Johann Gottfried Herder
Adrastea
Johann Gottfried Herder

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2. Newton's Teleskop.

Da keine Kraft ohne Organ wirkt, so hat, wer für menschliche Kräfte neue Werkzeuge schaffen kann, um die Menschheit das Verdienst eines Schöpfers. Die Fernröhre sowol als die Vergrößerungsgläser waren solche neue Organe. Dem Auge zeigten sie neue Welten; sie bestätigten oder berichtigten Vieles, was man durch Schlüsse gefunden hatte, entdeckten aber auch eine Menge ungeglaubter Wunder.

Mängel eines Werkzeuges dringen dahin, sie abzuthun, mithin bessre Werkzeuge zu erfinden. Die verschiedne Brechbarkeit der Lichtstrahlen bei dioptrischen Werkzeugen und die daher entspringende Verwirrung der Gegenstände munterte einerseits die Künstler auf, jenem Uebel durch Construction der Gläser abzuhelfen, theils führte sie Newton, der an einer gänzlichen Abhilfe zweifelte, zu dem Werkzeuge, das jetzt so berühmt worden ist, zu seinem Spiegelteleskop oder Reflector. Auf ihm gebietet ein einfaches klares Gesetz, daß nämlich der Strahl jederzeit unter dem Winkel, unter welchem er auffällt, zurückgebrochen werde.

Durch die successive Vervollkommung dieser InstrumenteS. Priestley's »Geschichte der Optik« u. a. bekannte Schriften. – H. ist man gegen das Ende des Jahrhunderts zu den Herschel'schen Teleskopen gelangt, die sterblichen Augen nicht nur unzählige Sonnen und Sterne, sondern, man darf sagen, das unermeßbare Weltall selbst-spiegelnd darstellen, und verbessert, noch klarer darstellen werden. Wie bei Berechnung und Ausgleichung der Gesetze unsers Sonnensystems am Anfange und Ende des Jahrhunderts Newton und De Laplace, so stehen in Erweiterung unsrer Ansichten des Weltgebäudes überhaupt Newton und Herschel einander gegenüber. Im eigentlichen Verstande haben sie uns Licht geschaffen und dadurch den Blick ins Unermeßliche verbreitet.S. Herschel's drei Abhandlungen »Ueber den Bau des Himmels«, Königsberg 1701; Fischer, »Ueber die Anordnung des Weltengebäudes«, ein freier Auszug aus Herschel's Schriften. S. Bode's »Astronomisches Jahrbuch« für das Jahr 1794. S. 213, in welchem Jahrbuch auch Herschel's Entdeckungen, wie sie nach und nach geschehen, angezeigt worden. – H.

Wie ein Jahrhundert früher das erfundene Fernrohr, so hat der Herschel'sche Reflector eine Reihe von Vermuthungen und Schlüssen, die ihm vorangegangen waren, theils bewährt, theils berichtigt und dem Newton'schen System sowol als manchen kühnen Lambert'schen Hypothesen leuchtende Fittige gegeben.

In Ansehung jenes fand auch Herschel bei seinen Sternhaufen die Centralgesetze in Wirkung, indem sich in ihnen zum Mittelpunkt Alles zu drängen scheint, in dessen Nähe die hellsten, zahlreichsten Sterne erscheinen. Er bemerkte, wie sich von großen Sternschichten oder Sternlagern äußerste Partien losmachen und eigne Systeme zu bilden anfangen, dagegen andre sich immer mehr zusammendrängende ihrer letzten Periode zu nahen scheinen. Er sah den Himmel wie einen unermeßlichen Garten, in dem, mit mancherlei Farben des Lichts und unter sehr verschieden Gestalten, Weltsysteme hier vom Keim aus sich bilden, dort wachsen und blühen, dort verblühen, damit eine junge Schöpfung hervortrete. Auch in diese Werkstätte künftiger Welten that er furchtsam-kühne Blicke und versprach weitere Resultate derselben. Der höchste Triumph des Newton'schen Systems gegen den Ausgang des Jahrhunderts!

Andre, insonderheit Lambert's Vermuthungen hat der Herschel'sche Reflector bestimmt und erweitert.

1. Längst hatte man durch Fernröhre kleine Sternhaufen, die Plejaden z. B., auch Strecken der Lichtstraße u. s. w., als zahlreiche Sternheere gefunden; man schloß daraus auf andre mehr oder minder glänzende Nebelflecke, zumal da einige derselben elliptisch erschienen.Maupertuis, vor und nach ihm Andre, schlossen also. – H. Ueber alles Vermuthen hinaus haben sich diese durch den Reflector vermehrt, in Schichten, Straßen und Lager vertheilt; mehrere Tausende derselben sind nach Entfernungen bezeichnet; der Himmel ist nach ihnen in verschieden Distanzen geschichtet, geaicht, gemessen worden. Sternhimmel nach Sternhimmel kreisen sich neben, über, hinter einander; weder Auge noch Phantasie finden ein Ende des Raums sternreicher Schöpfung.

2. Die Licht- oder sogenannte Milchstraße zeigt sich uns als ein Zusammenhangendes, ein sternbesetzter Goldreif; über seine Construction wagte man Vermutungen und Gedanken. Zuerst nahm sie Thomas WrightAn original Theory or new hypothesis on the Universe, founded on the laws of nature, and solving by mathematical principles the general phaenomena of the visible creation and particularly the via lactea. London 1750. 4. – H. mit einem großen Blick ins Auge; er brachte auf weitere Vermuthungen, die Kant in seiner »Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels« vortrug.»Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels, oder Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprunge des ganzen Weltgebäudes, nach Newton'schen Grundsätzen abgehandelt«. Königsberg und Leipzig 1755. – H. Dieser baute darin, wie er behauptet, nach Newton'schen Grundsätzen das Weltall mechanisch. Lambert, ohne von Wright und Kant zu wissen, von der Lichtstraße selbst angezogen, schrieb seine »Kosmologischen Briefe«,»Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaus«, von J. G. Lambert. Augsb. 1761. Verständig und mit Geschmack sind sie von Merian übertragen in seinem Système du monde . Bouillon 1770. Onmia in mensura et numero et pondere disposuisti. – H. eine Ehre des menschlichen Verstandes. In ihnen baute er kein Weltall mechanisch; er nahm es als mit Absicht, in weiser Ordnung, zur vielartigsten Bewohnbarkeit gebaut an und suchte den Plan seiner Einrichtung. Unsre Sonne und Sonnensystem fand er der Milchstraße angehörig, doch näher der Außenseite als dem Mittelpunkt zuliegend. Er muthmaßte selbst die Bahn des Zuges unsrer Sonne, äußerte über den Mittelpunkt, der auch ein dunkler Körper sein könne, zwar nicht schwärmerische, wie Wright, gewiß aber erhabne Gedanken und verfolgte die Bahnen jedes solchen Weltsystems in Ellipsen und Cykloiden mancherlei Grade bis zu seinem Mittelpunkt, einem Weltkörper, um den sie auch eine Ellipse beschreiben. Er vermuthete diesen Weltkörper im Orion und enthielt sich dabei aller Speculationen; ja, er zeigte selbst, daß, wenn kein solcher Mittelkörper in einem System vorhanden wäre, die Gesetze der Anziehung, obgleich verflochtner, dennoch stattfänden. Bescheidner Lambert, wie hoch hat Herschel's Reflector Deinen Ruhm erhöht, selbst über Deine Gedanken! Er hat mehrere Nebelflecke am Himmel gewiesen, die keine Sternhaufen, sondern ungeheure Weltkörper sind; im Orion selbst hat er Lichtquellen, gleichsam eine Werkstätte der Schöpfung, eröffnet, die Du kaum ahnen durftest. Unsre Sonne wandert mit ihrem ganzen Gefolg nach dem Gestirn des Hercules hin,Nach Herschel's und Prevost's Beobachtungen. S. Bode's »Astronomisches Jahrbuch« für 1786. S. 259, für 1787. S. 229. – H. eine Genossin der Lichtstrasse, unfern ihrem Rande. Auch Sternensysteme fand Herschel, die ohne sichtbaren Mittelkörper durch einträchtige Gesetze zu einander gezogen werden. So ward auch dieser von Lambert gegebne Fall bescheinigt. Und wenn Laplace rechnend erweist, daß ein leuchtender Körper von derselben Dichtigkeit wie unsre Erde, dessen Durchmesser 250mal größer als der Sonnendiameter wäre, vermöge seiner Anziehungskraft keinen seiner Lichtstrahlen zu uns schicken würde, die größten Lichtkörper unsrer Weltengebäude uns also unsichtbar bleiben müßten: wie hoch schwang sich Lambert's stiller Geist, der für uns dunkle Körper zu Mittelkörpern der Weltsysteme annahm!

3. Aber auch Quellen des Lichts, mit ihnen vielleicht die Ordnung des Werdens hat uns Herschel's Reflector von ferne gezeigt, eine Morgenröthe der Schöpfung. Nicht nur hat er den zu weit getriebenen Gedanken verbannt, daß in den Weltkörpern Alles in gleichem Zustande sei, bewohnt und bewohnbar, einen Gedanken, den uns die ewige Veränderung und Stufenleiter der Natur schon hätte bedenklich machen sollen, den uns aber Schröter's genaue Beobachtungen des Mondes noch bedenklicher gemacht haben; denn nach ihnen ist von Wesen unsrer Art der Mond schwerlich jetzt bewohnt, wohl aber dereinst bewohnbar. Die Entdeckung Uranus' mit seinem verschränkten Ringe und seinen Trabanten durch eben diesen Reflector, die Beobachtung des Doppelringes Saturn's mit seinen sieben Begleitern, die genauere Beachtung Jupiter's, Mars', der Venus, Mercur's, der von Piazzi und Olbers gefundene Planet zwischen Mars und Jupiter, der unserm großen Kepler zu seiner Weltharmonie entging:Nach Kepler's Gesetz müßte er in 4½ Jahren seinen Umlauf vollenden. Die Entfernungen der Planeten von der Sonne sind, wenn Saturn's Abstand 100 angenommen wird, des Mercur's 4, der Venus 4 + 3 = 7, der Erde 4 + 6 = 10, des Mars 4 + 12 = 16 (nun folgte die Lücke, ein Raum von 4 + 24 = 28), worauf Jupiter 4 + 48 = 52, Saturn 4 + 96 = 100. Uranus 4 + 192 = 196 folgt. – H. dies Alles hat uns einen ungleich vielseitigern Anblick der Planeten gegönnt, als ihn Huygens' »Weltbeschauer«Hugenii κοσμοϑέωρος sive de theoriis coelestibus eorumque ornatu. Leoburgi 1704. 8.; Huygens' »Kosmotheoros oder weltbetrachtende Muthmaßungen von den himmlischen Erdkugeln und deren Schmuck«. Leipzig 1743; Wilkins' »Vertheidiger Copernicus, daß der Mond eine Erde, die Erde ein Planet sei.« Leipzig 1713. 4. – H. oder Wilkins' »Copernicus« voraussetzten. Freilich ist dort Vieles wie hier, die Bildung des Gestirns, sein Schwung um sich und um die Sonne, seine Senkung gegen die Ekliptik, seine Atmosphäre u. s. w.; aber auch Vieles nicht wie hier, zumal in dem genauer beobachteten Monde. Seine äußerst dünne Atmosphäre, seine ungeheuren Berge und Klüfte, seine wahrscheinlich kaum angehende Vegetation, sein Mangel an Strömen und Meeren, an für uns sichtbaren Kunstwerken u. s. w. machen es fast glaubhaft, daß er sich dem Zustande der Bewohnbarkeit entweder nur nahe oder von andern Wesen bewohnt sei, als wir uns vorstellen mögen. Ist's mit andern Trabanten, die mit ihm nach Beobachtungen des Reflectors ein gleiches Gesetz des Umlaufs um ihre Planeten befolgen, auch also, so machen diese in Ansehung ihrer Ausbildung zur Bewohnbarkeit eine untere Stufe. Und wie stünde es sodann mit den Ringen Saturn's und Uranus'? wie mit den bald aufgelösten, bald ins Unermessene hinfliehenden Kometen? wie endlich mit der Sonne, die bei ihrer ungeheuren Größe und Lichtatmosphäre ganz andre Gesetze der Bewohnbarkeit haben muß als unser Erdkörper? Schon in unserm System gäbe es also auch in Ansehung der Bewohnbarkeit drei Ordnungen der Weltkörper, Sonne, Planeten, Monde. Werden wir diese je kennen? und kennen lernen? Und doch scheinen alle einem Hauptgesetz zu folgen. Welches ist dies?

4. Wenn uns dies Alles zu wissen eben auch nicht nöthig wäre, die Beschaffenheit des Lichtes zu wissen, dadurch uns das ganze Universum sichtbar wird, ja dadurch, wie wir auf unserm Erdkörper wissen, sich alles Leben erhält, vielleicht auch erzeugt und fortpflanzt, darf uns gewiß nicht gleichgiltig sein. Und wie, wenn diese Kenntniß, wie ehemals Prometheus, der Herschel'sche Reflector auch vom Himmel geholt hätte oder noch holte? Sind Herschel's, Schröter's, Bode's und des Landmarschalls von Hahn aus Beobachtungen gezogene bündige Schlüsse wahr, daß, was man sonst Flecken der Sonne nannte, ihr dunkler planetarischer Körper, das Licht um sie eine fremde leuchtende Materie, aus dem sie umgebenden Himmelsäther entwickelt, sei, die sich auf den Planeten, ihrer Beschaffenheit gemäß, mit der Wärme und allen Körpern erst binde: welche vereinigend schöne Theorie entstünde hiemit zwischen Newton und Euler! Allerdings käme uns nach Jenem das Licht von der Sonne als ihr Präparat herab, aber aus dem Aether entwickelt, von ihr und ihrer Atmosphäre nur reflectirt, homogen dem Aether. Nicht nur die Schnelle desselben und mancherlei andre seiner wunderbaren Eigenschaften erklärten sich hieraus, sondern es öffnete sich hiemit die unversiegbare Quelle alles Lebens, aller Bewegung. Der Raum, der sonst (undenkbar!) eine leere Wüste war, die man höchstens mit erträumten Wirbeln und Strömen anfüllte, diese dunkle, schwarze Weite würde die Mutter, und in ihr die Licht erweckende Kraft Vater aller lebenden Schöpfung. Das Licht an sich wäre und bliebe uns unsichtbar; alle aber dadurch erleuchteten Körper sähen wir, vor allen Mutter und Vater, das himmlische dunkle Blau und den Helios, der es uns sandte. Es leuchtet und brennt; mittelst seiner leben, sehen, denken, genießen wir; was lebt, freut sich des Lichtes und der Lichtschöpfung. Also das Edelste, was in uns denkt, unser Licht, sollte es diese nicht zur Evidenz fördern? damit wir gleichsam das werdende Licht sehen und mit ihm die werdende Schöpfung?

5. Wo aber ergriffen wir dies Werde? Am Sichtbarsten wahrscheinlich in jenen leuchtenden Nebelstrecken des Himmels. Gäbe es anderswo dergleichen Wunder der Schöpfung? Nicht nur ungeheure Himmelsregionen hindurch erschien im Reflector hie und da ein glänzendes Licht in den entferntesten Räumen, das große Strecken einnahm und verschwand; bleibend auch stehen andre glänzende Massen da, deutlich unterschieden von Sternen,Herschel, »Ueber die eigentlichen Nebelsterne«. S. Bode's »Astronomisches Jahrbuch« für 180l. S. 128. – H. die bekannteste im Orion, über 60 Grade verbreitet. Herschel, Schröter, von Hahn haben über diese Lichtregionen, über das Licht der Sonne, über die planetarischen Weltkörper, die sich ihrer Ausbildung zu nähern scheinen u. s. w., Beobachtungen gemacht und so allgemein umfassende, tief eingreifende Gedanken geäußert, daß man sich fast auf dem Wege zur rechten ersten Kosmogonie glaubt.Außer Herschel's Abhandlungen »Ueber den Bau des Himmels« s. Dessen Bemerkungen »Ueber die Nebelschichten, Nebelellipsen, zusammengesetzte Nebelflecke«, seine von mehreren Tausend derselben gelieferten Verzeichnisse u. s. w. in Bode's »Astronomischen Jahrbuch« für 1786, 87, 88, 91, 94, 1801 u. s. w.; Schröter's Beobachtungen über die Sonnenfackeln und Sonnenflecken«, Erfurt 1789; seine Beobachtungen über Nebelflecke und Sterne hin und wieder in obigem Jahrbuch. – H Insonderheit hat Letzterer von manchen seiner »Beobachtungen, z. B. den Landschaften in der Sonne, der dunkeln und hellen Region im Orion u. s. w., in wenig Worten so malerische Beschreibungen gegeben, daß man sie in Farben gezeichnet zu sehen wünscht.von Hahn, »Gedanken über die Sonne und ihr Licht«, in Bode's »Astronomischem Jahrbuch« für 1795. S. 226. Seine Beobachtungen und Gedanken über die Nebel im Orion, der Jungfrau, der Lyra, Hydra, über die lichtwechselnden Sterne u. s. w. s. in eben diesem Jahrbuch für 1798, 99, 1802, 1803. – H. Sein und Andrer Gedanke, daß die Sonne aus dem Weltraum den glänzenden Stoff abscheide und ihn theils sich selbst zueigne, theils andern kleinern Weltkörpern zusende, kann zu großen Aufschlüssen leiten. Auch Dessen letzte Nachricht von Herschel's Entdeckung, »daß die Sonne uns außer dem Licht auch unsichtbare Wärmestrahlen zusende,«Bode's Jahrbuch für 1803. S. 108. – H. erregt alle Erwartung.

In welch einem merkwürdigen Zeitpunkt leben wir! Nicht leicht fand sich in allen gebildeten Ländern Europa's eine so zusammenstimmende Bemühung beobachtender, denkender, forschender Geister, als jetzt über den Himmel wachen, insonderheit seit Herschel's gefundenem Reflector. Bode's »Astronomisches Jahrbuch«, von Zach's »Correspondenz« sind davon Zeugen.Außer den bekannten Astronomen Frankreichs sind Herschel, Maskelyne, Piazzi, Oriani, in Deutschland Bode, Schröter, Olbers, Triesnecker, von Hahn u. s. w., nicht minder die holländischen, dänischen, schwedischen, russischen Astronomen in gemeinschaftlicher Wirkung. – H.

Noch sind wir freilich nur wie plötzlich reichgewordne Erben im Beschauen und Anzeichnen des neuen Besitzes, der uns ward, im Aufnehmen der Himmelskarte, in Specification und Schichtung der Sterne; nach der örtlichen wird die Nachzeit an eine gesetzliche Construction des Weltalls denken und deshalb, damit ein allgemeines Gesetz entspringe, die hinter einander liegenden Himmel sowol als in jeder Himmelsschichte die leuchtenden und planetarischen Sterne, die Sternhaufen und Lichtregionen sondern. Im eigentlichen Verstande gehen sodann neue Welten und Sterne uns auf, und vielleicht erblicken wir die Aurora der Schöpfung.


Erste Beilage.
Orion.

An den Erblandmarschall von Hahn.Mit dem Herder bei seinem Aufenthalt in Eutin befreundet war. – D.

        In welchem Streife der Welten
Weilt jetzt Dein forschender Blick?
Am hohen Flügel der Jungfrau?
Wie oder am glänzenden Schwan?

        Im Walfisch oder der Hydra?
Oder an der Leyer Apoll's?
Am flammenden Schwert des Orion's
Und seiner furchtbaren Nacht?Gestirne, an denen der Obengenannte Beobachtungen angestellt hat. – H.

        O Du, der Quelle der Welten
Nachspähnder, forschender Geist,
Der, Prunk der Höfe verachtend,
Am Himmel droben enthüllt

        Des Weltalls wirkende Kräfte,
Den Streit des Lichts und der Nacht,
Die Geburt der Strahlen im Aether,
Den Quell lebendigen Seins.

        Und wandelt still in den Thälern
Der Sonne, lieblich umschirmt
Von Lauben himmlischen Lichtes,
Die Allem Seele verleihn.

        O dringe weiter in jenen
Ambrosisch leuchtenden Quell,
Und gieb Gesetze dem Weltall,
Gesetze des werdenden Seins!

        Du Lichterwecker! Orion
Winkt Dir mit flammerndemDas Wort kommt auch sonst, z. B. bei Bürger und Tieck, vor; Goethe hat einmal das richtigere flämmern. – D. Schwert,
Es tönt die Leyer Apollo's,
Es singt der himmlische Schwan:

        »Was regt und treibt und beseelet,
Wodurch sich Alles bewegt
Und lebt und fühlt und genießet
Und denkt und strebet, ist – Licht!«


Zweite Beilage.
Hermes und Poemander.


Zweites Gespräch.

P. Hörst Du?

H. Ich höre in dieser schönen Sternennacht tönen, wie mich dünkt, fromme Gesänge, mit Flöten und Saitenspiel begleitet.

                        Eine Stimme.

        Droben schau' ich mein Vaterland!
Droben seh' ich die Burg, seh' die Tribüne des
        Sternenäthers, O Feuerreich!
Auch Dein zarteres Licht, Mond, und in Fernen dort
        Goldne Lampen in schwächerm Schein.
O Ihr Chöre der Nacht! Schweigende Fackeln, hoch-
        Heil'gem mystischem Tanz geweiht!
Mitgeboren dem Licht himmlischer Sonnen, ach,
        Warum schauet Ihr und so lang
Mich verbannet von Euch, Sterne, so lang verbannt?
        Streut ein moosiges Bette mir,
Streut von Lilien mir, Diener der Vaterstadt,
        Hier ein Bette, worauf ich schnell
Mir die Fessel entschlag'         und von der Asche mich
        Sondre! Nehmet die Asche dann,
Meiner trägeren Last Reste, begrabet sie!
        Ich, das Edlere meiner selbst,
Schwing zum Aether hinauf, ins Unermessne mich!Sarbievii Lyrica, L. I. Od. 19: »Urit me patriae decor«, Nachahmung einer bekannten Horazischen Ode (I. 19): »Urit me Glycerae nitor«. Götz hat, wie andre aus Sarbiev, so auch diese Ode übersetzt. Wörtlicher, als sie hier gegeben ist, aber in aufgelöstem Silbenmaße.
    »Mich entzückt des Vaterlands Schimmer!
    Mich entzückt das gestirnte Himmelsgewölbe
    Mit seinen prächtigen nächtlichen Feuern
    Und Lunens zartes Licht,
    Und die an goldnen Erkern hangenden Lampen
    Machen pochen mein Herz.
    O mystische Tänze der Nacht!
    O flammende Fackeln,
    Der Engel Festen zu leuchten bestimmt!
    Du holder Anblick meiner väterlichen Burg,
    Du reizende Wacht meiner himmlischen Jugend,
    Warum, ach warum müßt Ihr
    Euren Mitbürger verbannet
    So lang und so weit
    Irren vom Vaterland sehn?«
  Da Ramler diese und andre Stücke in seine Sammlung Götzischer Gedichte (1785) nicht aufgenommen hat, so ist eine vollständigere, treuere, unveränderte Sammlung und Ausgabe derselben sehr wünschenswerth. Bisher haben wir nur Götz, den dimidiatum, mutilatum, nicht aber ihn selbst, ganz, wie er sich der Welt geben wollte. – H. [Die hier gegebene Uebersetzung fehlt auch in der Ausgabe von 1805. – D.]

H. Die Stimme verhallt; der Seufzer steigt hinauf ins Blau der Sterne; die himmlischen Lichter schweigen.

P. Ein Licht schweigt seiner Natur nach, nur Stimmen reden. Bedarf's aber, um sich ins Unermeßliche zu schwingen, zuerst der Sonderung vom Körper? Hat Dein Geist nicht schnellere, zartere Flügel als selbst das Licht? Und sind Dir, vom Leibe getrennt, um die Schöpfung zu schauen und zu genießen, nicht wiederum Organe nöthig? Begnüge Dich also mit denen, die Natur und Kunst Dir hier gaben. Für jetzt ist hier Dein Vaterland; der sternreiche Himmel leuchtet für Dich und um Dich.

H. Um mich?

P. Um Dich. Bildungsgesetze der schaffenden Natur sind allenthalben dieselben; die Blume des Winters, die Schneeflocke, enthüllt Dir das Geheimniß werdender Welten.

H. Lieber enthülle Du mir's!

P. Dein Geist muß Dir's enthüllen. Worte des Fremden belehren nicht, wenn, durch sie geweckt und geleitet, der Geist sich nicht selbst belehrt.

H. Erwecke also das Wort in mir! Wo ist das Werde der Schöpfung?

P. Allenthalben. Licht ist ein ewiges Werden. Vom ersten Blick an wird es und wird immer, bis es erlischt. So auch das Licht in Dir, Dein Gedanke, immer ist er im Werden.

H. Bis auch er erlischt? Trauriger Gedanke!

P. Kein Sonnenstrahl seit der Schöpfung hat sich verloren; Licht ist seiner Natur nach unvergänglich, unzerstörbar. Immer aufs Neue schaffend, sich neu bindend, neubelebend. Bemerke, wie in Deiner Schöpfung das Licht sich mit Allem band, wie es mit mancherlei Stoffen verbunden, so vielfach organisirt, allenthalben indeß nach einer großen Regel.

H. Nach welcher?

P. Suche sie selbst! Durch sich giebt sie den Wesen Bestandheit, Form, Leben, Gedeihen und fördert weiter hinauf unzählige Kräfte. Verfolge diese goldne Kette der Schöpfung, sie ist ein ewiges Werden. Licht ist der stille Wirker der überall gegenwärtigen Gottheit, der immer erneut.

H. Indem er zerstört.

P. Eben dies ist das große, stille Geheimniß. Der Tod ist Leben; das Licht selbst entwickelt sich durch scheinbare Zerstörung; so auch das Leben. Bedenke, ob es anders sein kann, wenn Fortgang in der Schöpfung sein sollte! ewiger Fortgang!

H. Schwerlich anders. Aufhören muß ein Zustand, damit der andre beginne. Bestandheit ist indessen doch in der Schöpfung.

P. Bestandheit der Kräfte und der Regel, nach welcher Kräfte wirken, in wechselndem Stoff, in immer veränderten Gestalten. Ohn' einen Moment Stillstandes geht das mächtige Fiat ewig fort; Formen entspringen aus Licht, Töne fließen in neue Töne. Ihr Menschen von beschränktem Blick, die Ihr Trägheit und Ruhe, mithin Abthun des Geschäftes liebt, Ihr findet Bequemeres nichts als eine vollführte Schöpfung. Sie vollführt sich in jedem Punkt, in jeder Organisation scheint sie vollendet; und doch, ihr großes Drama, ihr ewiger Gesang vollendet nie. Die schnellwirkende ist auch die langsamste. Weil die ganze Ewigkeit ihr ist, nimmt sie sich Zeit.

H. Darüber haben uns die Spiegelteleskope belehrt! Wie langsam wird die künftige Bewohnbarkeit des Mondes fernher zubereitet! Kaum beginnt seine Vegetation unter einer dünnen Atmosphäre.

P. Auch dort indessen wirken die ewigen Gesetze fort. Licht entwickelt sich aus dem Aether; der flüssige Aether wird einst auch dem Monde Leben geben und Gedeihen und Wachsthum. Erinnere Dich jenes alten Gesanges:

»Schmelzend den harten, den unbeweglichen, göttlichen Aether
Offenbaret' aus ihm die schönste Gestalt sich den Göttern,
Der Lichtbringer, der wohl- und froh-berathende König,
Glänzend im hellsten Glanz. Ihn nennen die sterblichen Menschen
Anders und anders; allein der Erstgeborene, Lichtglanz,
Und Beweger, Dionysus ist sein Name vor allen:
Denn er kreiset umher den unermessnen Olympus.
Viel noch andere Namen erhält er in jeder Verändrung
Des fortrollenden, stets in sich rückkehrenden Zeitlaufs.«Orpheus' Hymnus 6: Πρωτογόνου ϑυμίαμα. – H.

H. Ich merke, daß die neuesten Beobachtungen zur ältesten Philosophie zurückführen, ob diese gleich in Fabel gehüllt war.

P. Desto besser. So gelangt die beobachtende Vernunft zur ersten reinsten Empfindung. Doch sieh, das nächtliche Chor der Sterne verschwindet; das Auge der Morgenröthe glänzt dort still auf. Feire den Erstgebornen!

H. Ich feire ihn mit einem Orphischen Gesange:

»Erstgeborener! Quell der seligen Götter und Menschen,
Langverborgener, Eigeborener, der mit Gewalt brach
Aus dem Dunkel hervor mit mächtig schallender Stimme,
Schwebend im weiten Aether, ausbreitend goldene Flügel
Ueber die Welt. O Du, Lichtbringer! strahlenden Auges,
Du Vielsamiger, Doppelgeschlechtiger, Fröhlicher, Weiser,
Vielbesungener, Du Unaussprechlicher, sei mir gegrüßet!«Bei Macrob. Sat., I. 17. 18; Procl. Tim., V. 308. – D.


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