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Sehen Sie, das Merkwürdigste in Salzburg ist ja die Geschichte mit dem Glockengeläut und mit der Orgel um elf Uhr. Jeden Tag um elf Uhr läutet das alte Glockenspiel auf dem Neugelände. Und gleichzeitig spielt die große Orgel hoch oben auf der Burg, und zwar spielt die Orgel so, daß man ihr Tönen tief unten in der Stadt auf dem Platz hören kann.
Und da kommen nun alle Leute zusammen, die für so etwas Interesse haben, und postieren sich auf dem Platze. Aber man muß sich ganz ruhig verhalten und nicht wackeln und nicht herumlaufen, weil sonst die windverwehten Töne kaum zu hören sind. Und so still wird es dann auf dem Platz, daß die Tauben von den marmornen Gesimsen herunterflattern und zwischen den stehenden Zuhörern dreist herumspazieren.
Es kostet keinen Eintritt, und die Einlage von Sonderzügen zum Besuch dieser Merkwürdigkeit hat sich bis jetzt noch nicht als notwendig erwiesen.
Diese musikalische Spielerei ist von irgendeinem Fürstbischof des achtzehnten oder siebzehnten Jahrhunderts angelegt worden. Und nun denke man gütigst einmal darüber nach: was war das für eine Zeit, die Zeit fand für solche Späße. Denn selbstverständlich ist dies Arrangement nicht etwa zufällig entstanden, es ist sorgfältig eingerichtet und berechnet worden; die Herren Hofarchitekten, die Kammermusizi, der Herr oberste Schloß- und Residenzuhrmacher, sowie Seine fürstbischöfliche Gnaden selber haben ausgemessen und ausprobiert, um es fertigzustellen, daß ein Orgel-Spiel vom Himmel hoch herabklänge in die ganze Stadt. Anstatt sich um die Anlage einer vernünftigen Kanalisation zu kümmern, die damals noch in ihren Kinderschuhen stak.
Überhaupt ist Salzburg eine Stadt der Schnurrpfeifereien und Überraschungen. Heimliche Säulengänge, marmorne Pferdeschwemmen mitten in der Stadt und kleine Kirchen, oben an den Felsen geklebt.
Ein Restaurant heißt »Zur Katze«, ein anderes »Zur Gans«, ein drittes »Zur Birne«, und ich schreibe diese Zeilen in dem Hotel »Zum Roten Krebs«, was mir besser gefällt, als wenn es Grand Hotel Monopol hieße.
Aber niemand weiß, woher der schöne Mirabellgarten – der aber jetzt ein wenig allzusehr verbürgerlicht wurde – seinen melodiösen Namen hat.
Wahrscheinlich wirkte einmal hier am Hofe eine italienische Sängerin mit Namen Mirabella, und weil diese Künstlerin Seiner Eminenz am Herzen gelegen hatte, deshalb wurde ihr zu Ehren der Mirabellgarten eingerichtet und mitten hinein das entzückende kleine Theater aus Laub und Busch.
Das Theater im Mirabellgarten, der Vorläufer des großen Festspielhauses, ist klein und eignete sich eigentlich nur für die Aufführung der sehr unanständigen Schäferspiele, die sich an diesem geistlichen Hofe der größten Beliebtheit erfreuten.
Im Parkett saß der Bischof im Kreise seiner Damen, Mirabella sang auf der Bühne und hatte einen feuchtschimmernden Blick, und schmetternd trillerten die Kastraten, die aber in den Büschen versteckt waren, damit man ihre Bäuche nicht sähe. Sie sangen unter der Leitung jenes talentvollen jungen Hofmusikus, der den schönen, seltenen, salzburgischen Namen Amadeus führte. Leider hat sich der junge Mensch später durch seine übertriebenen Gehaltsansprüche lästig gemacht und mußte entlassen werden.
Immer waren die Salzburger Landesfürsten berühmt wegen ihrer schönen Mätressen, wie andere Landesfürsten ihre Ehre in den Gardegrenadierregimentern suchten, und die Kunsthistoriker wollen daraus den etwas femininen Zug der salzburgischen Kultur erklären. Überall sieht man die Heilige Jungfrau in goldenen Kleidern, schwellende Busen aus Stuck und die beinschwingenden Engel, von denen man nie weiß, ob sie männlichen oder weiblichen Geschlechts sind.
Ein Fürstbischof von Salzburg hieß Paris. Mit dem Ton auf dem a; wie jener Hirte, der zu Gericht saß über Göttinnen.
Und niemals hat man hier gearbeitet, was der Gipfel der Weisheit ist, und keine Politik getrieben in der glücklichen Stadt, die abseits der Heerstraßen liegt.
Die einzige politische Leistung Salzburgs besteht darin, daß man die Protestanten ausgewiesen und unterdrückt hat. Das ist gewiß eine beklagenswerte Tat gewesen, aber offen gesagt, und Hand aufs Herz, was hatten die Protestanten hier zu tun? Der Protestantismus gehört nach dem Norden, an die Waterkant, nach Friesland, in weißangestrichene Kirchen, da paßt er vorzüglich hin. Hier im Lande der Weintrauben und der bunten Marmore wollen wir es bei der goldenen Madonna bewenden lassen.
Es ist doch nötig, ein paar Worte über die gegenwärtige Herrenmode in Salzburg zu sprechen.
Ich mache nämlich allmählich die Wahrnehmung, daß ich zur Zeit in Salzburg der einzige Mann bin, der lange Hosen trägt, sonst läuft die ganze männliche Bevölkerung in kurzen Hosen und mit nackten Beinen herum. Und zwar nicht etwa nur die Alpinisten und Besteiger des Watzmann, die ein Recht darauf hätten, nein, auch die Intellektuellen und die Geistesfürsten, bei denen es sich ganz merkwürdig macht. Man denke sich das Romanische Cafe mit nackten Beinen!
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