Oskar Meding
Der Todesgruß der Legionen
Oskar Meding

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Viertes Capitel.

Wochen waren seit dem Plebiscit verflossen, die große Mehrzahl des französischen Volkes hatte sich in ihrem Votum aufs Neue für das Kaiserreich und die neue Verfassung desselben erklärt, – die Elemente des Aufruhrs, welche einen Augenblick ihr Haupt aus den finsteren Vorstädten von Paris erhoben, hatten sich wieder in ihre dunklen Schlupfwinkel zurückgezogen, die unbequemen Mitglieder des Cabinets waren entfernt, der Herzog von Gramont war von Wien gekommen und hatte das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten übernommen, und der Kaiser sah sich umgeben von lauter Männern, welche sowohl dem Prinzip seiner Regierung, als ihm persönlich vollkommen ergeben waren, und welche er, wenn er sich die Mühe geben wollte, leicht und vollständig nach seinem Willen zu lenken im Stande war.

Alles schien vortrefflich geordnet und glänzend befestigt. Der kaiserliche Hof hatte sich nach Fontainebleau begeben, es fanden dort jene reizenden, kleinen Gartenfeste Statt, welche die Kaiserin mit ihrem intimen Cirkel so ausgezeichnet zu arrangiren verstand. Die Zeitungen beschäftigten sich im Ganzen wenig mit der Politik. Sie berichteten über die Toiletten der Damen bei den Soiréen à la Watteau, welche unter dem tiefen Schatten der Bäume des Parks von St. Cloud Statt fanden. Sie erzählten mit hoher Befriedigung, daß die Gesundheit des Kaisers ganz vortrefflich sei und daß Seine Majestät Napoleon III in seinem kleinen Privatgarten in St. Cloud mit ganz besonderem Eifer sich mit der Cultur der Rosen beschäftige und nahe daran sei, das große Problem der Horticultur zu lösen und eine schwarze Rose zu erzielen.

Die Zeit der Villeggiaturen begann, Graf Bismarck ritt in Varzin spazieren, Seine Majestät der König Wilhelm badete in Ems, und der Kaiser Napoleon mit einer blauen Schürze und einer großen Scheere in der Hand, pflegte seine Rosen im Garten von St. Cloud.

Der Genius des tiefen Friedens hatte sich über Europa herabgesenkt, die Zeitungsredacteure und Correspondenten in allen Hauptstädten der Welt konnten trotz des sorgfältigsten Spürens an dem blauen Sonnenhimmel der Politik kein Wölkchen entdecken, aus welchem sich irgend eine meteorologische Combination hätte machen lassen, – und die Berichte der Zeitungen waren wahr. Denn an einem schönen, glänzenden Sommermorgen hätten diejenigen, welche in das abgeschlossene Innere der Sommerresidenz von St. Cloud zu blicken im Stande gewesen wären, den Kaiser Napoleon in der That sehen können, wie er, einen breiten Strohhut auf dem Kopf, von seinem Gärtner begleitet, zwischen den Rosenbeeten umherging, und mit liebevoller Sorgfalt alle diese Sträucher und Stämme musterte, auf denen so viel gestaltig und verschieden farbig die Königin der Blumen ihre Blüthen entfaltete. Er prüfte genau jeden Stock und jeden Zweig, er schnitt jede welkende Blüthe und jedes trocknende Blatt ab, Alles in ein Körbchen werfend, das der Gärtner trug und sorgfältig darüber wachend, daß kein gelbes Blatt auf den reinen Kies der Gänge fiel. Er forschte sorgfältig nach dem Mehlthau, diesem bösen Feinde der Rosen und blies, wenn er etwas davon entdeckte, den Dampf seiner großen braunen Havannacigarre auf die kleinen Milben, vergnügt zusehend, wie dieselben betäubt zu Boden fielen.

Bei allen diesen Operationen mußte er sich oft zu den kleinen Sträuchern herunterbücken, oft sich neben den hohen und schlanken Stämmen auf die Spitzen der Zehen erheben, wodurch zuweilen sehr complicirte und schwierige Stellungen hervorgerufen wurden, in denen die kleine, von dem großen Panamastrohhut überdachte Gestalt des Kaisers für alle Diejenigen einen sehr befremdenden und erstaunlichen Eindruck gemacht haben würde, welche gewohnt waren, ihn von den Hundertgarden umgeben bei den großen Truppenrevuen oder bei den großen Empfängen in den Tuilerien inmitten der Großwürdenträger unter dem kaiserlichen Thronhimmel stehen zu sehen. Aber das Gesicht des Kaisers war hier, wenn er klein zusammengebückt vor einer Zwergrose saß, oder wenn er sich mit Mühe zu einer hochstämmigen Centifolie emporhob, unendlich heiterer und glücklicher, als in jenen Augenblicken der glänzenden, kaiserlichen Repräsentation, sein sonst so undurchdringlich verschleierter Blick ruhte hier frei und klar auf den Pflanzen und Blüthen, diesen ewig jungen Kindern der stets sich erneuenden Natur, seine Lippen lächelten und auf seinem welken, von den Linien des Alters bereits tief durchfurchten Gesicht lag der Schimmer einer natürlichen, fast kindlichen Heiterkeit. Er war hier der Mensch, der seine Freude hatte an dem, was alle Menschenherzen erfreut hat, seit das Schöpfungswort Gottes allerlei Kräuter und Blumen auf der zwischen Licht und Finsterniß gestellten Erde erwachsen ließ, und alle Diejenigen, welche den Kaiser haßten und bekämpften im großen Ringen des politischen Lebens, sie wären hier vor dem Menschen entwaffnet gewesen, – denn nur ein guter Mensch kann sich in seinem Herzen die kindlich reine Freude an der einfachen Natur bewahren.

Der Kaiser blieb vor einem mittelgroßen Stamm stehen, aus dessen dunkelgrünen Blättern Knospen mit tief dunklen Spitzen hervorragten. Der Kaiser betrachtete sorgfältig prüfend diese Knospen, die alle noch geschlossen waren, vorsichtig die Zweige auseinander biegend, suchte er nach, ob nicht irgend eine sich bereits geöffnet habe.

Plötzlich stieß er einen leichten Schrei aus. An der anderen Seite des kleinen Baumes, welche dem Morgensonnenlicht zugewendet war, entdeckte er eine halb erschlossene Blüthe, deren tief dunkle Blätter so eben die Umhüllung gesprengt hatten.

»Ah,« sagte er, indem er mit der Hand dem Gärtner winkte, welcher rasch herzutrat, »da ist die Lösung meines Problems, die Blüthe ist erschlossen und« – er blickte ganz enttäuscht und niedergeschlagen auf die Blume.

Die dunklen Blätter derselben, welche beim ersten Anblick schwarz erschienen waren, schimmerten im Strahl des darüber hin streifenden Sonnenlichts in einem sehr deutlichen Purpurblau.

»Die Rose ist blau,« sagte der Kaiser, indem er vorsichtig die Blüthe erfaßte und sie hin und her wendete.

Aber von welcher Seite auch der Strahl der Sonne darauf fallen mochte, immer zeigte sich der blaue Glanz.

Der Gärtner lächelte mit einer gewissen Miene der Überlegenheit.

»Ich habe es Eurer Majestät immer gesagt,« sprach er, »daß es Ihnen niemals gelingen wird eine schwarze Rose zu ziehen. Die Natur hat die schwarze Farbe nicht, und so sehr sich auch die verschiedenen Farben immer mehr und mehr verdunkeln mögen, es wird Ihnen doch niemals gelingen, sie bis zum wirklichen Schwarz zu bringen.«

»Aber man hat doch die schwarze Farbe in der Thierwelt,« sagte der Kaiser. »Das Haar des Menschen ist schwarz, das Gefieder so manchen Vogels« –

»Ich glaube, daß Eure Majestät sich täuschen,« sagte der Gärtner kopfschüttelnd, »Alles das ist nicht schwarz, – es sind nur tiefe Schattirungen irgend einer anderen Farbe, deren Grundton Sie im Sonnenlicht leicht erkennen können. Die wirklich schwarze Farbe kommt in der Natur nicht vor, sie kann nur von Menschen künstlich geschaffen werden.«

Der Kaiser ließ die Blüthe los. Sein bisher so heiteres Gesicht wurde ernst, seine Augen verschleierten sich, trübe blickte er vor sich nieder.

»Die Natur schafft die schwarze Farbe nicht,« sagte er – »das menschliche Herz ist auch eine Schöpfung dieser Natur, und doch ist die Sorge so schwarz, welche dieses Menschenherz erfüllt, – die Menschen müssen künstlich die schwarze Farbe schaffen, – – sind alle die Sorgen, die uns quälen, nicht auch künstliche Schöpfungen einer der reinen und heiteren Natur entfremdeten Welt, – aus den wir uns dennoch nicht losmachen können,« fügte er seufzend hinzu, »um wieder zur Reinheit und Freiheit der Natur zurückzukehren, – einer Welt, aus der uns nur der Tod hinausführt, der uns mit dem letzten und tiefsten Schwarz bedeckt – – werden wir dahinter,« sprach er tief sinnend weiter, »eine neue Welt voll Licht und Farbenglanz finden, oder wird dieser letzte schwarze Grund für immer alles Licht und alle Farben aufsaugen?«

Er stand noch einige Augenblicke in schweigendem Nachdenken, dann nahm er seine blaue Schürze ab, reichte dieselbe mit der Scheere, deren er sich zum Schneiden der Zweige bedient hatte, dem Gärtner, – grüßte denselben freundlich mit der Hand und warf noch einen langen wehmüthigen Blick über seinen blühenden Rosengarten, – dann wandte er sich schnell um und stieg die Stufen hinauf, welche ihn in sein Zimmer führten.

All das helle Licht, welches ihn im Garten umgeben hatte, all die freundliche Heiterkeit, welche ihn dort erfüllt hatte, schien wie verschwunden zu sein. Ernst und sorgenvoll trat er zu seinem Schreibtisch, auf welchem Pietri am Morgen die zu des Kaisers eigener Durchsicht bestimmten Correspondenzen gelegt hatte und ließ sich in dem davor stehenden tiefen Lehnstuhl von Rohrgeflecht mit einem länglich runden Sitzkissen nieder.

»Die glücklichen Augenblicke des Tages sind vorüber,« sagte er, »die Sorge tritt wieder in ihr Recht und trotz des Anscheins von Ruhe und Sicherheit, welche Frankreich und die Welt heute darbietet, stehe ich heute mehr als je vor ungelösten Fragen der Zukunft. Dieses Deutschland consolidirt sich,« sagte er, »Österreich schwankt und trotz aller guten Dispositionen des Königs Victor Emanuel wendet sich die öffentliche Stimmung in Italien mehr und mehr von mir ab, so daß es schwer sein wird, eine Allianz mit dieser Macht, welche ich geschaffen habe, zu schließen. Und selbst wenn es gelänge,« fuhr er fort, »würde eine solche Allianz im Augenblick einer entscheidenden Action – im Augenblick der Gefahr vielleicht – gehalten werden? Die meisten Sorgen aber,« sagte er nach einigen Augenblicken, »machen mir diese spanischen Angelegenheiten, die Candidatur des Herzogs von Montpensier wird eifrig betrieben und trotz der geringen persönlichen Popularität des Herzogs kann sie urplötzlich mir entgegentreten, denn schließlich wird man dort nach jedem Auskunftsmittel greifen, um nur wieder zu geordneten Zuständen zu gelangen, und die Orleans verstehen sich auf die Agitationen und die Intriguen. Aber ich muß Alles aufbieten, um ein orleanistisches Königthum in Spanien zu verhindern. Ich habe soeben den Einfluß gebrochen, welchen diese erbittertsten und gefährlichsten Feinde meiner Regierung und meiner Dynastie hier in Frankreich wieder zu erringen begannen, und würden sie jemals in Spanien festen Fuß fassen, so würde ihre Agitation trotz der Pyrenäen mit erneuter Kraft Frankreich durchziehen. Der Erbprinz von Hohenzollern wäre vielleicht eine Lösung gewesen, – und ich will diesen Faden nicht ganz aus der Hand lassen, aber das Erste und Nächstliegende ist doch die Wiederherstellung der Dynastie der Königin Isabella unter dem Prinzen von Asturien. Meine Einleitungen sind getroffen: Olozaga ist der Combination günstig, und dieser eitle Serrano wird lieber der Majordomus des unmündigen Don Alphonso sein, als einfacher General unter dem Herzog von Montpensier, der sich seiner wahrscheinlich bald entledigen würde – was vielleicht Prim auch thun wird,« fügte er mit einem leichten Lächeln hinzu – »den ich vorläufig ganz aus dem Spiel lassen muß, um ihn mir für jene hohenzollersche Eventualität im äußersten Falle zu reserviren.«

Er beugte sich über seinen Schreibtisch und ergriff die auf demselben zurecht gelegten Briefe. Nach flüchtigem Überblick warf er mehrere derselben bei Seite, dann ergriff er lebhaft einen andern und lehnte sich, denselben in der Hand haltend, in seinen Stuhl zurück.

»Von meinem Agenten in Spanien,« rief er, – »vielleicht nähert sich diese Sache ihrem Ende.«

Er durchflog rasch die ersten Zeilen des Briefes.

»Alles ist vorbereitet,« las er dann, den Zeilen folgend, »die maßgebenden Personen sind der Proclamation des Prinzen von Asturien günstig. Das Volk im Ganzen mit Ausnahme einiger unterwühlten großen Städte würde jede feste Regierung, welche Ruhe und Stabilität verbürgt, mit Freuden begrüßen. Die Armee ist zum großen Theil ganz alphonsistisch gesinnt und die Proklamation des Prinzen, namentlich wenn derselbe die unmittelbare und bestimmte Anerkennung Frankreichs fände, würde nirgends ernsten Schwierigkeiten begegnen. Vor allen Dingen aber ist es nöthig, daß die Königin Isabella so schnell als möglich feierlich abdicirt und alle ihre Rechte auf ihren Sohn überträgt, zugleich auch jeden Anspruch auf die Regentschaft ausdrücklich aufgiebt und sich verpflichtet, auch nach der etwaigen Thronbesteigung ihres Sohnes im Auslande zu leben und nicht nach Spanien zurückzukehren. Dies Document ist unerläßlich für jede weitere Thätigkeit, denn Niemand, die Alphonsisten ebenso wenig, wie alle Andern, will die Rückkehr der Königin, und man fürchtet, daß selbst bei ihrer persönlichen Anwesenheit in Spanien sie und ihre Umgebung auf die Regierung von Neuem einen Einfluß ausüben würden, den man mit Recht oder Unrecht für verderblich hält. Wenn Eure Majestät die Abdication der Königin in der oben angedeuteten Weise erreichen können, so scheint die Thronbesteigung des Prinzen von Asturien sicher zu sein.«

Der Kaiser warf den Brief zurück.

»Ich kann mich auf diese Mittheilung verlassen,« sagte er, – »das Glück scheint mir zu lächeln. Die Regierung des Prinzen von Asturien, mag sie in seinem Namen geführt werden, durch wen sie wolle, wird Frankreich günstig sein und in der auswärtigen Politik im Großen und Ganzen derjenigen der Königin Isabella sich anschließen. Vor allen Dingen aber wird sie dem Herzog von Montpensier und den Orleans unversöhnlich feindlich sein – vielleicht ließe sich dann doch noch auf jene Combination zurückkommen, welche durch diese unglückliche Revolution in Spanien vereitelt wurde. –

Die Königin wird sich freilich schwer zur Abdankung entschließen. Das Document darüber ist schon aufgesetzt und befindet sich in ihren Händen. Sie hat bis jetzt die Unterzeichnung verweigert, weil sie Bürgschaft verlangte, daß nach ihrer Abdication die Thronbesteigung ihres Sohnes wirklich gesichert sei. Ich glaube ihr nach dieser Nachricht, welche durch die Mittheilungen Olozaga's vollständig bestätigt wird, jede Garantie geben zu können.«

Er sann einige Minuten nach.

»In Augenblicken wie dieser,« sagte er dann, »kommt es auf schnelles und entschiedenes Handeln an. Günstige Situationen muß man benutzen und zu rascher Entscheidung führen, – man weiß niemals, wie lange sie dauern können. Ich will sogleich zur Königin, um womöglich gleich die Sache mit einem Schlage zu erledigen.« Er klingelte.

»Meinen Wagen,« befahl er dem eintretenden Kammerdiener, »große Attelage, ich will nach Paris fahren. General Favé soll mich begleiten.«

Er stand auf und ging in sein Toilettenzimmer.

An der Avenue du Roi de Rome liegt das prachtvolle Hotel Basilensky, welches die Königin Isabella gekauft und eingerichtet hatte und über dessen vergoldeten Gitterthoren der Lilienschild des königlichen Wappens von Spanien glänzte.

Die innere Eingangsthür dieses Hotels stand weit offen und ließ durch die Gitter des äußeren Hofes den Blick in die prachtvolle weite Halle dringen, in deren Hintergrund die breite Marmortreppe nach den obern Gemächern emporführt.

In dieser Halle war die Dienerschaft der Königin in ihrer dunkelblauen goldgestickten Livrée mit den rothen Strümpfen aufgestellt, und am Fuß der Treppe stand der Graf von Ezpeleta, der Oberhofmeister der Königin, ein alter Mann mit grauem Haar, mit dem großen blauen Bande des Ordens Karls III. geschmückt; neben ihm der Kammerherr Albacete, ein noch junger, schöner Mann mit schwarzem gelocktem Haar, kleinem schwarzem Schnurrbart und dunklen Augen, mit dem Cordon des Ordens Isabella der Katholischen.

Bereits eine Viertelstunde standen die beiden Herren hier, von Zeit zu Zeit einige Worte mit einander wechselnd und oft ungeduldig durch die Thür nach dem Vorhof hinaus blickend, zu welchem wenige Stufen hinabführten.

Endlich fuhr ein einfaches Coupé mit dunkler Livrée durch das Gitterthor in den Hof und hielt vor dem Haupteingang des Hotels.

Graf Ezpeleta eilte schnell an den Schlag des Wagens, den der vom Bock herabspringende Diener bereits geöffnet hatte. Herr von Albacete folgte ihm, den Hut in der Hand; beide Herren verbeugten sich tief vor einem jungen Manne von etwa zwei und zwanzig Jahren, der hoch und schlank gewachsen war und leicht und gewandt aus seinem Wagen auf den Boden sprang.

Dieser junge Mann hatte ein blasses längliches Gesicht von vornehm strengem, aber ein wenig apathischem Ausdruck. Seine Nase war lang und etwas stark, die von Natur weichen Linien seines Mundes waren durch feste und energische Willenskraft zusammengezogen, – aus seinen kleinen Augen leuchtete ein hoher unbeugsamer Stolz. Er trug einen schwarzen Salonanzug, einen Cylinderhut auf dem Kopf, das goldene Vließ am rothen Bande um den Hals.

Mit einer leichten Neigung des Kopfes, ohne den Hut zu berühren, erwiderte er die ehrfurchtsvollen Begrüßungen des Grafen Ezpeleta und des Herrn von Albacete. Dann stieg er, ohne ein Wort an die Herren zu richten, die Stufen des Eingangs hinauf und schritt durch die Reihen der sich tief verneigenden Lakaien zu der großen Treppe hin, während Herr von Albacete halb rückwärts gewendet, einige Schritte vor ihm herging, und der Graf Ezpeleta ehrerbietig ihm folgte. Der junge Mann stieg mit leichtem elastischem Schritt die Stufen der Treppe hinauf.

Am obern Ende derselben vor dem Eingang in ihre Gemächer stand die Königin Isabella. Sie trug eine weite Robe von dunkelblauer Seide, das rothe Band des goldenen Vließes um den Hals.

Ihr zur Seite befand sich die Gräfin Ezpeleta und einige Hofdamen.

Der junge Mann, welchen die Cavaliere der Königin mit so viel Ehrfurcht begrüßt hatten, stieg ruhig die letzte Stufe der Treppe hinauf, und erst als er unmittelbar vor der Königin stand, nahm er mit einer Bewegung voll ritterlicher Höflichkeit, aber ohne jeden Ausdruck von Ehrerbietung oder Unterwürfigkeit den Hut ab, ergriff die Hand, welche die Königin ihm entgegenstreckte und führte sie leicht an die Lippen.

»Ich danke Ihnen, mein Vetter,« sagte die Königin, »daß sie gekommen sind, und ich bitte Gott, daß er unsere Begegnung und unsere Unterredung segnen möge zum Wohle Spaniens und zum Wohl unseres Hauses.«

Der Infant Don Carlos, welchem man bei seiner Geburt den Namen des Herzogs von Madrid gegeben, welcher in der Verbannung den Titel eines Grafen von Monte Molin führte, und welchen die spanischen Legitimisten den König Carlos VII nannten, erwiderte nichts auf diese Worte. Schweigend reichte er der Königin den Arm und führte sie durch einen großen, mit reich vergoldeten Meubeln ausstatteten Salon, in welchem über den Fenstern und Thüren, so wie über dem großen prachtvollen Kamin die Lilien des königlichen Hauses von Bourbon auf blauem Grunde glänzten, nach dem Cabinet der Königin, welches von dem vordern Salon durch eine einzige große Glaswand aus mächtigen Spiegelscheiben getrennt war, so daß man aus dem einen Raum vollständig den andern übersehen konnte.

Dies Cabinet, in welchem die Königin ihre Audienzen zu ertheilen pflegte, war mit weißem Marmor ausgelegt, neben dem Kamin, welcher der Glaswand sich gegenüber befand, standen einander gegenüber einige große Fauteuils mit vergoldeter Lehne und mit purpurrothem Seidendamast überzogen.

Die Königin nahm auf einem dieser Lehnstühle Platz. Don Carlos setzte sich, immer schweigend und kalt, ihr gegenüber.

»Erlauben Sie, mein Vetter,« sagte Isabella, absichtlich jede Titulatur in ihrer Anrede vermeidend, »daß ich Ihnen die Infanten, meine Kinder, vorstelle?«

Der Graf von Monte Molin neigte artig das Haupt.

Die Königin winkte durch die Glaswand nach dem andern Zimmer hin, in welchem ihr Gefolge zurückgeblieben war, und kurze Zeit darauf führte die Gräfin Ezpeleta den dreizehnjährigen Prinzen Alphons von Asturien und seine drei jüngeren Schwestern in das Cabinet, worauf sie sich wieder in das Vorzimmer zurückzog.

Der Prinz von Asturien, ein bleicher, zarter Knabe mit sanftem und kränklichem, aber intelligentem Gesicht, in einen Anzug von schwarzem Sammet gekleidet, welcher die zarte Farbe seines Gesichts noch mehr hervorhob, näherte sich mit offenem und unbefangenem Anstand dem Grafen von Monte Molin. Er küßte seinem Oheim die Hand, während die drei Infantinnen sich in einer gewissen kindlichen Befangenheit neben den Stuhl ihrer Mutter stellten.

»Don Alphonso,« sagte die Königin, ihren Sohn vorfallend, »Donna Maria del Pilar – Donna Maria della Pay, – Donna Eulalia,« – fuhr sie fort, die kleinen Prinzessinnen bezeichnend, welche sich nach der Reihe ihrem Oheim näherten und ihre Lippen auf seine Hand drückten.

Das bisher so ernste, strenge und unbewegliche Gesicht des Grafen von Monte Molin wurde einen Augenblick von einem feuchten Schimmer überstrahlt. Ein weiches und inniges Gefühl leuchtete aus seinen Augen, wie in unwillkürlicher Bewegung umarmte er den Prinzen von Asturien, zog dann die kleinen Infantinnen an sich heran und küßte sie eine nach der andern auf die Stirn.

»Die lieben Kinder,« sagte er, – »die Glücklichen, die noch allen Sorgen des Lebens – und der Politik fern stehen, – Gott segne sie.«

Die Königin hatte mit bewegtem Ausdruck diese Scene mit angesehen, eine tiefe, mächtige Rührung zuckte über ihr Gesicht, ein feuchter Schimmer verhüllte ihren Blick. Dann winkte sie mit der Hand, die Gräfin Ezpeleta erschien wieder und führte, sich tief und ceremoniell verneigend, die Kinder hinaus.

»Ich habe Sie gebeten, zu nur zu kommen, mein Vetter,« sagte die Königin, »um mit Ihnen über die Lage Spaniens zu sprechen und mit Ihnen zu berathen, was wir, die wir durch unser Blut mit dem Geschick der spanischen Nation verknüpft sind, thun können, um das edle Volk aus seiner traurigen Lage zu befreien und um auch in unserm Hause den Frieden wieder herzustellen.«

Das Gesicht des Grafen von Monte Molin nahm wieder seinen früheren, kalten und strengen Ausdruck an.

»Über die spanische Nation,« sagte er, »ist das Strafgericht hereingebrochen, dem kein Volk entgehen kann, das sich von Gott abwendet und das heilige Recht seiner Könige verleugnet. Spanien wird durch dieses Strafgericht geläutert und so Gott will, einer glücklichen Zukunft zugeführt werden.«

»Sie haben Recht, mein Vetter,« sagte die Königin mit sanfter Stimme. »Indeß,« fuhr sie fort, »ist das spanische Volk vielleicht entschuldbar, wenn es sich über das Recht seiner Fürsten täuscht, da ja bei den Trägern dieses Rechts selbst zwei verschiedene Anschauungen über dasselbe bestehen.«

»Es giebt nur ein Recht,« erwiderte Don Carlos, »und wenn zwei verschiedene Anschauungen darüber bestehen, so trifft die Schuld denjenigen Fürsten unseres Hauses, welcher in unverzeihlicher Weise die alten, die heiligsten Satzungen nach seiner persönlichen Willkür zu ändern unternommen hat. Und Ruhe und Frieden,« fuhr er in klangvoller Stimme fort, »wird in Spanien nicht eher wieder herrschen, als bis das alte, gottgeheiligte Recht wieder zur vollen Geltung gekommen ist.«

»Ich will darüber nicht mit Ihnen streiten, mein Vetter,« sagte die Königin, »wo das wahre Recht liegt. Sie müssen mir aber zugeben,« fuhr sie fort, indem sie ihn mit weichem Blick ansah und die Hand wie bittend gegen ihn erhob, »daß ich unschuldig bin an dem, was vor mir – was zu meinen Gunsten geschah. Ich habe im guten Glauben meinen Thron bestiegen, überzeugt, daß das Gesetz, welches mich auf denselben berief, ein im Rechte begründetes gewesen sei.«

»Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, meine Cousine,« sagte Don Carlos, in sanftem Tone, »es ist Ihre Schuld nicht, daß Sie die Vertreterin eines Prinzips geworden sind, welchem dem wahren Königthum und der von Gott eingesetzten Monarchie ebenso feindlich gegenüber steht, als es diese Revolution thut, welche heute unser armes Spanien zerrüttet.«

»Wenn Sie das anerkennen, mein Vetter,« sagte die Königin, »so werden Sie mit mir auch den Wunsch theilen, daß das traurige Zerwürfniß, welches die Linien unseres königlichen Hauses von einander trennt, und welches uns unsern Gegnern gegenüber schwächt und lähmt, beendet werde. Sie werden gewiß die Hand dazu bieten, daß wieder das Königthum in Spanien einig und in geschlossener Macht den Elementen des Unglaubens und Aufruhrs gegenüber gestellt werde.«

Und in lebhafter, offener Bewegung reichte sie dem Infanten ihre Hand, dieser berührte dieselbe sich artig verbeugend, einen Augenblick und sprach dann, indem er die Königin gerade und fest ansah:

»Sobald sich das ganze königliche Haus von Spanien unter meiner Fahne vereinigt, wird jene traurige Spaltung verschwunden sein, und wir werden kräftiger und erfolgreicher als bisher der Revolution gegenüber treten können.«

Die Königin schwieg einen Augenblick.

»Ich schwöre es Ihnen bei Gott, mein Vetter,« sagte sie dann, »daß ich mich wahrlich nicht nach der Herrschaft und nach dem Throne sehne, – sie haben mir kein Glück in meinem Leben gebracht. Unruhe, Sorge und Kummer ist mein Loos gewesen, und auch das Glück meines Herzens ist diesem traurigen Glanz der Krone zum Opfer gefallen. Aber,« fuhr sie fort, »ich habe die Rechte meines Sohnes zu vertreten, und man sagt mir, daß die monarchische Partei in Spanien zu einem großen Theil auf ihn seine Hoffnungen setzt und durch seinen Namen zusammengehalten werde.«

Don Carlos hörte ruhig und unbeweglich zu.

»Ich setze voraus,« fuhr die Königin fort, »daß in Ihrem Herzen, wie in dem meinen das Wohl Spaniens, die Größe und der Glanz unseres Hauses weit über allen persönlichen Rücksichten und Wünschen stehen – wenn dies der Fall ist, wenn wir uns darüber verständigen könnten, die Vergangenheit und die Gegenwart einer besseren und glücklicheren Zukunft zu opfern, so würde es vielleicht in unsere Hände gegeben sein, das Schicksal Spaniens und unseres Hauses neuem Glück und neuem Glanz entgegen zu führen.«

»Mein Volk und mein Haus stehen mir wahrlich höher, als meine Person,« erwiderte Don Carlos, »und für das Wohl Beider bin ich jeden Augenblick bereit, mich zum Opfer zu bringen.«

»Oh,« rief die Königin lebhaft, »dann werden Sie gewiß auf die Idee eingehen, die ich Ihnen aussprechen möchte, – eine Idee, von der mir so viele einsichtsvolle Personen sagen, daß durch sie Spanien aus seinem jetzigen, traurigen Zustand gerettet werden könne.«

Don Carlos sah die Königin fragend an.

»Mein Vetter,« fuhr Isabella fort, »Sie sind der Vertreter des Rechts der einen Linie unseres Hauses; ich stehe an der Spitze der andern. Sie haben zahlreiche opferbereite Anhänger in Spanien, und auch an mir hängt noch ein großer Theil des Volkes und der Armee. Könnten wir diese Alle vereinigen zu gemeinsamem Kampf, der Sieg müßte unser sein. Und dazu gehört,« fuhr sie fort, »nichts weiter, als daß wir, Sie und ich auf den Thron verzichten, daß wir die Selbstverleugnung haben, unsere eigenen persönlichen Rechte aufzugeben, um diejenigen unserer Kinder sicher zu stellen. Mein Vetter, vereinigen wir unsere beiden Linien und deren Rechte, beschließen wir die Verbindung meines Sohnes, den Sie so eben gesehen, mit der Infantin, Ihrer Tochter. Wenn ich dann auf die Krone verzichte, die ich getragen und welche die Revolution mir vom Haupte gerissen hat, wenn Sie Ihre persönlichen Ansprüche auf die älteren Rechte Ihrer Linie aufgeben, so wird Don Alphonso der allein berechtigte und allseitig anerkannte König von Spanien werden, Ihre Tochter wird dereinst seinen Thron mit ihm theilen, und in Zukunft wird das vereinigte Blut beider Linien unseres Hauses das ungetheilte monarchische Prinzip aufrecht erhalten.«

Don Carlos sah die Königin, welche immer bewegter gesprochen hatte, mit einem gewissen Erstaunen an.

»Eine Verbindung des Infanten Don Alphonso,« sagte er, »mit meiner Tochter ist ein Gegenstand, der wohl ernste Erwägung verdient und der allerdings dazu beitragen möchte, die so beklagenswerte Spaltung des königlichen Hauses von Spanien auszugleichen. Doch begreife ich nicht, Madame,« fuhr er fort, »wie durch eine solche Verbindung Don Alphonso unmittelbare Rechte auf den spanischen Thron erwerben sollte, selbst wenn ich auf die meinigen verzichten würde, was nach meiner Überzeugung kein Fürst, den Gott zum Throne hat geboren werden lassen, thun darf.«

»Wenn Sie, mein Vetter,« erwiderte die Königin »zugleich mit der besprochenen Verbindung Don Alphonso adoptiren würden, so wären, wie mir scheint, alle Schwierigkeiten gelöst, der Infant würde in seiner Person die Rechte Ihrer und meiner Linie vereinigen und der einzige Mittelpunkt für alle Anhänger und Vertheidiger der Monarchie in Spanien sein.«

Don Carlos richtete sich hoch empor.

»Ich bewundere, Madame,« sagte er mit schneidendem Hohn, »die Klugheit Ihrer Rathgeber, welche die Schwierigkeiten auf so einfache Weise lösen wollen, auf die so unendlich einfache Weise, daß sie das hohe und unveräußerliche Recht, welches Gott mir und meinen Nachkommen gegeben, einfach wegwerfen und alle die Rechtswidrigkeiten anerkennen, durch welche Spanien in sein gegenwärtiges Unglück gestürzt ist.«

»Aber, mein Gott,« sagte die Königin erstaunt über die plötzliche Veränderung in dem Gesichtsausdruck und Ton des Grafen von Monte Molin, »der Vorschlag, den ich so eben gemacht, beruht ja auf der Anerkennung Ihres Rechtes, denn mein Sohn soll ja den spanischen Thron gerade gestützt auf unsere beiden bisher sich entgegen stehenden Rechte in Anspruch nehmen.«

»Das heißt mit andern Worten,« fiel Don Carlos ein, »ich soll mit meinem königlichen Siegel legalisiren, was zur Verletzung des legitimen Rechts geschehen ist. Ich soll aufgeben alle Ansprüche, welche Gottes Willen mir gegeben und soll das alte heilige Recht in den Dienst treten lassen der willkürlichen Verfügungen, welche die unumstößlichen Satzungen des spanischen Königshauses verändert haben. Und wenn ich für meine Person dies Opfer bringen wollte, wenn ich auf mein Recht verzichten wollte, um das Unrecht zu sanctioniren, wie könnte ich eine solche That vertreten meinen Nachkommen gegenüber, das darf ich Sie wohl fragen, – Sie, Madame, die Sie von mir verlangen, daß ich Ihrem Sohn den Anspruch opfern soll auf die Krone der edelsten und vornehmsten Nation der Welt.«

»Aber, mein Vetter,« sagte die Königin, »Sie haben nur eine Tochter und wenn Sie heute König von Spanien werden, so wäre ja Don Alphonso Ihr legitimer Erbe.«

»Sie vergessen, Madame,« rief Don Carlos, »daß in den nächsten Tagen vielleicht die Gnade der Vorsehung mir einen neuen Nachkommen schenken wird. Wenn ich heute mit Ihnen diesen Kauf abschlösse,« rief er lebhaft, »über die Rechte und die Zukunft meines Hauses, und wenn dann dieses Kind, das ich erwarte, ein Sohn wäre, müßte ich nicht erröthend die Augen niederschlagen vor der Wiege des Säuglings, den ich um sein königliches Recht vor seiner Geburt betrogen hätte. Nein, Madame,« sagte er kalt und ruhig, jedes Wort scharf und nachdrücklich betonend, »seien Sie überzeugt, daß niemals, niemals von mir ein solcher Pact geschlossen werden wird, und selbst wenn ich heute ein Greis wäre, der keine Nachkommenschaft mehr zu erwarten hat – selbst dann würde ich meine persönlichen Rechte nicht veräußern, – versagt mir Gott einen Sohn, so ist der Infant Don Alphonso mein natürlicher und berechtigter Nachfolger, ich werde ihn als solchen lieben und dahin arbeiten, ihm ein großes und ruhmreiches Erbe zu hinterlassen, – aber so lange ich lebe,« fuhr er fort, indem er aufstand, und die Hand wie zur feierlichen Bekräftigung seiner Worte emporhob, »so lange ich lebe, giebt es in meinen Augen auf Erden keinen anderen König von Spanien als mich – in Gottes Hand steht es, ob ich mein Recht erringen werde, oder ob mir das hohe Ziel um der Sünden meiner Väter und um der meinigen willen versagt bleiben soll – ich aber werde nichts unterlassen, um den Thron, zu dem mich Gott hat geboren werden lassen, mir und meinem Hause wieder zu erobern, mit Niemandem in der Welt werde ich über dieses mein höchstes Recht, das zugleich meine heiligste Pflicht ist, handeln oder Verträge schließen, – und eine innere Stimme sagt mir, daß dereinst noch die alte Fahne des reinen legitimen Rechts siegreich in Spanien wehen wird. Dann, Madame,« fuhr er mit mildem Tone sich zur Königin wendend fort, »werde ich Sie willkommen heißen im Escurial, Ihr Sohn wird der erste Prinz meines Hauses – und vielleicht mein Nachfolger und Erbe sein. Ich werde Gott bitten, daß er Sie und die Ihrigen erleuchten möge, Sich seinen ewigen Ordnungen zu fügen, ich kann meinerseits von denselben nicht abgehen.«

Die Königin erhob sich ebenfalls.

»Ich bitte Sie, mein Vetter,« sagte sie, »lassen Sie unsere Unterredung nicht so enden, ich habe so große Hoffnungen auf unsere persönliche Begegnung gebaut, bedenken Sie, daß die Spaltungen zwischen den beiden Linien unseres Hauses ja nur unseren gemeinschaftlichen Feinden nützt.« –

»Ich darf nichts bedenken,« erwiderte Don Carlos, »als daß Gott mir das Recht zu bewahren gegeben, das ich aufrecht halten und vertheidigen werde bis zu meinem letzten Athemzuge.«

Er näherte sich der Königin, welche unschlüssig und verwirrt da stand, küßte ihr die Hand und sprach:

»Gott segne Sie, Madame, und die Ihrigen; – wie auch das Schicksal der Zukunft sich wende, ich werde niemals vergessen, daß das gleiche Blut in unsern Adern rollt.«

Die Königin schien sprechen zu wollen. Don Carlos bot ihr mit einer entschiedenen Bewegung seinen Arm, sie legte schweigend mit einem tiefen Seufzer ihre Hand in denselben und geleitete den Infanten durch das Vorzimmer nach der Treppe, wo er mit einer artigen Verbeugung seinen Hut aufsetzte und, von dem Grafen Ezpeleta und dem Herrn von Albacete begleitet, langsam und ruhig die Stufen hinabstieg. Sein Coupé fuhr vor, er winkte leicht grüßend mit der Hand und fuhr durch das Gitterthor des Hofes hinaus.

»Alles vergebens,« rief die Königin, als der Graf von Ezpeleta zu ihr zurückgekehrt war und fragenden Blickes in ihr Cabinet eintrat, – »Alles vergebens! Er ist unbeugsam! Er steht unerschütterlich fest auf dem Boden seines Rechts. Und es wäre doch so schön gewesen,« rief sie, »wenn diese Verständigung gelungen wäre. Er hat mächtige Anhänger, wenn sie sich mit den meinigen vereinigten, sie hätten die größten Aussichten auf Erfolg gehabt. Aber so,« fuhr sie fort, indem sie ihr Taschentuch heftig zusammendrückte, »ist Alles in Frage gestellt. Man verlangt von mir die Abdankung. Aber was wird dadurch gewonnen, wenn nicht zu Gunsten meines Sohnes eine große, monarchische Partei gebildet werden kann? – ich würde mein Recht aufgeben, ohne ihm dadurch die Nachfolge sichern zu können –«

Eine Bewegung machte sich im Vorzimmer bemerkbar.

Eiligst trat Herr von Albacete durch die Thür der großen Glaswand in das Cabinet der Königin.

»Seine Majestät der Kaiser ist so eben in den Hof gefahren!« rief er und eilte schnell wieder hinweg, um den Kaiser zu begrüßen.

Der Graf Ezpeleta folgte ihm, und die Königin ging mit ihren Damen abermals nach dem Ausgang der großen Treppe, an welcher sie sich kurz vorher von dem Grafen von Monte Molin verabschiedet hatte.

Langsam und etwas schwerfälligen Schrittes stieg Napoleon die Stufen hinauf.

Er trug einen schwarzen Überrock und hielt seinen Hut und ein spanisches Rohr mit goldenem Knopf in der Hand. Mit tiefer Verbeugung küßte er der Königin die Hand und führte sie in das Cabinet zurück.

»Ich habe Ihnen gute Nachrichten zu bringen, Madame,« sagte er, nachdem er ihr gegenüber vor dem Kamin Platz genommen. »Wie befinden sich die Infanten?«

»Ich danke, Eure Majestät,« erwiderte die Königin, auf deren Gesicht bei den ersten Worten des Kaisers der Ausdruck gespannter Erwartung erschienen war, »sie befinden sich vortrefflich in dieser schönen Luft des gastfreien Frankreichs, welche für sie nur den einzigen Fehler hat, daß sie die Luft des Exils ist.«

»Und der König Don Franzesco,« fragte der Kaiser, indem er leicht mit der Hand über seinen Schnurrbart fuhr.

»Er ist in München,« sagte die Königin, »und braucht dort eine Kur,« fügte sie mit einem leichten unwillkürlichen Lächeln hinzu, »welche ihm statt seines feinen Organs eine tiefe Stimme geben soll. Vielleicht wird er nicht wieder zurückkehren,« sagte sie ernst mit blitzenden Augen, »es wäre in der That nicht –«

»Erlauben Eure Majestät,« fiel der Kaiser ein, »daß ich so schnell als möglich auf den ernsten Gegenstand meines Besuches kommen darf. Ich habe so eben,« fuhr er fort, »gute und zuverlässige Nachrichten erhalten, daß in der spanischen Armee und in einem großen Theil der Bevölkerung die monarchische Restauration immer mehr Boden gewinnt, und daß sich diese Restauration an den Namen des Prinzen von Asturien knüpft. Der Proclamirung des Prinzen würde, wie ich Eurer Majestät ebenfalls versichern kann, Olozaga und Serrano günstig sein. Es ist also nunmehr die Bedingung eingetreten, welche Eure Majestät, und wie ich glaube mit Recht, stets als unerläßlich für Ihre Abdication bezeichneten. In diesem Augenblick würden Sie durch die Übertragung Ihrer Rechte auf Ihren Sohn demselben nach aller wahrscheinlichen Berechnung wirklich die Nachfolge auf den Thron zu sichern im Stande sein. Ich werde in der Lage mich befinden, viel dafür zu thun, wenn Eure Majestät schleunigst das Document vollziehen, welches den Prinzen von Asturien zum Vertreter Ihrer Rechte macht. Ich habe mir erlaubt, schon vor einiger Zeit Eurer Majestät den Sinn der Erklärung mittheilen zu lassen, welche eine solche Abdankungsurkunde enthalten müßte.«

»Ich weiß es,« sagte die Königin mit einem bittern Lächeln, »sie soll nicht nur die Übertragung meiner königlichen Rechte, sondern auch die Verpflichtung enthalten, daß ich auch nach der Thronbesteigung meines Sohnes niemals wieder den spanischen Boden betrete.«

»Eure Majestät,« sagte der Kaiser, »werden überzeugt sein, wie tief ich die unglücklichen Ereignisse beklage, welche sich in Spanien zugetragen haben, und wie dringend und lebhaft ich gewünscht hätte, Sie selbst wieder den spanischen Thron besteigen zu sehen. Allein,« fuhr er fort, »Eure Majestät werden auch ebenso wie ich die Zukunft Ihres Hauses höher stellen, als persönliche Wünsche, – man muß im politischen Leben stets mit den gegebenen Verhältnissen rechnen und Schweres thun, um ein großes Ziel zu erreichen, – was heute eine Nothwendigkeit ist, um Ihrem Hause seine Krone wieder zu gewinnen, wird nach einiger Zeit verschwinden. Diejenigen, welche sich in so schmählicher Undankbarkeit gegen Eure Majestät erhoben haben, fürchten heute natürlich den Einfluß, den Sie bei Ihrer Anwesenheit in Spanien auf Ihren Sohn und dessen Regierung gewinnen würden. Lassen Sie einige Zeit vorüber gehen – Jene werden ohnehin ihrem Verhängniß verfallen, – und ich sehe den Tag kommen und sollte er auch bis zur Großjährigkeit Ihres Sohnes hinausgeschoben bleiben, an welchem Sie, Madame, unter dem Jubel des Volkes von Spanien als die Mutter seines Königs wieder in Madrid einziehen werden.«

Die Königin blickte nachdenkend vor sich nieder.

»Bedenken Eure Majestät,« sagte der Kaiser nach einigen Augenblicken, »daß in großen politischen Entscheidungsmomenten jede Zögerung gefährlich werden kann – zögern Sie daher nicht, durch Ihre Abdankung die Action derer zu ermöglichen, welche Ihren Sohn auf den Thron führen wollen. Bedenken Sie, daß gewandte und unermüdliche Gegner ihm gegenüber stehen. Würden Sie Sich je verzeihen können, wenn durch die Verzögerung des Opfers, welches die Verhältnisse von Ihnen verlangen, jener Herzog von Montpensier dennoch endlich an das Ziel seiner Intriguen gelangen sollte.«

»Er,« rief die Königin mit flammenden Blicken, indem sie den Kopf empor warf, »er, der falsche Heuchler, den ich wie die Andern Alle mit Wohlthaten überschüttet habe! Niemals! Niemals! Und dieser stolze, hochmüthige Graf von Monte Molin,« fuhr sie fort, »der jede Verständigung zurückwies, der mich behandelt hat, wie ein König eine Infantin seines Hauses – Keiner von ihnen soll triumphiren – ich will jedes Opfer bringen,« sagte sie mit entschlossenem Ton, »wenn Eure Majestät mir versichern können, daß dadurch wirklich meinem armen Kinde die Krone gesichert wird.«

Sie blickte den Kaiser scharf und forschend an.

»Ich bin weder allwissend, Madame,« sagte Napoleon, »noch allmächtig, – indeß so weit menschliche Berechnung reicht, stehen in diesem Augenblick die Chancen Ihres Sohnes unendlich günstig, sobald Ihre Abdankung seine Freunde in den Stand setzt, offen für ihn aufzutreten und zu handeln, und sobald den gegenwärtigen Machthabern Garantien geboten werden können, daß sie unter der wieder hergestellten Monarchie die gesicherte Stellung finden, welche ihnen selbst bei der Fortdauer der republikanischen Verwirrung immer zweifelhafter zu werden scheint; – aber, ich wiederhole es,« fuhr er fort, »es muß schnell gehandelt werden, damit man allen gegenseitigen Intriguen zuvorkommt.«

»Ich werde die Urkunde vollziehen,« sagte die Königin, indem sie sich mit einem tiefen Athemzug erhob, »man soll von mir nicht sagen können, daß ich es an irgend Etwas habe fehlen lassen, um den Rechten meines Hauses Geltung zu verschaffen.«

»Seien Sie meiner ganzen Unterstützung dafür sicher,« sagte der Kaiser, indem er ebenfalls aufstand, »und genehmigen Sie den Ausdruck meiner aufrichtigen Dankbarkeit, denn Sie haben durch diesen Entschluß nicht nur Ihrem Hause, sondern auch mir und Frankreich einen großen Dienst geleistet, – Sie wissen, wie viel auch mir daran liegen muß, jenseits der Pyrenäen geordnete Zustände und eine befreundete Regierung zu sehen. Ich darf Eure Majestät bitten,« fuhr er fort, »sobald die Urkunde vollzogen ist, mir ein Exemplar derselben zugehen zu lassen, damit ich meinerseits alle die Schritte thue, die die Umstände erheischen.«

Er kehrte der Königin den Arm reichend, in das Vorzimmer zurück, sprach mit jedem der Herren und Damen des Gefolges einige höfliche Worte und verließ von den Cavalieren der Königin bis zum Wagen geleitet, das Hotel.

Die Königin rief den Grafen Ezpeleta in ihr Cabinet.

»Lassen Sie sogleich Ihre Majestät die Königin, meine Mutter, bitten, sich in einer wichtigen Angelegenheit hierher bemühen zu wollen. Lassen Sie auch den Herzog von Sesto und den Marquis von Miraflores rufen. In zwei Stunden soll mein ganzer Hof in Gala sich versammeln. Haben Sie das Document in Bereitschaft, das ich Ihnen übergab?«

»Zu Befehl, Eure Majestät,« erwiderte der Graf von Ezpeleta.

»Ich werde es unterzeichnen,« sagte die Königin seufzend. »Heute Abend wird Ihr König Don Alphonso heißen.«

Am Abend desselben Tages war in dem Empfangssaal des Hotel Basilensky der Hof der Königin Isabella versammelt.

Der Graf von Ezpeleta, der Kammerherr von Albacete und die übrigen Cavaliere der Königin trugen die Uniformen ihrer Grade. Die Gräfin Ezpeleta, welche als Camerera-Major fungirte und die Damen der Königin waren in großer Toilette.

Die Kerzen brannten auf den Lustres, in der Mitte des Saales stand ein großer runder Tisch mit einer purpurnen Sammetdecke behängt, auf welchem in einer großen Mappe mehrere Papiere lagen, dabei ein kostbares Schreibzeug und einige große Schwanenfedern. In einiger Entfernung von diesem Tisch standen drei mit rothem Sammet überzogene Lehnstühle, an deren Rücklehne sich das königliche Wappen von Spanien befand.

In dem Saal hörte man jenes leise Flüstern, welches an den Höfen dem Eintritt der Souveraine vorauszugehen pflegt.

Die Stunde war gekommen, zu welcher Ihre Majestät die verschiedenen Personen befohlen hatte. Die Eingangsthür öffnete sich – aber noch war es nicht die Königin, sondern es erschien ebenfalls in großem Galacostüm der Herzog von Sesto, der Gemahl der Wittwe des Grafen von Morny und der Marquis von Miraflores. Ihnen folgte der Marschall Bazaine in der großen Uniform der Marschälle von Frankreich und der Präsident des Civilgerichts Herr Benoist-Champy in der Hofgalatracht der Justizbeamten.

Abermals verging eine kurze Zeit in schweigender Erwartung. Dann sprangen die Flügelthüren auf. Graf Ezpeleta eilte in die anstoßenden Gemächer Ihrer Majestät und trat bald darauf in den Saal zurück, mit dem Stabe auf das Parquet stoßend und die Königin ankündigend.

Unmittelbar darauf trat die Königin in den Saal, sie trug eine faltige Robe von schwarzem Sammet, ein Diadem von Brillanten auf dem Haupte, den Hermelin um die Schultern, das goldene Vließ an der Kette um den Hals und das große Band vom Orden Karl's III. über der Brust.

An der rechten Seite der Königin, einen Schritt zurück, folgte die Königin Christine, ebenfalls in schwarzen Sammet gekleidet, ebenfalls mit dem goldenem Vließ und dem Orden Karl III. decorirt. Die hohe Gestalt der Königin Christine, ihre scharf geschnittenen, harten und etwas starren Züge zeigten wenig Ähnlichkeit mit ihrer Tochter, deren sanfte, weiche Augen von Thränen geröthet erschienen, und deren großer Mund mit den starken, vollen Lippen, durch den Ausdruck trauriger und stiller Resignation, welcher auf demselben lag, schöner und anmuthiger als sonst erschien.

Zur linken Seite der Königin ebenfalls einen Schritt zurück trat der Prinz von Asturien in den Saal. Er trug einen Knabenanzug von schwarzem Sammet, ebenfalls das goldene Vließ um den Hals, das blaue Band von dem Orden Karl's III. über der Brust, den Stern an dem kleinen Jaquet.

Der Prinz war bleich und blickte voll liebevoller Theilnahme auf seine Mutter hin. Seine ganze Erscheinung war unendlich anmuthig und sympathisch, und als er mit einem halb kindlich verlegenen, halb fürstlich stolzen Kopfnicken, die sich tief verneigende Versammlung begrüßte, bot er ein ungemein interessantes und anziehendes Bild dar.

Der alte Infant Don Sebastian, ein Mann mit grauem Haar und ruhigen, gleichgültigen Gesichtszügen in der großen spanischen Generalsuniform folgte.

Die Königin durchschritt mit dem fürstlichen Anstande, welcher ihr trotz ihrer corpulenten und kleinen Figur eigenthümlich war, den Saal und setzte sich in den mittelsten der drei Lehnstühle.

Die Königin Christine nahm ihr zur Rechten Platz.

Don Alphonso stellte sich neben den dritten Lehnstuhl und der Infant Don Sebastian hinter den Fauteuil der Königin.

Die Königin winkte dem Grafen Ezpeleta.

Dieser trat an den Tisch, nahm ein großes Pergament aus der dort liegenden Mappe und trat vor den Sessel der Königin.

»Ich, die Königin,« sprach Donna Isabella, »habe in Erwägung der Interessen meines Landes und meines königlichen Hauses beschlossen, meine königliche Autorität und alle meine politischen Rechte aus freiem Willen und lediglich aus eigenem Antriebe auf meinen viel geliebten Sohn Don Alphonso, Prinzen von Asturien, zu übertragen. Ich habe zugleich beschlossen,« fuhr sie mit etwas zitternder Stimme fort, »um allen Parteistreitigkeiten vorzubeugen und den innern Frieden meines geliebten spanischen Volkes zu gewährleisten und zu erhalten so viel an mir liegt, für meine Person den spanischen Boden nicht mehr zu betreten; auch wenn mein Sohn durch die Cortes, die das rechtmäßige Votum der Nation vertreten, auf den Thron berufen werden wird. Bis dies geschieht, und so lange mein Sohn außer seinem Vaterlande weilen wird, behalte ich meinen Sohn unter meinem Schutz und meiner Vormundschaft.

Don Alphonso XII. ist also von heute an Euer wahrer König, ein spanischer König, der König der Spanier, nicht der König einer Partei. Ich werde zugleich mit dieser Urkunde über meine Abdankung durch ein Manifest an die spanische Nation dieselbe verkündigen und mir wird nur noch übrig bleiben, in glühenden Gebeten lange Tage des Friedens und des Gedeihens für Spanien zu erflehen und für meinen Sohn, dem ich meinen mütterlichen Segen ertheile, – Weisheit und Vorsicht und mehr Glück auf dem Thron als seine unglückliche Mutter fand, welche bis heute Eure Königin war.«

Die letzten Worte der Königin wurden fast unverständlich durch das Schluchzen, welches ihre Stimme erstickte.

Der junge Prinz von Asturien näherte sich seiner Mutter und kniete weinend vor ihr nieder.

Die Königin legte die Hände auf sein Haupt und sprach, während große Thränen über ihre Wangen rannen, mit lauter Stimme:

»Gott erhöre mein Gebet und segne Dich, mein Sohn, mit seinem reichsten Segen!«

Sie machte über seinem Haupte das Zeichen des Kreuzes und erhob sich dann. Don Alphonso und die Königin Christine standen gleichfalls auf.

Isabella näherte sich dem Tisch, auf welchem der Graf von Ezpeleta die Abdicationsurkunde niedergelegt hatte. Der Herzog von Sesto reichte der Königin die Feder und mit einem raschen, kräftigen Zug unterzeichnete sie das Dokument. Dann wandte sie sich um, ergriff den Prinzen von Asturien bei der Hand und führte ihn zu dem mittleren Lehnstuhl, welchen sie vorhin eingenommen hatte. Sie neigte sich leicht gegen ihren Sohn und setzte sich in den Sessel zu seiner Linken.

Der Hof trat heran, alle anwesenden Spanier defilirten an dem jungen Prinzen, der hier in der Verbannung zum König von Spanien proclamirt war, vorüber, beugten das Knie vor ihm und drückten die Lippen auf seine Hand, die er Jedem reichte.

Nachdem die Ceremonie vorüber war, wandte sich die Königin Isabella an ihren Sohn.

»Ich bitte Eure Majestät um die Erlaubniß,« sagte sie in französischer Sprache mit starkem spanischem Guttural-Accent, »in Ihrer Gegenwart noch ein Document aufnehmen zu dürfen, welches nicht die Politik betrifft, sondern nur die Privatangelegenheiten unseres Hauses ordnet. Es ist mein Testament, das ich für den Fall der Rathschluß Gottes die Wiederherstellung des Thrones unseres Hauses nicht gestatten sollte, nach französischem Recht habe aufnehmen lassen, und welches der Herr Präsident des Civilgerichtshofes und der erlauchte Marschall, der uns die Freude seiner Gegenwart macht, als Zeugen unterzeichnen sollen.«

Don Alphonso wandte sich in rascher Bewegung zu seiner Mutter, umarmte sie zärtlich und küßte ihr ehrerbietig die Hand.

Herr Benoist-Champy trat an den Tisch, nahm ein ziemlich umfangreiches Dokument aus der Mappe und sagte:

»Eure Majestät erklären also hier vor dem Herrn François Achille Bazaine, Marschall von Frankreich, und vor mir, daß dieses Document, dessen Inhalt Ihnen wohl bekannt ist, Ihre letztwillige Verfügung über Ihr Privatvermögen enthält, und daß alle darin enthaltenen Bestimmungen im Falle Ihres Todes gültig und unantastbar sein sollen, und wollen in unserer Gegenwart aus völlig freiem Willen und eigenem Entschluß dies durch Ihre Namensunterschrift bekräftigen?«

»Ich will es,« sagte die Königin, trat an den Tisch und unterzeichnete die Testamentsurkunde.

Der Marschall Bazaine und Herr Benoist-Champy setzten ihre Namen unter denjenigen der Königin.

»Ich bitte nun Eure Majestät, zu befehlen,« sagte die Königin Isabella, sich abermals an ihren Sohn wendend, »daß von der Abdankungsurkunde ebenso wie von meinem Testamente drei beglaubigte Abschriften genommen werden mögen, und daß von denselben eine dem Herzog von Sesto, eine dem Marquis von Miraflores und eine Seiner Majestät dem Kaiser der Franzosen übergeben werde.«

Don Alphonso neigte mit einer gewissen, kindlichen Verlegenheit bestätigend das Haupt, dann blickte er fragend auf die Königin.

Diese trat zu ihm hin und legte ihren Arm in den seinigen und Beide verließen unter Vortritt des Grafen Ezpeleta den Saal, um sich in ihre Gemächer zurückzuziehen. Die Königin Christine und der Infant Don Sebastian folgten.

Schweigend ging die Versammlung auseinander, – Herr von Albacete begleitete den Marschall Bazaine und Herrn Benoist-Champy bis zum Fuß der Treppe des Hotels.


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