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Zwölftes Kapitel
Von den Suppen

Eine schöne Apologie der Suppen findet sich in Hufelands Kunst, das menschliche Leben zu verlängern. Der Gebrauch der Suppen ist übrigens sehr neu. In Italien waren sie im 16. Jahrhundert noch nicht üblich. In England sind sie der Landesküche noch immer fremd.

In einem großen Teile von Europa werden die Brühen als Vorspeisen angewendet. Man gibt ihnen durch Brotschnitte, Mehlfrüchte, teigartige Substanzen, Gemüse, gehacktes oder aufgeschnittenes Fleisch und durch allerlei künstliche Zusammensetzungen auf das mannigfaltigste diejenige Dichtigkeit, deren sie bedürfen, um den Magen nicht gleich beim Anbeginne der Mahlzeit mit Flüssigkeiten zu überfüllen. Indes wird man durch keinen noch so künstlichen Zusatz je die Fehler einer schlechten Fleischbrühe gutmachen können. Eine Fleischbrühe, welche nicht gehörig im Wallen erhalten, nicht aufmerksam geschäumt und gesalzen worden ist, oder in die der Rauch geschlagen hat, oder in welcher die Kräuter und Wurzeln durch zu langes Kochen den besten Geschmack verdünstet haben, wird jederzeit einen schalen und schlechten Geschmack behalten, was man auch irgend hinzusetzen möge.

Die Brotsuppe ist wohl die einfachste, wenn nicht selbst die älteste aller Suppen, deren Erfindung dem neueren Italien anzugehören scheint, denn Suppe kommt von dem italienischen Beiwort zuppo, zuppa, welches sich auf schwammige Körper bezieht, die eine beliebige Feuchtigkeit eingesogen haben. Auf Italienisch heißt bis auf diese Stunde nur die Brotsuppe: zuppa; alle anderen Suppen nennt man: minestre, was soviel bedeutet als Brei oder Mus. Alles dieses berechtigt mich, die Brotsuppe als die Ursuppe zu betrachten und jeder anderen voranzustellen.

Kräftige Fleischbrühe siedend über geröstete Semmelscheiben gegossen, gibt eine gute Haussuppe, die selbst zum Frühstück und zur Erquickung kranker Personen sich vorteilhaft verwenden läßt.

Ungesäuertes, aus mittelgutem Weizenmehle gebackenes Hausbrot, in Scheiben geschnitten und in Brühe bis zur gänzlichen Auflösung gekocht, ist eine italienische Haussuppe, welche ein nahrhaftes, leicht verdauliches Nachtessen abgibt. Auch für Säuglinge eignet sich diese Art von Brei, wie jedermann bekannt ist. Aber für Erwachsene fügt man noch etwas feine Kräuter hinzu, oder welchen anderen vegetabilischen Geschmack man beliebt. Die Italiener machen diese Suppe auch, in Ermangelung der Brühe, mit bloßem Wasser, und lassen die geschnittenen Kräuter in ein wenig Öl gar werden, ehe sie dieselben in den Suppentopf tun. Mir schien dieses Gericht nicht unangenehm.

Weniger glücklich verbinden sich mit der Fleischbrühe die gesäuerten Roggenbrote der Nordländer. Sie erfordern entweder einen versüßenden Zusatz oder eine entschiedene Hinneigung zum Säuerlichen. Zum ersten Behufe kann man sich der Zwiebeln bedienen, welche entweder geschnitten in sehr frischer Butter gebacken, oder ganz in heißer Asche recht gar gebraten, doch in beiden Fällen ja nicht verbrannt werden dürfen. Ganze Zwiebeln, die in ihrer äußeren Haut an glühender Asche gebraten worden, schält man nachher reinlich ab, schneidet sie in möglichst feine Scheiben und läßt sie noch einmal in starker Fleischbrühe aufwallen. Unterdessen hat man ein recht trockenes Roggenbrot, soviel man davon braucht, in sehr feine Scheiben aufgeschnitten, dieses in die früher schon erhitzte Suppenschale gelegt, und gießt nun die, wie gesagt, in guter Brühe aufgesottenen Zwiebeln siedend darüber. Wenn man sehr frische Eier zur Hand hat, so macht man noch so viele weiche, verloren gesottene Eier, als Gäste da sind, und setzt sie sorgfältig in die Suppenschale. Denn die Süßigkeit eines frischen Eidotters trägt viel dazu bei, die Säuerlichkeit des Roggenbrotes zu mildern.

Um den zweiten Fall ins Licht zu setzen, genügt das Beispiel der gebrannten Mehl- oder eingebrennten Suppe, welche man in der Schweiz und im Elsaß vorzüglich meisterlich bereitet; diese ist jedoch so allgemein bekannt, daß es der Beschreibung hier nicht bedarf.

Auf das Brot folgen, als nahe verwandt, die bloß aus der Hülse, oder durchaus gebrochenen mehligen Körner, als Reis, Gerste, gebrochene Spelte, Gries (Grütze) von Hafer, Heidekorn, türkischem Weizen und was dergleichen mehr ist. Alle diese Gegenstände dürfen nicht zu sehr verkocht werden, ausgenommen, wenn man die Absicht hat, sie durch ein Sieb zu treiben und die Fasern oder Fibern des Kornes ganz von dem Mehlstoff abzusondern. Aus Mehlfrüchten verkochte und durchgetriebene Suppen lassen sich durch Eidotter verdichten, durch Zitronensäure verlieblichen und durch in weniger Butter abgeröstete Semmelwürfel schmackhafter machen. Hafergries in Fleischbrühe verkocht und durchgetrieben, ist von allen die lieblichste.

Bloßes Mehl löst sich in siedender Brühe zu sehr auf, um eine angenehme Suppe zu geben. Doch eignen sich dazu einige gröbere Mehlarten, die aus verschiedenem Wurzelwerke bereitet werden. So wird das Manioc- oder Mandiocca-Mehl, welches die Engländer häufig aus Westindien einführen, als ein guter Suppenstoff von Reisenden angerühmt. Ich habe mich an dessen Statt der Fasern und des Satzmehles der Kartoffel bedient, welches ich auf die bekannte Art durch Aufreiben der rohen Kartoffeln und mehrmaliges Schwemmen des Geriebenen gewann. Ich setzte hierzu einige ebenfalls aufgeriebene gewürzhafte Wurzeln, welche letzten aber, wie sich's versteht, schon aufgerieben, nicht mehr gewaschen werden dürfen, und rührte in dieses Gereibsel bei gelindem Feuer gute Fleischbrühe, soviel als zur Verdünnung nötig schien. Einige feine Kräuter und vorzüglich etwas Sauerampfer sind in dieser Suppe wohl angebracht. Sie erträgt auch ein wenig in Butter abgeröstetes Semmelbrot, welches man, wohl abgetrocknet, auf einem besonderen Teller dazu herumgeben oder beim Anrichten geradezu hineinwerfen kann. Klein geschnittene Hühner- und Tauben-Leber, wenn man sie gerade zur Hand hat, erhöhen den Geschmack dieser Suppe ganz ungemein.

Doch um dem Mehle nicht zu nahe zu treten, schalte ich hier die Anweisung ein zu einer Mehlsuppe, welche bei meinen Gästen stets Beifall gefunden hat. Nimm etwas feines Weizenmehl, einen oder verschiedene Löffel voll, nach Maßgabe der nötigen Quantität Suppe, doch stets nicht mehr oder weniger als du bedarfst, deiner Suppe Bindung zu geben, ohne sie doch schwerfällig zu machen. Dazu ein Stückchen frische Butter, nicht zu viel noch zu wenig; rühre beides in einem tönernen Gefäß über Feuer, bis da es recht weiß sein wird. Ist es nun weiß und gar, so lasse nach und nach Fleischbrühe hinzu und rühre es fleißig, daß es sich binde. Scheint dir nachher diese Mischung die richtige Temperatur zu haben, weder zu flüssig noch zu dicht zu sein, so nimm ein oder mehrere Eidotter, vertreibe sie in der Suppenschüssel mit einiger nicht sehr heißen Fleischbrühe, wende dich um zum Herd und wirf, kurz bevor du das Kochgeschirr mit der Suppe vom Feuer hebest, eine Handvoll grobzerschnittene Dragons hinzu; alsdann gieße deine Suppe in die Suppenschale und rühre dabei, damit sich alles gehörig verbinde. Vorher aber hast du trockenes Weizenbrot in dünne, muschelförmige Scheiben geteilt, diese mit einer Wallnuß groß Butter leicht abgeröstet, darauf sie trocken und warm gehalten. Wirf sie jetzt in die heiße Suppe, doch kurz vor dem Auftragen, damit sie nicht ganz vergehen.

Zu allerlei Arten, aus Mehl, Eiern und Butter einen Teig zu bereiten, der, in Fleischbrühe gesotten, gesunde und schmackhafte Suppen gibt, finden sich in den besseren deutschen Kochbüchern gute Anweisungen. Diese Speisen sind in Oberdeutschland wahrhaft national, und werden von Haus zu Haus überliefert, so daß ich es für überflüssig halte, davon zu reden. In Deutschland liebt man jenen weichen Suppenteig, den man durch einen reichlichen Zusatz von Eiern und Butter zustande bringt. In Italien dahingegen liebt man einen festeren, aus Mehl und Wasser durch starkes Pressen und Verarbeiten zähegemachten Teig, der meist in Fabriken angefertigt, an der Luft getrocknet und also längere Zeit aufbewahrt wird. Diesen Teig nennt man nach der Form, die man ihm gegeben: Makkaroni, Vermicelli und so mehr. Seine Güte hängt von der Beschaffenheit des Kornes und von der Feinheit des Mehles ab. Indessen bleibt er immer äußerst weich, lind und schwach von Geschmack, und man tut daher wohl, ihn nur mit kräftiger und scharfschmeckender Brühe anzusetzen, z. B. mit einer eingesottenen braunen Brühe, welche nach der obenstehenden Vorschrift gemacht worden ist. Beim Sieden der Makkaroni befolge man die italienische Methode: das ist, man lasse das Wasser oder die Fleischbrühe stark aufsieden, ehe man die Makkaroni und Ähnliches hineintut. Denn in lauem Wasser angesetzt, lösen diese Teigarten sich auf und werden leimig und breiartig.

Bei Gemüsen aller Art, mit denen man eine Fleischsuppe gerade schmackhafter oder nahrsamer zu machen denkt, sind zwei Dinge vorzüglich im Auge zu behalten. Das erste, daß man Hülsenfrüchte, z. B. ganz oder halbreife Erbsen, verkochen lasse, um sie sodann von ihren unverdaulichen und geschmacklosen Hülsen oder Schalen vermöge des Durchtreibens durch ein Sieb zu reinigen. Das andere, daß man sehr junge Erbsen, zarte Spargelköpfe, allerlei Wurzel- und Kräuterwerk nicht zu lange koche, damit ihr Geschmack und Geruch nicht verdunste.

Auch durch das Fleisch der warm- oder kaltblütigen Tiere kann den Suppen ein erfreulicher Grad von Dichtigkeit mitgeteilt werden. Durchgetriebene Suppen aller Art (purées), sei es von wildem oder von zahmem Fleische, sind allgemein bekannt, und ich enthalte mich daher, von ihnen zu reden. Ich bemerke nur, daß in beschränkten Haushaltungen hinlänglich frische und reinlich aufbewahrte Fleischreste sehr wohl zu Suppen angewendet werden können, indem man die fleischigen Teile wohl aussondert und besonders hackt, die Knochen und Sehnen aber zerstößt, in Fleischbrühe ganz verkocht und sodann durchtreibt. In dieser durchgetriebenen Brühe läßt man darauf das obige Gehäcksel noch einmal aufkochen. Nach den Umständen kann man diese Suppen durch ein in Brühe verlängertes Eidotter binden, oder durch feine Kräuter annehmlicher machen. Frisches Wurzelwerk aber wird man wohltun, zugleich mit den zerstoßenen Knochen verkochen zu lassen und mit dem übrigen durch ein Haarsieb oder durch einen metallenen Durchschlag zu treiben. Die genannten Zusätze müssen, wie sich versteht, dem Fleisch angemessen werden, welches man jedesmal seiner durchgetriebenen Suppe zum Grunde legt.

Fleischarten, welche einen sehr großen Anteil tierischen Leimstoffes enthalten, wie Kalbskopf, muß man, nachdem sie leicht abgesotten und erkaltet sind, in sehr feine Stücke oder Scheiben zerschneiden; alsdann mit weniger, sehr kräftiger, etwa brauner Brühe (s. oben) aufsetzen und dieses mit derselben Brühe ganz allgemach verlängern. Nur auf diese Weise wird sich das schleimige Wesen langsam auflösen und in alle Teile und Gegenden der hinzugegossenen Fleischbrühe verbreiten. Zu Suppen dieser Art setze man Madeirawein oder auch nur etwas Säure, kräftiges Gewürz, auch ein wenig gebräuntes Mehl; denn ihre Substanz ist zwar sehr nahrhaft, widersteht aber ohne diese Aushilfe sehr leicht dem Gaumen. Hart gesottene Eidotter, besser Eierstöcke von frischgeschlachteten Legehennen, auch gewürzhafte Fleischklößchen, setze man nach Belieben hinzu, wodurch unser Gericht einer Schildkrötensuppe recht ähneln wird.

Diese letztere kommt in Deutschland nur in den Seehäfen vor, wo man sie gut zu bereiten, doch meist zu überwürzen pflegt. Krebssuppen sind überall in Deutschland üblich. Die Krebsbutter, durch welche man dieser Suppe den Geschmack und die Farbe gibt, dient auch noch außerdem zu mancherlei halbsüßen Tunken. Weniger verbreitet ist die empfehlenswerte Sitte, den ausgeleerten Kopfpanzer der größeren Krebse mit einem Gehäcksel aus den fleischigen Teilen der Krebse, Sardellen, etwas feinem Fisch oder ausgeschabtem Kalbfleisch anzufüllen, dem man durch ein Eidotter und einige aufgeweichte Semmelschnitte Bindung gegeben. Gewürz, feine Kräuter, Zwiebelwerk setze man nach Geschmack und Belieben hinzu. Diese also gefüllten Krebsköpfe bestreiche man äußerlich mit Eigelb, bestreue sie mit Brosamen (Semmelbrösel) und backe sie in siedendem Schmalz ab. Man darf sie erst beim Anrichten in die Suppe legen, damit sie sich nicht zu sehr auflösen; doch muß man sie voraussetzlich bis dahin heiß erhalten.

Krebssuppen, welche man als Fastenspeise ohne Fleischbrühe bereitet, erhalten einen kräftigen Geschmack und eine größere Nahrhaftigkeit durch den Zusatz von durchgetriebenen gelben Erbsen. Bereitet man aber die Krebssuppen in Fleischbrühe, so wird man auch wohl tun, die zerstoßenen Schalen und Eingeweide des Krebses nicht in Butter, sondern in Fleischbrühe einkochen zu lassen und durchzutreiben.

Es ist historisch denkwürdig, daß man in einigen Gegenden von Deutschland in diese Suppe Mandeln und Rosinen tut, eben weil in denselben Gegenden auch in moralischer Hinsicht eine entschiedene Richtung auf Versüßlichung stattfindet. So bestätigt sich in hundert Fällen, daß der Mensch nichts anderes ist, als er ißt. Vor jenem Mißbrauch aber wird ein gesunder menschlicher Geschmack zurückschaudern.

Auch aus den Brühen der meisten Süßwasserfische lassen sich gute Fastensuppen bereiten. Man muß nur, wie schon bemerkt worden, darauf Bedacht nehmen, die Fische mit wenigem Wasser und einigem Wurzelwerk aufzusetzen, sie langsam zu kochen und der Brühe zur rechten Zeit einen Zusatz von feinen Kräutern zu geben. Diese Brühe gibt, über etwas aufgeschnittenes Weizenbrot gegossen, eine kräftige und gesunde Suppe, die in Italien häufig genossen wird. Der Hecht, bei seinem größeren Leimgehalt und reineren Geschmack, eignet sich für solche Fischsuppen ganz vorzüglich. Man kann von Fischen auch durchgetriebene Suppen, wie vom Fleische, machen, und dazu ein gebackenes Gehäcksel von Fischen auftragen, welches man mit aufgeweichtem Semmelbrote, mit einem Eidotter und mit beliebigem Gewürze vermengen möge. Wollte man jedoch Fischsuppen mit Fleischbrühe verbinden, so ziehe man die Brühe von magerem Kalbfleische, vornehmlich von den Kalbsfüßen, allen andern vor, und gestatte sich höchstens, einige Schnitte mageren Schinkens mit ihnen verkochen zu lassen.

Suppen von gehackten Kräutern, nach beliebiger Mischung derselben ins Säuerliche oder schärfer Hervorstechende hinüber, sollen im Frühjahre häufig wiederholt werden; denn die feinen Kräuter sind alsdann von dem besten Geschmack und von nützlich erweichender und blutreinigender Wirkung. Im Winter aber sind die Endivien sehr zuträglich. Diese schneidet man so kurz, als beliebig ist, läßt sie langsam, aber nicht zu lange in kräftiger Fleischbrühe sieden, verdickt die Brühe durch ein oder mehr frische Eidotter. Alsdann legt man einige geröstete Semmelscheiben in die Suppenschale, gießt ein wenig Brühe darüber, und wenn sie hinreichend erweicht sind, richtet man über ihnen die Endiviensuppe an. Der Eidotter mildert die an sich selbst so nützliche Bitterkeit der Endivie, welche durchaus nicht überweich gekocht werden darf, indem sie sonst eben jene gewürzhafte Bitterkeit verlieren würde.

Allerlei Wurzelwerk, gelbe Rüben, Sellerie, Zuckerwurzeln usw., in guter Fleischbrühe wohl verkocht und sodann durchgetrieben, mit Fleischbrühe verdünnt und noch einmal aufgekocht, geben eine kräftige Suppe, zu welcher einige in Butter geröstete Brotschnitzchen passen werden. Doch will ich davon abbrechen, weil die Zusätze aus dem Pflanzenreiche ins Unendliche gehen. Ein geschickter Koch, eine gute Hausmutter muß sich hierin nach den Umständen, den Jahreszeiten und den Produkten des Landes richten.


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