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Bei den Büchern der Stadt

Im Saal der Stadtbibliothek, wo früher des Kaisers Pferdemarstall war, sitze ich und sehe etwas in Grimms Deutschem Wörterbuch nach. Aber wenn ich Fritz Reuter lesen wollte, so stünde auch dem nichts im Wege, oder das bürgerliche Kochbuch oder den »Simplicissimus«; alle diese Werke können hier benutzt werden und werden auch sehr fleißig benutzt.

Ich habe eine kleine Untersuchung angestellt, welches Buch oder welcher Abschnitt in der Stadtbibliothek am meisten gelesen wird, was sich an den Fettflecken ungefähr erkennen läßt. Am meisten wird gelesen Brehms Kapitel über die Haifische.

 

Von den Wänden aber und Bücherbrettern herab blicken die Bilder der Geistesfürsten auf uns, die wir uns zögernd in ihren Spuren bewegen. Virchow, mit dem gräßlichen Lächeln, vor dem einst der Prüfling zu Stein erstarrte, der vergnügte Gotthold Ephraim Lessing und viele, die ich gar nicht kenne. Und in der Nische steht die Büste einer schönen Frau, deren Name nicht genannt ist, die aber, Gott straf mich, niemand anders ist als die Tilla Durieux. Man erkennt sie an dem Katzenhaften.

Auch ist es angenehm, daß die Aufsicht über den Lesesaal nicht ein bebrillter Bibliothekar führt, sondern ein freundliches Fräulein in roter Bluse. Sie hat ein Glas mit Vergißmeinnicht vor sich. Aber sie tut nur so freundlich; hinter dem Vergißmeinnicht hervor beobachtet sie uns scharf, ob nicht einer von uns ein Buch stiebitze.

Hier sitze ich in einem Raum, der einst dem Geist der Rösser diente und jetzt dem Geist von H. Heine und Th. Mommsen gewidmet ist. Durch das Fenster sehe ich das verunglückte Königsschloß, an dem des Bürgerkrieges Spuren verwittern; und von unten herauf tönt das Lärmen der Straßenmärkte. Die Welt ist unter der Herrschaft des Herrn Ebert ebenso bunt und mannigfaltig geblieben, wie sie unter den Kaisern mit ihren Adlerhelmen gewesen ist.

Die Regierungen da oben mögen sich ändern, wie sie wollen, das Leben ist immer gleichermaßen reich für den, der es liebt und der ihm dient.

Wir sind im Saale unserer dreißig bis vierzig Menschen jedes Standes, die so von der Straße heraufgekommen sind; zwei Soldaten sind darunter, auch ein Mann, der eine Uniform trägt, ungefähr wie die eines Straßenbahnschaffners.

Allerdings, Leute, die aussehen wie Valutaspekulanten, die sind hier nicht vorhanden. Aber das ist ja leicht erklärlich, da die Valutaspekulanten ihre eigenen schimmernden Privatbüchereien haben.

Dort sitzen sie ganz allein, damit sie niemand störe, und sind in Spinozas »Ethik« vertieft.


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