erwiderte der junge Mensch, »aber ich werde sie beschaffen in kurzer Zeit, und geb Euch jetzt mein Ehrenwort, daß ich treu und redlich arbeiten will, das muß Euch gnügen.« Und damit, ohne Meister Martins Antwort abzuwarten, schritt der junge Gesell zur Werkstatt hinein, warf Barett und Reisebündel ab, zog das Wams herunter, band das Schurzfell vor und sprach: »Sagt nur gleich an Meister Martin, was ich jetzt arbeiten soll.« Meister Martin, ganz verdutzt über des fremden Jünglings keckes Betragen, mußte sich einen Augenblick besinnen, dann sprach er: »Nun Geselle, beweiset einmal gleich, daß Ihr ein tüchtiger Küper seid, nehmt den Gargelkamm zur Hand und fertigt an dem Faß, das dort auf dem Endstuhl liegt, die Kröse.« Der fremde Gesell vollführte das, was ihm geheißen, mit besonderer Stärke, Schnelle und Geschicklichkeit und rief dann, indem er hell auflachte: »Nun Meister Martin zweifelt Ihr noch daran, daß ich ein tüchtiger Küper bin? – Aber«, fuhr er fort, indem er in der Werkstatt auf und ab gehend mit den Blicken Handwerkszeug und Holzvorrat musterte, »aber habt Ihr auch tüchtiges Gerät und – was ist denn das für ein Schlägelchen dort, damit spielen wohl Eure Kinder? – und das Lenkbeilchen, hei! das ist wohl für die Lehrburschen –« Und damit schwang er den großen schweren Schlägel den Reinhold gar nicht regieren konnte und mit dem Friedrich nur mühsam hantierte, das wuchtige Lenkbeil, mit dem Meister Martin selbst arbeitete, hoch in den Lüften. Dann rollte er ein paar große Fässer, wie leichte Bälle beiseite und ergriff eine von den dicken noch nicht ausgearbeiteten Dauben. »Ei«, rief er, »ei Meister, das ist gutes Eichenstabholz, das muß springen wie Glas!« Und damit schlug er die Daube gegen den Schleifstein, daß sie mit lautem Schall glatt ab in zwei Stücke zerbrach. »O wollt Ihr doch«, sprach Meister Martin, »wollt Ihr doch, lieber Gesell, nicht etwa jenes zweifudrige Faß herausschmeißen oder gar die ganze Werkstatt zusammenschlagen. Zum Schlägel könnt Ihr ja den Balken dort brauchen und damit Ihr auch ein Lenkbeil nach Eurem Sinn bekommt, will ich Euch das drei Ellen lange Rolandsschwert vom Rathause herunterholen.« »Das wär mir nun eben recht«, rief der junge Mensch, indem ihm die Augen funkelten, aber sogleich schlug er den Blick nieder und sprach mit gesenkter Stimme: »Ich dachte nur, lieber Meister, daß Ihr zu Eurer großen Arbeit recht starke Gesellen nötig hättet und da bin ich wohl mit meiner Leibeskraft etwas zu vorlaut, zu prahlerisch gewesen. Nehmt mich aber immerhin in Arbeit, ich will wacker schaffen, was Ihr von mir begehrt.« Meister Martin sah dem Jüngling ins Gesicht und mußte sich gestehen, daß ihm wohl nie edlere und dabei grundehrlichere Züge vorgekommen. Ja es war ihm, als rege sich bei dem Anblick des Jünglings die dunkle Erinnerung irgendeines Mannes auf, den er schon seit langer Zeit geliebt und hochverehrt, doch konnte er diese Erinnerung nicht ins klare bringen, wiewohl er deshalb des Jünglings Verlangen auf der Stelle erfüllte und ihm nur aufgab sich nächstens durch glaubhafte Atteste zum Handwerk gehörig auszuweisen. Reinhold und Friedrich waren indessen mit dem Aufsetzen des Fasses fertig geworden und trieben nun die ersten Bände auf. Dabei pflegten sie immer ein Lied anzustimmen und taten es nun auch, indem sie ein feines Lied in der Stieglitzweis Adam Puschmanns begannen. Da schrie aber Conrad (so war der neue Gesell geheißen) von der Fügbank, an die ihn Meister Martin gestellt, herüber: »Ei was ist denn das für ein Quinkelieren? Kommt es mir doch vor, als wenn die Mäuse pfeifen hier in der Werkstatt. Wollt ihr was singen, so singt so, daß es einem das Herz erfrischt und Lust macht zur Arbeit. Solches mag ich auch wohl bisweilen tun.« Und damit begann er ein tolles Jagdlied mit Hallo und Hussa! und dabei ahmte er das Gebell der Hundekoppeln, die gellenden Rufe der Jäger mit solch durchdringender, schmetternder Stimme nach, daß die großen Fässer widerklangen und die ganze Werkstatt erdröhnte. Meister Martin verhielt sich mit beiden Händen die Ohren und der Frau Marthe (Valentins Witwe) Knaben, die in der Werkstatt spielten, verkrochen sich furchtsam unters Stabholz. In dem Augenblick trat Rosa hinein, verwundert, erschrocken über das fürchterliche Geschrei, was gar nicht Singen zu nennen. Sowie Conrad Rosa gewahrte, schwieg er augenblicklich, stand von der Fügbank auf und nahte sich ihr, sie mit dem edelsten Anstande grüßend. Dann sprach er mit sanfter Stimme, leuchtendes Feuer in den hellen braunen Augen: »Mein holdes Fräulein, welch ein süßer Rosenschimmer ging denn auf in dieser schlechten Arbeitshütte, als Ihr eintratet, o wäre ich Euer doch nur früher ansichtig geworden, nicht Eure zarten Ohren hätt ich beleidigt mit meinem wilden Jagdliede!« – »Oh«, (so rief er, sich zu Meister Martin und den andern Gesellen wendend) »o hört doch nur auf mit euerm abscheulichen Geklapper! – Solange euch das liebe Fräulein ihres Anblicks würdigt, mögen Schlägel und Treiber ruhn. Nur ihre süße Stimme wollen wir hören, und mit gebeugtem Haupt erlauschen, was sie gebietet uns demütigen Knechten.« Reinhold und Friedrich schauten sich ganz verwundert an, aber Meister Martin lachte hell auf und rief: »Nun Conrad! – nun ist's klar, daß Ihr der allernärrischte Kauz seid, der jemals ein Schurzfell vorgebunden. Erst kommt Ihr her und wollt mir wie ein ungeschlachter Riese alles zerschmeißen, dann brüllt Ihr dermaßen, daß uns allen die Ohren gellen und zum würdigen Schluß aller Tollheit seht Ihr mein Töchterlein Rosa für ein Edelfräulein an, und gebärdet Euch wie ein verliebter Junker!« »Eure holde Tochter«, erwiderte Conrad gelassen, »Eure holde Tochter kenne ich gar wohl lieber Meister Martin, aber ich sage Euch, daß sie das hochherrlichste Fräulein ist, das auf Erden wandelt, und mag der Himmel verleihen, daß sie den edelsten Junker würdige in treuer, ritterlicher Liebe ihr Paladin zu sein.« Meister Martin hielt sich die Seiten, er wollte ersticken bis er dem Lachen Luft gab, durch Krächzen und Hüsteln. Kaum der Sprache mächtig, stotterte er dann: »Gut – sehr gut, mein allerliebster Junge, magst du meine Rosa immerhin für ein hochadlig Fräulein halten, ich gönn es dir – aber dem unbeschadet – sei so gut und gehe fein zurück an deine Fügbank!« Conrad blieb eingewurzelt stehen mit niedergeschlagenem Blick, rieb sich die Stirn, sprach leise: »Es ist ja wahr«, und tat dann wie ihm geheißen. Rosa setzte sich, wie sie immer in der Werkstatt zu tun pflegte, auf ein klein Fäßlein, das Reinhold sorglich abgestaubt und Friedrich herbeigeschoben hatte. Beide fingen, Meister Martin gebot es ihnen, nun aufs neue das schöne Lied an, in dem sie der wilde Conrad unterbrochen, der nun still und ganz in sich versunken, an der Fügbank fortarbeitete.

Als das Lied geendet, sprach Meister Martin: »Euch hat der Himmel eine schöne Gabe verliehn, ihr lieben Gesellen! – ihr glaubt gar nicht, wie hoch ich die holdselige Singekunst achte. Wollt ich doch auch einmal ein Meistersinger werden, aber das ging nun ganz und gar nicht, ich mochte es auch anstellen, wie ich wollte. Mit aller meiner Mühe erntete ich nur Hohn und Spott ein. Beim Freisingen machte ich bald falsche Anhänge, bald Klebsilben, bald ein falsch Gebänd, bald falsche Blumen, oder verfiel ganz und gar in falsche Melodei. – Nun ihr werdet es besser machen und es wird heißen, was der Meister nicht vermag, das tun doch seine Gesellen. Künftigen Sonntag ist zur gewöhnlichen Zeit nach der Mittagspredigt ein Meistersingen in der St. Katharinenkirche, da könnet ihr beide, Reinhold und Friedrich, Lob und Ehre erlangen mit eurer schönen Kunst, denn vor dem Hauptsingen wird ein Freisingen gehalten, woran ihr, so wie jeder Fremde, der der Singekunst mächtig, ungehindert teilnehmen könnet. Nun Gesell Conrad« (so rief Meister Martin herüber zur Fügbank), »nun Gesell Conrad, möcht Ihr nicht auch den Singstuhl besteigen und Euer schönes Jagdlied anstimmen?« »Spottet nicht«, erwiderte Conrad ohne aufzublicken, »spottet nicht lieber Meister! jedes an seinem Platze. Während Ihr Euch an dem Meistersingen erbaut, werde ich auf der Allerwiese meinem Vergnügen nachgehn.«

Es kam so, wie Meister Martin wohl vermutet. Reinhold bestieg den Singestuhl und sang Lieder in unterschiedlichen Weisen, die alle Meistersinger erfreuten, wiewohl sie meinten, daß dem Sänger zwar kein Fehler, aber eine gewisse ausländische Art, selbst könnten sie nicht sagen, worin die eigentlich bestehe, vorzuwerfen sei. Bald darauf setzte sich Friedrich auf den Singestuhl, zog sein Barett ab und begann, nachdem er einige Sekunden vor sich hingeschaut, dann aber einen Blick in die Versammlung geworfen, der wie ein glühender Pfeil der holden Rosa in die Brust traf, daß sie tief aufseufzen mußte, ein solches herrliches Lied im zarten Ton Heinrich Frauenlobs, daß alle Meister einmütiglich bekannten, keiner unter ihnen vermöge den jungen Gesellen zu übertreffen.

Als der Abend herangekommen und die Singschule geendigt, begab sich Meister Martin, um den Tag recht zu genießen, in heller Fröhlichkeit, mit Rosa nach der Allerwiese. Die beiden Gesellen Reinhold und Friedrich durften mitgehen. Rosa schritt in ihrer Mitte. Friedrich ganz verklärt von dem Lobe der Meister, in seliger Trunkenheit, wagte manches kühne Wort, das Rosa, die Augen verschämt niederschlagend, nicht vernehmen zu wollen schien. Sie wandte sich lieber zu Reinhold, der nach seiner Weise allerlei Lustiges schwatzte und sich nicht scheute, seinen Arm um Rosas Arm zu schlingen. Schon in der Ferne hörten sie das jauchzende Getöse auf der Allerwiese. An den Platz gekommen, wo die Jünglinge sich in allerlei zum Teil ritterlichen Spielen ergötzten, vernahmen sie wie das Volk ein Mal über das andere rief: »Gewonnen, gewonnen – er ist's wieder, der Starke! – ja gegen den kommt niemand auf!« – Meister Martin gewahrte, als er sich durchs Volk gedrängt hatte, daß alles Lob, alles Jauchzen des Volks niemanden anders galt, als seinem Gesellen Conrad. Der hatte im Wettrennen, im Faustkampf, im Wurfspießwerfen alle übrige übertroffen. Als Martin herankam, rief Conrad eben: ob es jemand mit ihm aufnehmen wolle im lustigen Kampfspiel mit stumpfen Schwertern? Mehrere wackre Patrizierjünglinge, solch ritterlichen Spiels gewohnt, ließen sich ein auf die Forderung. Nicht lange dauerte es aber, so hatte Conrad auch hier ohne alle große Mühe und Anstrengung sämtliche Gegner überwunden, so daß des Lobpreisens seiner Gewandtheit und Stärke gar kein Ende war.

Die Sonne war herabgesunken, das Abendrot erlöschte und die Dämmerung stieg mit Macht herauf. Meister Martin, Rosa und die beiden Gesellen hatten sich an einem plätschernden Springquell gelagert. Reinhold erzählte viel Herrliches von dem fernen Italien, aber Friedrich schaute still und selig der holden Rosa in die Augen. Da kam Conrad heran, leisen zögernden Schrittes, wie mit sich selbst uneins, ob er sich zu den andern lagern solle oder nicht. Meister Martin rief ihm entgegen: »Nun Conrad, kommt nur immer heran, Ihr habt Euch tapfer gehalten auf der Wiese, so kann ich's wohl leiden an meinen Gesellen, so ziemt es ihnen auch. Scheut Euch nicht Geselle! setzt Euch zu uns, ich erlaub es Euch!« Conrad warf einen durchbohrenden Blick auf den Meister, der ihm gnädig zunickte, und sprach dann mit dumpfer Stimme: »Vor Euch scheue ich mich nun ganz und gar nicht, hab Euch auch noch gar nicht nach der Erlaubnis gefragt, ob ich mich hier lagern darf oder nicht, komme überhaupt auch gar nicht zu Euch. Alle meine Gegner hab ich in den Sand gestreckt im lustigen Ritterspiel, und da wollt ich nur das holde Fräulein fragen, ob sie mir nicht auch wie zum Preis des lustigen Spiels den schönen Strauß verehren wollte, den sie an der Brust trägt.« Damit ließ sich Conrad vor Rosa auf ein Knie nieder, schaute mit seinen klaren braunen Augen ihr recht ehrlich ins Antlitz und bat: »Gebt mir immer den schönen Strauß als Siegespreis holde Rosa, Ihr dürft mir das nun durchaus nicht abschlagen.« Rosa nestelte auch gleich den Strauß los und gab ihn Conrad, indem sie lachend sprach: »Ei, ich weiß ja wohl, daß einem solchen tapfern Ritter wie Ihr seid, solch ein Ehrenzeichen von einer Dame gebührt und so nehmt immerhin meine welkgewordenen Blumen.« Conrad küßte den ihm dargebotenen Strauß und steckte ihn dann an sein Barett, aber Meister Martin rief, indem er aufstand: »Nun seht mir einer die tollen Possen! – doch laßt uns nach Hause wandeln, die Nacht bricht ein.« Herr Martin schritt vorauf, Conrad ergriff mit sittigem, zierlichem Anstande Rosas Arm, Reinhold und Friedrich schritten ganz unmutig hinterher. Die Leute, denen sie begegneten, blieben stehn und schauten ihnen nach, indem sie sprachen: »Ei seht nur, seht, das ist der reiche Küper Thomas Martin, mit seinem holden Töchterlein und seinen wackern Gesellen. Das nenn ich mir hübsche Leute!«


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