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Zeichen der Zeit

Wie in der wissenschaftlichen Zeitschrift »Nature« mitgeteilt wird, ist es der rastlos vorwärtsschreitenden Industrie jetzt gelungen, desinfizierte Austern zu erzeugen. Der Zweck dieser Neuerung ist, die Austernvergiftungen, die bis jetzt ein Schrecken aller Leute von Welt gewesen sind, unmöglich zu machen.

Die Desinfizierung der Auster wird durch ein sehr kompliziertes und sinnvolles Verfahren schon während des Wachstums des Tieres bewirkt. Man setzt zu diesem Zwecke die Auster einer wiederholten und reichlichen Bewässerung aus. Die Auster wird fortwährend gespült, in immer neue Wasserbehälter gesetzt und mit frischem und destilliertem Wasser abgeschwemmt. Und wenn sie dann gänzlich verwässert ist, sind auch alle die bedenklichen Mikroben und Bazillen verschwunden, und man kann sie ohne jede Gefahr zu sich nehmen.

Auf einer Kochkunstausstellung, die am 1. März in Paris eröffnet wurde und die auch Herr Poincare besuchte, waren diese modernen Austern zu sehen und erregten lebhaftestes Interesse. Man kostete die desinfizierten Muscheltiere und bemerkte, daß sie durch das viele Wasser völlig den bekannten prononcierten Austerngeschmack und damit auch alle Schädlichkeit verloren hatten. Und alle Welt war einig in dem Gedanken, daß diese Errungenschaft sich würdig all den erstaunlichen Fortschritten der immer chemischer werdenden Kochkunst anzuschließen berufen sei. Den Gelehrten ist es jetzt gelungen, Kalbskotelettes aus Zelluloid zu bereiten und Hammelnieren aus den Abfällen der Anilinindustrie. Einem solchen chemischen Menü werden sich die antiseptischen Austern herrlich anschließen.

Allerdings wird sehr ängstlichen Leuten diese Art der Desinfektion nicht ganz genügen. Man kann es ja der Auster nicht ansehen, ob sie wirklich sterilisiert worden ist, und erst nach dem Genüsse, wenn es zu spät ist, weiß man an dem Geschmacke, ob es eine gewässerte Auster war oder nicht. Sicherer ist jedenfalls die Methode, die ich schon seit längerer Zeit mit dem besten Erfolge anwende. Wenn ich die Auster aus der Schale herausgeschnitten habe, spieße ich sie auf der Gabel auf und tauche sie einen Augenblick in eine dreiprozentige Karbollösung. Man kann sie dann mit vollem Vertrauen genießen.


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