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Das Motorrad

Ein Herr in meinem Hause hat sich ein Motorrad gekauft, mit dem er täglich ins Büro fährt. Seitdem der Herr dieses Motorrad gekauft hat, spielt sich sein häusliches Leben in breitester Öffentlichkeit ab.

Morgens, wenn der Herr aufbricht, stehen wir Nachbarn an den Fenstern und auf den Baikonen und sehen dem Manöver zu. Der Herr kommt in einem ledernen Taucheranzug, setzt sich auf das Motorrad und dreht eine Schraube. Dann brüllt das Motorrad einmal kurz auf, rührt sich aber nicht. Der Herr dreht noch einmal, das Motorrad brüllt wieder, und das wiederholt sich sieben- bis achtmal.

Endlich setzt sich das Motorrad doch in Gang, wir alle brechen in jubelnde Zurufe aus, und der Herr verschwindet pfeilschnell, indem er sich, wie die homerischen Götter, in eine bläuliche Wolke hüllt.

Nur daß bei den homerischen Göttern die bläuliche Wolke natürlich anders gerochen hat.

Mittags kommt der Herr zurück, stellt das Rad auf den Hof und stürzt in seine Wohnung, um zu essen. Damit kann er sich aber nicht lange aufhalten, denn schon nach wenigen Minuten erscheint er wieder auf dem Hofe, angetan mit einem Arbeitsanzug. Er hockt sich hin und fängt nun an, das Rad zu säubern, was vier oder fünf Stunden dauert. Manchmal ist er des Abends noch nicht fertig damit und muß eine Laterne anstecken.

»Was ist denn der Nutzen eines solchen Motorrades?« fragte ich ihn gestern von meinem Fenster aus.

»Zeitgewinn«, antwortete er, »mit der Straßenbahn brauche ich drei viertel Stunden bis ins Büro; mit dem Rade zehn Minuten.«

»Ja aber«, rief ich höhnisch herunter, »dafür müssen Sie den ganzen Nachmittag das Rad säubern; wo bleibt denn da der Zeitgewinn?«

Er stand auf und wischte sich die Stirn ab. »Erstens«, sagte er, »macht es mir Spaß, mein Rad zu säubern. Zweitens, was soll ich denn sonst mit dem ganzen Nachmittag anfangen?«

Ich schloß das Fenster und zog mich tief beschämt zurück.


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