Kardinal Wiseman
Fabiola oder Die Kirche der Katakomben
Kardinal Wiseman

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Zweites Kapitel

Die Cömeterien

M. ANTONI
VS. RESTVTV
S. FECIT. YPO
GEVSIBI. ET
SVIS. FIDENTI
BVS. IN. DOMINO

»Marcus Antonius Restitutus machte dieses unterirdische Gewölbe für sich und seine Familie, welche auf den Herrn vertrauen.« – Kürzlich gefunden in dem Cömeterium der Heiligen Nereus und Achilleus. M. Antonius Restitutus fecit hypogeum sibi et suis, fidentibus in Domino.

Es scheint uns fast, als hätten wir Einer vergessen, mit deren Gedanken und Charakter wir diese kleine Erzählung begannen, nämlich der frommen Lucina. Ihre Tugenden waren in der That von jener stillen, unaufdringlichen Art, die sich wenig dazu eignet in der Öffentlichkeit zu erscheinen oder an allgemeinen Angelegenheiten teilzunehmen. Ihr Haus, welches ein Titel oder eine Pfarrkirche war, oder dieselbe vielmehr umschloß, war jetzt auch noch dadurch geehrt, daß es den Papst beherbergte. Das Herannahen einer gewaltigen Verfolgung, in welcher die Herrscher im geistigen Reiche Christi als Feinde des Kaisers zum ersten Opfer auserkoren sein würden, hatte es nötig gemacht, den Oberhirten der Kirche aus seiner gewöhnlichen Behausung zu entfernen und dieselbe in ein sicheres Asyl zu verlegen. Zu diesem Zwecke wurde Lucinas Haus gewählt. Und während dieses und des darauffolgenden Pontificats fuhr es zu ihrer großen Freude fort, die Residenz des Kirchenfürsten zu bleiben, bis befohlen wurde, die wilden Bestien nach dort zu bringen, damit Papst Marcellus sie zu Hause füttern könne. Diese schändliche Strafe verursachte seinen Tod.

Lucina, welche schon mit vierzig Jahren in den Orden der Diakonissinnen – sonst waren sechzig Jahre das Alter, mit dem Frauen in demselben Aufnahme fanden, und nur zu ihren Gunsten war die seltene Ausnahme gemacht worden – getreten war, fand in den Pflichten ihres Amtes vollauf Beschäftigung. Die Aufsicht und Überwachung der Frauen in der Kirche, die Sorge für die Armen und Kranken ihres eigenen Geschlechts, die Anfertigung und Instandhaltung der heiligen Gewänder und des Linnens für den Altar, der Unterricht der Kinder, die Vorbereitung der weiblichen Neubekehrten auf das Sakrament der heiligen Taufe: dies alles war das Amt der Diakonissinnen und gab ihnen im Verein mit ihren häuslichen Verrichtungen vollauf Beschäftigung. Und in der Ausübung dieser verschiedenartigen Pflichten floß Lucinas Leben ruhig dahin. Den Hauptzweck desselben schien sie erreicht zu haben. Ihr Sohn hatte sein Dasein Gott geweiht und lebte, stets bereit, sein Blut für den Glauben zu vergießen. Ihn zu behüten, für ihn zu beten war ihre Wonne; das schien ihr keine Mühe.

Früh am Morgen des bestimmten Tages fand die Zusammenkunft statt, welcher im letzten Kapitel erwähnt wurde. Es wird genügen, wenn wir sagen, daß bei derselben vollkommene Instruktionen gegeben wurden in Bezug auf umfangreichere Einsammlung von Almosen, welche dazu verwendet werden sollten, die Cömeterien zu erweitern, die Toten zu begraben, denen zu helfen, welche durch die Verfolgung gezwungen würden sich zu verbergen, Gefangene zu verpflegen, Zutritt zu ihnen zu erwirken und schließlich die Leiber der Märtyrer einzulösen oder wieder zu erlangen. Für jede Region wurde ein Notar ernannt, welcher ihre Geschichten schreiben und interessante Begebenheiten aufzeichnen sollte. Die Kardinäle oder Titularpriester bekamen Instruktionen in Bezug auf die Austeilung der Sakramente, besonders der heiligen Eucharistie, während der Verfolgung; jedem wurden mehrere Cömeterien anvertraut, in deren unterirdischer Kirche er die heiligen Geheimnisse zu feiern hatte. Der Papst wählte den des Callistus, ein Umstand, welcher den Diogenes, den ersten Totengräber desselben, mit nicht geringem, aber sehr unschuldigem Stolz erfüllte.

Diesen guten, alten Mann schienen die aufregenden Vorboten einer bevorstehenden Verfolgung mehr anzuregen als traurig zu machen. Kein kommandierender Ingenieuroffizier unserer Tage hätte seine Befehle für die Verteidigung einer befestigten Stadt, welche er durch seine Geschicklichkeit und Klugheit erretten sollte, frischer und klarer und deutlicher geben können, als er die seinen den ihm untergebenen Wächtern der verschiedenen Cömeterien um Rom erteilte, welche er nach seinem eigenen Hause bestellt hatte, um ihnen die Beschlüsse der hohen Versammlung mitzuteilen. Der Schatten des Sonnenzeigers an Porta Capena zeigte auf Mittag, als er mit seinen Söhnen durch das Thor trat und die drei jungen Männer dort bereits wartend fand. Zu Zweien gingen sie die Via appia entlang; als sie ungefähr eine halbe Meile vom ThorJetzt Sankt Sebastian. Die alte Porta Capena lag beinahe eine englische Meile weiter nach der Stadt hin als das jetzige Thor. entfernt waren, gingen sie auf besonderen Wegen, indem sie um verschiedene Gräber, welche an der Straße lagen, schlichen, in ein und dieselbe Villa zur rechten Seite. Hier fanden sie alle Requisiten zu einem Abstieg in die unterirdischen Cömeterien, wie da sind Kerzen, Laternen und die nötigen Werkzeuge, um Licht zu schaffen. Severus schlug vor, daß man sich in Paare teilen sollte, da die Zahl der Führer und der Fremden gleich groß war; bei der Teilung nahm er dann Torquatus für sich selbst in Beschlag. Welchen Grund er hierfür hatte, können wir leicht begreifen.

Ohne Zweifel würde es unsere Leser ermüden, wenn wir der ganzen Unterhaltung der Gesellschaft folgen wollten. Diogenes beantwortete nicht allein alle Fragen, welche man an ihn richtete, sondern er gab auch von Zeit zu Zeit sehr kluge, kurze Aufklärungen über solche Gegenstände, die er für besonders anziehend hielt. Aber wir glauben, daß es unsere Freunde mehr fesseln und belehren wird, wenn wir den ganzen Inhalt jener Unterhaltung in eine gedrängtere erzählende Form zusammenfassen. Und überdies werden sie ja auch den Wunsch hegen, etwas über die spätere Geschichte jener wunderbaren Gräber zu hören, in welche wir unsere jugendlichen Pilger geführt haben.

Die Geschichte der ersten christlichen Begräbnisstätten, der Katakomben, wie sie gewöhnlich genannt werden, kann in drei Abteilungen zerfallen: von ihrem Anfang bis zur Periode unserer Erzählung oder einige Jahre später; von diesem Zeitpunkt bis zum achten Jahrhundert; und dann bis herab auf unsere Zeit, wo wir Ursache haben zu hoffen, daß eine neue Epoche beginnen wird.

Im allgemeinen haben wir es vermieden, den Ausdruck »Katakomben« zu gebrauchen, weil es unseren Leser zu dem irrigen Glauben verleiten könnte, daß dies der ursprüngliche oder Gattungsname dieser ersten christlichen Krypten gewesen.

So verhält es sich indessen nicht. Rom war gewissermaßen von einer Umschanzung von Cömeterien, sechzig oder siebzig an der Zahl, umgeben; jeder derselben war allgemein bekannt unter dem Namen eines oder mehrerer Heiligen, deren Leiber dort ruhten. So haben wir die Cömeterien des heiligen Nereus und Achilles, der heiligen Agnes, des heiligen Pancratius, des Praetextatus, der Priscilla, des Hermes u. s. w. – Zuweilen wurden diese Cömeterien auch nach dem Namen der Plätze benannt, an welchen sie lagen, wie z. B. Ad Nymphas; Ad ursum pileatum; Inter duas lauros, Ad Sextum Philippi u. s. w. Das Cömeterium des heiligen Sebastianus, welches zuweilen auch Coemeterium ad Sanctam Caeciliam (Cömeterium der heiligen Cäcilie) und anders genannt wurde, bezeichnete man auch hier und da mit dem Namen Ad Catacumbas.Das Wort ist wahrscheinlich aus einer griechischen Präposition und einem lateinischen Zeitwort gebildet. Die Bedeutung dieses Wortes ist vollständig unbekannt, obgleich man sie möglicherweise dem Umstande zuschreiben kann, daß die Überreste des heiligen Petrus und des heiligen Paulus während einiger Zeit dort begraben waren, und zwar in einer Krypta, welche noch heute ganz in der Nähe existiert. Dieser Ausdruck wurde der Name jenes besonderen Cömeteriums und ward dann allgemein, bis wir das ganze System dieser unterirdischen Gräber Katakomben nannten.

Ihr Ursprung war während des letzten Jahrhunderts der Gegenstand heftiger Kontroversen. Indem sie sich auf zwei oder drei vage und verschiedene Deutungen zulassende Textstellen beriefen, erklärten einige gelehrte Schriftsteller, daß die Katakomben ursprünglich heidnische Abgrabungen gewesen seien, welche zu dem Zwecke gemacht worden, um Sand für den Bau der Stadt zu gewinnen. Diese Sandgruben wurden arenaria genannt, und mit diesem Worte bezeichnet man auch zuweilen die christlichen Begräbnisstätten. Aber eine genauere und wissenschaftlichere Untersuchung und Prüfung, welche der gewissenhafte F. Marchi eigens zu diesem Zwecke angestellt hat, warf jene Theorie vollständig über den Haufen. Der Eingang zu den Katakomben fand oft, wie man noch heutzutage sehen kann, durch diese Sandgruben, welche sich ebenfalls unter der Erde befinden, statt und ohne Zweifel bildeten sie einen passenden Deckmantel für die Cömeterien. Aber verschiedene Umstände beweisen, daß sie weder jemals als christliche Begräbnisplätze gebraucht noch in christliche Cömeterien umgewandelt wurden.

Der Mann, welcher den Sand aus der Erde graben will, wird seine Grube so nahe wie möglich an der Oberfläche anlegen, wird den leichtesten Zugang schaffen, um das Material hinauf zu befördern, und wird sie so groß und weit anlegen wie es sich nur irgend mit der Sicherheit der Überdachung und dem Vorhandensein dessen, was er sucht, verträgt. Und all diese Bedingungen finden wir erfüllt in den » arenaria« welche sich noch heutigen Tags in großer Anzahl in der Umgegend von Rom finden.

Die Katakomben jedoch sind nach ganz entgegengesetzten Grundsätzen konstruiert.

Die Katakombe senkt sich sofort, gewöhnlich durch eine Anzahl steiler Stufen, unter die Schicht losen und bröcklichten Sandes in jene hinab, welche sich zu der Härte eines weichen aber konsistenten Gesteins verdichtet hat, und auf deren Oberfläche jeder Streich der Axt noch heute sichtbar ist. Wenn man diese Tiefe erreicht hat, befindet man sich im ersten Stockwerk des Cömeteriums; denn man steigt wiederum auf Stufen in das zweite und dritte hinunter, und alle sind nach demselben Grundsatze angelegt.

Eine Katakombe läßt sich in drei Abteilungen zerlegen, in ihre Gänge oder Straßen, ihre Kammern oder Plätze und in ihre Kirchen. Die Gänge sind lange, enge Galerien, welche mit leidlicher Regelmäßigkeit ausgehauen sind, so daß Decke und Boden mit den Seiten rechte Winkel bilden, oft so eng, daß kaum zwei Personen nebeneinander gehen können. Oft laufen sie eine bedeutende Strecke geradeaus, aber sie werden von anderen durchkreuzt und diese wiederum von anderen, so daß sie ein vollständiges Labyrinth oder Netzwerk von unterirdischen Gängen bilden. Es könnte leicht verhängnisvoll werden, wenn man sich darin verirrte.

Aber man darf nicht glauben, daß diese Gänge nur angelegt sind, um durch sie an einen anderen Ort zu gelangen. Sie selbst sind die Katakombe oder das Cömeterium. Die Mauern sowohl wie die Seiten der Treppen enthalten Zellen oder Gräber, das heißt Reihen von Aushöhlungen, große und kleine, von genügender Länge um einen menschlichen Körper aufnehmen zu können, vom kleinen Kinde an bis zum ausgewachsenen Manne, welche mit der Seite gegen die Mauer gelegt wurden. Zuweilen findet man vierzehn, zuweilen nur drei oder vier dieser Reihen übereinander. Sie sind augenscheinlich so genau dem Maße des Körpers angepaßt, daß anzunehmen ist, dieser habe neben dem Grabe gelegen während dieses gemacht wurde.

Wenn, wie wir von Diogenes gehört haben, der in Linnen gehüllte Tote in seine enge Zelle gelegt wurde, schloß man dieselbe hermetisch, entweder durch eine Marmorplatte oder häufiger noch durch mehrere breite Fliesen, deren Kanten in eine Rinne oder Furche geschoben wurden, welche man vorher in das Gestein geschnitten. Dann wurde die Außenseite mit Cement überstrichen. Die Inschrift wurde in den Marmor gegraben oder in den noch feuchten Mörtel geritzt. Von den Marmorplatten sind tausende gesammelt; man sieht sie in den Kirchen und Museen; die letzteren sind vielfach kopiert und veröffentlicht; aber bei weitem die größere Anzahl von Gräbern ist namenlos und unbekannt, keine Inschrift ist auf ihnen sichtbar.

Und jetzt kann der Leser mit Recht fragen, in welche Periode fällt die Zeit der Begräbnisse in den Katakomben, und wie kann man ihren Anfang und ihr Ende bestimmen? Wir wollen versuchen, seine Frage so schnell und kurz wie möglich zu beantworten.

Es finden sich nirgends Beweise dafür, daß die Christen schon vor der Konstruktion der Katakomben ihre Toten irgendwo begraben hätten. Zwei Grundsätze, so alt wie das Christentum selbst, bedingen diese Art der Bestattung. Der erste ist die Art von Christi Grablegung. Er wurde in ein Grab in einer Höhle gelegt, in Linnen gehüllt, mit köstlichen Spezereien einbalsamiert. Ein großer Stein schloß Sein Grab. Da der heilige Paulus Ihn so oft als das Vorbild unserer Auferstehung nennt und davon redet, daß wir in der Taufe mit Ihm begraben sind, so war es natürlich, daß Seine Jünger begraben zu sein wünschten wie er, damit sie wie Er auferstehen könnten.

Dieses Liegen und Warten auf die Auferstehung war der zweite Gedanke, welcher die Anlegung dieser Grabstätten leitete. Jeder Ausdruck, welcher auf sie Bezug hatte, sprach von der Auferstehung. Das Wort »begraben« ist unbekannt auf den christlichen Inschriften, »In Frieden beigesetzt« ist der am meisten gebrauchte Ausdruck. Das bedeutet, daß die Toten dort nur für die Zeit niedergelegt sind, bis sie wieder gerufen werden; wie ein Pfand, ein wertes Besitztum, welches in treue aber nur zeitweise Hut gegeben worden ist. Sogar der Name » coemetario« bezeichnet nur, daß es ein Ort ist, wo viele liegen, nur für kurze Zeit schlummernd wie in einem Schlafsaal, bis der große Tag kommt und die Posaune ihn auferweckt. Daher wird das Grab nur der »Platz« oder technischer übersetzt »der kleine Platz«locus, loculus. genannt, an dem die in Christus Entschlafenen ruhen.

Diese beiden Vorstellungen, welche bei der Anlage der Katakomben gewaltet haben, waren nicht erst spätere Einschaltungen in das christliche System, sondern müssen während seiner frühsten Zeit noch viel lebendiger geherrscht haben. Sie flößten Abscheu gegen den heidnischen Brauch der Leichenverbrennung ein, und nirgends haben wir eine Andeutung gefunden, daß dieser auch zu irgend einer Zeit von den Christen befolgt worden wäre.

Wohl aber findet man in den Katakomben selbst unzählige Beweise dafür, daß sie schon in der frühsten Zeit des Christentums ihren Ursprung haben. Der Stil ihrer Gemälde, welche noch heute erhalten sind, gehört einer Zeit der blühendsten Kunst an. Ihre Symbole – der symbolische Geschmack an und für sich selbst, ist charakteristisch für eine weit zurückliegende Zeit. Denn in späteren Perioden verlor sich diese eigentümliche Geschmacksrichtung mehr und mehr. Obgleich Grabinschriften mit bestimmten Daten selten sind, so finden sich unter den zehntausend, welche der weise und gelehrte Cavaliere de Rossi gesammelt und veröffentlicht hat, doch ungefähr dreihundert, welche Daten aus der konsularischen Zeit von den ersten Kaisern an bis zur Mitte des vierten Jahrhunderts tragen (A. D. 350).

Ein anderer seltsamer und interessanter Gebrauch liefert uns Daten von Gräbern. Beim Schließen des Grabes pflegten die Angehörigen und Freunde des Verstorbenen, um sie zu bezeichnen eine Münze, eine geschnittene Gemme aber zuweilen auch nur eine Muschel oder einen Kieselstein in den feuchten Cement zu drücken und dort zu belassen; wahrscheinlich um das Grab leichter wiederfinden zu können, wenn sich keine Inschrift auf demselben befand. Man findet jetzt noch viele dieser Gegenstände, und schon längst bestehen ganze Sammlungen derselben. Aber es ist nicht ungewöhnlich, daß man dort, wo die Münze, oder um uns wissenschaftlich auszudrücken, die Medaille herabgefallen ist, in dem Cement einen deutlichen und klaren Abdruck derselben findet, welcher uns ebenfalls über das Datum aufklärt; und dieses bezeichnet oft die Regierung des Domitian und zuweilen diejenige anderer Herrscher aus der ersten Kaiserzeit.

Man mag nun fragen, weshalb dieser Wunsch, das Grab mit Bestimmtheit wiederfinden zu können? Außer Motiven natürlicher Pietät, giebt es noch einen, welcher fortwährend auf den Grabsteinen wiederholt ist. Wenn Mangel an Raum verhinderte, daß man das volle Datum des Todes einer Person angeben könnte, so würde man bei uns zu Lande die Angabe des Todes jahres auf dem Grabstein der des Todes tages vorziehen. Es ist mehr historisch. Es liegt niemandem so viel daran, den Tag, an welchem jemand gestorben zu kennen, wenn er das Jahr nicht weiß; aber das Jahr ohne den Tag ist eine wichtige Erinnerung. Und doch, während so wenige alte christliche Inschriften uns das Jahr des Todes geben, zeigen tausende den Tag, an welchem sie starben, ob nun in der Hoffnung der Gläubigen auf das ewige Leben oder in der Gewißheit der Seligkeit als Märtyrer gestorben. Dies ist leicht erklärt. Für beide Klassen mußten jährliche Gedächtnisfeiern abgehalten werden und zwar genau am Tage ihres Todes. Daher war eine akurate Kenntnis desselben notwendig. Und deshalb verzeichnete man auch nur ihn.

In einem Cömeterium ganz nahe demjenigen, auf welchem wir unsere drei Jünglinge zusammen mit Diogenes und seinen Söhnen ließen, wurden vor kurzem Inschriften gefunden, welche von jenen beiden Klassen von Gestorbenen zeugten. Die eine in griechischer Sprache, welche, nachdem sie der »Beisetzung der Augenda am dreizehnten Tage vor den Kalenden (oder den ersten Juni)« erwähnt, fügt diese einfache Bitte hinzu:

ΖΗCΑΙC ΕΝΚω ΚΑΙ
ΕΡωΤΑ
ΥΤΤΕΡΗΜωΝ

»Lebe im Herrn und bitte für uns.«

Ein anderes Fragment lautet wie folgt:

 . . .  N. IVN –
 . . . . .  . IVIBAS –
IN PACE ET PETE
PRO NOBIS

... Nonas Jun ... Vivas in pace et pete pro nobis.

»Die Nonen des Juni... Lebe in Frieden und bitt für uns.«

Eine dritte lautet folgendermaßen:

VICTORIA . REFRIGERER [ET]
ISSPIRITVS . TVS IN BONO

»Victoria, sei erquickt, und möge dein Geist im Guten sein.«

Letztere erinnert uns an eine eigentümliche Inschrift, welche in den Mörtel gekratzt neben einem Grabe im Cömeterium des Praetextatus, nicht viele Ellen von dem des Callistus entfernt, gefunden wurde. Sie ist bemerkenswert, erstens weil sie lateinisch mit griechischen Buchstaben geschrieben ist; dann, weil sie ein Zeugnis von der Gottheit Christi giebt, und zuletzt weil sie ein Gebet um die Erquickung und Glückseligkeit des Verstorbenen enthält. Wir füllen die Lücken, welche durch das Ausfallen von einem Teil des Mörtels entstanden sind, aus.

Victoria, refrigeris (et) spiritus tuus in bono.

»Der wohlverdienten Schwester Bon ... am achten Tage
vor den Kalenden des Nov. Christ, Gott der Allmächtige
erquicke deinen Geist in Christo.«

Trotz dieser Abschweifung zu Gebeten auf den Gräbern, wird der Leser, so hoffen wir, nicht vergessen haben, daß wir das Faktum, die christlichen Cömeterien von Rom stammten aus den frühsten Jahrhunderten, bereits konstatiert haben. Jetzt haben wir nun anzugeben, seit welcher Periode sie in Anwendung kamen. Nachdem der Kirche der Frieden gesichert war, gab ihre Frömmigkeit den Christen den Wunsch ein, in der Nähe der Märtyrer und anderer Frommen früherer Jahrhunderte begraben zu werden. Aber im allgemeinen gesprochen, genügte es ihnen, unter den Steinen zu liegen. Daher kommt es, daß die Grabsteine, welche oft in dem Schutt der Katakomben und zuweilen auch an ihren ursprünglichen Plätzen gefunden werden und konsularische Daten aus dem vierten Jahrhundert tragen, dicker, größer und besser ausgehauen sind, als jene der früheren Perioden, welche an den Wänden angebracht sind. Aber vor dem Ende jenes Jahrhunderts werden diese Monumente seltener, und spätestens im darauffolgenden hörten die Beisetzungen in den Katakomben ganz auf. Papst Damasus, welcher im Jahre 384 starb, bebte ehrerbietig davor zurück – wie er uns selbst auf seinem Grabstein verkündet – sich in die Gesellschaft der Heiligen zu drängen.

Daher können wir annehmen, daß Restitutus, dessen Grabschrift wir unserem Kapitel als Überschrift geben, im Namen der alten Christen sprach, wenn er die zwei- bis dreihundert Meilen lange unterirdische Stadt mit ihren sechs Millionen schlafender Bewohner, welche auf den Herrn vertrauen und ihrer Auferstehung harren, als ihr eigenstes Werk und Eigentum verkündete.Dies ist die Berechnung, welche F. Marchi nach genauer und fleißiger Prüfung aufstellt. Wir können hier noch erwähnen, daß bei der Konstruktion dieser Begräbnisorte der Sand, welcher aus einer Galerie entfernt, in die nächste, welche bereits hergestellt, geschafft wurde. Daher kommt es, daß man deren jetzt viele verschüttet findet.


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