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Der Bau des Reußensteins.

Auf einer Felsenkrone des Reidlinger Tals, umrauscht von dunklem Buchenwald, erheben sich die Ruinen des Reußensteins. Der mächtige Turm, die breiten und hohen Schloßmauern mit Fenstern und weiten Toren streben hinauf in des Himmels Blau, jede andere Nachbarschaft verschmähend als die der Wolken.

Geradeüber von der Burg an einem Berge, worauf der mächtige Felsen des Hennensteins steht, liegt eine Höhle. Darinnen wohnte vor alters ein Riese. Er hatte ungeheuer viel Gold und hätte herrlich und in Freuden leben können, wenn es noch mehr Riesen und Riesinnen außer ihm gegeben hätte. Da fiel es ihm ein, er wolle sich ein Schloß bauen, wie es die Ritter haben auf der Alb. Der Felsen gegenüber schien ihm gerade recht dazu.

Er selbst aber war ein schlechter Baumeister. Er grub mit den Nägeln haushohe Felsen aus der Alb und stellte sie aufeinander; aber sie fielen immer wieder ein und wollten kein geschicktes Schloß geben. Da legte er sich auf den Beurener Felsen und schrie ins Tal hinab nach Handwerkern. Zimmerleute, Maurer und Steinmetze, Schlosser, alles solle kommen und ihm helfen, er wolle gut bezahlen.

Man hörte sein Geschrei im ganzen Schwabenland, vom Kocher hinauf bis zum Bodensee, vom Neckar bis an die Donau, und überall her kamen die Meister und Gesellen, um dem Riesen ein Schloß zu bauen.

Es war lustig anzusehen, wie er vor seiner Höhle im Sonnenschein saß und zuschaute, wie sie über dem Tal drüben auf dem hohen Felsen sein Schloß bauten. Meister und Gesellen waren flink an der Arbeit und bauten, wie er ihnen über das Tal hinüber zuschrie: sie hatten allerlei fröhlichen Schwank und Kurzweil mit ihm, weil er von der Bauerei nichts verstand. Endlich war der Bau fertig und der Riese zog ein und schaute aus dem höchsten Fenster aufs Tal hinab, wo die Meister und Gesellen versammelt waren, und fragte sie, ob ihm das Schloß gut anstehe, wenn er so zum Fenster herausschaue. Als er sich aber umsah, ergrimmte er; denn die Meister hatten geschworen, es sei alles fertig, aber an dem obersten Fenster, wo er heraussah, fehlte noch ein Nagel.

Die Schlossermeister entschuldigten sich und sagten, es habe sich keiner getraut, vors Fenster hinaus in die Luft zu sitzen und den Nagel einzuschlagen. Der Riese aber wollte nichts davon hören, sondern weigerte sich, den Lohn auszuzahlen, bis der Nagel eingeschlagen sei.

Da zogen sie alle wieder in die Burg, die wildesten Burschen vermaßen sich hoch und teuer, es sei ihnen ein Geringes, den Nagel einzuschlagen. Wenn sie aber an das oberste Fenster kamen und hinausschauten in die Luft und hinab in das Tal, das so tief unter ihnen lag, und ringsum nichts als Felsen, da schüttelten sie den Kopf und zogen beschämt ab. Da boten die Meister zehnfachen Lohn, wer den Nagel einschlage, und es fand sich lange keiner.

Nun war ein flinker Schlossergeselle dabei, der hatte die Tochter seines Meisters lieb, und sie ihn auch, aber der Vater war ein harter Mann und wollte sie ihm nicht zum Weibe geben, weil er arm war. Der faßte sich ein Herz und dachte, er könne hier seinen Schatz verdienen oder sterben; denn das Leben war ihm entleidet ohne sie. Er trat vor den Meister, ihren Vater, und sprach: »Gebt Ihr mir Eure Tochter, wenn ich den Nagel einschlage?« Der aber gedachte seiner auf diese Art los zu werden, wenn er auf die Felsen hinabstürze und den Hals breche, und sagte ja.

Der flinke Schlossergeselle nahm den Nagel und seinen Hammer, sprach ein frommes Gebet und schickte sich an, zum Fenster hinaus zu steigen und den Nagel einzuschlagen für sein Mädchen. Da erhob sich ein Freudengeschrei unter den Bauleuten, daß der Riese vom Schlafe aufwachte und fragte, was es gebe. Und als er hörte, daß sich einer gefunden habe, der den Nagel einschlagen wolle, kam er, betrachtete den jungen Schlosser lange und sagte: »Du bist ein braver Kerl und hast mehr Herz als das Lumpengesindel da; komm, ich will dir helfen.« Da nahm er ihn beim Genick, daß es allen durch Mark und Bein ging, hob ihn zum Fenster hinaus in die Luft und sagte: »Jetzt hau drauf zu! Ich lasse dich nicht fallen.«

Und der Knecht schlug den Nagel in den Stein, daß er fest saß. Der Riese aber küßte und streichelte ihn, daß er beinahe ums Leben kam, führte ihn zum Schlossermeister und sprach: »Diesem gibst du dein Töchterlein.« Dann ging er hinüber in seine Höhle, langte einen Geldsack heraus und zahlte jeden aus bei Heller und Pfennig. Endlich kam er auch an den flinken Schlossergesellen. Zu diesem sagte er: »Jetzt gehe heim, du herzhafter Bursche, hole deines Meisters Töchterlein und ziehe ein in diese Burg, denn sie ist dein!« Der Bursche ließ sich das nicht zweimal sagen, und da sein Meister jetzt nichts mehr gegen ihn einzuwenden hatte, wurde Hochzeit gemacht und Einzug gehalten. Der Riese hatte seine Freude an dem schmucken jungen Paar und blieb ihr guter Freund, so lauge sie lebten.

(Hauff, Lichtenstein.)


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