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Es giebt entscheidende Tage im Leben des einzelnen Menschen sowohl, wie es solche für die ganze Menschheit giebt. Nicht nur die Tage von Marathon, Cannae oder Lepanto, an welchen ein anderer Ausschlag vielleicht das ganze politische und sociale Schicksal der Menschheit anders gestaltet haben würde. Wer es ist auch wahrscheinlich, daß Kolumbus nicht nur auf den Tag, sondern auf die genaue Stunde zurückblicken konnte, deren Entscheidung der Welt alles das sicherte, was er sie lehrte und ihr gab, und ihm den hehren Platz gab, welchen er unter den Größten dieser Erde einnimmt.
Und jeder von uns, wie klein und unbedeutend er auch sein mag, hat seinen entscheidenden Tag gehabt, seinen Tag der Vorsehung, der seine Stellung oder seine Beziehungen zu anderen veränderte; seinen Tag der Gnade, an dem der Geist über die Materie siegte. In welcher Weise es auch gewesen sein mag – jede Seele hat, Jerusalem gleich, ihren Tag gehabt.»O, daß du doch erkennen möchtest an diesem deinem Tage u.s.w.« Luk. Kap. 19, V. 42.
Und so war es mit Fabiola. Hatte bei ihr nicht alles einer Entscheidung entgegengestrebt? Kaiser und Sklavin, Vater und Gast, Gute und Böse, Christen und Heiden, Arme und Reiche; dann Leben und Tod, Freude und Schmerz, Gelehrsamkeit und Einfachheit, Schweigen und Reden: waren sie nicht alle gekommen als Triebfedern und hatten in den verschiedensten Richtungen an ihrer Seele und ihrem Geiste und ihrem Verstande gezerrt? Hatten sie ihr edles und großmütiges, wenn auch stolzes und stürmisches Herz nicht alle nach einer Richtung gelenkt, wie Steuerruder und Wind gegeneinander kämpfen und doch nur den einen Lauf des Schiffes bestimmen? Was entscheidet endlich den einmütigen Beschluß all dieser widerstreitenden Kräfte untereinander? Das steht nicht bei den Menschen. Nur Weisheit, aber nicht Philosophie entscheidet. Wir haben uns soeben mit Begebenheiten beschäftigt, welche am zwanzigsten Januar verzeichnet sind. Möge der Leser einen Blick in seinen Kalender werfen und sehen, welchen Namen der folgende Tag trägt, dann wird er zugeben, daß es ein wichtiger Tag in unserer Erzählung sein muß.Der einundzwanzigste Januar: Agnes.
Von der Audienz fort begab Fabiola sich in die Gemächer der Irene, wo sie nichts fand als Kummer und Verzweiflung. Sie hatte das größte Mitleid mit dem Jammer, den sie vor Augen sah, aber sie empfand, daß zwischen jenem Schmerz und ihrem eigenen dennoch ein großer Unterschied sei. Es war eine Lebendigkeit des Geistes in ihnen, fast ein Frohlocken, das durch ihren Kummer brach; ihre Wolken waren zuweilen sonnig angehaucht und hell. Aber sie selbst war in tote, schwarze, düstere, schwere Finsternis versunken; ihr war, als habe sie einen unersetzlichen, hoffnungslosen Verlust erlitten. Ihr Suchen nach dem Christentum, mit dem sich in ihren Gedanken alles verband, was liebenswert und klug und aufgeklärt war, hatte sein Ende erreicht, wie sie meinte. Der Lehrer, den sie geliebt und erwünscht hatte, war tot.
Als die Menge sich aus dem Palast und dessen Umgebung entfernt hatte, nahm sie liebevollen Abschied von der Witwe und ihren Töchtern; aber, wie es auch sein mochte, sie konnte die heidnische Schwester nicht so innig lieben, wie die andere.
Nun saß sie allein zu Hause und versuchte zu lesen; sie nahm einen Teil nach dem anderen von berühmten Werken vor, welche von Tod und Seelenstärke, von Freundschaft und Tugend handelten. Aber jedes Buch erschien ihr schal, ungesund und unwahr. Sie versank tiefer und tiefer in eine düstere Traurigkeit, die bis zum Abend anhielt, als sie endlich durch einen Brief gestört wurde, den man ihr überbrachte. Die griechische Sklavin, Graja, welche ihn übergeben hatte, zog sich an das entfernteste Ende des Gemaches zurück, denn sie war bestürzt und erschrocken über das, was sie erblickte. Denn kaum hatte ihre Gebieterin einen Blick auf den Zettel geworfen, als sie wild von ihrem Ruhebett emporsprang, mit den Händen in das Haar fuhr, sie dann wie in Todesangst gegen die Schläfen preßte, einen Augenblick wie versteinert in dieser Stellung verharrte, dann mit unnatürlich starrem Blick aufsah und endlich mit jammervollem Stöhnen auf einem Sessel zusammenbrach. So blieb sie einige Minuten, den Brief in beiden Händen haltend, die Arme schlaff herabhängend, augenscheinlich vollständig bewußtlos.
»Wer hat diesen Brief gebracht?« fragte sie endlich etwas gefaßter.
»Ein Soldat, Herrin,« antwortete die Dienerin.
»Laß ihn eintreten.«
Während ihrem Befehl Folge geleistet wurde, versuchte sie sich zu sammeln und ihr Haar zu ordnen. Sobald der Soldat eingetreten war, führte sie folgendes Gespräch mit ihm:
»Woher kommst du?«
»Ich habe den Nachtdienst im Kerker des Tullian.«
»Wer gab dir diesen Brief?«
»Die edle Agnes selbst.«
»Weshalb ist das arme Kind dort?«
»Ein Mann, Namens Fulvius hat die Beschuldigung gegen sie erhoben, daß sie Christin sei.«
»Sonst nichts?«
»Sonst nichts, dessen bin ich gewiß.«
»Dann werden wir die Sache bald ordnen. Ich kann das Gegenteil beweisen. Sag' ihr, daß ich augenblicklich bei ihr sein werde, und nimm dies für deine Mühe!«
Der Soldat entfernte sich, und Fabiola blieb allein. Wenn es etwas zu vollbringen galt, so war ihr Geist zugleich energisch und konzentriert, obgleich sich in der Folge die Weichheit des Weibes vielleicht oft um so peinlicher geltend machte. Sie hüllte sich fest in einen Mantel, begab sich ohne Begleitung nach dem Gefängnis, und wurde sofort in eine abgeschlossene Zelle geführt, welche man Agnes in Anbetracht ihres Ranges und der beträchtlichen Schenkungen ihrer Eltern angewiesen hatte.
»Was hat dies zu bedeuten, Agnes?« fragte Fabiola ungestüm, nachdem sie ihre Verwandte herzlich umarmt hatte.
»Vor wenigen Stunden nahm man mich gefangen und brachte mich hierher.«
»Und ist Fulvius wirklich Thor und Schurke genug, um eine Anklage wider dich zu ersinnen, welche fünf Minuten vollständig über den Haufen werfen können? Ich selbst werde zu Tertullus gehen und sofort dieser albernen Beschuldigung widersprechen.«
»Welcher Beschuldigung, du Gute?«
»Nun, daß du Christin bist!«
»Und das bin ich, dem Himmel sei dafür Dank!« entgegnete Agnes und machte das Kreuzzeichen.
Diese Verkündigung traf Fabiola nicht wie ein Blitz, noch machte sie sie bestürzt oder aufgeregt oder stutzig. Sebastianus hatte derselben alle Schärfe und Schwere genommen. Sie hatte jenen Glauben bei dem gefunden, welchen sie für den Inbegriff jeder männlichen Tugend hielt; und jetzt war sie nicht mehr erstaunt, ihn auch in jener zu finden, welche sie als das Vorbild der weiblichen Vollkommenheit geliebt hatte. Die stille Größe der Erhabenheit dieses Kindes, seine arglose Unschuld und unwandelbare Güte hatte sie verehrt. Es machte Fabiolas Bedenken geringer, es brachte ihr Problem der Lösung näher, zwei so unvergleichliche Wesen zu finden, die nicht zufällig aufgeschossene Pflanzen, sondern edle Schößlinge waren, die demselben Keim entsprossen. Sie neigte das Haupt in liebevoller Verehrung vor dem Kinde und fragte:
»Wie lange bist du Christin?«
»So lange ich lebe, Fabiola; ich sog den Glauben mit der Muttermilch ein, wie wir zu sagen pflegen.«
»Und weshalb hieltest du es vor mir geheim?«
»Weil ich deine heftigen Vorurteile gegen uns kannte; weil ich wußte, wie du uns für die Thäter der schändlichsten Verbrechen hieltst und glaubtest, daß wir dem lächerlichsten Aberglauben frönten. Ich bemerkte, wie du uns als dumm, unerzogen, unphilosophisch und unvernünftig betrachtetest. Du wolltest kein Wort über uns hören, und der einzige Gegenstand, den deine großmütige Seele haßte, war der christliche Name.«
»Das ist wahr, teure Agnes, und doch glaube ich nicht, daß ich ihn gehaßt haben würde, wenn ich gewußt hätte, daß du und Sebastianus Christen wart. An euch beiden hätte ich alles lieben können.«
»So denkst du jetzt, Fabiola; aber du kennst nicht die Macht des allgemeinen Vorurteils, das Gewicht einer stets wiederholten Lüge. Wie viele edle Gemüter, große Geister und liebevolle Seelen sind von diesen beiden in Fesseln geschlagen! Wie viele Menschen haben sie glauben gemacht, daß wir sind, was wir nicht sind, nämlich schlechter als die Schlechtesten!«
»Ach, Agnes, es ist selbstsüchtig von mir, in deiner gegenwärtigen Lage so mit dir zu streiten. – Du wirst den Fulvius doch natürlich zwingen, zu beweisen, daß du Christin bist?«
»O nein, teure Fabiola; ich habe es bereits bekannt und beabsichtige, es morgen früh auch öffentlich zu thun.«
»Morgen früh! Wie! morgen früh?« rief Fabiola entsetzt bei dem Gedanken, daß die Sache so nahe bevorstand.
»Ja. Morgen früh. Um jeden Lärm und jeder Störung um meiner Person willen zuvorzukommen (obgleich ich vermute, daß man sich nicht viel um mich kümmern wird), soll ich morgen früh verhört, und ein summarisches Verfahren eingeschlagen werden. Sind das nicht freudige Nachrichten, teure Fabiola?« fragte Agnes lebhaft, indem sie die Hände ihrer Cousine ergriff. – Dann richtete sie einen ihrer verzückten Blicke empor und rief aus:
»Siehe, wonach ich mich lange gesehnt habe, das schaue ich jetzt; worauf ich gehofft habe, das besitze ich jetzt; mit Ihm allem fühle ich mich jetzt im Himmel vereint, den ich hier auf Erden so innig geliebt habe.Ecce quod concupivi jam video, quod speravi jam teneo; ipsi sum juncta in coelis quem in terris posita tota devotione dilexi. – Offizium der heiligen Agnes. O! ist Er nicht schön, Fabiola, schöner als die Engel, welche um Ihn stehen! Wie süß ist Sein Lächeln! Wie milde Sein Blick! Wie gütig der ganze Ausdruck Seines Angesichts! Und jene holde und liebreiche Jungfrau, die Ihm stets zur Seite ist, unsere Königin und Gebieterin, die nur Ihn allem liebt, wie huldvoll winkt sie mir, mich ihrem Gefolge anzuschließen! Ich komme! Ich komme! – Jetzt sind sie fort, Fabiola; aber morgen in der Frühe werden sie kommen, um mich zu holen; sehr früh, vergiß das nicht, und dann werden wir für immer vereint sein!«
Fabiola fühlte, wie ihr eigenes Herz sich hob und schwoll, als sei ein neues Element in dasselbe eingezogen. Sie wußte nicht, was es sei, aber es schien etwas besseres, als eine einfache, menschliche Empfindung. Sie hatte das Wort »Gnade« noch nicht vernommen. Agnes indessen bemerkte die glückliche Veränderung in ihrer Seele und dankte Gott innerlich dafür. Sie bat ihre Verwandte, noch einmal vor Tagesanbruch zu ihr zu kommen, um den letzten Abschied von ihr zu nehmen.
Um dieselbe Zeit wurde in dem Hause des Präfekten eine Beratschlagung zwischen diesem würdigen Beamten und seinem noch würdigeren Sohne abgehalten. Um den Inhalt derselben kennen zu lernen, thäte der Leser gut, ihr zuzuhören.
»Gewiß,« sagte der Richter, »wenn die alte Hexe in der ersten Sache recht gehabt hat, so hatte sie es auch in der zweiten. Aus Erfahrung kann ich dafür einstehen, daß Reichtum gar mächtig ist, wenn es gilt, irgend ein Hindernis aus dem Wege zu räumen oder einen Widerstand zu besiegen.«
»Und du wirst auch zugeben müssen,« sagte Corvinus, »daß nach der Aufzählung, welche wir gemacht haben, unter den Bewerbern um Fabiolas Hand sich nicht ein einziger befunden hat, den man nicht mit Recht einen Bewerber um ihr Vermögen hätte nennen können.«
»Du selbst einbegriffen, mein teurer Corvinus.«
»Ja, bis zu einem gewissen Punkte; aber nicht, wenn es mir gelingt, ihr mit mir zugleich den großen Reichtum ihrer Verwandten Agnes anzutragen.«
»Und noch dazu in einer Weise, welche, wie mich dünkt, leichter siegen wird, nach dem, was ich von ihrem großmütigen und erhabenen Charakter gehört habe. Wenn du ihr jenen Reichtum unabhängig von jeder Bedingung giebst, so wirst du ihr eine der beiden Verpflichtungen auferlegen, entweder dich zum Gemahl zu nehmen oder dir das Vermögen vor die Füße zu werfen.«
»Bewundernswert, mein Vater! Die zweite Alternative war mir bis jetzt noch nicht eingefallen. Siehst du keine andere Möglichkeit mich in den Besitz desselben zu bringen, als durch sie?«
»Durchaus keine. Fulvius wird natürlich seinen Anteil verlangen, und die Wahrscheinlichkeit ist, daß der Kaiser erklären wird, er beabsichtige, das Ganze für sich zu nehmen. Denn er haßt Fulvius. Wenn ich aber einen gemeinfaßlichen und augenscheinlich vernünftigen Plan in Vorschlag bringe, das Vermögen der nächsten Verwandten zu geben, welche unsere Götter verehrt – und das thut Fabiola doch, nicht wahr?«
»Gewiß, mein Vater.«
»So glaube ich, daß er ihn annehmen wird; während ich fest davon überzeugt bin, daß keine Aussicht vorhanden ist. er werde mir aus freien Stücken ein Geschenk damit machen. Dieser Vorschlag von einem Richter gemacht, würde ihn in Wut versetzen.«
»Wie willst du es denn bewerkstelligen, Vater?«
»Ich werde im Lauf der Nacht ein kaiserliches Reskript aufsetzen lassen, das zur Unterschrift bereit ist; und gleich nach der Urteilsvollstreckung werde ich mich in den Palast begeben; den Unwillen, welchen dieselbe hervorgerufen hat, um vieles übertreiben, die ganze Schuld auf Fulvius' Schultern wälzen und dem Kaiser zeigen, wie sehr es seinen Ruhm und seinen Glanz erhöhen wird, wenn er das Vermögen derjenigen Person giebt, welche das nächste verwandtschaftliche Anrecht daran hat. Er ist ebenso eitel, wie er grausam und räuberisch ist, und ein Laster muß benutzt werden, um das andere zu bekämpfen.«
»Nichts könnte besser erdacht sein, mein teurer Vater; ich werde mich mit leichtem Herzen zur Ruhe legen. Morgen wird der entscheidende Tag meines Lebens sein. Meine ganze Zukunft hängt davon ab, ob sie mich annimmt oder abweist.«
»Ich wünschte nur, daß ich diese unvergleichliche Dame gesehen und die Tiefen ihrer Philosophie ergründet hätte, ehe du den Handel endgültig abschließt,« sagte Tertullus, indem er sich erhob.
»Fürchte nichts, Vater, sie ist wohl würdig, deine Schwiegertochter zu werden. Ja, ja, morgen ist der Wendepunkt meines Schicksals!«
Sogar Corvinus kann seinen entscheidenden Tag haben. Weshalb denn nicht Fabiola?
Während dieses vertraute Gespräch geführt wurde, fand auch eine Besprechung zwischen Fulvius und seinem liebenswürdigen Onkel statt. Letzterer, welcher spät heimkehrte, fand Fulvius einsam und mürrisch in seinem Gemache sitzend. Er redete ihn an:
»Nun Fulvius, ist sie in Sicherheit gebracht?«
»Das ist sie, Onkel; so sicher wie Mauern und Riegel sie machen können; aber ihr Geist ist so frei und unabhängig wie immer.«
»Das darf dich nicht bekümmern. Ein scharfer Stahl macht scharfem Geist ein Ende. Ist ihr Schicksal entschieden? Und kann kein Zweifel über die Folgen herrschen?«
»Nun, wenn nichts unvorhergesehenes geschieht, so ist ersteres entschieden. Die Entscheidung über den zweiten Punkt hängt noch von der kaiserlichen Laune ab. Aber ich muß gestehen, daß ich Schmerz und Gewissensbisse empfinde bei dem Gedanken, daß ich ein so junges Leben für einen so ungewissen Zweck opfere.«
»Komm Fulvius,« sagte der alte Mann strenge und sah so kalt und unbewegt aus, wie ein grauer Fels im Morgennebel, »hoffentlich wirst du keine Schwäche und Weichherzigkeit in dieser Angelegenheit zeigen. Erinnerst du dich, welcher Tag morgen ist?«
»Ja, der zwölfte vor den Kalenden des Februar.«21. Januar.
»Stets der entscheidende Tag für dich. Es war an diesem Tage, daß du, um den Reichtum eines anderen zu gewinnen, das begingst, was – –«
»Gnade, Gnade!« unterbrach ihn Fulvius in Todesangst. »Weshalb mußt du mich stets an alles das erinnern, was ich selbst am liebsten vergessen möchte?«
»Weil du dich selbst vergessen möchtest – und das darf nicht sein. Ich muß dir jeden Vorwand nehmen, daß du dich vielleicht durch dein Gewissen, durch Tugend oder gar Ehre leiten lassen könntest. Es ist Thorheit, Mitleid für das Leben irgend eines Menschen zu heucheln, welcher deinem Glücke im Wege steht, nachdem was du ihr angethan hast.«
Fulvius biß sich die Lippen in schweigender Wut und bedeckte sein purpurrotes Gesicht mit beiden Händen. Eurotas rüttelte ihn auf, indem er sagte:
»Gut also. Morgen ist wieder ein entscheidender Tag für dich, und vielleicht der letzte. Laß uns die Aussichten ruhig erwägen. Du willst zum Kaiser gehen und deinen gerechten Anteil an dem konfiszierten Vermögen fordern. Nehmen wir den Fall an, daß er dir gewährt wird?«
»So werde ich ihn möglichst schnell verkaufen, meine Schulden bezahlen und mich in irgend ein Land zurückziehen, wo man meinen Namen niemals gehört hat.«
»Setzen wir aber den Fall, daß du mit deinen Ansprüchen abgewiesen wirst?«
»Unmöglich! Unmöglich!« rief Fulvius aus, den der bloße Gedanke schon zur Verzweiflung brachte; »es ist mein Recht, das ich mir sauer genug verdient habe. Man kann es mir nicht verweigern.«
»Ruhig, mein junger Freund; laß uns die Sache mit kaltem Blute überlegen. Erinnere dich unseres Sprichwortes: ›Zwischen dem Steigbügel und dem Sattel fällt noch mancher ab‹. Nimm nur an, daß man dir deine Rechte verweigert?«
»Dann bin ich ein ruinierter Mann. Ich habe keine andere Aussicht hier, meine Angelegenheiten noch einmal ordnen zu können. In dem Falle muß ich notgedrungen fliehen.«
»Gut. Und was schuldest du am Bogen des Janus?«Im Forum oder in der Nachbarschaft desselben standen mehrere dem Janus geweihte Bogen, welche einfach nach seinem Namen genannt wurden; hier hatten die Wucherer und Geldleiher ihren Stand.
»Mehrere hundert Sestertia und fünfzig Prozent Zinsen. Ich schulde sie jenem gewissenlosen Juden Ephraim.«
»Auf welche Sicherheit hin?«
»Auf meine sichere Erwartung hin, daß ich die Besitztümer jener Dame erlangen werde.«
»Und glaubst du, daß er dich entwischen lassen wird, wenn du dich getäuscht hast?«
»Gewiß nicht, wenn er weiß, daß ich solche Absicht hege. Aber von diesem Augenblick an müssen wir auf alles vorbereitet sein. Und zwar müssen wir alle Vorkehrungen so geheim wie möglich treffen.«
»Überlaß das mir, Fulvius. Du siehst, wie ereignisreich der morgende Tag oder eigentlich schon der heutige für dich werden kann, denn der Morgen naht schon. Leben und Tod hängen für dich davon ab. Es ist der große Tag deines Daseins. Mut denn, oder vielmehr einen unbeugsamen Willen! Stähle dich, um dein Schicksal heraus zu arbeiten.«