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Antritt derselben. – Verlust der Dampfkraft. – Das Eis hinter uns. – Stürme. – Keine Schiffahrtszeichen an der deutschen Küste. – Ueberwältigende Nachrichten und Landung in Bremerhafen.
Am 17. August verließen wir Cap Broer Ruys und traten die Heimreise an. Der Kessel fing wieder an zu lecken; Windstille und Nebel zwangen Koldewey daher, das Schiff an einem Eisfelde festzumachen. Winde von geringer Stärke, mehr noch Windstille beherrschen den grönländischen Sommer; hierin liegt die Hauptverlegenheit eines Segelschiffes in diesem Theile des Eismeeres. Am 19. wurde die Fahrt fortgesetzt; Tags darauf lag Nebel, dichtes Eis schloß uns ein, und nur mit dem Andrange der vollen Dampfkraft erzwang die »Germania« sich den Ausweg in offneres Wasser. Diese schweren Stöße hatten abermals heftiges Lecken des Kessels zur Folge, so daß der Dampf abgeblasen werden mußte. Schon am 21. August versagte der Kessel wieder den Dienst, Risse zeigten sich in der Platte; um einer Explosion vorzubeugen, war es unvermeidlich, alle weitern Versuche aufzugeben, uns noch ferner der Dampfkraft zu bedienen. Fortan war die »Germania« auf ihre Segel angewiesen; die Gunst des Sommers von 1870 kam jedoch ihrer Aufgabe, die im Wege stehenden Eisbarrièren zu durchdringen, sehr zu statten. Auch am folgenden Tage half nur rücksichtsloses Anrennen bei sieben Meilen Fahrt, dem Eise zu entkommen; nie empfand ich vor oder nachher stärkere Stöße eines Schiffes im Eise. Alle nicht niet- und nagelfesten Gegenstände im Innern des Schiffes stürzten um; bestürzt rannten die unter Deck Befindlichen auf dieses, gewärtig, das Fahrzeug außer Fugen zu sehen. Allein das Schiff blieb fest. Am 24. August wichen wir dichtem Eis in Südostrichtung aus und erreichten in 72° n. B. und 14° w. L. das offene Meer. Die letzten Eisschollen tanzten beim jedesmaligen Abfall der hochgehenden Wogen mit ihren krystallnen grünen Leibern zu scheinbar doppelter Höhe aus dem Wasser empor; von Wogen, Wind und Kreuzwellen getrieben, ohne sicheres Steuern, zog die »Germania« zwischen den Eiskolossen rollend hindurch. Erwartungsvoll harrte die gesammte Besatzung auf Deck, – ein Zusammenstoß mit unsern tanzenden Nachbarn, und das Schiff mußte zerschellen! Wie athmeten wir auf, als von jeder Lippe die Worte glitten: » Das Eis hinter uns!«
Schon unterhalb Jan Mayen (72° n. B.) wähnten wir uns zufolge der wärmeren Luft unter den Tropen. Die vom Capitän beabsichtigten Tiefseelothungen zwischen Island und den Shetlands-Inseln wurden durch Stürme vereitelt. Das Schiff lag beigedreht und trieb gegen die schottische Küste. Glücklich entrannen wir der Klippe Munk; doch Sturzwellen schleuderten die Ueberdachung des Skylights fort, Wasserfälle ergossen sich in die Cajüte. Erst jetzt, wenngleich noch immer selten, erblickten wir Schiffe; aber wir traten mit keinem in Verkehr. So kam es, daß wir am 10. September Nachts, Helgoland passirend, vergebens Raketensignale gaben, um einen Lootsen der Insel zu rufen. Unsichtbare Schiffe erwiederten sie, – es waren die der französischen Flotte. Nordwind trieb uns nach der deutschen Küste fort; am Morgen des 11. September bemerkten wir, daß alle äußeren Schiffahrtszeichen von der Wesermündung entfernt waren. Wir liefen in den Jahdebusen ein, ahnungslos durch mehrere Reihen Torpedos; unser Staunen wuchs, als wir eine Flotte großer Schiffe im Hintergrund dieser Bucht unter Dampf sahen. Gewärtig einer feindlichen Macht zu begegnen, näherten wir uns und besprachen den wahrscheinlichen Ausgang der Expedition, – Kriegsgefangenschaft. Ein Kanonenboot kam uns entgegen, ein Kanonenschuß zwang uns zum Ankern; In 60 Faden Tiefe, wir verloren dabei den Anker. – wir sahen die preußische Flagge. » Krieg mit Frankreich, Deutsche vor Paris, Napoleon mit 100.000 Mann gefangen, Oesterreich neutral, » Hansa« gesunken, Mannschaft gerettet!« – dies waren die inhaltsschweren Worte, welche uns der Commandant des Kriegsschiffes zurief, gleich darauf empfingen wir ihn an Bord. Die Flotte kam herangeschwommen und begrüßte uns in üblicher Weise; zuvorkommend erhielten wir einen Lootsen, ein Dampfer schleppte uns nach der Weser. Abends erreichten wir Bremerhafen, das wir vor 453 Tagen verlassen hatten. Mit freudiger Erregung genossen wir den Anblick prächtiger Laubbäume, grüner Wiesen, – eine Menschenmenge begrüßte unsere Landung, im Nu war jeder von uns mit Fragen bestürmt.