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Das blühende Bruch

Der Wind, der über die Heide weht, haucht dreifachen Duft vor sich hin; denn die Birkenbäume tragen funkelnagelneues Laub, es treiben die Kiefern frische Schossen, und rundherum blüht der Post.

Lange hat er darauf gelauert; schon im Frühherbst war er dazu bereit. Doch der Winter kam und ging, die Eller am Bache, der Hasel im Hagen, die Espe am Walde blühten auf und blühten ab; er aber stand da und wartete auf seine Zeit. Zu kalt war das Bruch und zu naß.

Die Moorfrösche murrten, daß die Sonne zu schlapp war, um das Moor zu erwecken, der Birkhahn schlug Lärm und höhnisch kicherten die Heerschnepfen; aber erst, als Kiebitz, Kolkrabe und Kolüt ihnen beistanden und Schwarzspecht, Mooreule und Kranich mithalfen, rief die Sonne den Südwind herbei, und als der drei Tage und drei Nächte geweht hatte, bekam der Post Mut, reckte und streckte seine Knospen, und am vierten Morgen, als die Nebel in die Gründe fielen, stand er da, leuchtend wie rotes Gold, und der Wind nahm seinen starken Atem und mischte ihn mit dem von Birke und Kiefer.

Die Birken prahlen mit nagelneuem Laube, es prunken die Kiefern mit frischen Trieben; der Post aber überprotzt sie alle beide und die übrigen Bäume und Büsche auch. Er nimmt dem Wacholder die Mürrischkeit, raubt der Stechpalme ihr unnahbares Wesen, die Eiche verliert ihre Würde durch ihn und die Weide büßt ihr flammendes Licht ein, stellt er sich neben sie. Den Bach hinauf und an den Gräben hinab, um die Wiesen her und dem Walde entlang laufen die flammenden Büsche und finden sich unten im Bruche zusammen, um hunderttausendweis ein leuchtendes, loderndes Flammenfest zu feiern der Sonne zu Dank und ihr zu Ehre.

Dem Post gehört das weite, breite Bruch heute und morgen und übermorgen und vielleicht noch einen Tag. Denn es kann ein Regen fallen und aus ist es dann mit dem Farbenjubel, dem Duftgejauchze und dem goldenen Atmen. Darum scheint er, daß der Birken junges Grün verblaßt, und leuchtet, daß der Kiefern Kerzen verlöschen, und flammt, daß die Weidenbüsche trüber und trüber brennen. Und der Südwind, sein guter Freund, der es weiß, daß ihrer beider Tage gezählt sind, ist gütig gegen ihn, schüttelt und rüttelt ihn, streift aus den zahllosen strahlenden Blüten den goldenen Staub und wirbelt ihn über Wald und Heide zum Zeichen, daß dieses die Tage sind, da der Post Herr im Lande ist, der Sonnensiegesstrauch.

Darum freut sich alles, das die drei Farben der Sonne trägt, dieses festlichen Freudentages. Die Dotterblumen recken sich höher, der Zitronenvogel taumelt wie trunken vor Lust dahin und der Morgenrotfalter trägt die frohe Kunde von Kraut zu Kraut. Hellauf jauchzt der Schwarzspecht, der abendrotköpfige, fröhlich flötet der Dompfaff, der morgenrotbrüstige, und der Goldammerhahn, hell wie das Mittagslicht, singt sein Sonnenliebeslied.

Da kann sich der mürrische Wacholder nicht halten; sonnige Triebe brechen aus seinem düsteren Geäst. Die kühle Stechpalme läßt sich mitreißen und wirft hundert blitzende Lichter um sich. Die Eiche vergißt alle ihre Würde; ihre Zweige glimmen und glitzern wie Gold. Weide und Kiefer und Birke lassen Ärger und Eifersucht und glühen und sprühen und grünen mit, jeder taubeperlte Halm, jegliches nebelfeuchte Blatt, alle neuerwachten Blüten funkeln, flimmern und flammen hinein in das große Farbenfest, das die Heidlerche vom hohen Himmel segnet, das der Kranich mit Drommetenton aller Welt verkündet und zu dem der Kuckuck die Glocken läutet.

Höher steigt die Sonne, heißer brennt sie, glühender loht der Post. Über ihm unter dem hohen Himmel zieht ein Habichtspaar seine stolzen Kreise und sendet Jubelrufe zu ihm hinab. In den Eichen rucksen die Täuber und fliegen laut klatschend empor, helle Weihen werfen sich mit gellendem Schrei aus der Luft herab, und in und aus dem Busch und aus allen Bäumen singt und klingt es, daß das ganze weite, breite, goldene Bruch von Freudenstimmen bebt.

Die Sonne steigt und steigt, und sinkt. Purpurn färbt sich der Post, wie Gold erglühen die Gräben. Der Nebel steigt aus den Sinken, Wolken ziehen über die Wohld. Rund und rot steht die Sonne über dem Bruch, das noch einmal sich zu einem wilden Geloder aufrafft. Luft und Land füllen sich mit rotem Brande, bis der Tagesstern in Feuerwolken verschwindet, beklagt von dem Kiebitz und dem Kranich. Der Abendstern kommt herauf, von der Nachtigall laut begrüßt.

Eine laue Luft weht von Süden und trägt den starken Atem des Postes vor sich hin, der seinen ersten Blütentag erlebt hat. Einen wird ihm die Sonne noch schenken, und noch einen. Dann wird der Westwind ihm den goldnen Staub nehmen und der Regen ihm seine Pracht rauben; fahl wird er dastehen, bis das junge Laub an ihm sprießt und er zwischen den übrigen grünen Büschen verschwindet und kein Mensch mehr nach ihm hinsieht und seine Augen daran labt.

Dann steht der Post da und wartet auf den Frühling. Er wird keinen mehr erleben. Die Hacke wird ihn fällen, die Flamme ihn fressen, das Vieh seine neuen Schossen zertreten; Wiese und Weide wird sein, wo er blühte und duftete hier, wie überall.

Alte Leute werden vielleicht noch von ihm erzählen, wie von dem Kranich und dem Rauk und dem Waldstorch, die zur Sage wurden, und dann wird er vergessen sein für immerdar.


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