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Nicht fern vom Elfenbeindorf dehnte sich der reizende Moerosee oder Mweru aus, der an Lieblichkeit beinahe mit dem Kiwu wetteifern konnte.
Von allen Seiten war er zwischen hohe Berge eingeschlossen, wie der Luganosee; aber diese Berge waren mit dem üppigsten tropischen Pflanzenwuchs bekleidet, der bis an die Ufer reichte. Durch einen tiefen Spalt im Gebirge donnerte sein Abfluß gleich einem Wasserfall dahin.
Lord Flitmore erfuhr übereinstimmend von den Eingeborenen, daß der See mit dem Itawa oder Moerosumpf in Verbindung stehe und somit auch mit dem Tanganjika.
Vorausgesetzt, daß dieser tatsächlich einen Abfluß nach dem Albert-Edward-See durch den Kiwu besessen habe, war also gewiß, daß der alte Nilursprung in einem südlichen Zufluß zum Moerosee oder aber zum Bangweolosee zu suchen sei, wenn der Bangweolo einen Abfluß in den Moero besaß.
Da der Weitermarsch an den Ufern zu schwierig schien, zog sich die Karawane östlich hinter die Uferberge zurück und marschierte dort auf das südliche Ende des Moerosees zu.
Der Weg ging durch dürres Gras; Hamissi ging neben dem Professor hin und rief plötzlich: »Tschirombo!«
Schulze, der wußte, daß damit ein Tier gemeint sei, das man nicht essen könne, witterte gleich eine Naturmerkwürdigkeit und sah sich überall um, konnte aber nichts entdecken.
Der Suaheli aber deutete auf des Professors Ärmel und wiederholte: »Tschirombo!«
Da war aber nichts zu sehen, als ein Stückchen dürres Gras, und der enttäuschte Gelehrte rief ärgerlich: »Du selbst bist ein Tschirombo! Was willst du denn? Da ist ein Flocken Heu, weiter nichts!«
Hamissi grinste und sprach: »Bwana, das lebt!«
Schulze nahm nun das »dürre Gras« von seinem Ärmel und betrachtete es näher; es schien weiter nichts als eine gelbe Grasspitze, stark zerknittert, von der sechs paarweise einander gegenüberliegende geknickte Rispen ausgingen. Alles Drehen und Wenden konnte das Insekt nicht veranlassen, seinen Leib oder seine Beine zu bewegen und irgend etwas an seiner Stellung zu verändern; denn ein Insekt war es, das offenbarte dem Professor seine scharfe Brille. Nun wurde ihm klar, warum die Gespensterheuschrecke so selten zu finden ist; denn wahrhaftig! ein scharfes Auge und eine außerordentliche Beobachtungsgabe gehörten dazu, in diesem dürren Stengelchen ein lebendes Wesen zu erkennen.
Natürlich mußte diese absonderliche Merkwürdigkeit in Schulzes Sammlung wandern; aber vergebens bemühte er sich, die dünne Heuschrecke zwischen den Fingern totzudrücken; erst als er sie zwischen zwei Steine preßte, gelang es ihm, ihr das Lebenslicht auszublasen.
In dieser Gegend lernten unsere Freunde die gefürchtetste Plage Afrikas kennen, die Tsetsefliege; sie hatten sie freilich schon öfters angetroffen, nie aber in solchen Mengen wie hier.
Dieses mörderische Insekt glich einer kleinen Biene, kaum größer als eine gewöhnliche Stubenfliege; sein Stich ist namentlich für Pferde und Rinder tödlich und wirkt sehr rasch. Bei Menschen ruft er in manchen Gegenden die schreckliche, verheerende Schlafkrankheit hervor.
Von den fünf Rindern, die im letzten Dorfe erhandelt worden waren, fielen vier Stück dem Biß der unansehnlichen Mörderin zum Opfer; das fünfte rettete Leusohn durch ein einfaches Mittel: er rieb es mit Salmiak ein, worauf die Stiche keine tödliche Wirkung mehr ausübten.
»Ein scheußliches Biest, diese Glossina morsitans!« meinte Schulze. »Sie vernichtet ganze Rinderherden und bewirkt das Aussterben dichtbevölkerter Landstriche.«
»Wissen Sie, wie es dem Missionar Moffat mit der Tsetsefliege ging?« fragte der Lord.
»Nee!« erwiderte der Professor. »Das steht in keinem meiner wissenschaftlichen Werke.«
»Nun also. Der Matabelehäuptling Moselikatse war ein ausgeprägter Schurke, dazu aber ein Schlaukopf. Moffat gewann einen so großen Einfluß auf den gefürchteten Herrscher, daß dieser es nicht wagte, ihm irgendeinen Wunsch abzuschlagen; nur wollte er ihn immer bei sich behalten und durchaus nicht weiterziehen lassen, da er überzeugt war, der weiße Zauberer könne ihn von seiner Lähmung heilen, wenn er nur wolle.
»Als nun der Missionar nach dem Sambesi ziehen wollte, wagte es Moselikatse nicht, ihn geradezu daran zu hindern; allein er gab seinen Leuten, die als Führer dienen sollten, insgeheim den Befehl, die Karawane in die von der Tsetsefliege heimgesuchten Gegenden zu führen.
»Moffat reiste nach Burenart mit Ochsenwagen: kaum gelangten die Gespanne in die gefährliche Gegend, als die Zugochsen in kurzer Zeit sämtlich fielen und der Missionar sich genötigt sah, im Lande zu bleiben. So groß war jedoch der Respekt des Matabelehäuptlings vor dem würdigen Greise, daß er ihn später durch ein königliches Geschenk entschädigte; er verehrte ihm eine ganze Wagenladung Elfenbein nebst fünfzig Zugochsen, mit denen Moffat dann nach langer, mühseliger Reise glücklich wieder Natal erreichte.«
In der Nacht wurde das Lager durch einen großen Tumult aufgestört.
Als die Weißen aus den Zelten eilten, berichteten die Wächter, ein Leopard sei über das Gehege gesprungen und habe sich in Lord Flitmores Zelt geschlichen. Der mutige Dackel Nigger habe aber das freche Tier an der Gurgel gepackt, worauf es erschreckt zurückgesprungen sei, ohne daß der Hund es losgelassen hätte.
Draußen vor dem Verhau vernahm man die klagende Stimme Niggers und bald erschien der treue Wächter und Held. Aber wie war er zugerichtet! Am Halse war er so zerbissen, daß das Blut wie aus einer Sprengkanne nach allen Seiten spritzte.
Der Doktor schüttelte den Kopf und meinte, man solle den Bejammernswerten durch eine Kugel von seinen Leiden befreien, zu retten sei er doch nicht mehr.
Johann Rieger, als Herr des Hundes, wollte davon nichts wissen, ebensowenig Hamissi, Niggers besonderer Freund und Pfleger. Ihnen schlossen sich Helene und Sannah mit ihrer Fürbitte an.
»Dann ist es am besten, wenn er sich möglichst rasch verblutet,« erklärte Leusohn ärgerlich, daß seinem sachverständigen Urteil und seiner ärztlichen Unfehlbarkeit von Laien widersprochen wurde. »Doktern ist angesichts solcher Wunden Unsinn, und ich gebe mich nicht dazu her, seine Leiden zu verlängern.«
»Was sagt der Bwana Dakta?« fragte Tipekitanga, die Niggers Verbluten mitleidig beobachtete.
»Mein Bruder will die Wunden nicht verbinden, weil dem armen Tiere doch nicht mehr geholfen werden könne,« erklärte ihr Helene.
Stillschweigend legte die Zwergprinzessin Lehm auf die Löcher in des Dachshunds Gurgel und verband seinen Hals mit einem Streifen Zeug.
Hamissi nahm fortan den Hund auf dem Marsche mit, weich gebettet auf seiner Traglast. Vier Tage lang schien es, als müsse Nigger eingehen; dann aber brach eine Geschwulst an dem heißen, steifen Hals auf, eine Menge Eiter entleerend. Hierauf heilten die Wunden rasch, nur die Narben, die fortan kahl blieben, zeugten Zeit seines Lebens von der neuen lebensrettenden Heldentat, die der edle Dachshund geleistet hatte.
Am Tage nach dem nächtlichen Leopardenüberfall ging der Weg durch eine Steppe, in der sich ein Giraffenrudel von ferne zeigte; nachmittags traf man mit einer Araberkarawane zusammen, die ihr Lager ganz in der Nähe unserer Freunde aufschlug.
Am liebsten hätten unsere Freunde die Araber mit den Waffen angegriffen und zu Gefangenen gemacht, so weit sie nicht im Kampfe gefallen wären; denn sie erkannten bald, daß diese Unmenschen das schändliche Gewerbe von Sklavenjägern betrieben; welches namenlose Elend würden sie über die Gegend bringen, die sie zum Ziel ihrer Raubgelüste erwählt hatten! Wie viel Negerblut würden sie vergießen, alles schlachtend, was Widerstand leistete, die Dörfer niederbrennend und Weiber und Kinder zu einem unseligen Lose in ferne Länder verschleppend!
Aber an ein gewaltsames Verhindern der Menschenjagd war nicht zu denken, denn die Karawane zählte über dreihundert Gewehre; es waren hundertzehn Araber und etwa dreihundert Neger, die größtenteils ebenfalls mit Schußwaffen versehen waren.
Vorstellungen halfen diesen verhärteten Menschen, diesen Tigern in Menschengestalt gegenüber nichts, das stand von vornherein fest.
Dagegen drohte umgekehrt, daß die Scheusale die Schwarzen der Karawane Flitmores noch beschwatzten, sich ihnen anzuschließen.
Während die Neger in der Umgegend Holz hieben und Wasser holten, nahten sich ihnen die Araber in freundschaftlichster Weise, und einige Träger und Askaris berichteten hernach, welche Anträge ihnen gestellt worden seien.
»Ist euer karger Lohn der Mühen wert, mit denen ihr euch abplagt?« hatten die Araber gesagt. »Werft den ungläubigen Hunden ihre Ballen vor die Füße und kommt mit uns; wir plündern ganze Dörfer, Elfenbein und Sklaven sind unsere Beute; wer es mit uns hält, wird reich, ohne Mühe.«
»Und zuletzt verkaufen sie euch selber noch als Sklaven, nachdem ihr euer Leben für sie gewagt und ihre Beute zur Küste schleppen halft,« meinte Hendrik finster.
Am andern Morgen wurde gemeldet, daß drei Träger und ein Askari durchgegangen seien. Sie hatten sich zweifellos den Sklavenjägern angeschlossen, die schon aufgebrochen waren.
Lord Flitmore zeigte hierüber eine Erregung, die man nicht an ihm gewohnt war. Wenn etwas ihn aus der Fassung bringen konnte, so war es die Empörung über die Greuel des Sklavenhandels.
Als Achmed ihm das Entweichen der vier Männer hinterbrachte, rief der Engländer mit donnernder, vor Ingrimm bebender Stimme: »Inschallah! Ihre Gebeine werden die Geier zerhacken!«
Diese furchtbare Prophezeiung aus dem Munde des sonst so kaltblütigen Lords machte einen tiefen Eindruck auf die versammelte Mannschaft, und die folgenden Ereignisse sorgten dafür, daß keiner, der sie gehört hatte, sie je wieder im Leben vergaß.
Nur einer der Träger entzog sich dem Bann dieser Worte. Was konnte den Arabern zustoßen, die über eine so überwältigende bewaffnete Macht verfügten? Es reute ihn, daß er sich den Fahnenflüchtigen nicht angeschlossen hatte, und er erspähte im Laufe des Tages die Gelegenheit, zurückzubleiben, zu entweichen und die Araberkarawane einzuholen.
Dort fand er seine Kameraden und wurde wie sie von den Sklavenjägern in ihre Mannschaft eingereiht. Er verfehlte auch nicht, zu berichten, welchen Fluch der weiße Lord ausgesprochen habe. Die Araber natürlich lachten und spotteten über diese ohnmächtige Äußerung der Wut, als welche sie die Prophezeiung ansahen, die niemals Aussicht auf Erfüllung haben konnte.
Wir wollen die Schicksale der Sklavenkarawane im voraus gleich hier berichten, wie sie unsere Freunde erst einige Tage später erfuhren.
Es war nicht das erstemal, daß Mohamed Heri, der Führer der Araber, in der Nähe des Moerosees auf Raub ausging.
Bei der Kunde seiner Annäherung mit so großer bewaffneter Macht vergaßen die Negerstämme der Gegend ihre Zwistigkeiten und beschlossen, sich nicht überrumpeln und wehrlos niedermetzeln oder zu Sklaven machen zu lassen, sondern gemeinsam Widerstand zu leisten.
Die Seele dieses kühnen Unternehmens war der Häuptling Werdella, ein außerordentlich mutiger Mann. Er selber war früher im Dienste der Araber gestanden und hatte das Schießen gelernt; mit scharfem Blick und natürlicher Gewandtheit begabt, hatte er sich sogar zu einem Schützen ausgebildet, der mit einer Ruhe und Sicherheit schoß, wie es bei einem Neger nicht zu erwarten gewesen wäre; er hätte den Buren keine Schande gemacht mit seinen Treffern.
Dieser Werdella schlich sich mit seinen wohlgeschulten Leuten nachts in die Nähe des Araberlagers und trieb den Feinden sämtliches Vieh weg.
Das geschah in solcher Stille, daß im Lager nichts davon gemerkt wurde. Gleichzeitig hatte der kühne Negerhäuptling zwei seiner Krieger angewiesen, in das Lager selber zu schleichen, um dort Patronen zu stehlen, da es ihm an Munition für seine zwei Gewehre fehlte.
Es glückte denn auch den behutsamen Eindringlingen, eine Kiste mit tausend Patronen zu entwenden.
Am andern Morgen sandte er den Arabern eine unverschämte Botschaft, in der er sie höhnisch aufforderte, ihr Vieh aus den Bergen wieder zu holen.
Mohamed Heri schäumte vor Wut und beschloß, den frechen Häuptling mit seinem ganzen Volk nach seiner Weise zu züchtigen.
Als er mit seinen vierhundert Mann ins Gebirge hinaufstieg, um Werdellas Dorf zu überfallen, merkte er mit Schaudern, wie gefährlich dieser Weg sein mußte, wenn nur wenige beherzte Männer ihn verteidigten; er führte an schroffen, wild zerrissenen Felsen hin, an Schluchten und Abgründen und machte so viele scharfe Wendungen, daß die Araber stets fürchteten, hinter dem nächsten Vorsprung auf die Feinde zu stoßen, die durch ihren kühnen nächtlichen Überfall bewiesen hatten, daß sie mehr leisteten als gewöhnliche Neger.
Mohamed Heri frohlockte, daß sich ihm niemand entgegenstellte und atmete auf, als der Pfad sich weitete und ein breites Hochtal mit Wald und Gebüsch sich vor ihm öffnete. Er wähnte nun alle Gefahr überwunden und ahnte das Schreckliche nicht, das ihm bevorstand.
»Maschallah!« rief er. »Stehlen können die Wilden, aber kämpfen können sie nicht. Ihr Herz ist feige, sonst hätten sie uns den Zugang zu ihren Höhen leicht unmöglich machen können. Jetzt gibt sie Allah in unsere Hand; ihre Krieger werden sterben von den Kugeln unserer dreihundert Gewehre, ihre Weiber und Kinder, ihre Jünglinge und Jungfrauen werden wir als Sklaven forttreiben; ihre Greise wollen wir verstümmeln, ihre Hütten verbrennen und all ihre Habe gehört uns. Den frechen Häuptling aber peitsche ich selber zu Tod! Er soll es erfahren, was es einträgt, einen Araberscheich zu verhöhnen.«
In diesem Augenblick flog ein Hagel von Pfeilen und Wurfspeeren aus dem Buschwald, und zu Tode getroffen sanken viele der Araber in den vordersten Reihen nieder.
Erschreckt durch diesen unerwarteten Angriff wichen die Sklavenjäger zurück; doch Mohameds Zuruf brachte sie zum Stehen.
Da blitzte es hinter einem Felsen auf und der Scheich stürzte tot zu Boden: eine Kugel hatte ihm die Schläfe durchbohrt.
Zum zweitenmal krachte ein Schuß, und der Flaggenträger warf die Hände in die Luft; ein Blutstrom quoll aus seinem Munde, er war in den Hals getroffen und hauchte alsbald sein Leben aus.
Ein mutiger Kamerad bückte sich nach dem Banner; da zerschmetterte ihm ein Schuß das Rückgrat.
Wieder zwei Schüsse, und in Brust und Kopf getroffen sanken zwei Araber nieder.
Da packte die Sklavenjäger blasses Entsetzen! Fünf Schüsse waren gefallen und fünf Mann waren durch sie ums Leben gekommen, darunter ihr stolzer Anführer. Und dort lagen an die Zwanzig von Pfeilen und Assegais durchbohrt, teils tot, teils schwer verwundet.
Gegen Speere und Pfeile wären sie wohl vorgedrungen; aber Werdellas Büchse, die kein Ziel verfehlte, jagte vierhundert Mann in die Flucht: denn daß Werdella der unheimliche Schütze sei, der sich hinter den unzugänglichen Felsen verbarg, war ihnen klar; er allein war des Schießens kundig unter den Wilden dieses Landes.
Die Flüchtlinge rannten um den Felsvorsprung herum; der Weg machte einen weiten Bogen.
Werdella kletterte inzwischen über den Bergrücken und kam seinen Feinden zuvor. Als sie wieder um einen Felsen bogen, fielen nacheinander die drei Vordersten und versperrten den Weg; drei Schüsse – drei Leichen! Welch ein furchtbarer Gegner war dieser verachtete Negerhäuptling.
Und siehe! Dort sah man deutlich seinen Kopf, der sich grinsend über den Felsblock erhob, hinter welchem er sich gedeckt hatte.
Sofort feuerte alles nach dem verhaßten Ziel.
»Er ist gefallen!« brauste der Jubel, als der Kopf alsbald hinter dem Felsen verschwand.
Die Antwort kam in einem Rauchwölkchen, das neben dem Felsen erschien: ein Knall, und ein neues Opfer rollte auf den Boden.
Jetzt war kein Halten mehr! In atemlosem Lauf rannten die Entsetzten um ihr Leben; aber Werdellas Büchse traf noch mehrere von ihnen auf der Flucht.
Endlich waren sie alle hinter dem nächsten Vorsprung vor den unheimlichen Kugeln geborgen.
Aber – was war das? Ein Rollen und Donnern zu ihren Häupten! Felsen und Steinblöcke stürzten hernieder, alles zerschmetternd, was sie trafen; dazwischen flogen Lanzen und Pfeile aus der Höhe herab.
Der Rückweg war ihnen versperrt; hinter jedem Felsen lauerte ein schwarzer Feind. Vergebens schossen die Araber in Wut und Verzweiflung nach den unsichtbaren Gegnern; die Kugeln prallten ab am deckenden Gestein.
Schon rannten die Neger der Sklavenkarawane in wirrem Knäuel den steilen Abhang hinab, da das Weiterverfolgen des Weges ihnen sicheres Verderben schien. Nun folgten ihnen auch die mutigeren Araber über Geröll und Steine in der Hoffnung, auf diesem gefährlichen Wege die rettende Ebene zu erreichen.
Da plötzlich erhob sich ein gellendes Geschrei in den vordersten Reihen; ein zweihundert Meter tiefer, jäher Abgrund öffnete sich zu ihren Füßen und mehrere der flüchtenden Neger stürzten brüllend in die unheimliche Tiefe; sie hatten die Gefahr zu spät erkannt, um noch rechtzeitig ihren wilden Lauf hemmen zu können.
Jetzt war das Schicksal der Sklavenjäger besiegelt: heulend erschienen Hunderte von Schwarzen, aus ihrer Deckung hervorspringend; mit Steinen und Speeren bewaffnet rannten sie den Abhang hinab. Wohl fielen manche von ihnen unter den Schüssen ihrer verzweifelten Opfer; aber die Lage der letzteren war hoffnungslos. Am Fuße einer steilen Halde, am Rande eines furchtbaren Abgrundes, rings von nachdringenden Feinden umzingelt, wurden sie schon durch den reinen Druck der auf sie stürzenden Massen über den Rand der Klippe getrieben und zerschmetterten in der Tiefe.
Von mehr als vierhundert Mann entkam kaum ein halbes Dutzend derjenigen, die es gewagt hatten, auf dem Todesweg weiterzueilen, statt die verhängnisvollen Hänge hinabzuflüchten.
Das war das Schicksal derer, die kein Erbarmen gekannt hatten und ihre unglücklichen Mitmenschen grausamer behandelt hatten als reißende Tiere es selbst ihren Feinden gegenüber tun.
Unter den Toten, die im Abgrunde lagen oder den Weg bedeckten, befanden sich auch die fünf Fahnenflüchtigen, die sich durch die lockenden Verheißungen der Araber hatten verführen lassen, an ihrem schändlichen Vorhaben teilzunehmen.
In der Ebene irrten ein paar verstörte Gestalten umher, vier Schwarze und zwei Araber.
»Wie sagte der Mann, der zuletzt aus dem Lager der Weißen zu uns kam?« fragte der eine der Mohamedaner seinen Gefährten. »Wie lautete der Fluch, den der weiße Häuptling über sie und uns ausrief?«
»Maschallah! Ihre Gebeine werden die Geier zerhacken!« erwiderte der andere, sich vor Grauen schüttelnd.
»Maschallah! Seine Flüche haben Geltung beim Herrn des Himmels und der Erde: es erfüllt sich, was er gesprochen. Schnell, furchtbar schnell ist die Wirkung seiner Prophezeiungen; Allah bewahre uns vor seinem vernichtenden Zorn, die wir allein entronnen sind von mehr als vierhundert!«