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Als Dionysius am nächsten Morgen kam, fand er sowohl die Kranke wie die Pflegerin so strahlend glücklich, daß er beide um ihrer herrlichen Nachtruhe willen beglückwünschte. Sie lachten über diese Äußerung, stimmten aber überein in der Aussage, daß dies die glücklichste Nacht ihres Lebens gewesen sei. Dionysius war erstaunt, bis Mirjam die Hand Fabiolas ergriff und sagte:
»Ehrwürdiger Priester Gottes, ich vertraue deiner väterlichen Fürsorge und Obhut diese Katechumenin an, welche wünscht, vollständig in die Geheimnisse unseres heiligen Glaubens eingeweiht und durch das Wasser des ewigen Heils wiedergeboren zu werden.«
»Wie!« rief Fabiola bestürzt, »bist du denn mehr als ein Arzt?«
»Das bin ich, mein Kind,« erwiderte der alte Mann, »ich bin dessen zwar nicht würdig, aber ich bekleide das höhere Amt eines Priesters in Gottes Kirche.«
Ohne zu zögern kniete Fabiola vor ihm nieder und küßte seine Hand. Der Priester legte die rechte Hand auf ihr Haupt und sagte:
»Sei festen Mutes, meine Tochter, du bist nicht die erste deines Hauses, welche Gott in Seine heilige Kirche geführt hat. Es ist jetzt schon viele Jahre her, als ich in der Verkleidung eines Arztes hierher gerufen wurde, und zwar durch eine alte Dienerin, welche nicht mehr ist. In Wirklichkeit kam ich aber, um die Gattin des Fabius noch wenige Stunden vor ihrem Tode zu taufen.«
»Meine Mutter!« rief Fabiola aus. »Sie starb wenige Stunden, nachdem sie mir das Leben geschenkt hatte. Und starb sie als Christin?«
»Ja. Und ich weiß bestimmt, daß ihr Geist Zeit deines Lebens neben deinem Schutzengel einherschwebte, und daß er es war, der dich mit seiner unsichtbaren Hand dieser seligen Stunde entgegen geführt hat. Und vor Gottes Thron hat deine fromme Mutter ohn Unterlaß für dein Seelenheil gebetet.«
Zehnfache Freude erfüllte die Brust der beiden Freundinnen. Nachdem mit Dionysius Verabredungen in Bezug auf Fabiolas notwendige Unterweisung und Vorbereitung, sowie ihre Vorbereitung zur heiligen Taufe getroffen worden, ging sie an Mirjams Lager und indem sie deren Hand ergriff, sagte sie leise und sanft:
»Mirjam, darf ich dich von heute ab Schwester nennen?«
Ein warmer Händedruck war die einzige Antwort, welche sie erhielt.
Zusammen mit ihrer Gebieterin empfingen nun die alte Amme Euphrosyne und die griechische Sklavin den vorbereitenden Unterricht, um am Osterabend die Taufe zu empfangen. Wir dürfen einer vierten nicht vergessen, die bereits in die Liste der Katechumenen eingetragen war, und welche Fabiola mit sich nach Hause genommen und bei sich behalten hatte, nämlich Emerentiana, Agnes' junge Pflegeschwester. Es war ihre größte Freude, sich nützlich zu machen, indem sie das Amt einer bereitwilligen Botin zwischen dem Krankenzimmer und dem übrigen Hause versah.
Während ihrer Genesung, als Mirjam bereits ihre Kräfte zurückkehren fühlte, teilte sie Fabiola manche Einzelheiten aus ihrem früheren Leben mit. Und da diese auf den voraufgehenden Teil unserer Erzählung einiges Licht werfen werden, so wollen wir ihre Geschichte in zusammenhängender Form wiedergeben.
Einige Jahre bevor unsere Geschichte begann, lebte in Antiochien ein Mann, der, wenn auch nicht von vornehmer und alter Abkunft, doch reich war und sich in den höchsten Kreisen jener üppigsten und schwelgerischsten aller Städte bewegte. Um seine Stellung aufrecht zu erhalten, mußte er große Ausgaben machen, und aus Mangel an strenger Sparsamkeit war er nach und nach tief in Schulden geraten. Er war mit einer Dame von großer Tugend verheiratet, die zum Christentum übertrat, zuerst im geheimen und später mit der wenn auch widerstrebend gegebenen Einwilligung ihres Gatten. Inzwischen hatten ihre beiden Kinder, ein Sohn und eine Tochter, ihre häusliche Erziehung unter ihrer strengen und gewissenhaften Obhut empfangen. Ersterer, Orontius, so genannt nach dem Lieblingsstrom, welcher die Stadt durchfloß, war bereits fünfzehn Jahre alt, als sein Vater die Religion seiner Gattin entdeckte. Er hatte von seiner Mutter viel über die Lehren des Christentums gehört und hatte mit ihr zusammen gar oft dem christlichen Gottesdienst beigewohnt. Daher besaß er die gefährlichen Kenntnisse, von denen er später einen so verhängnisvollen, traurigen Gebrauch machte.
Er selbst aber hatte nicht die geringste Neigung, die Lehren oder die Gebräuche des Christentums anzunehmen, und wollte nichts von einer Vorbereitung auf die Taufe hören. Er war zornig, eigenwillig und hinterlistig, er legte seinen Leidenschaften niemals Zügel an und kannte keine strengen Gebote der Sittlichkeit. Er hoffte nur auf Auszeichnungen in den Augen der Welt und erwartete seinen vollen Anteil an allen Freuden und Genüssen derselben. Er hatte eine vollendete Bildung, und außer der griechischen Sprache, welche damals in Antiochien allgemein gesprochen wurde, war er der lateinischen mächtig, welche er fließend und gefällig, wenn auch mit leicht fremdländischem Accent sprach, wie wir bereits gesehen haben. In der Familie bediente man sich des einheimischen Idioms der Dienerschaft gegenüber, und zuweilen auch im streng vertraulichen Verkehr.
Orontius bedauerte es durchaus nicht, als der Vater ihn der Aufsicht seiner Mutter entrückte und darauf bestand, daß er der herrschenden und vom Staate begünstigten Religion angehöre.
Um die Tochter, welche drei Jahre jünger war, hegte er nicht so ernste Besorgnisse. Er hielt es für thöricht und unmännlich, so viel Aufhebens der Religion wegen zu machen; sie zu wechseln oder jener des Reichs untreu zu werden, hielt er für ein Zeichen von Schwäche. Da die Frauen aber eine reichere Phantasie besitzen und der Herrschaft ihrer Gefühle mehr unterworfen sind, so konnte man ja ihren Launen aller Art nachgeben. Daher gestattete er seiner Tochter Mirjam, deren Name syrisch war, da die Mutter einer reichen Familie in Edessa entsprossen war, die freie Ausübung ihres neuen Glaubens. Dazu hatte sie eine ungewöhnlich hohe Geistesbildung genossen und wurde jetzt, einfach und anspruchslos wie sie war, ein Muster von Tugend und Sittsamkeit. Wir müssen bemerken, daß es grade zu einer Zeit war, in welcher Antiochien wegen der Gelehrsamkeit seiner Philosophen, von denen auch einige bedeutende und hervorragende Christen waren, berühmt war.
Einige Jahre später, als der Sohn das Mannesalter erreicht und seinen Charakter genügend entwickelt hatte, starb die Mutter. Vor ihrem Ende noch hatte sie die Anzeichen des herannahenden Ruins ihres Gatten wahrgenommen; und fest entschlossen, daß ihre Tochter nicht von seinen unvernünftigen und sorglosen Geschäftsgebarungen, noch von dem unglückverheißenden Egoismus und Ehrgeiz ihres Sohnes abhängig werden solle, sicherte sie ihr vor der Habsucht und Verschwendung jener beiden ihr eigenes großes Vermögen. Sie widerstand jedem Kunstgriff und jedem Einfluß, der aufgeboten wurde, um sie zur Herausgabe ihres Besitztums zu veranlassen oder dasselbe flüssig zu machen, damit den Verlegenheiten der Familie damit ein Ende bereitet werde. Auf ihrem Totenbette schärfte sie ihrer Tochter außer einer Menge anderer mütterlicher Ermahnungen ein, daß sie stets ihr kindliches Pflichtgefühl walten lassen und niemals erlauben solle, nachdem sie ihre Mündigkeit erreicht, daß an diesen Verfügungen irgend eine Änderung getroffen werde.
Die Angelegenheiten gestalteten sich immer verwickelter, die Gläubiger drängten; über die vorhandenen Mittel war in unvernünftigster Weise disponiert worden – als eine geheimnisvolle Persönlichkeit Namens Eurotas in der Familie auftauchte. Außer dem Haupte derselben schien niemand ihn zu kennen; und dieses sah augenscheinlich diesen Neuangekommenen wie einen Fluch und einen Segen, wie einen Überbringer der Rettung und des Ruins zugleich an.
Der Leser kennt bereits die eigenen Enthüllungen des Eurotas; es genügt hinzuzufügen, daß, da er der ältere Bruder und sich wohl bewußt war, mit seinem rohen, wüsten, mürrischen und unverträglichen Charakter nicht die Stellung eines Familienoberhauptes und Verwalters eines bereits vorhandenen Vermögens einnehmen zu können – da er den hochmütigen Ehrgeiz besaß, sein Haus in eine höhere Sphäre erheben, seine Reichtümer und Güter noch vermehren zu wollen – er sich mit einer mäßigen Summe Geldes als Abfindung begnügte, für Jahre verschwand, sich in die gefährlichen Verhältnisse des inneren Asiens begab, sogar bis nach China und Indien vordrang und mit einem bedeutenden Reichtum und einer Sammlung seltener Edelsteine in die Heimat zurückkehrte. Mit letzteren unterstützte er die kurze Laufbahn seines Neffen in Rom und führte diesen ins Verderben.
Eurotas fand anstatt einer reichen Familie, in deren Kassen er noch seinen überflüssigen Reichtum hätte fließen lassen können, nur ein bankerottes Haus vor, das er vom Ruin erretten konnte. Aber sein Familienstolz siegte; und nach vielen Vorwürfen, und bitteren Streitigkeiten mit seinem Bruder, von denen niemand etwas ahnte, bezahlte er mit Aufopferung seines eigenen Kapitals die Schulden desselben und wurde auf diese Weise in der That der Herr der Vermögensüberreste seines Bruders und damit auch der Tyrann der ganzen Familie.
Nach einigen weiteren Jahren freudlosen und verbitterten Daseins erkrankte der Vater und starb. Auf seinem Totenbette teilte er seinem Sohne Orontius mit, daß er ihm nichts hinterlassen könne, daß alles, wovon er schon seit Jahren gelebt, ja, sogar das Dach über seinem Haupte seinem Freunde Eurotas, dessen Verwandtschaft er nicht weiter erklärte, gehöre, und daß er von diesem allein Beistand in Rat und That und Führung erwarten solle. So sah sich dieser Jüngling voll Stolz, Ehrgeiz und Lebensfreudigkeit in die Hände eines kaltherzigen, gewissenlosen und nicht weniger ehrgeizigen Mannes gegeben, welcher alsbald als die Basis gegenseitigen Vertrauens die bedingungsloseste Unterwerfung unter seinen Willen vorschrieb, während er selbst in der Eigenschaft eines Untergebenen auftreten würde, welcher es als Hauptgrundsatz aufstellte, daß nichts zu groß oder zu klein, nichts zu gut oder zu schlecht sei, um es zu thun, wenn es dazu beitragen könne, die Stellung und den Reichtum der Familie wieder aufzurichten.
Nach dem Ruin, welcher das Haus ereilt hatte, war es unmöglich, noch länger in Antiochia zu bleiben. Mit einem guten Kapital in Händen konnte anderswo viel ausgerichtet werden. Aber jetzt reichte der Erlös aus dem Verkauf aller übrig gebliebenen Habe kaum hin, um die Verbindlichkeiten des Vaters zu decken, welche nach dem Tode desselben noch entdeckt wurden. Das Vermögen der Schwester war noch unberührt; und beide Männer kamen dahin überein, daß ihr dasselbe entrissen werden müsse. Jeder Kunstgriff wurde versucht, alle Überredungsgabe angewendet, aber sie widersetzte sich einfach und entschlossen allem; erstens weil sie den Wunsch ihrer sterbenden Mutter erfüllen wollte, und zweitens, weil sie die Absicht hegte, ein Haus für fromme Jungfrauen zu gründen, in dem sie ihr eigenes Leben hinzubringen gedachte. Sie war jetzt grade in dem Alter, wo sie über ihr eigenes Vermögen verfügen konnte. Wohl bot sie den beiden jeden Vorteil an, welcher zu gewähren in ihrer Macht lag, und schlug ihnen vor, mit ihr zusammen von ihren Mitteln zu leben. Aber dies entsprach den Absichten der beiden Männer nicht, und als jedes andere Mittel sich als vergeblich erwiesen, begann Eurotas anzudeuten, daß es am besten sei, Eine, die sich ihren Zwecken und Plänen so sehr widersetze, aus dem Wege zu räumen, koste es was es wolle.
Orontius schauderte entsetzt zurück, als er diese Andeutung zum erstenmal vernahm. Nach und nach machte Eurotas ihn mit derselben vertraut, bis er – noch immer vor der wirklichen Begehung eines Schwestermordes zurückschreckend – zu meinen begann, er habe etwas gutes, tugendhaftes gethan, wie die Brüder des Joseph zu thun geglaubt, als sie eine langsamere und weniger sanguinische Methode anwandten, um mit einem halsstarrigen Bruder zu verfahren. List und von keinem anderen gesehene Gewalt, welche auch das Gesetz nicht ahnden konnte, und welche aufzudecken niemand den Mut hatte, boten ihm die beste Aussicht auf Erfolg.
Unter den Vorrechten, welche den Christen während der ersten Jahrhunderte gewährt wurden, haben wir schon jenes erwähnt, daß sie die heilige Eucharistie zum Zwecke der häuslichen Kommunion im Hause aufbewahren durften. Wir haben auch die Art und Weise beschrieben, wie es in ein orarium oder Linnentuch gehüllt wurde, welches wiederum oft in eine kostbarere Decke gelegt wurde. Die köstliche Gabe wurde in einem Kästchen ( arca) mit einem Deckel bewahrt, wie der heilige Cyprianus uns berichtet hat.» Cum arcam suam, in qua Domini sanctum fuit, manibus indignis tentasset aperire, igne inde surgente deterrita est, ne auderet attingere.« – »Als sie mit unwürdigen Händen ihren Kasten zu öffnen versuchte, in welchem das Heilige des Herrn war, wurde sie davon abgehalten ihn zu berühren durch Feuer, welches aus demselben aufstieg.« De Lapsis. Orontius wußte dies, und er wußte überdies noch, daß sein Inhalt weit höher geschätzt wurde als Silber und Gold; daß es, wie die Kirchenväter uns lehren, als ein Verbrechen betrachtet wurde, nachlässigerweise ein Krümchen dieses heiligen Brotes fallen zu lassen,Siehe Martenne »De antiquis Ecclesiae Ritibus.« und daß der Name »Perle«, welcher dem kleinsten Atom gegeben wurde,So in den morgenländischen Liturgien. Fortunatus nennt die heilige Eucharistie »Corpus Agni margaritum ingens« – »Die große Perle des Leibes des Lammes.« Lib. III. car. 25. andeutete, wie teuer und kostbar es in den Augen eines Christen sei, so daß dieser alles, was er besaß, hingegeben hätte, um jenes vor schändlicher Entheiligung zu bewahren.
Das reich mit Perlen gestickte Tuch, welches mehr als einmal eine Rolle in unserer Erzählung gespielt hat, war die äußere Hülle, in welcher Mirjams Mutter diesen Schatz aufbewahrt hatte, und ihre Tochter hielt es sowohl als ein teures Erbstück, wie als einen heiligen Gegenstand, den sie demselben Gebrauche geweiht hatte, in Ehren.
Eines Tages früh am Morgen kniete sie vor ihrem Kästchen und war grade im Begriff, es nach einem inbrünstigen Gebet zu öffnen. Zu ihrer größten Trauer und Bestürzung fand sie es bereits geöffnet und des kostbaren Inhalts beraubt! Wie Maria Magdalena am Grabe, so weinte sie hier bitterlich, weil sie ihr den Leib des Herrn genommen hatten, und sie nun nicht wußte, wohin sie ihn gelegt hatten.Joh. 20, 13. Wie sie, beugte sie sich weinend nieder und blickte in ihren Kästen und fand dort ein Papier, welches sie in ihrem Kummer im ersten Augenblick übersehen hatte.
Wenige Zeilen auf demselben teilten ihr mit, daß das, was sie suche, sicher in den Händen ihres Bruders sei und wieder ausgelöst werden könne. Sie eilte sofort zu ihm und fand ihn zusammen mit dem düsteren Manne, in dessen Nähe sie immer zitterte, eingeschlossen; sie fiel vor ihm aufs Knie und flehte ihn an, ihr das zurückzugeben, was sie höher schätzte als ihren ganzen Reichtum. Er war im Begriff ihren Thränen und ihren Bitten nachzugeben, als Eurotas seinen strengen Blick auf ihn richtete, ihn in Schrecken setzte und dann folgendermaßen zu ihr sprach:
»Mirjam, wir nehmen dich beim Wort. Wir wollen deinen Ernst und die Treue deines Glaubens auf eine hinreichende Probe stellen. Ist es dir wirklich Ernst mit dem, was du uns anbietest?«
»Ich will alles hingeben, alles was ich besitze, um das Allerheiligste vor Entweihung zu bewahren.«
» – So unterschreib dieses Papier,« sagte Eurotas hohnlachend.
Sie nahm die Feder zur Hand, und nachdem sie das Dokument flüchtig durchgesehen hatte, unterzeichnete sie es. Damit hatte sie dem Eurotas ihr ganzes Vermögen übergeben. Orontius war wütend, als er sich von dem Manne überlistet sah, welchem er diese List gegen seine Schwester angeraten hatte. Aber jetzt war es zu spät, er hielt fest, was er einmal errungen hatte. Eine formellere Entsagungsakte mit den Äußerlichkeiten, welche das römische Gesetz verlangte, wurde noch von Mirjam verlangt.
Während einer geraumen Zeit wurde sie noch mit Güte und Rücksicht behandelt; dann gab man ihr hie und da einen Wink von der Notwendigkeit, sich zu entfernen, da Orontius und sein Freund sich nach Nicomedia, der kaiserlichen Residenz, zu begeben gedachten. Sie bat, daß man sie nach Jerusalem senden möge, wo sie Einlaß in eine Genossenschaft frommer Frauen zu finden hoffte. Infolgedessen wurde sie an Bord eines Fahrzeuges gebracht, dessen Kapitän einen verdächtigen Charakter hatte und folglich nur mit spärlichen Mitteln versehen war. Doch sie trug auf ihrer Brust das, von dem sie Zeugnis abgelegt hatte, daß sie es höher schätze als Gold und Gut. Denn wie der heilige Ambrosius von seinem Bruder Satyrus, der noch Katechumen war, erzählt, trugen die Christen die heilige Eucharistie auf der Brust, wenn sie sich auf eine Seereise vorbereiteten. Wir brauchen nicht noch hinzuzufügen, daß Mirjam es in den einzigen Gegenstand von Wert eingehüllt hatte, welchen sie aus dem Hause ihres Vaters mitzunehmen den Mut hatte.
Als das Schiff in See war, steuerte der Kapitän grade aus, als beabsichtige er einem fernen Lande, anstatt dem an derselben Küste liegenden Hafen von Joppe entgegenzusegeln. Es war schwer zu erraten, welche Absicht er dabei hegen mochte, aber seine wenigen Passagiere gerieten in Angst, und ein ernster Streit war die Folge. Diesem wurde durch einen plötzlichen Sturm ein Ende gemacht; der Wind trieb das Schiff während einiger Tage nach seinem Wohlgefallen vor sich her und zerschmetterte es dann an einer felsigen Insel in der Nähe von Cypern in Atome. Wie Satyrus schrieb Mirjam es der kostbaren Bürde, welche sie trug, zu, daß sie die Küste lebend erreichte. Sie war fast die einzig Überlebende; wenigstens sah sie nicht, daß außer ihr noch jemand gerettet wurde. Daher berichteten jene, welche am Leben blieben und nach Antiochia zurückkehrten, daß sie tot, mit den übrigen Passagieren und der Mannschaft in den Meereswogen umgekommen sei.
Von Männern, welche vom Strandraub lebten, wurde sie an der Küste aufgefunden. Arm und ohne Freunde, wurde sie an einen Sklavenhändler verkauft, nach Tarsus gebracht, welches auf dem Festlande lag, und dann wieder an eine Persönlichkeit von hohem Range verkauft, von welcher sie mit Güte und Nachsicht behandelt wurde.
Nach kurzer Zeit gab Fabius einem seiner Agenten in Asien den Auftrag, ihm eine Sklavin von seinen Sitten und tugendhaftem Gemüt zu verschaffen, welche er seiner Tochter als Dienerin geben wollte. Und so gelangte Mirjam unter dem Namen Syra nach Rom, um Fabiola das himmlische Heil zu bringen.