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Elftes Kapitel

Wer mit mehreren Gegnern zu tun hat, trägt, auch wenn er der Schwächere ist, den Sieg davon, wenn er nur den ersten Angriff aushält.

Die Macht der Volkstribunen war in Rom groß und notwendig, wie wir mehrfach erörtert haben. Denn anders ließ sich dem Ehrgeiz des Adels kein Zügel anlegen, und er hätte dann die Republik viel früher verdorben, als es wirklich der Fall war. Da aber, wie schon früher gesagt, S. Seite 21, Abs. 2. in jeder Sache ein eignes Übel verborgen liegt, das neue Wirkungen zeitigt, muß man diesen durch neue Einrichtungen vorbeugen. So wurden auch die Tribunen übermütig und dem Adel und ganz Rom furchtbar, und dies hätte schlimme Folgen für die Freiheit gehabt, hätte Appius Claudius nicht gezeigt, wie man sich gegen den Übermut der Tribunen schützen könne. Man fand nämlich immer einen darunter, der furchtsam oder bestechlich oder ein Freund des allgemeinen Wohls war, und wußte ihn zu bestimmen, sich den andern Tribunen zu widersetzen, wenn sie einen Beschluß gegen den Willen des Senats durchsetzen wollten. Dies Mittel mäßigte ihre große Gewalt erheblich und half Rom lange Zeit.

Dieser Umstand hat mich auf den folgenden Gedanken gebracht. Jedesmal, wenn viele Mächte sich gegen einen verbünden und alle zusammen stärker sind als er, muß man doch mehr auf den einen, weniger Starken vertrauen, als auf die vielen, auch wenn sie die Stärkern sind. Denn ganz abgesehen von allem, wodurch ein Einzelner im Vorteil ist, und das ist mancherlei, wird es ihm bei einiger Geschicklichkeit doch immer gelingen, die Vielen zu entzweien und den starken Körper zu schwächen. Ich will hierfür keine alten Beispiele anführen, deren es sehr viele gibt, sondern mich mit den zeitgenössischen begnügen.

Im Jahre 1484 verband sich ganz Italien gegen die Venezianer. S. Lebenslauf, 1484. Als sie völlig geschlagen waren und kein Heer mehr ins Feld stellen konnten, bestachen sie den Herzog von Mailand, Lodovico Sforza, und schlossen durch diese Bestechung einen so günstigen Frieden, daß sie nicht nur ihre verlorenen Städte zurückerhielten, sondern noch einen Teil des Herzogtums Ferrara an sich rissen. So unterlagen sie im Kriege und behielten im Frieden die Oberhand. Vor wenigen Jahren verschwor sich die Welt gegen Frankreich, allein noch vor Ablauf des Krieges fiel Spanien von den Verbündeten ab und schloß einen Sonderfrieden, so daß die andern bald darauf nachfolgen mußten. Die »Heilige Liga« gegen Frankreich (s. Lebenslauf, 1511-13) wurde durch den Frieden zu Orthez zwischen Frankreich und Spanien gesprengt.

Wenn man daher viele mit einem im Kriege sieht, kann man stets mit Sicherheit erwarten, daß der eine die Oberhand behalten wird, wenn er nur so stark ist, daß er den ersten Angriff aushalten und durch Hinhalten Zeit gewinnen kann. Kann er das nicht, so ist er tausend Gefahren ausgesetzt, wie die Venezianer im Jahre 1508. Durch die Liga von Cambrai. S. Lebenslauf, 1508 und 1509. Papst Julius II. schloß 1510 mit Venedig Frieden und brachte 1511 die »Heilige Liga« (s. o.) mit Venedig, Spanien und England gegen Frankreich zustande. Hätten sie das französische Heer hinhalten und dadurch Zeit gewinnen können, einen der Verbündeten zu sich herüberzuziehen, so hätten sie diesen Verlust nicht erlitten. Da sie aber kein tapfres Heer hatten, das den Feind hinhielt, gewannen sie keine Zeit, einen der Verbündeten abtrünnig zu machen, und so gingen sie zugrunde. Denn man sieht ja, daß der Papst, nachdem er das Seinige wieder hatte, Freundschaft mit ihnen schloß, ebenso Spanien; sehr gern hätten auch beide, wenn sie gekonnt hätten, ihnen die Lombardei gerettet, um Frankreich in Italien nicht zu mächtig werden zu lassen. Die Venezianer konnten also ein Glied opfern, um den Körper zu retten, und wäre dies beizeiten geschehen, so daß es nicht als erzwungen erschien, d.h. vor Beginn der eigentlichen Kriegshandlung, so wäre es das Klügste gewesen, während des Krieges aber war es schimpflich und wohl auch ziemlich nutzlos. S. Buch I, Kap. 53. Vor Beginn der Kriegshandlung aber konnten wenige in Venedig die Gefahr vorhersehen, sehr wenige das Gegenmittel finden und keiner dazu raten.

Um aber wieder zu unserm Ausgangspunkt zurückzukehren, ziehe ich den Schluß: wie der römische Senat zum Heil des Vaterlandes ein Mittel gegen den Ehrgeiz der Tribunen in ihrer Vielheit fand, ebenso wird auch ein Fürst, der von vielen angegriffen wird, ein Mittel dagegen finden, wenn er nur mit Klugheit die rechten Maßregeln zu ihrer Entzweiung zu treffen versteht.


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