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Reinhold verläßt Meister Martins Haus
So lustig es sonst in Meister Martins Werkstatt herging, so traurig war es jetzt geworden. Reinhold, zur Arbeit unfähig, blieb in seiner Kammer eingeschlossen; Martin, den wunden Arm in der Binde, schimpfte und schmälte unaufhörlich auf den Ungeschick des bösen fremden Gesellen. Rosa, selbst Frau Marthe mit ihren Knaben, scheuten den Tummelplatz des tollen Beginnens und so tönte dumpf und hohl wie im einsamen Walde zur Winterszeit der Holzschlag, Friedrichs Arbeit, der nun das große Faß allein mühsam genug fördern mußte.
Tiefe Traurigkeit erfüllte bald Friedrichs ganzes Gemüt, denn nun glaubte er deutlich zu gewahren, was er längst gefürchtet. Er trug keinen Zweifel, daß Rosa Reinhold liebe. Nicht allein, daß alle Freundlichkeit, manches süße Wort schon sonst Reinhold allein zugewendet wurde, so war es jetzt ja schon Beweises genug, daß Rosa, da Reinhold nicht hinauskonnte zur Werkstatt, ebenfalls nicht mehr daran dachte, herauszugehen und lieber im Hause blieb, wohl gar um den Geliebten recht sorglich zu hegen und zu pflegen. Sonntags, als alles lustig hinauszog, als Meister Martin von seiner Wunde ziemlich genesen, ihn einlud mit ihm und Rosa nach der Allerwiese zu wandeln, da lief er, die Einladung ablehnend, ganz vernichtet von Schmerz und banger Liebesnot einsam heraus nach dem Dorfe, nach dem Hügel, wo er zuerst mit Reinhold zusammengetroffen. Er warf sich nieder in das hohe blumichte Gras und als er gedachte, wie der schöne Hoffnungsstern, der ihm vorgeleuchtet auf seinem ganzen Wege nach der Heimat, nun am Ziel plötzlich in tiefer Nacht verschwunden, wie nun sein ganzes Beginnen dem trostlosen Mühen des Träumers gleiche, der die sehnsüchtigen Arme ausstrecke nach leeren Luftgebilden, da stürzten ihm die Tränen aus den Augen und herab auf die Blumen, die ihre kleinen Häupter neigten, wie klagend um des jungen Gesellen herbes Leid. Selbst wußte Friedrich nicht, wie es geschah, daß die tiefen Seufzer, die der gedrückten Brust entquollen, zu Worten, zu Tönen wurden. Er sang folgendes Lied:
Wo bist du hin Mein Hoffnungsstern? Ach mir so fern, Bist mit süßem Prangen Andern aufgegangen! Erhebt euch, rauschende Abendwinde, Schlagt an die Brust, Weckt alle tötende Lust, Allen Todesschmerz, Daß das Herz, Getränkt von blutgen Tränen Brech' in trostlosem Sehnen. Was lispelt ihr so linde So traulich ihr dunklen Bäume? Was blickt ihr goldne Himmelssäume So freundlich hinab? Zeigt mir mein Grab! Das ist mein Hoffnungshafen, Werd unten ruhig schlafen. |
Wie es sich denn wohl begibt, daß die tiefste Traurigkeit, findet sie nur Tränen und Worte, sich auflöst in mildes schmerzliches Weh, ja daß dann wohl ein linder Hoffnungsschimmer durch die Seele leuchtet, so fühlte sich auch Friedrich, als er das Lied gesungen, wunderbar gestärkt und aufgerichtet. Die Abendwinde, die dunklen Bäume, die er im Liede angerufen, rauschten und lispelten wie mit tröstenden Stimmen, und wie süße Träume von ferner Herrlichkeit, von fernem Glück, zogen goldne Streifen herauf am düstern Himmel. Friedrich erhob sich und stieg den Hügel herab nach dem Dorfe zu. Da war es, als schritte Reinhold wie damals, als er ihn zuerst gefunden, neben ihm her. Alle Worte, die Reinhold gesprochen, kamen ihm wieder in den Sinn. Als er nun aber der Erzählung Reinholds von dem Wettkampf der beiden befreundeten Maler gedachte, da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Es war ja ganz gewiß, daß Reinhold Rosa schon früher gesehen und geliebt haben mußte. Nur diese Liebe trieb ihn nach Nürnberg in Meister Martins Haus, und mit dem Wettstreit der beiden Maler meinte er nichts anders, als beider, Reinholds und Friedrichs, Bewerbung um die schöne Rosa. – Friedrich hörte aufs neue die Worte, die Reinhold damals sprach: »Wacker ohne allen tückischen Hinterhalt um gleichen Preis ringen, muß wahre Freunde recht aus der Tiefe des Herzens einigen, statt sie zu entzweien, in edlen Gemütern kann niemals kleinlicher Neid, hämischer Haß stattfinden.« – »Ja«, rief Friedrich laut, »ja, du Herzensfreund, an dich selbst will ich mich wenden ohne allen Rückhalt, du selbst sollst mir es sagen, ob jede Hoffnung für mich verschwunden ist.« – Es war schon hoher Morgen, als Friedrich an Reinholds Kammer klopfte. Da alles still drinnen blieb, drückte er die Tür, die nicht wie sonst verschlossen war, auf und trat hinein. Aber in demselben Augenblick erstarrte er auch zur Bildsäule. Rosa in vollem Glanz aller Anmut, alles Liebreizes, ein herrliches lebensgroßes Bild stand vor ihm aufgerichtet auf der Staffelei, wunderbar beleuchtet von den Strahlen der Morgensonne. Der auf den Tisch geworfene Malerstock, die nassen Farben auf der Palette zeigten, daß eben an dem Bilde gemalt worden. »O Rosa – Rosa – o du Herr des Himmels«, seufzte Friedrich, da klopfte ihm Reinhold, der hinter ihm hineingetreten, auf die Schulter und fragte lächelnd: »Nun Friedrich, was sagst du zu meinem Bilde.« Da drückte ihn Friedrich an seine Brust und rief: »O du herrlicher Mensch – du hoher Künstler! ja nun ist mir alles klar! du, du hast den Preis gewonnen, um den zu ringen ich Ärmster keck genug war! – was bin ich denn gegen dich, was ist meine Kunst gegen die deinige? – Ach ich trug auch wohl manches im Sinn! – lache mich nur nicht aus, lieber Reinhold! – sieh ich dachte, wie herrlich müßt es sein, Rosas liebliche Gestalt zu formen und zu gießen im feinsten Silber, aber das ist ja ein kindisches Beginnen, doch du! – du! – wie sie so hold, so in süßem Prangen aller Schönheit dich anlächelt! – ach Reinhold – Reinhold du überglücklicher Mensch! – ja, wie du damals es aussprachst, so begibt es sich nun wirklich! wir haben beide gerungen, du hast gesiegt, du mußtest siegen, aber ich bleibe dein mit ganzer Seele. Doch verlassen muß ich das Haus, die Heimat, ich kann es ja nicht ertragen, ich müßte ja vergehen, wenn ich nun Rosa wiedersehen sollte. Verzeih das mir, mein lieber, lieber hochherrlicher Freund. Noch heute – in diesem Augenblick fliehe ich fort – fort in die weite Welt, wohin mein Liebesgram, mein trostloses Elend mich treibt!« – Damit wollte Friedrich zur Stube hinaus, aber Reinhold hielt ihn fest, indem er sanft sprach: »Du sollst nicht von hinnen, denn ganz anders, wie du meinst, kann sich alles noch fügen. Es ist nun an der Zeit, daß ich dir alles sage, was ich bis jetzt verschwieg. Daß ich kein Küper, sondern ein Maler bin, wirst du nun wohl wissen, und, wie ich hoffe, an dem Bilde gewahren, daß ich mich nicht zu den geringen Künstlern rechnen darf. In früher Jugend bin ich nach Italien gezogen, dem Lande der Kunst, dort gelang es mir, daß hohe Meister sich meiner annahmen und den Funken, der in mir glühte, nährten mit lebendigem Feuer. So kam es, daß ich mich bald aufschwang, daß meine Bilder berühmt wurden in ganz Italien und der mächtige Herzog von Florenz mich an seinen Hof zog. Damals wollte ich nichts wissen von deutscher Kunst, und schwatzte, ohne eure Bilder gesehen zu haben, viel von der Trockenheit, von der schlechten Zeichnung, von der Härte eurer Dürer, eurer Cranache. Da brachte aber einst ein Bilderhändler ein Madonnenbildchen von dem alten Albrecht in die Galerie des Herzogs, welches auf wunderbare Weise mein Innerstes durchdrang, so daß ich meinen Sinn ganz abwandte von der Üppigkeit der italischen Bilder und zur Stunde beschloß, in dem heimatlichen Deutschland selbst die Meisterwerke zu schauen, auf die nun mein ganzes Trachten ging. Ich kam hieher nach Nürnberg und als ich Rosa erblickte, war es mir, als wandle jene Maria, die so wunderbar in mein Inneres geleuchtet, leibhaftig auf Erden. Mir ging es so wie dir, lieber Friedrich, mein ganzes Wesen loderte auf in hellen Liebesflammen. Nur Rosa schauen, dachte ich, alles übrige war aus meinem Sinn verschwunden und selbst die Kunst mir nur deshalb was wert, weil ich hundertmal immer wieder und wieder Rosa zeichnen, malen konnte. Ich gedachte mich der Jungfrau zu nahen nach kecker italischer Weise, all mein Mühen deshalb blieb aber vergebens. Es gab kein Mittel sich in Meister Martins Hause bekannt zu machen auf unverfängliche Weise. Ich gedachte endlich geradezu mich um Rosa als Freier zu bewerben, da vernahm ich, daß Meister Martin beschlossen, seine Tochter nur einem tüchtigen Küpermeister zu geben. Da faßte ich den abenteuerlichen Entschluß, in Straßburg das Küperhandwerk zu erlernen und mich dann in Meister Martins Werkstatt zu begeben. Das übrige überließ ich der Fügung des Himmels. Wie ich meinen Entschluß ausgeführt, weißt du, aber erfahren mußt du noch, daß Meister Martin mir vor einigen Tagen gesagt hat: ich würd ein tüchtiger Küper werden, und solle ihm als Eidam recht lieb und wert sein, denn er merke wohl, daß ich mich um Rosas Gunst bemühe und sie mich gern habe.« »Kann es denn wohl anders sein«, rief Friedrich in heftigem Schmerz, »ja, ja, dein wird Rosa werden, wie konnte auch ich Ärmster auf solch ein Glück nur hoffen.« »Du vergissest«, sprach Reinhold weiter, »du vergissest, mein Bruder, daß Rosa selbst noch gar nicht das bestätigt hat, was der schlaue Meister Martin bemerkt haben will. Es ist wahr, daß Rosa sich bis jetzt gar anmutig und freundlich betrug, aber anders verrät sich ein liebend Herz! – Versprich mir, mein Bruder, dich noch drei Tage ruhig zu verhalten und in der Werkstatt zu arbeiten wie sonst. Ich könnte nun schon auch wieder arbeiten, aber seit ich emsiger an diesem Bilde gemalt, ekelt mich das schnöde Handwerk da draußen unbeschreiblich an. Ich kann fürder keinen Schlägel mehr in die Faust nehmen, mag es auch nun kommen wie es will. Am dritten Tage will ich dir offen sagen, wie es mit mir und Rosa steht. Sollte ich wirklich der Glückliche sein, dem Rosa in Liebe sich zugewandt, so magst du fortziehen und erfahren, daß die Zeit auch die tiefsten Wunden heilt!« – Friedrich versprach sein Schicksal abzuwarten.
Am dritten Tage (sorglich hatte Friedrich Rosas Anblick vermieden) bebte ihm das Herz vor Furcht und banger Erwartung. Er schlich wie träumend in der Werkstatt umher und wohl mochte sein Ungeschick dem Meister Martin gerechten Anlaß geben, mürrisch zu schelten, wie es sonst gar nicht seine Art war. Überhaupt schien dem Meister etwas begegnet zu sein, das ihm alle Lust benommen. Er sprach viel von schnöder List und Undankbarkeit, ohne sich deutlicher zu erklären, was er damit meine. Als es endlich Abend geworden und Friedrich zurückging nach der Stadt, kam ihm unfern des Tors ein Reiter entgegen, den er für Reinhold erkannte. Sowie Reinhold Friedrich ansichtig wurde, rief er: »Ha da treffe ich dich ja wie ich wollte.« Darauf sprang er vom Pferde herab, schlang die Zügel um den Arm und faßte den Freund bei der Hand. »Laß uns«, sprach er, »laß uns eine Strecke miteinander fortwandeln. Nun kann ich dir sagen, wie es mit meiner Liebe sich gewandt hat.« Friedrich bemerkte, daß Reinhold dieselben Kleider, die er beim ersten Zusammentreffen trug, angelegt und das Pferd mit einem Mantelsack bepackt hatte. Er sah blaß und verstört aus. »Glück auf«, rief Reinhold etwas wild, »Glück auf, Bruderherz, du kannst nun tüchtig loshämmern auf deine Fässer, ich räume dir den Platz, eben hab ich Abschied genommen von der schönen Rosa und dem würdigen Meister Martin.« »Wie«, sprach Friedrich, dem es durch alle Glieder fuhr wie ein elektrischer Strahl, »wie, du willst fort, da Martin dich zum Eidam haben will und Rosa dich liebt?« – »Das, lieber Bruder«, erwiderte Reinhold, »hat dir deine Eifersucht nur vorgeblendet. Es liegt nun am Tage, daß Rosa mich genommen hätte zum Mann aus lauter Frömmigkeit und Gehorsam, aber kein Funke von Liebe glüht in ihrem eiskalten Herzen. Ha, ha! – ich hätte ein tüchtiger Küper werden können. Wochentags mit den Jungen Bände geschabt und Dauben behobelt, sonntags mit der ehrbaren Hausfrau nach St. Katharina oder St. Sebald und abends auf die Allerwiese gewandelt, jahraus, jahrein.« –»Spotte nicht«, unterbrach Friedrich den laut auflachenden Reinhold, »spotte nicht über das einfache, harmlose Leben des tüchtigen Bürgers. Liebt dich Rosa wirklich nicht, so ist es ja nicht ihre Schuld, du bist aber so zornig, so wild.« – »Du hast recht«, sprach Reinhold, »es ist auch nur meine dumme Art, daß ich, fühle ich mich verletzt, lärme wie ein verzogenes Kind. Du kannst denken, daß ich mit Rosa von meiner Liebe und von dem guten Willen des Vaters sprach. Da stürzten ihr die Tränen aus den Augen, ihre Hand zitterte in der meinigen. Mit abgewandtem Gesicht lispelte sie: ›Ich muß mich ja in des Vaters Willen fügen!‹ ich hatte genug. – Mein seltsamer Ärger muß dich lieber Friedrich, recht in mein Inneres blicken lassen, du mußt gewahren, daß das Ringen nach Rosas Besitz eine Täuschung war, die mein irrer Sinn sich bereitet. Als ich Rosas Bild vollendet, ward es in meinem Innern ruhig und oft war freilich auf ganz verwunderliche Art mir so zumute, als sei Rosa nun das Bild, das Bild aber die wirkliche Rosa geworden. Das schnöde Handwerk wurde mir abscheulich, und wie mir das gemeine Leben so recht auf den Hals trat, mit Meisterwerden und Heirat, da kam es mir vor, als solle ich ins Gefängnis gesperrt und an den Block festgekettet werden. Wie kann auch nur das Himmelskind, wie ich es im Herzen trage, mein Weib werden? Nein! in ewiger Jugend, Anmut und Schönheit soll sie in Meisterwerken prangen, die mein reger Geist schaffen wird. Ha wie sehne ich mich darnach! wie konnt ich auch nur der göttlichen Kunst abtrünnig werden! – bald werd ich mich wieder baden in deinen glühenden Düften, herrliches Land, du Heimat aller Kunst!« – Die Freunde waren an den Ort gekommen, wo der Weg, den Reinhold zu nehmen gedachte, links sich abschied. »Hier wollen wir uns trennen«, rief Reinhold, drückte Friedrich heftig und lange an seine Brust, schwang sich aufs Pferd und jagte davon. Sprachlos starrte ihm Friedrich nach und schlich dann von den seltsamsten Gefühlen bestürmt, nach Hause.
Wie Friedrich vom Meister Martin aus der Werkstatt fortgejagt wurde
Andern Tages arbeitete Meister Martin in mürrischem Stillschweigen an dem großen Fasse für den Bischof von Bamberg und auch Friedrich, der nun erst Reinholds Scheiden recht bitter fühlte, vermochte kein Wort, viel weniger ein Lied herauszubringen. Endlich warf Martin den Schlägel beiseite, schlug die Ärme übereinander und sprach mit gesenkter Stimme: »Der Reinhold ist nun auch fort – es war ein vornehmer Maler und hat mich zum Narren gehalten mit seiner Küperei. – Hätt ich das nur ahnen können, als er mit dir in mein Haus kam und so anstellig tat, wie hätte ich ihm die Tür weisen wollen. Solch ein offnes ehrliches Gesicht und voll Lug und Trug im Innern! – Nun er ist fort und nun wirst du mit Treue und Redlichkeit an mir und am Handwerk halten. Wer weiß, auf welche Weise du mir noch näher trittst. Wenn du ein tüchtiger Meister geworden und Rosa dich mag – nun du verstehst mich und darfst dich mühen um Rosas Gunst –« Damit nahm er den Schlägel wieder zur Hand und arbeitete emsig weiter. Selbst wußte Friedrich nicht, wie es kam, daß Martins Worte seine Brust zerschnitten, daß eine seltsame Angst in ihm aufstieg und jeden Hoffnungsschimmer verdüsterte. Rosa erschien nach langer Zeit zum erstenmal wieder in der Werkstatt, aber tief in sich gekehrt und, wie Friedrich zu seinem Gram bemerkte, mit rotverweinten Augen. Sie hat um ihn geweint, sie liebt ihn doch wohl, so sprach es in seinem Innern und er vermochte nicht den Blick aufzuheben zu der, die er so unaussprechlich liebte.
Das große Faß war fertig geworden und nun erst wurde Meister Martin, als er das wohlgelungene Stück Arbeit betrachtete, wieder lustig und guter Dinge. »Ja mein Sohn«, sprach er, indem er Friedrich auf die Schulter klopfte, »ja mein Sohn, es bleibt dabei, gelingt es dir Rosas Gunst zu erwerben und fertigst du ein tüchtiges Meisterstück, so wirst du mein Eidam. Und zur edlen Zunft der Meistersinger kannst du dann auch treten und dir große Ehre gewinnen.«
Meister Martins Arbeit häufte sich nun über alle Maßen, so daß er zwei Gesellen annehmen mußte, tüchtige Arbeiter, aber rohe Bursche, ganz entartet auf langer Wanderschaft. Statt manches anmutig lustigen Gesprächs, hörte man jetzt in Meister Martins Werkstatt gemeine Späße, statt der lieblichen Gesänge Reinholds und Friedrichs häßliche Zotenlieder. Rosa vermied die Werkstatt, so daß Friedrich sie nur selten und flüchtig sah. Wenn er dann in trüber Sehnsucht sie anschaute, wenn er seufzte: »Ach liebe Rosa, wenn ich doch nur wieder mit Euch reden könnte, wenn Ihr wieder so freundlich wäret, als zu der Zeit, da Reinhold noch bei uns war«, da schlug sie verschämt die Augen nieder und lispelte: »Habt Ihr mir denn was zu sagen, lieber Friedrich?« – Starr, keines Wortes mächtig, stand Friedrich dann da und der schöne Augenblick war schnell entflohn, wie ein Blitz, der aufleuchtet im Abendrot und verschwindet als man ihn kaum gewahrt.
Meister Martin bestand nun darauf, daß Friedrich sein Meisterstück beginnen sollte. Er hatte selbst das schönste reinste Eichenholz, ohne die mindesten Adern und Streifen, das schon über fünf Jahre im Holzvorrat gelegen, ausgesucht und niemand sollte Friedrichen bei der Arbeit zur Hand gehen, als der alte Valentin. War indessen dem armen Friedrich durch die Schuld der rohen Gesellen das Handwerk immer mehr und mehr verleidet worden, so schnürte es ihm jetzt die Kehle zu, wenn er daran dachte, daß nun das Meisterstück auf immer über sein Leben entscheiden solle. Jene seltsame Angst, die in ihm aufstieg, als Meister Martin seine treue Anhänglichkeit an das Handwerk rühmte, gestaltete sich nun auf furchtbare Weise immer deutlicher und deutlicher. Er wußte es nun, daß er untergehen werde in Schmach bei einem Handwerk, das seinem von der Kunst ganz erfüllten Gemüt von Grund aus widerstrebte. Reinhold, Rosas Gemälde kam ihm nicht aus dem Sinn. Aber seine Kunst erschien ihm auch wieder in voller Glorie. Oft wenn das zerreißende Gefühl seines erbärmlichen Treibens ihn während der Arbeit übermannen wollte, rannte er, Krankheit vorschützend, fort und hin nach St. Sebald. Da betrachtete er stundenlang Peter Vischers wundervolles Monument und rief dann wie verzückt: »O Gott im Himmel, solch ein Werk zu denken – auszuführen, gibt es denn auf Erden Herrlicheres noch?« Und wenn er nun zurückkehren mußte zu seinen Dauben und Bänden und daran dachte, daß nur so Rosa zu erwerben, dann war es als griffen glühende Krallen hinein in sein blutendes Herz und er müsse trostlos vergehen in der ungeheuern Qual. In Träumen kam oft Reinhold und brachte ihm seltsame Zeichnungen zu künstlicher Bildereiarbeit, in der Rosas Gestalt auf wunderbare Weise, bald als Blume, bald als Engel mit Flügelein verflochten war. Aber es fehlte was daran und er erschaute, daß Reinhold in Rosas Gestaltung das Herz vergessen, welches er nun hinzuzeichnete. Dann war es als rührten sich alle Blumen und Blätter des Werks singend und süße Düfte aushauchend und die edlen Metalle zeigten ihm in funkelndem Spiegel Rosas Bildnis! als strecke er die Arme sehnsüchtig aus nach der Geliebten, als verschwände das Bildnis, wie in düstern Nebel, und sie selbst, die holde Rosa, drücke ihn voll seligen Verlangens an die liebende Brust. – Tötender und tötender wurde sein Zustand bei der heillosen Böttcherarbeit, da suchte er Trost und Hülfe bei seinem alten Meister Johannes Holzschuer. Der erlaubte, daß Friedrich in seiner Werkstatt ein Werklein beginnen durfte, das er erdacht und wozu er seit langer Zeit den Lohn des Meister Martin erspart hatte, um das dazu nötige Silber und Gold anschaffen zu können. So geschah es, daß Friedrich, dessen totenbleiches Gesicht das Vorgeben, wie er von einer zehrenden Krankheit befallen, glaublich machte, beinahe gar nicht in der Werkstatt arbeitete und Monate vergingen, ohne daß er sein Meisterstück, das große zweifudrige Faß nur im mindesten förderte. Meister Martin setzte ihm hart zu, daß er doch wenigstens so viel, als es seine Kräfte erlauben wollten, arbeiten möge und Friedrich war freilich gezwungen, wieder einmal an den verhaßten Haublock zu gehen und das Lenkbeil zur Hand zu nehmen. Indem er arbeitete, trat Meister Martin hinzu, und betrachtete die bearbeiteten Stäbe, da wurde er aber ganz rot im Gesicht und rief: »Was ist das? – Friedrich, welche Arbeit! hat die Stäbe ein Geselle gelenkt, der Meister werden will, oder ein einfältiger Lehrbursche, der vor drei Tagen in die Werkstatt hineingerochen? – Friedrich besinne dich, welch ein Teufel ist in dich gefahren und hudelt dich? – mein schönes Eichenholz, das Meisterstück! ei du ungeschickter, unbesonnener Bursche.« Überwältigt von allen Qualen der Hölle, die in ihm brannten, konnte Friedrich nicht länger an sich halten, er warf das Lenkbeil weit von sich und rief: »Meister! – Es ist nun alles aus – nein und wenn es mir das Leben kostet, wenn ich vergehen soll in namenlosem Elend – ich kann nicht mehr – nicht mehr arbeiten im schnöden Handwerk, da es mich hinzieht zu meiner herrlichen Kunst mit unwiderstehlicher Gewalt. Ach ich liebe Eure Rosa unaussprechlich, wie sonst keiner auf Erden es vermag – nur um ihretwillen habe ich ja hier die gehässige Arbeit getrieben – ich habe sie nun verloren, ich weiß es, ich werde auch bald dem Gram um sie erliegen, aber es ist nicht anders, ich kehre zurück zu meiner herrlichen Kunst, zu meinem würdigen alten Meister Johannes Holzschuer, den ich schändlich verlassen.« Meister Martins Augen funkelten wie flammende Kerzen. Kaum der Worte mächtig vor Wut, stotterte er: »– Was? – auch du? – Lug und Trug? mich hintergangen – schnödes Handwerk? – Küperei? – fort aus meinen Augen schändlicher Bursche – fort mit dir!« – Und damit packte Meister Martin den armen Friedrich bei den Schultern und warf ihn zur Werkstatt hinaus. Das Hohngelächter der rohen Gesellen und der Lehrburschen folgte ihm nach. Nur der alte Valentin faltete die Hände, sah gedankenvoll vor sich hin und sprach: »Gemerkt hab ich wohl, daß der gute Gesell Höheres im Sinn trug als unsre Fässer.« Frau Marthe weinte sehr und ihre Buben schrien und jammerten um Friedrich, der mit ihnen freundlich gespielt und manches gute Stück Backwerk ihnen zugetragen hatte.