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Als das Zabergäu zum größten Teil noch dicht bewaldet war, lebte in jener Gegend ein junger Mann aus edlem Geschlechte, aber dem Dienst der germanischen Götter ergeben. Die ihm anverlobte Jungfrau war eine fromme und treue Jüngerin Jesu Christi und wollte auch ihn für den neuen Glauben gewinnen. Als ihre vielen Bemühungen ganz ohne Erfolg geblieben waren, verließ sie ihre Eltern und floh in tiefstem Gram in die schauerlichste Einöde hinaus und lebte unter den Tieren des Waldes, die ihr aber nichts zu Leide taten, sondern sie noch nährten. Nach wenigen Jahren waren ihre Kräfte erschöpft. In Baumrinden und Steinflächen ritzte sie ihre letzten Gedanken ein, dann starb sie.
Ihr ehemaliger Geliebter, der immer noch die Götter der Germanen verehrte, verirrte sich einst auf der Jagd hierher, denn er vermochte das Wild nicht zu erlegen, das ihn unverwandt anblickte, als fühlte es sich durch einen mächtigen Schutzgeist vor seinen Pfeilen gefeit. Da las er nun die Schriftzeichen (Runen) der Geliebten und fand ihr selbst gebettetes Grab, in welchem sie unter herbstlichem Laub und Berggerölle lag; die edelste Sehnsucht nach ihr regte sich in seinem Herzen, und er schmückte ihre Ruhestätte mit Waldblumen.
Die toten Götzen warf nun der Jüngling von sich und bekehrte sich zu dem lebendigen Gott, unternahm eine Wallfahrt, ließ sich vom Bischof zu Worms taufen und zog sich in die Einsamkeit zurück. Auf der Höhe jenes Hanges, wo er die teure Tote gefunden, erbaute er sich eine Hütte, um von nun an des Glaubens zu leben, den die liebe Abgeschiedene so freudig bekannt hatte. Der Ruf von seiner Frömmigkeit verbreitete sich in der weiten Umgegend, und viele suchten und fanden bei ihm Trost, Rat und Hilfe in allen Anliegen des Lebens. Auch als Greis blieb er innerlich jung und geistig frisch.
Einmal klopfte es, als er gerade sein Gebet verrichtete, in stürmischer Regennacht an die enge Pforte seiner Zelle. Er öffnete, und eine schöne, hohe Gestalt trat ein. In ihren Augen leuchtete göttlicher Friede und ein lichter Kranz umgab das freundliche Haupt. »Dein Flehen ist erhört,« sprach der Gast mit himmlischer Milde, »gehe ein zu deines Herrn Freude!« Er küßte den Greis auf die Stirne, und die erlöste Seele schwebte hinüber zur Ruhe der Seligen.
Fromme Waller fanden des Morgens die Leiche neben dem kleinen Betaltar. In dem Antlitz des Entschlafenen leuchtete der Widerschein des Himmelsglanzes. Weinend begruben sie ihn und bauten an dieser Stätte ein Bethaus, an dessen Stelle in späteren Zeiten die Kirche von Frauenzimmern erstand. Die Anhöhe über der Zaber heißt jetzt noch das Himmelreich und der Ort, wo der Einsiedler hauste, die Gottesnähe.
(A. H.)