Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Grönland ein Continent oder ein Inselcomplex? – Abgang der Continente charakterisirenden Längenthäler. – Tolaleindruck des Innern. – Höhenverhältnisse. – Geologie. – Landhebungen. – Vegetation. – Begletscherung des Binnenlandes. – Gletscherbewegung. – Gletscherabnahme.
Grönland, soweit es bis jetzt erforscht werden konnte, besitzt etwa 40.000 geogr. Quadratmeilen Flächenraum, scheint sich jedoch noch weit gegen Norden hin auszudehnen. Seine Westküste wurde schon im zehnten Jahrhundert von vertriebenen Isländern entdeckt und colonisirt. Davis, der zweite Entdecker (1585) war strenger in seinem Urtheil, als die Normannen und nannte ihr »grünes Land«: Land Desolation; der Ausdruck einer erklärlichen Enttäuschung bei einem Seemanne, welcher das tropische Asien im Interesse des Handels aufzusuchen hoffte. Davis' Auffassung hat sich bis heute erhalten, obgleich wir über das Innere Grönlands nichts wissen, Demungeachtet wurde behauptet, daß das Innere Grönlands keine Berge von Bedeutung besitze, und daß seine Gletscherdecke durch das Mißverhältniß zwischen Schneefall gegenüber der geringen Verdunstung und Verminderung durch die Entsendung von Eisbergen an seiner Peripherie beständig wachse. Das westliche »Binneneis« soll ohne Moränen sein, was seine große Ausdehnung und Dicke allerdings beweisen würde. und die Versuche, es zu bereisen, sämmtlich fehlschlugen. 1728 durch zwei dänische Offiziere zu Pferde, 1747 durch Dalager in 62½° n. B., 1830 durch Kjelsen mit zwei Hundeschlitten, 1860 durch Hayes im nördlichen Theile des Landes, 1860 durch Rae, 1867 durch Brown und Whymper mittelst Hundeschlitten 1870 durch Nordenskjöld und Berggren. Nach Ansicht der Eskimos ist es die Heimath des Entsetzens und der bösen Geister, mehr noch die von Riesen bewohnte Ostküste. Bis zur zweiten deutschen Nordpolexpedition galt ganz Grönland als eine vergletscherte Hochfläche, ähnlich wie man im 17. Jahrhundert der Ansicht war, Sibirien müsse eine hohes Tafelland sein, um seine Kälte zu erklären. Es scheint indessen nicht, daß die Ausdehnung des grönländischen »Gletscherplateaus« so groß ist, wie man bisher vorauszusetzen geneigt war, und daß nur die Westhälfte diesem Begriffe entspricht. Der östliche Theil dagegen bildet ein ausgesprochenes Alpenland; wir wissen jetzt etwas mehr von diesem, als von jenem. Die Ostküste, einst von den Normannen colonisirt, Eine Kolonie, die etwa anfangs des 15. Jahrhunderts, wahrscheinlich durch die Angriffe der Eskimo's ausstarb. 1721 versuchte Bischof Egede die verschollene christliche Gemeinde von Norwegen aus aufzusuchen. Statt der Ostküste Grönlands aber vermochte er nur die Westküste zu erreichen. Die hier angetroffenen Eskimo's wußten nichts von einer vorhergegangenen normannischen Bevölkerung, von deren einstiger Existenz heute noch Baureste im Innern der Fjorde Zeugniß geben. Egede wurde nun der Apostel der Eskimo's. Dänemark unterhält seitdem einige Handelsposten an der westgrönländischen Küste (der jährliche Export Grönlands 3-400.000 Thaler), deren ursprüngliche Normannencolonie das Schicksal der ostgrönländischen Ansiedlung getheilt hat. wurde 1607 von Hudson zum zweiten Mal entdeckt, 1654 auch von dem Walfischfahrer Gaël-Hamke betreten. Eine oberflächliche Kenntniß seiner Küstenlinien verdanken wir erst den Aufnahmen von Graah 1819, Scoresby dem Jüngern 1822 und Clavering 1823.
Wenn auch die ostgrönländische Küste, aus einiger Entfernung betrachtet, den Eindruck einer geschlossenen Continentalfront macht, lösen sich doch die Landmassen bei der Annäherung ebenso in einzelne Gruppen auf, wie dies bei den Landgebieten im Westen der Baffinsbai der Fall ist. Es hat den Anschein, als bestünden sie zum Theile aus » gletscherüberbrückten« Inseln; besonders gilt dies von der Osthälfte der Landes. Schon Clavering war dieser Ansicht. Zu solcher Vermuthung führt der gänzliche Abgang großer Längenthäler, wie solche Continente voraussetzen und charakterisiren. Auf der ganzen Strecke von fast fünf Breitengraden, welche uns im Nordosten Grönlands bekannt wurde, war kein einziges zu erblicken. Die größten Wasserläufe hatten nur wenig über 20 Meilen Längenentwicklung. Grönland aber ist in Ostwestrichtung 600 Meilen breit. Verlegt man die Wasserscheide in die Längenmitte des Landes, Brown verlegt sie in die Nähe der Ostküste. so würde die continentale Bildung die Existenz bis 300 Meilen langer Thäler notwendig machen, und zwar in Folge der Erosion, welcher Grönland vor Jahrtausenden unter einem günstigeren Klima als das gegenwärtige, ebenso ausgesetzt war, als unsere Zonen. In Wirklichkeit aber liegen die Wasserscheiden am Küstensaum, wie im Fjordinnern, nur wenige Meilen vom Meere; das Gefälle dieser kurzen Thäler ist durchaus bedeutend, die seitlichen Abhänge schroff, die Landbildung plötzlich und ohne allmäligen Uebergang; daher sieht das Gesammte aus, wie in einzelne Stücke zerbrochen.
Der Totaleindruck des Landes sowohl bezüglich seiner Plastik, als auch seines landschaftlichen Charakters läßt sich ungefähr durch folgendes Bild auffassen. Man denke sich das Meeresniveau in unseren Alpenländern bis zu einer Höhe von 8-9000 Fuß erhoben und baue ihre dadurch vereinzelten Glieder noch bis zu 11.000 Fuß hohen Massiven auf, deren Umrandung bis 7000 Fuß hohe, unmittelbar aus dem tiefblauen Wasser der Fjorde aufsteigende Riesenwände bilden. Die höhern Gebirgsketten würden sich zu Inselgruppen, die meisten Thäler zu Fjorden umwandeln. Verbindet man einzelne dieser Gruppen durch Gletscher, so hat man ein Bild Grönlands im Kleinen. In Grönland ist die absolute Höhe der Berge zugleich ihre relative; Gipfel von 8000 Fuß kommen daher solchen von 12-13.000 Fuß unserer Alpen gleich, weil diese 4-5000 Fuß hohen Thalsohlen angehören. Die seitlichen Thalhänge unserer Hochgebirge betragen 20 bis 30 Grad Neigung, die grönländischen Sunde aber sind von wahren Felsenmauern umstarrt, ihre Risse und Thäler von Gletschern erfüllt, deren Abflüsse nicht Bäche, sondern Ströme bilden. Die Meerestiefe der Fjorde ist so groß, daß wir bei 3000 Fuß noch keinen Grund fanden. Aus allen diesen Zügen spricht sich die unbeschreibliche Wildheit des grönländischen Bodenreliefs aus. Seine Begehung ist schwierig; die Zerrissenheit in ungeheuere Wände, die große Länge der Gletscher, die Tiefe des Firnschnees und die große Wildheit der obersten Gebirgskämme tragen hieran die Schuld. Auch ihre relative Erhebung über die Gletscherhochflächen ist so bedeutend, daß z. B. die mit 11.400 Fuß gemessene Petermann-Spitze als scharfe 40 bis 50 Grad geneigte Eispyramide, 5000 Fuß den Kamm überragt, die Besteigung derselben mithin nur über eine Riesentreppe gehauener Stufen denkbar wäre. Ein weiteres Hinderniß der Bereisung bietet die Erweichung des Bodens zur Zeit der Schneeschmelze. Das Land, im größten Theil des Jahres gefroren und felsenhart, ist im Sommer nur mit Schwierigkeit zu überschreiten. Mehr als fußtief ist der Boden aufgethaut, die Niederungen sind in Sümpfe verwandelt, die Hänge durch das Abschmelzen der Schneewehen überrieselt. Dürre herrscht nur auf den Kuppen der Berge.
Das grönländische Bergland gleicht weder in seinem Bau, noch in seiner Geologie dem der Alpen. Dieses wird durch Parallelketten, jenes durch völlig abgetrennte Gruppen charakterisirt. Davon abgesehen, ist der Totaleindruck des Binnenlandes zwischen dem 72. und 74. Breitengrad von einem hohen Berge aus dennoch dem von einer Alpenspitze aus verwandt. Ueberaus groß ist die Zahl der sichtbaren Gipfel von 8000-10.000 Fuß Höhe; überhaupt schwankt die Mittelhöhe der einzelnen Massive zwischen 5-6000 Fuß. Anfangs schien es uns, als ob die höheren Gebirge nur dem Binnenlande angehörten; erst von Cap Franklin aus konnte man sich überzeugen, daß Höhen von 6-8000 Fuß auch in der Nähe der Küste vorkommen. In größerer Ferne erblickte man gegen Süd ein wildes Felsgebirge, Hörner, wie sie dem Dolomit eigenthümlich sind, wohl 8000 Fuß hoch; wahrscheinlich waren es Scoresby's »Werner-Berge« Die meisten der hier angegebenen Zahlen beruhen natürlich nur auf Schätzungen. Directe Messungen geschahen durch Börgen, Copeland und durch mich, mittelst des Theodolits, des Quecksilber- und Aneroïdbarometers. Den trigonometrischen Höhenbestimmungen lag entweder das trigonometrische durch Steinpyramiden signalisirte Netz, oder wenn dieses keine Anschlüsse bot, eine, selbständig von diesem, gemessene Basis zu Grunde..
In dem durchforschten Gebiete nimmt die Gebirgserhebung nördlich vom 73. Breitengrad um die Hälfte ab; erst am 77. Breitengrad erreichen die höchsten Gipfel des Binnenlandes wieder etwa 6000 Fuß, an der Küste dagegen nur die halbe Höhe. Die der Außenküste vorgelagerten Inselmassen von meist ausgesprochenem Plateaucharakter überragen nur selten das Niveau von 2000 Fuß.
Die Ostküste Grönlands besteht aus Gneis, Hornblendegneis, Granit, Granitit und Granitgneis. Diese Gesteine herrschen besonders im Innern vor, an der Außenküste werden sie häufig von jüngeren Formationen überlagert; erstere verleihen dem Gebirge, dessen untere Stufen sie meistens ausmachen, jene wilde Abgebrochenheit des Reliefs. Basaltische Gesteine (Dolerit) bilden die Inseln und östlichen Landvorsprünge; Theile des Kaiser Franz Joseph-Fjords bestehen aus der Hekla-Hook-Formation. In den miocänen Sandsteinen und Schieferthonen der Sabine-Insel, ebenso in den mesozoischen Mergeln und Sandsteinen der Kuhn-Insel trifft man Petrefacte von Thieren Von der Kuhn-Insel brachte ich eine neue Art mit. Professor Toula, der die Güte hatte, sie zu bestimmen, nannte sie Persphinctes Payeri. und Pflanzen. Nach Professor Heer's Bestimmungen eine Sumpfcypresse: Taxodium distichum, ein Laubbaum: Populus arctica, Diospyros brachynepala und Delastrus sp.
An der Westküste Grönlands wurde die Beobachtung von stattgehabten Hebungen, an anderen Stellen von Senkungen Vorzugsweise durch den Dänen Pingel. des Landes gemacht. An der Ostküste waren nur Landhebungen wahrzunehmen, am ausgesprochensten am Nordoststrande der Insel Shannon, im Süden der Sabine-Insel und an der Küste zwischen Cap Broer Ruys und der Mackenzie-Bucht. Die Erosionswirkung der Brandung hatte ein System übereinander liegender Höhenschichten mit Ausscheidung von Kuppen u. dgl. hinterlassen, welche bei mäßiger Schneebedeckung auffällig wurden. Auf der Insel Shannon gewann die Gesammthöhe dieser zahlreichen Terrassen einige Hundert Fuß.
Die Pflanzenwelt Ostgrönlands, Dr. Pansch sammelte daselbst 89 Gefäßpflanzen. Von Island sind deren 450, vom europäischen Samojedenland 265, vom sibirischen Taimyrland 124, von Spitzbergen 93, von der Insel Melville 60 und vom südwestlichen Grönland 323 Arten bekannt. wenngleich nach unseren Begriffen dürftig, war doch weit reicher, als wir erwartet hatten; nur an der Außenküste und auf Hochflächen gab es völlig vegetationsleere Strecken. Bewässerte Mulden und Abhänge hingegen prangten zuweilen in reichem Farbenschmuck. Doch vermag die Pflanzendecke die allgemeine, durch die Felsart bedingte Farbe des Landes nicht abzuändern, höchstens zu nuanciren. Moose, Flechten, graugrüne Gräser, Ranunkeln, Steinbrecharten etc. bilden vereinzelte ärmliche Colonien zwischen den verwitterten Steinfugen. Unter den Blüthengewächsen Grönlands ist das Weidenröschen das schönste. Die Wälder sind nur selten durch wenige Zoll hohe Birken, deren Stämme ein Zündhölzchen an Stärke nicht viel übertreffen, oder durch ebenso kleine Heidelbeergestrüppe, häufiger durch völlig am Boden hinkriechende, wurzelartig sich verzweigende Weiden vertreten. Es ist eine Folge des monatelangen Polartages, daß die Meereshöhe als Vegetationsbedingung sich weniger fühlbar macht, als in Europa, wo der vegetative Charakter bei je 1000 Fuß Ueberhöhung sich merklich ändert. Fast alle Species der Ebene, namentlich den gelben Mohn, fanden wir auch auf 1500 bis 3000 Fuß hohen Bergen. Auf einem 7000 Fuß hohen Felsgipfel wuchs neben den bekannten schwarzen und gelben Flechten ( Gyrophora anthracina), die auch in den Alpen die letzten Repräsentanten der Vegetation sind, ein langes Fasermoos ( Grimmia lanuginosa var. arct.). Die größere Sommerwärme des Binnenlandes hat auch eine mannigfaltigere Flora, als jene der Küstendistricte, zur Folge. Frühere Eskimoniederlassungen sind, wenngleich nur auf wenige Quadratklafter Fläche, in Folge stattgehabter künstlicher Düngung, durch ihre helle grüne Farbe schon aus der Ferne erkennbar. Wiesen gibt es jedoch nirgends. Treibholz findet sich in geringer Menge am Saume der Küsten.
Mühry sagt sehr treffend: »Die Firnlinie ist die Schneegrenze auf dem Gletscher«. Damit ist die Ausdehnung der eigentlichen Schneeregion schon umschrieben. Demungeachtet ist die Ansicht noch sehr verbreitet, als seien die hochnordischen Territorien selbst im Sommer fast bis zum Meeresspiegel herab unter Schneedecken begraben. Der Ausdruck »ewiger Schnee« bei Bollstädt von Regensburg im 13. Jahrhundert zum ersten Mal auftauchend, wurde in vielen Fällen mit Übertreibung angewandt. Wer Spitzbergen, Grönland oder Nowaja Semlja im Sommer sieht, staunt im Anfange darüber, zusammenhängende Schneelager nur in höheren Gletschergebieten wahrzunehmen; gerade so wie dies in den Alpen der Fall ist. Schon 1607 machte Hudson darauf aufmerksam, daß das Gebirge von Hold with hope trotz seiner Höhe (3500 Fuß) auf seinen Gipfeln ohne Schnee sei; Scoresby macht diese Bemerkung stets, wo er der ostgrönländischen Küste nahe kam. Middendorfs äußert sich noch entschiedener in diesem Sinne, er sagt: »Statt dessen erreichte ich im Taimyrlande 75½ ° n. B. und traf dort unvermuthet ein zusammenhängendes Gebirgsland, das bei etwa 1000' Höhe dennoch nirgends von der Schneelinie erreicht wird und allem Anscheine nach sogar bis fast 78° n. Br. ebensowenig unter Schnee liegt. Es ist jetzt zur bewährten Thatsache geworden, daß selbst eine mittlere Jahrestemperatur von -10, -12, ja sogar -15° R., sowie die fürchterlichste Winterkälte noch immer nicht die Schneelinie bedingen und daß die Erde sich trotz derselben von Schnee entblößt, wenn nur die Durchschnittstemperatur der drei Sommermonate sich um zwei Grade, ja sogar nur um einen einzigen Grad über Null erhebt. Dieser geringe Ueberschuß an Luftwärme reicht oft schon hin, die Schneevorräthe aufzuzehren.« Middendorfs fährt fort: »Daher kein Gedanke an bleibenden Schnee in dem so fürchterlich kalten Jakutsk, dessen Sommer über 11½° Wärme bietet; daher kein bleibender Schnee an den Eismeerküsten Sibiriens, noch auch unter viel höheren Breiten im Inneren des Taimyrlandes, wo der Sommer noch immer 5 bis 6° Wärme hat; daher sogar in bedeutenderer Erhebung über dem Eismeere an den äußersten Spitzen des Taimyrlandes ebensowenig bleibender Schnee, als aus den Höhen der neusibirischen Inseln, deren Klima im Vergleiche mit dem Hochnorden des amerikanisch-arktischen Archipels, den uns die Franklin-Fahrer kennen gelehrt haben, noch immer als Ausläufer des excessiven Charakters vom sibirischen Klima angesehen werden darf. Mit Unrecht wiederholt man noch in vielen Werken, daß die obere Schneelinie bis zur Isotherme -4° C. hinanreiche; es gilt dieses nur für die örtlichen Umstände in den Alpen, und ebenso unrichtig ist es, wenn wir noch jetzt in vielgelesenen Werken ersten Ranges (Tschudi, die Alpenwelt 434) lesen, daß die Schneelinie in den Polarländern mit dem Niveau des Meeres zusammenfalle.« Franz Joseph-Land haben wir nur im Frühjahr bereist, dennoch möchten wir behaupten, daß es mehr, als andere nordische Länder die Heimath von Schnee und Eis ist, – offenbar nur in Folge des ungünstigen Einflusses des, das Land weithin und rings umgebenden Eismeeres, auf seine Sommertemperatur.
In Ostgrönland liegt die Firnlinie erst in 3 bis 4000 Fuß Meereshöhe; selbst hohes Gebirgland wird im Hochsommer, mit Ausnahme der höheren Gletscherreviere und kleinerer Ansammlungen Windwehen u. dgl., völlig schneefrei. Dessenungeachtet ist die Begletscherung des Binnenlandes sehr bedeutend, und es darf im Allgemeinen der Satz gelten, daß jedes in einem 4 bis 5000 Fuß hohen Gebirgssystem entspringende Thal einen Gletscher enthält; seine Größe ist außerordentlich verschieden, vom Hochferner einer Eisplatte, deren Zunge sich durch Felsenrisse zwängt und in Lawinen donnernd herabstürzt, bis zum majestätisch unabsehbaren Eisstrom mit seinem hohen, in das Meer tauchenden Abfall. Diese primären Gletscher In Grönland solche, die den Meeresspiegel erreichen. sind es allein, welche jene imposanten, mehrere hundert Fuß hohen Eisberge liefern, die den äußern Küstensaum und die Fjorde erfüllen. Ihre Farbe ist vorherrschend weißgrün. Auffallend verschieden ist die Oberfläche grönländischer Gletscher von jener der Alpen; erstere zerbricht nicht an jeder Gebirgsstufe oder gesteigerten Neigung, ebenso an der Vereinigung mehrerer Gletscherzuflüsse in ein Chaos von Nadeln, Treppen etc. Das Eis, bei uns großer, periodischer und täglicher Differenz der Lufttemperatur und öfters im Jahre dem Eindringen des Schmelzwassers ausgesetzt, verdichtet bis zu einem weit höhern Grad, als dies bei der tiefen Temperatur Grönlands der Fall sein kann, die einen großen Theil des Jahres fast stationär ist. Die Firnregion der Alpen zeichnet sich aus, daß die Gletscheroberfläche allmälig in grobkörnigen Schnee übergeht, in welchen man selten mehr als fußtief einsinkt. In Grönland aber ist die Schneetiefe der nach Norden geöffneten, oberen Firnmulden in Folge der winterlichen Nordstürme oft geradezu unüberwindbar. Schon bei 5000 Fuß konnte man die Firntiefe mit 1-2 Fuß messen. Die tägliche Fortbewegung der Gletscher an verschiedenen Orten zu bestimmen, verhinderte ihre Entfernung von unserm Winterhafen. In welcher Weise also Copeland's 30stündige Beobachtung der Fortbewegung des Sonklargletschers im Kaiser Franz Joseph-Fjord mit 5 Zoll per Tag auch der mittleren Bewegung entspricht, oder den allgemeinen Verhältnissen sich anschließt, läßt sich nicht beurtheilen. Ein Versuch, die Vorrückung eines Gletscherembryos in der Nähe unseres Winterhafens zu messen, führte zu keinem verläßlichen Resultat.
Auch die grönländischen Gletscher haben außerordentlich von ihrer einstigen Mächtigkeit eingebüßt; einzelne Fälle derartiger Beobachtungen wurden bei der Beschreibung der Schlittenreisen erwähnt. In unsern Alpen reichen die tiefstgehenden primären Gletscher nicht unter die Region von +4° R. mittlerer Jahrestemperatur hinab; in Grönland existirt diese isothermische Höhencurve nirgends, das Erreichen des Meeresniveaus ist bei den dortigen Gletschern nur durch die Ausdehnung ihrer Firngebiete bedingt. In Hinsicht der Form ähneln die grönländischen Gletscher denen unserer Breiten. Sie unterscheiden sich also wesentlich von manchen Gletschern Spitzbergens und Nowaja Semlja's, deren Firngebiet gegenüber dem eigentlichen Eisstrom nur von unbedeutender Ausdehnung ist.