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Kälte.

Sonnenaufgang am Sonklar-Gletscher. – 40,5 Grade R. unter Null. – Psychologische Erscheinungen der Kälte. – Beobachtete Kälteextreme. – Einfluß der Kälte auf den menschlichen Körper im Allgemeinen. – Einfluß der Kälte auf die Atmosphäre und das Land. – Schallfortpflanzung. – Einfluß der Kälte auf die körperlichen Functionen. – Kältegefühl auf Reisen. – Widerstandsbedingungen gegen die Kälte. – Erfrierungen. – Wiederbelebung erfrorener Glieder. – Durst als Folgeübel der Kälte. – Ein Nachtlager bei 39 Graden unter Null. – Rückkehr zum Schiffe. – Tod des Maschinisten Krisch und sein Leichenbegängniß.

 

Der Tag der größten Kälte aber, die wir während der Expedition überhaupt erlebten, war der 14. März. Schon um sechs Uhr Morgens standen die Tyroler und ich auf der Höhe der Absturzwand des Sonklar-Gletschers. Die Uebrigen waren im Zelt zurückgeblieben, um es vom Schnee zu reinigen und ein kleines Lebensmitteldepot in einem nahen Eisberge zu vergraben.

Die Sonne war noch nicht aufgegangen. Nur ein gelblicher Schein hinter dem düsteren Gletscherbogen der großen Salm-Insel verrieth ihre Nähe; eine glühende Fackel eilte ihr voraus, wie die Lichtsäule eines brennenden Kamins. Dann kam die Sonne selbst, zuerst noch blutroth und randlos durch die Dünste glühend, und mit ihrem gewöhnlichen Gefolge bei großer Kälte, den Nebensonnen. Die hohen Schneegebirge hatten den zarten Rosaton ihres Lichtes empfangen; immer mehr senkte er sich auf die Ebene des Eises herab, und als der Sonnenball endlich klar durch die Frostnebel brannte, war Alles ringsum in Flammen. Da sich die Sonne selbst Mittags nur wenige Grade über den Horizont erhob, so erhielt sich dieses wunderbare Colorit den ganzen Tag hindurch, und die Berge, deren schroffste Wände selbst schuhdicke Gewebe von Frostblumen umhüllten, bekamen durch diesen Schimmer ein wahrhaft gläsernes Aussehen. So gedämpft dieses Licht zuerst auch war, und so glühend dann, es stand immer mehr im grellen Gegensatze zu der starren Wirklichkeit und dem Froste.

Auf dem Sonklar-Gletscher.

Das Weingeistthermometer war bald nach dem Betreten des Gletschers bis auf 40,5 Grade R. unter Null gefallen, Das Maximum der von mir auf drei Polar-Expeditionen beobachteten Kälte. und ein leichter Zephyr strich von dem hohen Innern des Landes herab. An einem europäischen Märztage wäre er ohne Zweifel sehr behaglich gewesen; hier aber gefährdete er die unerläßliche Arbeit des Zeichnens und Messens dermaßen, daß ich, obgleich unter dem Windschutz der tyrolischen Garde arbeitend, alle Augenblicke genöthigt war, die schmerzhaft erstarrten Hände mit Schnee zu reiben.

Wir hatten etwas Rum mitgenommen; knieend empfing Jeder seinen Theil davon, indem wir ihn in des Trinkers Rachen hinabschütteten, ohne dessen Mund mit dem Metallbecher zu berühren. Trotz seiner Stärke schien dieser Rum alle Kraft und Flüssigkeit verloren zu haben; sein Geschmack glich dem unschuldiger Milch, und seine Consistenz war nicht geringer, als die von Thran. Das Brod war so hartgefroren, daß man unter der Befürchtung, die Zähne zu zersprengen, sich blutig biß, um es zu verzehren. Mehr eine Strafe, als ein Genuß war der Versuch, Cigarren zu rauchen, weil sie durch die zolllangen Eiszapfen des Bartes immer wieder erloschen und so oft man sie aus dem Munde nahm, vereisten. Selbst die kürzesten Pfeifen waren eingefroren. Glühend fühlten sich die Instrumente an; die Wirkung glühenden Eisens übten auch die Medaillons aus, welche etliche meiner Begleiter auf der Brust trugen.

Die Erscheinungen der Kälte, welche wir während dieser Reise zu beobachten Gelegenheit hatten, und die ich mir unmittelbar nach ihrer Wahrnehmung notirte, verdienen vielleicht eine kurze Unterbrechung dieser Reiseschilderung. Uralt ist der Schauerbegriff vom scythischen Winter, und daß die Verzichtleistung auf Zonen, wo die Menschen erstarren, ebenso weise ist, wie das Aufgeben jener, wo sie versengt werden. In psychologischer Hinsicht hat man mit großer Uebertreibung angenommen, daß ein heißes Klima die Menschen sinnlich und feig mache, ein kaltes hingegen tugendhaft und tapfer. Andere wieder, besonders Polarfahrer, waren mit Recht der Ansicht, daß Kälte einschüchternd wirke und die Willenskraft lähme. In der That aber ist die Kälte ein doppelzüngiger Versucher; so sehr sie die Willenskraft zuerst erregt, so rasch folgt ihr die Erschlaffung, sie drängt nur anfangs zur Bewegung, dann aber zur Ruhe. Personen, welche diesem Widerstreit längere Zeit ausgesetzt waren, machen immer den seltsamen Eindruck der Trunkenheit. In Folge des Zitterns und der Steifheit ihrer Kinnladen sprechen sie nur mit großer Anstrengung. Sie verrathen Unsicherheit in ihren Bewegungen, in ihren Handlungen und Gedanken die Abgestumpftheit des Schlafwandelnden. Auch die meisten circumpolaren Thiere bergen sich nach Thunlichkeit vor dem Ungeheuer des Frostes; die einen, indem sie auswandern, die andern, indem sie in geschützten Höhlen in Winterschlaf verfallen. Die Fische, die man in den kleinen Süßwassertümpeln des Landes trifft, frieren mit diesen gänzlich ein und erwachen erst wieder mit deren Aufthauen.

Mit 28-30° R. Eigenwärme tritt der menschliche Körper der furchtbaren Kälte nordamerikanischer und sibirischer Einöden entgegen, deren Extreme Back im Fort Reliance am 17. Jänner 1833 mit -44° R. Hayes am 17. März 1861 mit -44¾° R., Nevérow in Jakutzk am 21. Jänner 1838 mit -47,3° R., Kane mit -45° R., Mac Clure im Jänner 1853 mit -47° R., J. Roß 1831 mit -39° R. und Parry 1821 mit -38,6° R. notirt hat, während die tiefste, in unsern Alpenländern bisher beobachtete Temperatur nur -25° R. beträgt. Trotz der Schuldigkeit, die äußersten Kältegrade zu bestimmen, dürften noch tiefere Temperaturen der Luft schwerlich jemals beobachtet worden sein.

Um die Wirkung einer außerordentlich tiefen Temperatur auf den menschlichen Organismus zu versinnlichen, ist die Vorstellung eines ihrem Einflusse unbekleidet ausgesetzten Menschen eigentlich der günstigste Ausgangspunkt. Bei dreißig bis vierzig Grad Kälte würde ihn sofort ein Nebelhof umgeben, dessen Ränder unter gewissen Voraussetzungen die Regenbogenfarben besäßen. Es bedarf keines Hinweises, daß die rapid hervordringende und mit der trockenen Atmosphäre erst allmälig sich ins Gleichgewicht setzende Körperfeuchtigkeit und ihre sofortige Sichtbarkeit in der kalten Luft die Ursache dieses Nebels wäre, daß seine Abnahme im Verhältniß zur Körperwärme geschähe und mit dieser durch den Tod des Erfrierens gänzlich erlösche. Die Kleidung ist dazu bestimmt, diesem doppelten Verlust an Wärme und Feuchtigkeit, der Hauptursache des furchtbaren arktischen Durstes, soviel als möglich entgegenzuwirken. Aber selbst in dem Zustande der Bekleidung gewährt ein Häuflein Menschen, einer so tiefen Temperatur ausgesetzt, einen eigenthümlichen Anblick. Ziehen sie im Marsche dahin, so entströmt der Hauch qualmend ihrem Mund, eine Dunsthülle feiner Eisnadeln umringt und verhüllt sie fast bis zur Unsichtbarkeit; auch der Schnee, über den sie schreiten, dampft die Wärme aus, welche er vom Meere unterhalb empfängt. Die unzähligen Eiskrystalle, welche die Luft erfüllen und die Klarheit des Tages bis zu einer graugelben Dämmerung dämpfen, üben ein unausgesetztes flüsterndes Geräusch aus; ihr feiner Schneestaubfall, oder ihr Schweben als Frostdampf ist zugleich die Ursache jenes durchdringenden Feuchtigkeitsgefühles, welches bei großer Kälte um so fühlbarer wird und durch die, offenen Meeresstellen entströmenden Wasserdämpfe immer neuen Zuschuß erhält. Bei alledem herrscht in der Atmosphäre eine unbeschreibliche Trockenheit, Tabak zerfällt in dürre Staubtheilchen. Minder lästig war dieses oben erwähnte Feuchtigkeitsgefühl auf grönländischen Schlittenreisen durch die geringere relative Luftfeuchtigkeit daselbst. die mit dem Feuchtigkeitsgefühl in grellem Widerspruche steht. Schwere Wolken sind unmöglich; den Himmel bedecken nur Dünste, durch welche der Mond und die Sonne, von einem Hofe umringt, blutroth hindurch glühen. Niederschläge von Schnee in unserem Sinne hören auf; seine Krystalle nehmen mit der Kälte eine fast unsichtbare Kleinheit an. Das Land, der eigentliche Herd der Kälte und das beständige Spiel der Refraction, empfängt Dämpfe, Schneefälle und alle Feuchtigkeit als Condensator im großen Maßstab; seine frostzersprengten Glieder verhüllen sich, erst im April tritt die Farbe seiner Wände wieder durch die verdunstende Eishülle. Der Boden im engeren Sinne war auch hier überall, wo er durch den Schnee zum Vorschein kam, hartgefroren wie Metall, und die tiefe mittlere Jahrestemperatur des Franz Joseph-Landes von etwa 13° R. unter Null macht es wahrscheinlich, daß er noch in mehr als tausend Fuß In Jakutzk, dessen Jahresmittel -9° R. ist, beträgt diese Tiefe wahrscheinlich sechshundert Fuß. gefroren war. Große Kälte, Windstille und klarer Himmel In Sibirien gelingt es nicht selten, den Durchgang der Trabanten des Jupiter durch diesen Planeten, ebenso wie in den Steppenländern Hochasiens, mit bloßem Auge wahrzunehmen. sind vereint Eigenschaften des arktischen Continentalbinnenlandes. Je mehr man sich jedoch der See nähert und sich sein Einfluß vermindert, desto seltener wird diese Uebereinstimmung. Leichte Brisen treten selbst bei 30° R. unter Null auf, Hayes erwähnt sogar eines Sturmes von 37,8° R.; doch ist dies wahrscheinlich ein Druckfehler. die Luft wird immer minder durchsichtig.

Es ist bekannt, daß die Schallfortpflanzung in den Polarregionen weit ungehinderter stattfindet, als bei uns. Bei großer Kälte konnten wir wiederholt beobachten, wie Gespräche, mit gewöhnlicher Stimme geführt, auf mehrere hundert Schritte deutlich gehört wurden. Auch Parry und Middendorff erklärten, daß die Stimme bei kaltem Wetter weiter als sonst vernehmlich sei. Diese Schallfortpflanzung scheint in jenen Gebieten auch dadurch erleichtert zu werden, daß ihre unebenen Eismassen und Schneepolster derselben geringere Hindernisse bieten, als die Gardinen unserer Wälder und die Teppiche der Vegetation. Auf hohen Bergspitzen unserer Breiten finden sich außer intensiver Kälte manche Momente der Polarnatur vereint, und doch ist es eine Thatsache, Hier allerdings sehr leicht erklärbar. daß man Flintenschüsse daselbst kaum zu hören vermag. Die Kälte arktischer Regionen allein ist jedoch kaum als Bedingung dieser Erscheinung zu betrachten, weil letztere, wenngleich minder auffällig, auch im Sommer beobachtet werden kann; In Grönland hörte ich einmal ein mit gewöhnlicher Stimme geführtes Gespräch von Börgen und Copeland auf achthundert Schritte Entfernung. Die Genannten stellten über die Fortpflanzung des Schalles bei großer Kälte Versuche an; dasselbe geschah schon vorher durch J. Roß; im letzteren Falle gestatteten die unregelmäßigen Ergebnisse jedoch nicht, bestimmte Schlüsse daraus zu ziehen. es scheint dagegen, daß der Feuchtigkeitsgehalt der Luft von entscheidendem Einflusse ist.

Felsenhart wird der Schnee, seine Oberfläche nimmt die körnige Beschaffenheit des Zuckers an; dort, wo er in massigen Wehen liegt, sind diese wogenartig und scharf berandet, der Schritt wiederhallt auf ihnen wie Trommelton. Auch alle übrigen Gegenstände verdichten ihre Consistenz. Das Eis wird klingend hart; Holz erhält eine erstaunliche Dichtigkeit, zerplatzt und ist mit einem Messer so schwer zu bearbeiten wie Bein; Butter, in den Tropen immer flüssig, wird steinhart; Fleisch muß gespaltet und Quecksilber kann als Kugel geschossen werden. Wie dies durch J. Roß geschah, und zwar durch ein zolldickes Brett. Der Gefrierpunkt des Quecksilbers liegt bekanntlich bei 32° R. unter Null (-31½° J. Roß), variirt jedoch nach Maßgabe seiner Reinheit von -32° bis -34° R.

Wirkt die Gewalt der Kälte in solcher Weise auf leblose Dinge, wie viel mehr noch beeinflußt sie die lebenden Organismen, und die menschliche Willenskraft. Sie vermindert den Gang des Pulses, die körperliche Empfindung, die Fähigkeit der Bewegung und die des Ertragens großer Strapazen. Unter allen Sinnen nehmen Geschmack und Geruch am meisten an Schärfe ab, weil sich die Schleimhäute im Zustande einer beständigen Congestion und Uebersecretion befinden; nach längerer Dauer macht sich auch eine Abnahme der Körperkraft bemerklich. Wird Jemand einer hochgradigen Kälte plötzlich ausgesetzt, so athmet er unwillkürlich durch die Nase und schließt den Mund; denn im Anfange wirkt die kalte Luft beklemmend und stechenerregend auf die Athmungsorgane. Die Augenlider vereisen selbst bei Windstille, und damit sie sich nicht schließen, müssen wir sie öfter vom Eise befreien. Nur der Bart ist weniger mit Eis bedeckt, als sonst, weil der rauschend Rauschend in Folge der Bewegung der mit Eiskrystallen erfüllten Luft. ausgeathmete Hauch sogleich als Schnee niederfällt. Schneebrillen beschlagen durch die Ausdünstung des Auges und werden schon bei dreißig Grad unter Null so undurchsichtig, wie frostbereifte Fenster. Am empfindlichsten aber drückt sich das Kältegefühl bei bewegungslosem Verweilen nach einiger Zeit durch das Erkalten der Fußsohlen aus, wahrscheinlich wegen der reichlichen Endverzweigungen der Nerven. Nervöse Abspannung, Apathie und Schlafsucht sind die Folge, und dies erklärt den gewöhnlichen Zusammenhang des Rastens und Erfrierens. In der That ist es für eine Reisegesellschaft, welche eine große körperliche Leistung bei einer sehr tiefen Temperatur zu vollführen hat, die erste Bedingung, so wenig als möglich stehen zu bleiben, und in der intensiven Durchkältung der Fußsohlen während des Mittagsrastens ist auch der Hauptgrund zu suchen, warum Nachmittagsmärsche die moralische Kraft in so hohem Maße erschöpfen. Große Kälte verändert die körperlichen Ausscheidungen, gleichwie sie das Blut verdichtet, während die vermehrte Ausscheidung von Kohlensäure das Nahrungsbedürfniß erhöht. Die Secretion des Schweißes hört gänzlich auf; die der Schleimhaut der Nase und der Bindehaut des Auges dagegen wird permanent vermehrt, der Urin nimmt eine beinahe hochrothe Farbe an, der Harndrang wird erhöht; anfangs tritt Stuhlverstopfung ein, welche fünf und selbst acht Tage lang anhält und in Diarrhöe übergeht. Eine interessante Wahrnehmung ist auch das Bleichen der Bärte unter diesen Einflüssen.

Das Kältegefühl, das wir in unserer Vorstellung mit dem Begriffe einer bestimmten Temperatur unter dem Gefrierpunkte verbinden, ist nicht mit jenem identisch, welches arktische Fußreisende selbst im strengsten Frühjahrsfroste empfinden, weil die Kleidung ihre Widerstandsfähigkeit erhöht, Windstille und Bewegung die tiefsten Temperaturen leicht erträglich machen, und das subjective Wärmegefühl sich mit den Zonen ändert, in denen wir leben. Das Kältegefühl ist im Winter und Sommer ungleich, weil Nahrungsbedarf und Wärmeproduction des Körpers mit der Kälte wachsen. Ihre Eindrücke sind ferner bei gleicher Temperatur individuell, selbst für die nämlichen Personen von wechselnder Größe, und auch von localer Wandelbarkeit; so kommt es, daß man den Frost bald an der Stirne oder dem Kinn, oder vorzugsweise in den Extremitäten empfindet. Fünfzehn bis zwanzig Grad unter Null bilden bei Windstille in der Regel das angenehmste Reisewetter in den arktischen Regionen. Hunger erhöht das Kältegefühl in Folge der verminderten Wärmeerzeugung; Nach Lichtenfels' und Fröhlich's Beobachtungen an sich selbst vermindert sich die Körperwärme nach zwanzig- bis einundzwanzigstündigem Fasten um einen Grad Celsius. ebenso wird es durch Mangel an Schlaf in Folge von Nervenerregung gesteigert.

Die Widerstandsfähigkeit gegen die Kälte ist daher abhängig von der Festigkeit des Willens, von körperlicher Abhärtung und Gewöhnung an Strapazen, von Gesundheit, Bewegung, trockener Luft und Windstille. Nächst Weichlingen leiden rheumatische Personen durch sie am meisten.

Fette Personen ertragen die Kälte, der nicht leitenden Schichte wegen, die sie umgibt, in der Theorie besser, als magere oder proportionirte; in der Wirklichkeit aber stehen sie ihnen nicht selten nach. Scherzweise könnte man auch voraussetzen, daß Neger den Vorzug vor Weißen verdienen, weil sie als lebendige Schwarzkugelthermometer einer größeren Aufnahme der directen Wärmestrahlung fähig sind. Das Schwarzfärben der Gesichter, oder das Bestreichen des Körpers mit Fett Das Bestreichen des Gesichtes mit Fett wäre dagegen mit Vortheil anzuwenden, wenn es bei einer Reise von langer Dauer und beständig großer Kälte das Zerspringen der Haut verhindern sollte. ist ein Experiment, das wohl nur von jenen empfohlen werden kann, die nie in die Lage kommen, es versuchen zu müssen. Der einzige künstliche Schutz gegen Kälte besteht in sorgfältiger Kleidung und in der Bekämpfung der Condensation der Feuchtigkeit. Alle Kleidungsstücke pflegen durch sie steif zu werden, wie Blech; wer seinen Pelz auszieht und für kurze Zeit auf den Boden legt, kann ihn nicht wieder anziehen; wollene Fingerhandschuhe werden durch die Condensation der Hautausdünstung zu unbiegsamen Panzerhandschuhen, welche die warme Hand beständig aufthaut, daher die Reisenden die Finger aus ihren frostbereiften Hüllen gerne zur Faust zurückziehen, oder sich, mit Ausnahme der Jagd, der Fäustlinge bedienen.

Die Gefahr des Erfrierens erheischt unausgesetzte Gegenwehr. Besonders fällt die Nase dem Polarfahrer zur Last. Kaum ist sie als gerettet zu betrachten, so erfrieren die Hände, die sie soeben mit Schnee gerieben, oder die Fußzehen, die selbst während des Marsches häufig bewegt werden müssen, um nicht zu erstarren. Die Ohren dagegen sind völlig durch die Capuze vor dem Frost geschützt. Der Eintritt des Erfrierens eines Gliedes wird durch dessen Unempfindlichkeit ausgedrückt und besteht bekanntlich in dem Zurücktreten oder Stauen des Blutes in den Capillaren. Ohne rechtzeitige Hilfe steigert sich dieser Zustand bis zu vollster Sprödigkeit und Härte. Geringere Frostschäden überwindet man durch Reiben mit Schnee; bei großer Kälte aber tritt zuweilen das prickelnd wiederkehrende Gefühl erst nach einstündigem Reiben ein. Unter allen Umständen bildet gefrierendes Wasser, auch mit dem Zusatz von etwas Salzsäure, das vorzüglichste Belebungsmittel, und beim Eintauchen eines unter sehr tiefer Temperatur erfrorenen Gliedes pflegt sich dasselbe sofort mit einer Eisdecke zu überziehen. Unter langsamer Steigerung der Wassertemperatur thaut das erfrorene Glied allmälig auf. Je länger Personen ununterbrochen einer tiefen Temperatur ausgesetzt sind, desto größer wird ihre Empfindlichkeit für dieselbe; ihre Nasen, Lippen und Hände schwellen an und erhalten eine pergamentartige Haut, welche zerspringt und den geringsten Windhauch schmerzhaft empfinden läßt. In manchen vernachlässigten Fällen aber erhält sich das violette Colorit einer erfrorenen Nase oder der Hände, und alle Versuche es zu verscheuchen, mißlingen. Frostschäden höheren Grades pflegen sich gegen bloße Schneereibungen unveränderlich zu verhalten und erst nach tagelangem kalten Bade zu weichen. Blasenbildungen und das Anschwellen des betreffenden Gliedes, andauernde Empfindlichkeit und leichtes Wiedererfrieren sind die Folgen davon; in manchen Fällen erhält sich diese Empfindlichkeit gegen Temperaturwechsel noch nach Jahren. Bei hochgradigen Erfrierungen ist die Amputation eines Gliedes unvermeidlich.

Ist die Wiederbelebung eines erfrorenen Gliedes eingetreten, so bedient man sich nach den Erfahrungen des Dr. Kepes mit Vortheil einer Mischung von Jod und Collodium (zehn Gran auf eine Unze), um die stets darauf folgende Entzündung zu mildern. Ein bekanntes und sehr bewährtes Mittel gegen Frostschäden ist eine Auflösung von Ferrum sesquichloratum crystallisatum in gleichen Theilen Wasser.

Es ist sonderbar, daß ebenso sehr große Hitze als große Kälte das Hauptübel sowohl der Wüsten- als auch der Polarreisen erzeugen, den Durst; auch der Wind trägt durch die Steigerung der Verdunstung dazu bei. Noch bemerkenswerther ist es, wie rasch sein demoralisirender Einfluß sich steigert, sobald sein Dasein durch Einen der Reisegesellschaft einmal ausgesprochen ist. Gewohnheit dagegen vermag ihn erfolgreicher zu bekämpfen, als den Hunger. Manche suchen sich durch den Genuß von Schnee zu helfen; aber es ist eine dringende Regel der Enthaltsamkeit, es zu vermeiden, sobald seine Temperatur beträchtlich unter den Schmelzpunkt sinkt. Entzündungen des Rachens und der Zunge, rheumatische Zahnleiden, Diarrhöe etc. sind die Folgen, wenn sich die Mannschaft einer solchen nur momentanen Abhilfe unbedacht überläßt. Sie ist in der That völlig illusorisch, weil es unmöglich ist, so viel Schnee, z. B. einen Kubikfuß, zu essen, als zu hinreichender Wasserverwandlung erforderlich wäre. Schnee von 30-40 Grad unter Null erzeugt jedoch ein Gefühl im Munde gleich dem glühenden Metalls und erhöht den Durst, anstatt ihn zu mildern, durch Entzündung der betreffenden Schleimhäute. Selbst die Eskimo's ziehen es daher vor, lieber den höchsten Grad von Durst zu leiden, als Schnee zu essen, und nur die Tschuktschen pflegen ihn mit großem Behagen als Nachtisch zu ihren stets kalt genossenen Speisen zu verzehren. Bei uns wurden Schneeesser während des Marsches ebenso als Weichlinge betrachtet, wie sonst nur Opiumesser. Im Uebrigen vermindern sich Katarrhe J. Roß sagt: »Den Winter halten die Einwohner von Holsteinborg in Westgrönland für die gesündeste Jahreszeit, da im Sommer ihre Hauptübel, Lungenkrankheiten und Katarrh, vorherrschen.« aller Art auf jeder Polarexpedition, und selbst die Anlässe der Verkühlung, welche die Kälte auf Reisen und der plötzliche Temperaturwechsel am Schiffe bieten, verlaufen ohne störende Folgen; ob dies vielleicht durch eine Veränderung des Ozongehaltes der Luft veranlaßt wird, wäre zu erforschen. Doch zurück zur Reise.

Wir hatten den Sonklar-Gletscher überquert, seine geringe Neigung von 1° 6' gemessen, und wenn wir von einer Anhöhe aus die günstigste Route zum Vordringen nach Norden erwogen, so schien kein Weg geeigneter, als der über seinen fast spaltenfreien Rücken. Vergeblich aber spähten wir nach den geträumten Paradiesen des Binnenlandes; sie hatten nur in dem Wunsche bestanden, uns das langentbehrte Land möglichst geschmückt zu denken. Der wahre Charakter des Kaiser Franz Joseph-Landes, soweit er hier und auf den beiden folgenden Schlittenreisen erforscht werden konnte, bildet den Inhalt des folgenden Capitels. Die nachfolgende Zeichnung stellt einen mehr als mannshohen Schneeblock am Fuße des Sonklar-Gletschers vor, welchem Windwehen eine Art von Fächerform gegeben. Nachmittags kehrten wir nach Besichtigung der zur Messung der Gletscherbewegung ausgesetzten Pflöcke nach dem Zelte zurück und traten dann den Rückweg zum Cap Tegetthoff und die Heimreise an. Ein leichter Wind fiel uns dabei in die Flanke; er war so schmerzhaft, daß er uns zu einem beständigen Kampfe nöthigte, um nicht irgend einen Körpertheil zu erfrieren. Schwer und kreischend zog der Schlitten über den harten Schnee hinweg; mit doppelter Last schien er beladen.

Schneeblock.

Noch schlimmer war das Nachtlager unter den Klippen von Cap Tegetthoff, wie die Nacht überhaupt den härtesten Theil solcher Reisen bildet. Glücklich ist der zu preisen, welcher durch das Ziehen so ermüdet ist, daß er rasch einschläft. Wie stets, gruben wir zuerst eine Vertiefung in den Schnee und lockerten ihn soviel als möglich, damit er seine Eigenschaft als einer der schlechtesten Wärmeleiter zur größten Geltung bringe.

Kurze Zeit nach dem Betreten des Zeltes hingen dessen Wände voll Reifblumen; wir waren sämmtlich eisbedeckt, an Einigen von uns aber schien nur mehr die Zunge in Thätigkeit und noch ihre frühere Beweglichkeit zu besitzen; ebenso schienen sie auch all ihr bewegliches Gut, Messer, Strümpfe, Handschuhe bereits verloren zu haben, Alles, bis auf ihren Platz im Zelte. Das Bärenfleisch nahmen sie mit der Lebhaftigkeit Chloroformirter ein, und als sie in den starren Panzern ihrer erst allmälig thauenden Kleidung schlafen sollten, erwachten sie, um die Gegenwart der Kälte unablässig zu constatiren, obgleich Niemand da war, der daran zweifelte. Solche Details werden nur zu dem Zwecke erwähnt, dem Leser ein Bild über das Leben in nordischen Schneewüsten zu geben, und pflegen in arktischen Reiseberichten übergangen zu werden. Es wäre indeß ganz wider meine Absicht, dadurch Schlüsse zu veranlassen, welche dem Vergleich unserer südlichen Mannschaft mit irgend einer andern des Nordens ungünstig wären. Im Gegentheile hat sich dieselbe, unmittelbar nach einem anderthalbjährigen verhältnißmäßigen Wohlleben am Schiffe dem ärgsten Ungemach des Wetters ausgesetzt, sehr standhaft gezeigt.

Neununddreißig Grad stand das Weingeistthermometer unter Null (-36,5° am Schiff), und als die erwärmende Nachwirkung der stattgehabten Bewegung und des Abendessens vorüber war, begann das Kältegefühl sich in solcher Weise zu steigern, daß es wahrscheinlicher wurde, zu erfrieren als zu schlafen. Der Koch erhielt deßhalb wieder den Auftrag, einen starken Grog zu brauen; alsbald brannten sechs Spiritusflammen unter dem schneegefüllten Kessel. Allein um Schnee von solcher Kälte rasch zum Kochen zu bringen, hätten wir diesen Kessel über den ausbrechenden Vesuv stellen müssen.

15. März. Regungslos, gleich Erschlagenen, hatten wir geschlafen; schon um fünf Uhr Morgens brachen wir auf, um die zwanzig Meilen lange Strecke, die uns noch vom Schiffe trennte, ohne die Pein eines ferneren Nachtlagers im Schnee, in einer Tour zurückzulegen. Das Wetter war so klar, als bei einer Temperatur von -38° R. überhaupt möglich, und vor einer leichten Brise aus Nord einhergehend, bedienten wir uns des Segels mit solchem Vortheile, daß wir das sanft ansteigende Westende der Wilczek-Insel schon nach siebenstündigem Marsche erreichten. Auf der Höhe eines kubischen Felsvorsprunges hinterlegten wir ein zweites Lebensmitteldepot; von hier aus erblickten wir mit einem Fernglas nach einigem Umherspähen das Schiff im fernen Eismeere, obgleich es nur mit seinen Raaen und Mastspitzen hinter einem Eisberge hervorsah. Dieser tröstende Anblick verscheuchte die bisherige Besorgniß, daß es inzwischen weggetrieben sein möchte. Es war dringend geboten, daß wir zum Schiffe zurückkehrten; Lettis konnte sich schon seit einigen Tagen nicht mehr am Ziehen betheiligen, und marschirte seiner erfrorenen Füße halber in Schuhen aus Renthierfell. Auch Haller trug angeschwollener Füße wegen Fellschuhe; Cattarinich hatte sich das Gesicht erfroren und war lahm; Pospischill endlich, der seinen unauflösbar zusammengeschrumpften Pelz nicht mehr anzuziehen vermochte, hatte beide Hände dermaßen erfroren, daß ich ihn nach dem Schiffe vorausschickte, damit er der Hilfe des Arztes daselbst sobald als möglich theilhaftig werde. Mit großer Anstrengung legten wir die letzten sechs Stunden Weges zurück, und als wir eisstarrend (-36,2° R.) in die rauhen Pässe der Hummocks im Umkreise des Schiffes eindrangen, kamen uns Weyprecht, Brosch, Orel und acht Matrosen entgegen, welche die Unfähigkeit Pospischills, zu sprechen und ihre Fragen zu beantworten, besorgt gemacht und veranlaßt hatte, zu unserer Aufsuchung auszuziehen.

Als ich in die Cajüte trat, hörte ich wieder das Stöhnen unseres unglücklichen Gefährten Krisch. Schon länger als eine Woche lag er ohne Bewußtsein da, noch immer währte sein Todeskampf. Erst am 16. März Nachmittags verkündete die plötzlich eintretende Ruhe, daß er uns verlassen hatte! Am folgenden Tage wurde die Leiche in einen Sarg gelegt, auf Deck gebracht und die Flagge auf den halben Mast gehißt. Am 19. März (-20,6° R.) fand die Bestattung des Maschinisten in sein einsames Grab im hohen Norden statt. Ein trauriger Zug verließ das Schiff, einen Sarg in der Mitte, der, mit Flaggen und einem Kreuze bedeckt, auf einem Schlitten ruhte und nach den nächsten Strandhöhen der Wilczek-Insel gezogen werden sollte. Schweigend und gegen heftiges Schneetreiben kämpfend, zogen wir hinaus durch die trostlosen Schneegefilde, nach anderthalbstündiger Wanderung hinan zur Höhe der Wilczek-Insel. Hier, zwischen Basaltsäulen, nahm eine Kluft seine irdische Hülle auf, überragt von einem einfachen Holzkreuze – eine traurige Stätte der ewigen Ruhe inmitten aller Symbole des Todes und der Abgeschiedenheit, fern von allen Menschen – unnahbar irdischer Pietät und dennoch ehrenvoller, denn in einem Sarkophage, durch die unentweihbare Einsamkeit. Wir knieten im Umkreise des Grabes nieder, bedeckten es mit mühsam losgebrochenen Steinen, der Wind verhüllte es mit Schnee. Laut sprachen wir das Gebet für den Dahingegangenen, dem das traurige Loos beschieden war, nur die Zeit unserer Leiden zu theilen, nicht aber die des Erfolges und der Heimkehr. Dann trat die Frage vor uns auf, ob es uns selbst vergönnt sein würde, in die Heimat zurückzukehren, oder ob das Eismeer auch für uns die unerforschliche Stätte unseres Endes bilden sollte. Der Wind strich furchtbar über die starre Höhe hinweg, hüllte uns in dichte weiße Schleier ein; Etlichen von uns erfroren Gesicht und Hände, weßhalb wir es günstigerem Wetter vorbehalten mußten, das Grab unseres Gefährten auszubessern und mit einer Inschrift zu zieren. Nur mit großer Mühe fanden wir in der schneeerfüllten Luft den Rückweg nach dem Schiffe. Bei solchem Wetter kann es geschehen, daß Wandernde das Schiff nicht wieder finden, selbst wenn sie nur 200 Schritt entfernt an demselben vorübergehen. Auch die Richtung des Windes vermag nur wenig zur Orientirung beizutragen, weil erstere zwischen den Eishöckern vielfach abgelenkt wird. Am 6. März gingen Haller und ich, bei -20° R. und heftigem Schneetreiben vom Lande zurückkehrend, stundenlang irre; nur Pekel, der uns vom Schiffe entgegen kam, führte uns zurecht.

Begräbnis des Maschinisten Krisch auf der Wilczek-Insel.


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