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Der Truthahn

Der Mensch kommt nur selten an den Alexanderplatz.

Aber der Mensch hat unrecht, denn diese Gegend dort ist die echteste der Stadt. All die Aufregung und der Betrieb und der Stuck und das falsche Barock und das berlinische Unechte, dort am Alexanderplatz ist es am echtesten zu haben.

Nur die Ausländer müssen manchmal in jene Gegend hin, die reich ist an bürgerlichen Behörden. Der Ausländer ist verdächtig und deshalb genötigt, hin und wieder dem Herrn Rat im Büro mitzuteilen, was er mit seiner Existenz bezweckt und eigentlich im Auge hat.

Und so entdeckt er die Gontardstraße, ein sackartiges Platzgebilde am Bahnhof, dort, wo die vielen Händler sind.

Du lieber Gott, sagt sich der Globetrotter, das sieht ja beinahe so aus wie der Marktplatz von Padua.

Wenigstens ist es geradeso unordentlich und wüst; und Apfelsinenschalen und Stroh liegen da, und Karren stehen verlassen, und das Gemüse ist ausgeschüttet, als gehöre es niemandem; als könne jeder sich nur so bedienen.

Die Händler halten gut stilisierte Reden und machen einer dichtgedrängten Zuhörerschar die Vorzüge ihrer Waren dramatisch vor. Der eine hält in der Hand einen außerordentlich defekten Stiefel, den er mit der berühmten amerikanischen Radiumwichse so lange behandelt, bis das Objekt vor unseren erstaunten Augen aufleuchtet wie das Rheingold. Sein Nachbar trommelt mit dem Hammer auf einer Kaffeetasse herum, die er soeben mit seinem Patentkitt ausgebessert hat und die nun nie und nimmerdar wieder entzweigehen kann.

Still lehnt an der Wand der Mann, der einen lebendigen Truthahn verkaufen will.

Der Truthahn sitzt neben ihm auf der Erde in einem Sack, der seinen bunten Kopf freiläßt, und blickt mit Märchenaugen still und klar in das merkantile Getriebe.

Auch prima Hosenstoff, meine Damen und Herren, ist zu haben, echt englischer Kammgarn, und der Händler breitet ihn auf dem Boden aus, so daß jeder daran zupfen und sich überzeugen kann.

Er ist merkwürdig billig, dieser prima Hosenstoff.

Aber siehe, da kommt plötzlich in die Menge eine seltsam zuckende Bewegung. Man weiß nicht, von wo es ausgeht, man weiß nicht, was los ist; es ist wie eine Flucht, und plötzlich ist der ganze Markt auseinander. Der prima Hosenstoff ist zusammengepackt, und die Händler verschwinden um Ecken, die man vorher nicht gesehen hatte.

Nur der Truthahn hat sich nicht gerührt und blickt weiter aus seinem Sack mit unschuldsvollen Augen hervor.

Er ist offenbar von uns allen der einzige, der ein gutes Gewissen hat.


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