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Die menschliche Natur ist des Enthusiasmus nicht nur fähig und bedürftig, sondern auch nach Zeit und Ort und Sache gewärtig. Ohne Begeisterung schlafen die besten Kräfte unsers Gemüths, oder sie regen sich matt und peinigen ihren Besitzer, indem sie sich matt regen. Es ist ein Zunder in uns, der Funken will, eine Ideen und Thaten gebärende Kraft, die, wenn sie nicht recht befruchtet wird, Ungeheuer gebiert, wie einst die Erde jene himmelstürmenden Titanen. Die bekannteste Erfahrung zeigt, daß, wenn ein Acker nicht mit guter Frucht besät wird, er Unkraut trage. Dies ist der Grund der Geschichte aller guten und bösen Enthusiasten sowie der Fanatiker, der Schwärmer. Todt ist kein Wesen in der Welt; das kraftvollste, edelste Wesen, der menschliche Geist, kann, mag und will nicht todt sein. Nur darauf kommt es an, was seine Flamme entzünde, wohin sie wirke.
Man hat dem Enthusiasmus einen andern Grund angeben wollen, die Neigung des Menschen nämlich, sich selbst zu entfliehen, und wenn es sein muß, aus sich sich gleichsam hinauszuwerfen. »Ihm sei«, sagt man, »nicht wohl bei sich selbst; ihm werde unwohl, wenn er an sich haftet.« Weshalb aber wird ihm unwohl? Weil er Kräfte in sich fühlt, die auswärts streben, außer sich also ihr Ziel und Ende, ihre Beruhigung finden. Mit tausend Banden ist der Mensch an die Welt geheftet;« mit sich selbst beschränkt findet er sich im engsten Gefängnis. Wer ihn also losmacht von sich selbst, wer seinen Kräften ein freies, munteres Spie! verschafft, der ist sein Gott, sein Erwecker. Und spielte er auf ihm wie auf einem Instrument, wenn die Flöte tönt, wenn seine innere Saite klingt, ist ihm wohl, er läßt sie spielen. Daher das Vergnügen des Volks, in Enthusiasmus gesetzt zu werden; daher der Trieb und die Freude enthusiastischer Geister. Andre zu begeistern, zu inspiriren.
Was hatten in älteren Zeiten die Propheten und Poeten, was in neuern die Schwärmer, die Wiedertäufer, die Methodisten davon, daß sie mit Gefahr und Schaden, mit Schweiß und Mühe Länder aufregten und andrer Menschen gewöhnliche Ruhe störten? Selten oder nicht immer wenigstens war äußere Ehr-, Ruhm-, Geldsucht der aufregende Dämon, der sie belebte, vielmehr jene innere, höhere Ruhmsucht, die sie, ihnen vielleicht selbst unbewußt, Andre zu leiten und zu lenken, sie zu erwecken und zu beleben antrieb. Eine höhere Herrschaft kann nicht gedacht werden als die über Herzen und Geister. Und könnte es eine höhere Lust, ein innigeres Gefühl seiner Kraft geben als dieses? Der Allbezwingende wohnt sodann in Aller Herzen, in Aller Geist, diesen übermannend, jene sanft verwaltend.
Daher nun der Trieb aller kräftigen Menschen, auf Andre zu wirken, und wenn sie mit wilden Kräften tobten; daher die Zerrüttungen, die sie verursachten. Ein aufgebrachter, racheschnaubender Mensch regt Andre zur Rache auf, der Unmuthige verbreitet seinen Unmuth. Die von Ludwig XIV. verfolgten und aus mehreren Ländern vertriebnen Camisards fluchten der Welt, weissagend als Inspirirte dem ganzen Europa Untergang und Verwüstung. Nicht viel besser thaten seit 1713 die deutschen Inspirirten, Rock und seine Genossen. Aus Halle durchzogen sie einen großen Theil Deutschlands; wo sie durchzogen, streuten und ließen sie Funken. So mit linderem Feuer die Gichtelianer, die Zionsbrüder und Philadelpher, mit wilderm Geist die Ronsdorfer, die Brüggler. In Deutschland wurden in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts vorzüglich die Länder am Rhein und die mittäglichen Gegenden aus leicht zu ermessenden Ursachen die Lieblingsbesuche dieser Inspirirten. Aber auch im kühlen Britannien, welchen Lärm machten einst die Independenten, die Puritaner, Quacker, Wiedertäufer, späterhin die Methodisten u. s. w. Bei Allen war das beste Mittel, sie ausgähren zu lassen; nach abgesetzten Hefen ward aus Manchem ein klares Getränk, wenn es auch nicht immer edler Wein ward. Andre blieben eine trübe Masse und wurden zuletzt Sümpfe. Jede edlere Secte von Enthusiasten indeß hat ihre klaren Köpfe gehabt oder bekommen; Barclay's Verteidigung der Quacker, Robinson's Verteidigung der Baptisten sind davon Erweise. Und wenn man die Hussiten, die mährischen Brüder den Enthusiasten zuzählt, wie viel treffliche, gelehrte, fromme Enthusiasten gab es in dieser ehrwürdigen Religionspartei, an der es nicht lag, daß nicht von ihr die Reformation über Deutschland und Europa ausging.
Längst ist's gesagt, daß kein großes, überschwänglich Gutes ohne Enthusiasmus bewirkt werde, so wie auch kein Gräuel sich denken läßt, dessen die Schwärmerei nicht fähig wäre. Eben das Ende unsers verlebten Jahrhunderts hat's über alle Gedanken furchtbar erwiesen. Nachdem man oft gesagt und wiederholt hatte, daß bei zugenommener, allgemein verbreiteter Aufklärung eine dem Charakter nach milde, ja leichtsinnig genannte Nation keiner Schwärmerei, keines Aberglaubens und Enthusiasmus fähig sei, brach derselbe in eine Wuth aus, die so viel Köpfe und Länder Europa's verheert hat. Nie halte man den Zunder zum Enthusiasmus oder zur Schwärmerei in der menschlichen Natur ausgetilgt oder austilgbar. Stahl und Stein erwecken den ruhig schlafenden, verborgnen Funken, ein unvorhergesehener Windstoß führt ihn als Flamme umher. Druck und Verfolgung (dies zeigen alle Zeiten und Völker) regen ihn auf, sie wecken den Enthusiasmus. Es giebt Zeiten des Schlafs, Zeiten des Aufwachens der Nationen; beide wechseln miteinander wie Tag und Nacht, beide sind aufhaltbar, doch am Ende kaum hintertreiblich.
Damit also der Enthusiasmus nicht aufs Unnütze und Eitle gerichtet werde oder gar zu einer bösen Schwärmerei ausarte, was ist zu thun? Zuerst, daß man ihn nicht durch falsche Vorspiegelungen hindere und aufhalte, vielmehr ihn dadurch erwecke, daß man ihm große und gute Zwecke vorzeichnet. In der Sphäre der Menschheit müssen diese Zwecke liegen; denn weiter hinaus reicht der Blick nur weniger Enthusiasten. Alles Brüten über Dinge jenseit dieser Sphäre ist eben dadurch eine dunkle, oft grausame Schwärmerei worden, weil sie Menschen im Kreise um sich her keine Zwecke für den Enthusiasmus gab, der in ihrer Brust schlief, oder weil sie diesen aus ihrer Brust mit Gewalt wegdrängte. So mancher Methodist, Fanatiker und Schwärmer wäre nicht nur zu retten, sondern mit seinem Enthusiasmus sehr edel zu gebrauchen gewesen, hätte man ihn auf Zwecke der Wissenschaft und Kunst oder des thätigen Lebens geleitet. Meistens aber bemerkt man im Leben der Schwärmer den veranlassenden Punkt, wo sie die Linie überschritten und aus dem Gebiet nützlicher Anwendung ins Land der Hirngespinnste und des Wahns geriethen. Sie waren verloren, sobald er bei ihnen feste Idee ward.
Auch die Pietät hat ihren Enthusiasmus; die Geschichte zeigt davon die edelsten Beispiele, von Pietisterei weit entfernt. Von jener Pietisterei nämlich, die am menschlichen Gemüth schnitzelt oder nagt, und die meistens blos deshalb ihr Spiel hat, weil dem Gemüth eine bestimmte, bessere Anwendung fehlt. Wenn ein Mensch nichts zu thun findet, grübelt er über sich selbst; übel daran ist er, wenn ein Enthusiast dazukommt, der ihn zurück in sein Inneres drängt oder dies Innere gewaltsam herauskehrt. Der Mensch erschrickt für sich, wird über sich selbst verworren, dann schwach und folgt zuletzt seinem hochbeseelten, stark begeisterten Leiter. Wie traurige Geständnisse hätten wir, wenn bei reiferen Jahren Mancher aufrichtig bekennen wollte, wie viel seiner Jugendkräfte, von falschem Enthusiasmus geleitet, an wesenlose oder unwürdige Gegenstände verschwendet worden! Indessen erlischt das Feuer der Jugend, und das Herz bleibt zurück, eine ausgebrannte, leere Höhle. Sie glänzt nicht mehr, geschweige daß sie wärme und anfeure: sie raucht. Eine böse Psychologie liegt der gemeinen Pietisterei zum Grunde; und wie ärmlich wird sie angewandt! Im gleißenden Stolz sowol als in gleißender Bescheidenheit gleich ärmlich, im frommen Betruge aber abscheulich.
Weise und gut hat es also die Vorsehung geordnet, daß den zu warmen meistens kalte Gemüthsarten gegenüberstehen, die ihr Feuer dämpfen oder mildern. In der politischen Welt wie in der gelehrten und Kirchengeschichte sind den Fanatikern und Enthusiasten die Indifferentsten und Gallionisten immer zur Seite. »Gallion«, heißt es, »nahm sich's nicht an.« So schmerzlich dem Enthusiasten diese Gleichgültigkeit seines Gegners oft mit Recht ist, so unentbehrlich ist sie dem Ganzen. Auch im Reiche der Geister muß ein Gleichgewicht, ein Beruhen auf dem Schwerpunkt stattfinden, oder Alles flöge wie Strohfeuer aus einander. Der zögernde Fabius rettete Rom; oft hat ein Mann den sichern Gang der Sache oder die Wohlfahrt des Staats in einer Rathsversammlung brausender Enthusiasten gerettet – durch Kälte.
Von M. Casaubonus haben wir eine Abhandlung Ueber den Enthusiasmus,Merici Casauboni de enthusiasmo commentarius, quem ex Anglico latine reddi curavit J. F. Mayer. Gryphiswaldae 1708. – H. in der er als Gattungen desselben den divinatorischen, contemplativen oder philosophischen, den rhetorischen, poetischen und Bet-Enthusiasmus (enthusiasmus precatorius) gelehrt durchgeht.
Es ist eine Schulübung, sonst würde er den praktischen, den Thaten-Enthusiasmus nicht übergangen haben. Worin lebt der Mensch am Fröhlichsten, als in Entwürfen und That? Und wie glücklich, wenn in diesen Adrastea ihn leitet, wenn sie das »Nicht zu viel!« auch beim Edelsten ihm zuwinkt und er auf ihren Wink merkt!
Liebenswürdiger ist nichts als ein reiner und thätiger Enthusiasmus für Wahrheit und Menschengüte; er umgiebt Die, denen er angehört, mit einem stillen Glanze. So treten aus der Nacht der Zeiten, o wie Viele hervor, denen sterbend noch die Begeisterung auf den Lippen schwebte! Denn nicht Sturm und Drang war diese Begeisterung, sondern fortwirkendes Leben. Die Gottheit streut, wohin sie will, solche himmlische Funken, läßt sie länger oder kürzer leuchten, mehr oder weniger zünden und anfeuern; aber Menschen solcher Art auch nur gekannt, mit ihnen gelebt zu haben, giebt die frohe Empfindung, »sie waren göttlichen Geschlechtes, himmlischer Abkunft!«
Sammle jede junge Seele, die des Enthusiasmus fähig ist, sich einen Almanach dieser Edlen nach eigner Empfindung und Erfahrung! merkwürdige Begebenheiten, Stellen oder Erinnerungen werden die Tage der Anzeichnung von selbst geben. Mit einem solchen Almanach lernt man durchs ganze Jahr, wie jenes östliche Volk im Tempel der Vorfahren, höhere Tugend. So steigen wir denn, hinauf oder hinab? zu den – Methodisten.
Der Name der Methodisten ward einem Studenten in Oxford, Johann Wesley, und einigen seiner Freunde spottweise gegeben, als sie sich einer strengeren Lebensart, die nach christlicher Vollkommenheit trachtete, thätig in Werken der Gutmüthigkeit, unterzogen. Wesley ging hierauf nach Amerika, ward auf dem Schiff mit Missionaren der Brüdergemeine bekannt, und da es ihm dort mit seiner eignen Mission nicht eben glückte, kam er nach England zurück, ward bekehrt, reiste nach Marienborn und Herrnhut. Nach England zurückgekehrt, reiste er umher und predigte auf dem Felde.
Dies Predigen auf dem Felde hatte schon Whitefield vor ihm unternommen und damit einige tausend Pfund für sein Waisenhaus in Amerika erpredigt. Als Dieser dorthin zurückging und bald darauf starb, mithin Wesley allein das freie Feld blieb, gelang es ihm bei seinem starken, unbezwinglichen Charakter, da die hohe Kirche ihm Kanzeln nicht einräumen wollte, eine eigne, ungeheuer zahlreiche Kirche in England, Schottland und Amerika zu bewirken und sie durch umherziehende Prediger, die sich jährlich versammelten, zu besorgen. Ob er sich gleich im Lehrbegriff von der englischen Kirche nicht trennen wollte, so trennte nach den Grundsätzen dieser ihn doch dies zuletzt gnugsam, daß er Geistliche ordinirte. Da er von strengem Charakter war, so drang er auf Vollkommenheit, unterschied Stufen derselben, wollte, daß man den Augenblick der Bekehrung ergreifen, festhalten müsse u. s. w. Sonach thaten sich in den Versammlungen der Methodisten, insonderheit anfangs, Erscheinungen hervor, die den Pöbel staunen, den Verständigen dagegen bedauern machten: Zuckungen, Krämpfe, gewaltsame Ausrufe und Bewegungen; dagegen, ja bei Wesley's Bruder und Gehilfen selbst, Karl Wesley, ein krampfhafter Geist des Lachens zuweilen öffentlich operirte, unaufhaltsam, unwillkürlich.
Allem Großen und Guten, was Wesley in seiner Person hatte, unbeschadet (denn er hat große Tugenden ausgeübt), allem Guten unbeschadet, das er durch seine Grundsätze sowol als durch seine beispiellose Arbeitsamkeit, Wachsamkeit und Disciplin, insonderheit bei rohen Menschen und Familien, bewirkt haben soll, da unter seiner Obhut umherziehende, stets neue Prediger die Begeisterung fortwährend weckten, ist nicht dennoch der Methodismus eine arme Begeisterung, die anderswo schwerlich als neben der entschlafnen Episkopalkirche und dem veralteten Puritanismus in einem rohen Volk ausgebrütet werden konnte? Ein wilder Vogel, dessen Charakter in »Gottfried Wildgoosens Wanderschaft«»Der geistliche Don-Quixote, oder Gottfried Wildgoosens Wanderschaft«. Uebersetzt Leipzig 1773. 3 Bde. – H. und in andern Spöttereien oft langweilig gnug dargestellt worden. Denn sind gewaltsame Augenblicksbekehrungen Weg und Methode der Vollkommenheit? Sind Krämpfe und Zuckungen Symbole des christlichen Geistes?
Hierin und in manchem Andern steht Wesley hinter dem weltklügeren Zinzendorf zurück. Auf Ruhe des Herzens gründete Dieser sein Reich, nicht auf gewaltsame Stürme. Stille, dauernde Einrichtungen des Fleißes und der sittlichen Ordnung waren dessen Institute, in denen vor Allem Biegsamkeit und Tractabilität geübt werden; umherziehende Methodistenprediger, die ihre Gemeinen wecken und wecken, erhalten so feste Einrichtungen nie. Der Methodismus wird also wahrscheinlich abgähren und sich entweder in andre Secten oder in den Unglauben oder in die gewöhnliche Kirche verlieren, wogegen die Brüdergemeinen sich in ihrer stillen Bucht lange festhalten werden. Denn alles übertreibende und Uebertriebne geht vorüber; jede Bewegung sucht den Schwerpunkt, auf welchem sie ruhen möge.
Wir haben ein Leben J. Wesley's, von einem Mann, der ihn wohl kannte und selbst ein Methodist gewesen war, allem Ansehn nach unparteilich geschrieben, dazu an Ort und Stelle mit Anmerkungen eines andern Mannes begleitet, der ähnliche dergleichen Aufbrausungen aus Tradition und Geschichte kennt und mit ganzer Unparteilichkeit würdigt.»Leben J. Wesley's von Hampson«, herausgegeben von A. H. Niemeyer. Halle 1793. 2 Bde. – H.
Die materia peccans der menschlichen Natur, wenn sie nicht auf gelinden Wegen abgeführt wird, nimmt sich methodistische Explosionen, die starke Naturen ertragen mögen, die aber bei schwachen Gemüthern oft übel ausschlagen. Würde in jedem Staat der Enthusiasmus angewandt, wozu es sein sollte, wahrscheinlich gäbe es so wenig Methodisten als Anabaptisten, Quacker, Puritaner u. s. w. Nach dem, was erzählt wird,S. Alberti, »Briefe über den Zustand der Religion in Großbritannien« Theil 1. Brief 9 ff. – H. wäre den Augen eines Sokrates das Treiben des Geistes in einer Methodistenversammlung eben kein erfreulicher Anblick. »Ist das,« würde er sagen, »Eure Verjüngung (Palingenesie) an Herz, Sinn, Muth und allen Kräften? Wird so Euer Verstand himmlisch erleuchtet?«
Endlich. Der Enthusiasmus, Andre in Enthusiasmus zu setzen, so blendend er hervorsticht, so große Behutsamkeit hat er nöthig. Zu bald verlockt er und gewöhnt an eine usurpirte Herrschaft über die Gemüther und Passionen andrer, schwächerer Menschen. Diese reißt der Taumel mit sich; in einer großen Versammlung wird die Begeisterung ansteckend, sie fliegt von Gesicht zu Gesicht, sie haftet an Stimmen, an Worten und Geberden. Frage der Verständige sich selbst, was durch Erhitzungen und Abkühlungen solcher Art dauernd in ihm bewirkt werde. Viel vom Methodismus möchte also an Swift's mechanische Erzeugung des GeistesTale of a tub. – H. grenzen; das ganze Phänomenon aber gehört auf die Insel, auf welcher seit alten Zeiten Geist PuckDer Robin Goodfellow, dessen tolle Streiche und lustige Schwänke ein englisches Volksbuch erzählt, aus welchem Shakespeare im »Sommernachtstraum« schöpfte. – D. regiert. Bei Ueberschwang auf der einen Seite ist die andre Schale nie im Gleichgewichte.
Der ungeheuern Wirksamkeit sowie der Redlichkeit des Stifters der Methodisten wird durch diese Anmerkungen nichts entnommen; Alles in seinem Werk, was gut und göttlicher Art ist, dauert.
Züge aus Johann Wesley's Leben.
»Nicht leicht habe ich«, sagt sein Lebensbeschreiber,»Leben Wesley's von Hampson«, Theil 2. S. 205 ff., von Niemeyer herausgegeben. – H. »einen schöneren alten Mann gesehen. Eine heitre und glatte Stirn, eine gebogne Nase, das hellste und durchdringendste Auge, das sich denken läßt, eine in seinen Jahren ungewöhnliche frische Farbe, die vollkommene Gesundheit verrieth, das Alles machte sein Aeußeres interessant und ehrwürdig. Es hat ihn nicht leicht Jemand gesehen, ohne frappirt zu sein. Viele, die voll Vorurtheile gegen ihn waren, haben eine andre Meinung von ihm gefaßt, nachdem sie ihn persönlich kennen gelernt. In seiner Stimme und in seinem ganzen Betragen mischte sich Fröhlichkeit mit Ernst; er war lebhaft; man bemerkte die schnelle Beweglichkeit seiner Lebensgeister, und doch ward man auch der heitersten Ruhe in seinem Innern gewahr. Wenn man ihn im Profil sah, drückte sein Gesicht Scharfsinn und durchdringenden Verstand aus.
»In seinem Anzuge war er ein Muster von Nettigkeit und Simplicität. Eine dichtgefaltete Binde, ein Kleid mit einem schmalen stehenden Kragen, keine Knieschnallen, weder Sammt noch Seide an seinem ganzen Körper, dabei ein schneeweißes Haar, dies Alles gab ihm ein gewisses apostolisches Ansehen. Dabei war Ordnung und Sauberkeit über seine ganze Person verbreitet.
»Die Talente, die er als Prediger besaß, sind ziemlich allgemein anerkannt. Sein Anstand auf der Kanzel war natürlich und einnehmend, seine Action ruhig und ungezwungen, dabei gefällig und ausdruckvoll, seine Stimme nicht laut, aber sehr verständlich und männlich, sein Stil einfach, vertraulich und den Bedürfnissen der Zuhörer sehr angemessen. Indeß waren, wenn man auf die Ausarbeitung selbst sieht, seine Vorträge sich sehr ungleich. Die beständige Beschäftigung mit Briefschreiben, Schriftstellerei, Krankenbesuchen u. s. w. war auch nicht allein daran Schuld, daß er oft schlechter predigte. Die Erhaltung der äußern Ordnung und Verfassung seiner Societäten hielt er bei Weitem für wichtiger und schwerer als die Verwaltung des öffentlichen Lehramts. Er versichert selbst irgendwo: »predigen könne er des Tags drei- bis viermal ohne die geringste Beschwerde, aber die andern Sorgen für die Gesellschaft wollten oft seine Kräfte übersteigen.«
»Einige haben Wesley für einen mittelmäßigen Kopf gehalten. Dem kann ich nicht beistimmen. Seine Controversschriften, seine in Oxford allgemein anerkannte vorzügliche Geschicklichkeit und die große Klugheit, womit er seine Partei zu regieren wußte, zeigen vom Gegentheil. Es fehlte ihm gar nicht an Schulstudien; er verstand die alten und die neuen Sprachen; er hatte auf der Akademie fleißig den Euklides und die Philosophie studirt. Doch schlug er sich in letzter nie zu einem System und war überhaupt nicht tief in sie eingedrungen. Speculative Philosophie würde auch mit seiner ganzen Art zu denken und zu handeln sowie mit der Lebensweise, die er führte, ganz unverträglich gewesen sein.
»Im gesellschaftlichen Leben war Wesley lebhaft und umgänglich. Er war viel unter Menschen gewesen, war mit den Regeln einer feinen Lebensart nicht unbekannt und in der Regel sehr aufmerksam auf Andre und sehr höflich. Da kaum ein Winkel im Lande war, wo er nicht selbst gewesen, so war er unerschöpflich an Anekdoten und Erfahrungen, die er gern, und was nicht minder wichtig ist, gut erzählte. Er konnte fröhlich und sehr angenehm sein; seine Heiterkeit pflegte sich auch Andern mitzutheilen, und sie litt so wenig unter der Schwäche des Alters oder der Nähe des Todes, daß man vielmehr im achtzigsten Jahr ihn noch so heiter sah, als er im zwanzigsten kaum gewesen sein mochte.
»Aber seine Mäßigkeit war auch außerordentlich; in seinen früheren Jahren trieb er sie zu weit. Das Fasten und andre Arten der Selbstverleugnung hatte er schon zu Oxford angefangen. Besonders erwartete er sehr viel von wenigem Schlaf. Gegen das Ende seines Lebens ließ er etwas nach von seiner Strenge. In 35 Jahren ist er nicht einen Tag bettlägrig gewesen.
»Wesley war einer der thätigsten Menschen. Schon seine Reisen brachen fast nicht ab. Hätte er nicht die Kunst, seine Zeit einzuteilen, so vortrefflich verstanden, so wäre es ihm unmöglich gewesen, so viel zu leisten. Aber jedes Geschäft hatte seine bestimmte Stunde. Er ging zwischen 9 und 10 Uhr zu Bette und stand um 4 Uhr wieder auf. Keine Gesellschaft, kein noch so angenehmes Gespräch, nichts als Fälle der Notwendigkeit konnten ihn bewegen, davon eine Ausnahme zu machen. Ebenso schrieb und reiste er, besuchte die Kranken genau auf die Stunden. die er sich gesetzt hatte. Man hat ihm nachgerechnet, daß er leicht in seinem Leben an 40,460 Vorträge gehalten haben kann, die Ermahnungen in den Societäten und Classen, so oft er zugegen war, nicht mitgerechnet. In jüngern Jahren machte er seine Reisen zu Pferde. Ein Buch in der Hand, das er vor die Augen hielt, den Zaum über den Nacken des Pferdes hängend, hat er mit seinem Klepper manches Abenteuer erlebt. Im Jahr mochte er doch wohl an 4000 englische Meilen machen; das giebt für 52 Jahr eine Summe von 208,000. Nur ein Körper wie der seinige konnte eine solche unaufhörliche Thätigkeit aushalten. Hiezu kam nun noch sein vieles Schreiben. Der Originalwerke waren indeß wenig, die Auszüge machte er sich bequem.Die Sammlung seiner kleinen Schriften und Tractate macht allein 32 Bände, The works of John Wesley,Bristol 1772. 1774. Er hatte eine Druckerei unter seiner unmittelbaren Aufsicht. Seine größeren Werke sind Anmerkungen über das Alte und Neue Testament, Predigten in 8 Bänden, außerdem ein Arminianisches Magazin, dogmatische, kirchenhistorische, politische Schriften. Brooke's Fool of quality hat er in einen Auszug gebracht u. s. w. – H.
»Eine genauere Erwähnung verdient die Sammlung von heiligen und moralischen Gedichten, die er in drei Octavbänden schon zu Oxford mit seinem Bruder herauszugeben anfing. Sie enthält die trefflichsten Stellen über Religion und Moral aus den besten englischen Dichtern, wie Pope, Young, Milton. Die beiden Letzten liebte Wesley sehr und hat sie ganz mit seinen Anmerkungen herausgegeben.In den Hymns and sacred poems, published by John and Charles Wesley, Lond. 1739, sind viele Gesänge aus dem Deutschen übersetzt. Viele sind von Herbert, Eupolis Hymn to the Creator eröffnet die Sammlung. – H. Noch wichtiger aber waren in Absicht des Einflusses auf die Partei seine Liedersammlungen, sowol die ältere unter dem Namen der heiligen Harmonie als das allgemeine Gesangbuch, welches er im Jahr 1780 für alle seine Gemeinen in England veranstaltet hat. Außerdem hat er auch Lieder auf besondre Fälle und Zeiten, Oden über die Bibel u. s. w. herausgegeben; aber jene Kirchenlieder waren es doch eigentlich, die viel zu dem Einfluß beitrugen, den Wesley's Lehre fand. Er war ein großer Freund der Musik und bemerkte sehr richtig, daß die in der englischen Kirche in Reim gebrachten Psalme mit ihren langweiligen Melodien wenig geschickt seien, die Andacht zu beleben. Er führte neue Lieder und neue Melodien ein. Er machte den Gesang dadurch doppelt angenehm, daß er oft Chöre von Männern mit weiblichen Chören wechseln ließ, daß er Singstunden anordnete, in Capellen, wo keine Orgel war, geschickte Vorsänger vertheilte und immer solche Lieder wählte, deren Inhalt dem Gegenstande des Vortrages angemessen war. Der Gesang vieler tausend Methodisten auf freiem Felde, in Wäldern, auf Gottesäckern war oft von erstaunlicher Wirkung.
»Wesley gehörte zu den wohlthätigsten Menschen; seine Freigebigkeit gegen die Armen kannte keine Grenzen. Er gab nicht nur einen Theil seines Einkommens, er gab weg, was er hatte. Das fing er schon in früher Jugend an. Vermuthlich ist in seiner Beschreibung eines der ersten MethodistenBand 7 seiner »Predigten«. – H. von ihm selbst die Rede. »Als er das Jahr 30 Pfund einzunehmen hatte, so lebte er von 28 und gab 2 Pfund den Armen; als er das nächste Jahr 60 Pfund einnahm, lebte er auch nur von 28 und konnte nun 32 geben. Das dritte Jahr nahm er 90 Pfund ein und gab 62; das vierte Jahr stiegen seine Einkünfte auf 120; er schränkte aber seine Ausgaben immer noch auf 28 ein und gab den Armen 92.« In diesem Verhältniß blieb er sein ganzes Leben hindurch. Nach einer mäßigen Berechnung hat er in 50 Jahren an 20 bis 30,000 Pfund zu wohlthätigen Zwecken verwendet.
»Uebrigens war Wesley bei aller seiner Wohlthätigkeit weder ein sanfter noch empfindsamer Mann. Seine Liebeserweisungen schienen nicht sowol aus der Quelle eines gerührten Herzens als aus der Ueberzeugung, daß es Pflicht sei, zu fließen. Ueberall war sein Herz keiner eigentlichen Anhänglichkeit fähig; er war nicht zur Freundschaft gestimmt. Wenn er einzelne Personen auszeichnete, so geschah dies mehr in Beziehung auf ihre allgemeine Brauchbarkeit als auf ihre persönlichen Eigenschaften. Sein einziges Ziel war die Förderung des Methodismus. Da er nun die dazu entworfnen Plane geradehin für die besten hielt, so ward jeder seiner Mitarbeiter, der andrer Meinung darüber war, wie Jonas von den Schiffsleuten behandelt: mit größter Kälte warf er ihn über Bord, oder, nach seinem Ausdruck, »er empfahl ihn dem lieben Gott«.
»Zu seinen bemerkenswerthen Charakterzügen gehört indeß seine Versöhnlichkeit. Von Natur hatte er ein warmes, beinah ungestümes Temperament; dies war aber durch die Religion sehr verbessert, wenngleich nicht völlig unterdrückt. Gewöhnlich behielt er sein ruhiges, gesetztes Wesen, welches mit seiner Thätigkeit und Lebhaftigkeit im Handeln sehr contrastirte. Verfolgung von außen ertrug er nicht nur ohne Zorn, sondern beinah ohne merkliche innere Bewegung, aber bei andern Arten des Widerspruchs war dies der Fall nicht. Sobald er sein Ansehen gekränkt glaubte, hat man ihn oft in den lebhaftesten Unwillen auflodern sehen. Uebrigens war es vollkommen wahr, was er von sich behauptete, es sei ihm nichts leichter, als Beleidigungen zu vergeben. Sobald der Beleidiger nachgab, war er entwaffnet und begegnete ihm nun mit der größten Sanftmuth und Herzlichkeit.
»Gegen Ungläubige und Freidenker war er sehr intolerant und trieb die Verachtung derselben bis zur Härte. Für seine Person war er für gewisse Lieblingsmeinungen so hartnäckig eingenommen, daß er, wenn davon die Rede war, nie untersuchen, sondern nur Recht behalten wollte. Oft hörte er nicht einmal die Gründe dagegen. Jeder Mensch, sagt man, habe sein Steckenpferd; das seine war die Lehre von der Vollkommenheit. Wer ihm darin beistimmte, war sein Mann; wer daran zweifelte, fand eine kalte Aufnahme. So entstanden Perfectionisten und Anti-Perfectionisten. Uebrigens war Wesley so gut als andre Regenten mit Schmeichlern umgeben, und gleich ihnen nahm auch er oft den Weihrauch der Schmeichelei für reine Opfer der Wahrheit und Aufrichtigkeit an. Hang zum Regieren war ein Hauptzug in seinem Charakter; auch herrschte er in den letzten zehn bis funfzehn Jahren wirklich ganz unumschränkt. Sein Wille war Gesetz. Gab er einen Beschluß auf, ließ er ein Lieblingsproject fahren, so war es weniger Wahl als Nothwendigkeit. Wesley's Grundsatz von frühen Jahren an war: »Ich betrachte die ganze Welt als meine Gemeine; das heißt, ich halte es, wo ich mich aufhalte, für billig, recht und pflichtmäßig, Allen, die Lust haben, mich zu hören, die frohe Botschaft von ihrer Seligkeit zu verkündigen. Das ist das Werk, dazu mich Gott berufen hat, und ich bin gewiß, daß er's mit seinem Segen begleitet. Seine über mir wachende Vorsehung trifft auch ganz mit diesem seinem Befehl zusammen. Sie hat mich von Allem losgemacht, damit ich diesem Beruf ganz leben und umherziehn könne, um Gutes zu wirken.««
Das Gute, das der Methodismus gewirkt hat, setzt Wesley's Lebensbeschreiber als Augenzeuge in die Verbesserung der Sitten, insonderheit des rohen Volkes, in die Beförderung des Wohlstandes ganzer Familien, in eine bessere Erziehung der Kinder, endlich in die Beförderung des Lesens, Denkens, der Bildung des rohen Haufens. Sind edlere Zwecke eines menschlichen Berufs denkbar? Da indeß in dieser Societät Alles auf genaue Obhut in Hausbesuchen, in Vorsorge für Kranke und Leidende, auf Moralität der Prediger, Almoseniere, der Führer und Gemeinglieder nach Classen und Chören gestellt und dazu die ganze Verfassung organisirt ist, so gehört ein Wesley dazu, sie im Leben zu erhalten.
Im achtundachtzigsten Jahr seines Lebens nach wenigen kranken Tagen starb Johann Wesley.Den 2. März 1791. – H. »Gott,« sagte er, »was sind alle Herrlichkeiten der Welt einem Sterbenden?« Mehrmals sang er den Vers:
»So lang ich athme, preis' ich Gott!
Und schließt die Lippe mir der Tod,
So preis' ich ihn mit Engelzungen.
Ich hab' Unsterblichkeit errungen.«Nach Niemeyer's Uebersetzung. – H.
Endlich: »Nun ist Alles gethan. Laßt uns heimgehn! Die Wolken triefen von Segen; der Herr ist mit uns; der Gott Jakob ist unser Schutz. Lebt wohl!« Dies war das letzte Wort, das man von ihm vernahm.
Have, anima fortis, dux chori!
Baco von der Naturart im MenschenSermones fideles, XXXVI. – H.
Oft wird die Natur versteckt, bisweilen überwunden, selten ganz ausgelöscht. Gewalt, die man der Natur anthut, macht diese nur stürmischer, wenn sie zurückkehrt; Lehren und Vorschriften machen ihre Wirkungen zwar weniger heftig, heben sie aber deshalb nicht auf; was die Natur ganz verändert und sich unterwirft, ist allein – die Gewohnheit. Wer die Natur in sich besiegen will, gebe sich keine zu große, noch zu kleine Pensa auf; jene, wenn sie mehrmals unvollendet blieben, schlagen den Muth nieder, diese, wenn man oft auch mehr als sie thäte, heben ihn damit nicht empor. Anfangs übe man sich mit Zuziehung einiger Hilfsmittel, wie die jungen Schwimmer mit Blasen und Binsen; nachher lege man sich Hindernisse in den Weg, wie Tänzer z. B. mit schweren Schuhen tanzen. Denn in jedem Geschäft gelangt man dadurch zur Vollkommenheit, wenn man sich am Schwereren übt, als der gewöhnliche Brauch fordert. Wo die Natur sehr mächtig, mithin der Sieg über sie schwer ist, wird man stufenweise gehen müssen, z. B. erstens seine Natur auf eine gewisse Zeit hemmen wie Jener, der, wenn er in Zorn gerieth, ehe er etwas unternahm, die Buchstaben des Alphabets hersagte; zweitens sie mäßigen und an kleinere Portionen gewöhnen, wie z. B., wer sich vom Wein entwöhnen wollte, kleinere und kleinere Züge thun müßte; zuletzt wird man dann die Natur ganz bändigen und zähmen. Wäre Jemand stark und standhaft gnug, sich augenblicks zu fassen und in Freiheit zu setzen, der thäte freilich das Größte:
»Sein selbst Retter ist er, der die herzverwundenden Bande
Riß und in Schmerz dabei Schmerz zu empfinden verlernt.«Der hohe Ausspruch [Ovid's Rem. amoris, 293. 294] ist fast unübersetzbar:
Optimus ille animi vindex, laedentia pectus
Vincula qui rupit, dedoluitque semel.
– H.
Auch die alte Regel ist nicht zu verwerfen, daß man die Natur wie ein krummes Stäbchen, das man gerade haben will, auf die entgegengesetzte Seite stark überbiege; doch merke man sich dabei, daß diese entgegengesetzte Seite kein Fehler sein muß. Auch darauf habe man Acht, daß man die Fertigkeit, die man sich aneignen will, nicht durch eine immerhin fortgesetzte, sondern durch unterbrochne Bemühungen erstrebe; denn dies Unterbrechen erneut und verstärkt das Bestreben. Ein Lehrling, der sich mit fortgesetzter Anstrengung übt, kann sich mit der Fertigkeit zugleich Fehler aneignen; dem weicht man aus, wenn man zur Zeit die Arbeit niederlegt und nachher mit neuen Kräften frisch daran geht. Uebrigens triumphire man nicht zu sehr, daß man seine Natur bezwungen habe; sie schläft oft lange wie begraben und wacht bei Gelegenheit doch wieder auf. Wie jenes Mädchen beim Aesop,In der Fabel »Die Katze und Aphrodite«. – D. die vorher Katze gewesen und in eine Weibsperson verwandelt war; sie saß ganz artig am Tisch, bis ihr – ein Mäuschen zu Gesicht kam. Dergleichen Gelegenheiten muß man entweder ganz vermeiden oder sich, damit sie unkräftiger werden, an sie gewöhnen. Die natürliche Art eines Menschen entdeckt man am Besten im vertrauten Umgange; denn in ihm findet keine Affectation statt: in Gemüthsbewegungen; denn in ihnen vergißt man Vorschrift und Regel: sodann bei einem neuen, ungewöhnlichen Vorfall; denn da verläßt uns die Gewohnheit. Glücklich sind Die, deren Naturtrieb mit ihrer Lebensweise übereinstimmt; wo dies nicht ist, mögen sie mit dem Psalmisten sagen: »Es wird meiner Seele lang zu wohnen.«Anspielung auf Ps. 120, 5. 6. Wahrscheinlich schrieb Baco dies aus seinem Herzen; denn sein Naturtrieb, das Feld der Wissenschaften zu erweitern, stimmte nicht eben genau zum Beruf seines Lebens, zu Kanzlargeschäften. – H. [Baco führt die Stelle nach der Vulgata an: Multum incola, fuit anima mea. – D.] Bei Geschäften, die unsrer Natur fremd sind, muß man sich Zeiten setzen, sie zu überlegen und auszuüben. Stimmen sie mit unserm Genius überein, so bedarf's keiner festgesetzten Stunden; wenn andre Geschäfte und Studien es zulassen, werden unsre Gedanken von selbst zu ihnen fliegen. Die Naturart Jedes bringt aus angeborner Kraft gute und böse Kräuter hervor; sorgsam und zeitig reiße man diese aus und begieße jene!