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Heinrich Leuthold: 1827-1879

 

Aus den fünf Rhapsodien Hannibal

 

Im Punierlager

Es ruhten nun im Lager
Bei Zechgelag und Schmaus
Die Völker der Karthager
Vom Kampf und Siegen aus,
Gesondert nach drei Welten,
Nach Sprache, Waffen, Wahl,
Iberer, Tyrer, Kelten
In Zelten,
Die Libyer im Machal.

Hier geht der Schlauch im Kreise,
dort tönt ein gallisch Lied,
Die Mamertinerweise
Singt hier ein Ausonid.
Kriegsvolk von allen Rassen
Und Zungen füllt den Raum...
Des Lagers breite Gassen,
Sie fassen
Die wilden Scharen kaum.

Und doch, wie vielgestaltig
Der Völker bunt Gemeng,
Sie bändigt, allgewaltig,
Ein Wille, stark und streng!
Und jedem Volk des Heeres
Steht sein Altar bereit,
Dem Gott des Kriegs, des Meeres,
Der Ceres,
Dem Dienste Baals geweiht.

Der Isispriester schlichtet
Mit dunklem Wortgespinst
Die Zweifel und verrichtet
Geheimnisvoll den Dienst.
Hier weissagt aus Gedärmen
Ein Schalk; ein Hierophant
Lehrt ernsten Tons; dort lärmen
In Schwärmen
Kuret und Korybant.

Hier üben Klinabaren
Den Arm im Waffenspiel;
Dort werfen Balearen
Mit Schleudern nach dem Ziel;
Hier trifft der Pfeil die Eule,
Dort werfen im Tumult
Die Gallier nach der Säule
Die Keule;
Hier ächzt das Katapult.

Dort kracht ein Schild, hier splittert
Ein Speer, die Tuba ruft,
Vom Ton der Zymbeln zittert,
Von Pauken dröhnt die Luft.
Doch senkt die Nacht sich nieder,
Dann salbt bei Fackelglanz
Der bräunliche Numider
Die Glieder
Mit Öl zum Waffentanz.

Wie dreht er sich geschmeidig,
Die Stirne kranzumlaubt,
Die Klinge, blank und schneidig,
Geschwungen um das Haupt!
Das Haar umkränzt mit Rosen,
Gibt die Phönikerin
Glutäugig sich dem losen
Liebkosen
Der bärtigen Krieger hin.

Um ihre schlanke Hüfte
Schlingt seinen Arm gewandt
Und hebt sie in die Lüfte
Der wilde Garamant.
Jetzt löst den trunknen Sinnen
Der Rausch die Fessel ganz,
Und Gaditanerinnen
Beginnen
Den wildbewegten Tanz.

Erst drehn sie, jede Regung
In schönem Ebenmaß,
Mit zierlicher Bewegung,
Behutsam wie auf Glas,
Im Kreis sich, scheu, verhalten;
Doch nahen ihrerseits
Die kriegrischen Gestalten,
Entfalten
Sie jeden üppigen Reiz.

Wie wiegen sie die Büsten
Von reicher Fülle schwer,
Mit hochgewölbten Brüsten
Verlockend hin und her!
Das Tympanon in Händen,
Geschürzt bis zu den Knien,
In Wollust und Verlangen
Wie Schlangen
Dem Arm entgleiten sie.

Wie sie behend sich drehen,
Die Hüfte halb entblößt,
Bis sich, wie aus Versehen,
Vollends der Gürtel löst!
Wie sie im Sprung entschweben,
Bacchantisch-toll ... und nun,
Wollüstig hingegeben,
Mit Beben
Im Arm der Tänzer ruhn!

Nun hält der trunknen Weiber
Verführerische Last,
Die braunen, üppigen Leiber
Die wilde Gier umfaßt.
Hier wird zu leisem Flüstern
Der Stimme Ton gedämpft,
Und dort wird keck und lüstern
Im Düstern
Die letzte Scheu bekämpft.

Bald schlingen sich zum Knäuel
Die Paare Brust an Brust;
Dem wilden Schlachtengreuel
Folgt süßer Kampf der Lust.
Stets frecher wird und freier
Gelärmt, gebuhlt, gelacht ...
Und auf die wüste Feier
Den Schleier
Senkt die verschämte Nacht.

*


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