Johann Gottfried Herder
Adrastea
Johann Gottfried Herder

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6. Emanuel Swedenborg,
der größte Geisterseher des achtzehnten Jahrhunderts.

Kepler schrieb einen Traum vom Monde und den Mondbewohnern.Jo. Kepleri Somnium de astronomia lunari. Opus posthumum. 1634, S. Kästner's »Geschichte der Mathematik«, B. 4. S. 306. – H. Eine Zauberin citirt einen Geist aus dem Monde, der ihr Manches erzählt, was zwei Jahrhunderte nachher des Mondbeschauers Schröter's Beobachtungen bestärkt haben. »Levanien (so heißt der Mond) hat sehr hohe Berge, tiefe und lange Thäler, ist voll Höhlen, besonders in der Gegend der Privolvaner, die sich dahin vor Hitze und Kälte retten. Einigen Bewohnern zeigt sich die Erde beständig (dies sind jene Privolvaner; in Kepler's Traum heißt die Erde Volva), andern nie. Die Sonne geht ihnen in einem Jahr 12mal auf oder in acht Jahren 99mal; gewöhnlicher ist ihnen ein Umlauf von 19 Jahren« u. s. w. Kurz, Kepler lehrte auch im Traum astronomische Wahrheit.

Im vergangenen Jahrhundert gab es einen kenntniß- und erfahrungsreichen Mann, der von den Einwohnern der Planeten und Sterne, von ihren Geistern, ja von den Geistern aller Himmel und Welträume wachend träumte. Er sprach mit diesen Geistern, sie mit ihm, eine Gedankensprache. Sie sahen durch seine Augen (denn sonst sehen sie, wie er erzählt, Dinge unsrer Erde nicht), er empfand sie in diesem und jenem Theil seines Körpers, vorzüglich in oder vor seinem Haupt, mehr und minder entfernt. Dreißig Jahre lebte er im Umgange mit diesen Geistern, aus welchem er der Welt zwanzig kleine und große Schriften, rein und schön in Quart gedruckt, von ihm selbst sorgsam durchsehen, mitgetheilt hat; denn er schrieb bis in sein fünfundachtzigstes Jahr, in welchem er starb.Das Verzeichniß seiner Schriften s. im Vorbericht zu Swedenborg's »Himmel und Geisterwelt« (1775), wo auch seine Lebensumstände gesammelt sind. In Stockholm hielt der Bergrath Sandel seine Gedächtnißrede (1772), der aber zweckhaft dieses Geisterumgangs nicht erwähnt. – H. [Vgl. Ennemoser's »Geschichte der Magie«, S. 949 ff. – D.] Sein Andenken dauert noch fort; eine Religionssecte in England und in Amerika führt sogar seinen Namen. Verdiente dies menschliche Phänomenon nicht eine nähere Erwägung?

Emanuel Swedberg, Sohn eines schwedischen Bischofs, war dieser Mann, 1688 geboren. Er empfing eine Erziehung, die der Würde und Redlichkeit seines Vaters angemessen war; »auch als Kind sagte man schon von ihm, daß aus ihm die Engel sprächen.« Wie oft hat man gesehen, daß dergleichen Lobsprüche, die man dem Kinde ertheilte, sammt der ganzen kindlichen Welt und Denkart in gewissen Jahren zurückkehren und ein festes Gedankenbild werden! Swedenborg's Engel hören die heilige Schrift am Liebsten von Kindern mit anmuthiger Stimme lesen; welches bei ihm selbst aus Erinnerung oder aus Neigung der Fall gewesen zu sein scheint. »Bis ins zehnte Jahr«, heißt es, »war er immer geschäftig, vom Glauben und von der Liebe zu sprechen«, welche beide dann auch, als ihm, wie er sagte, das Innere aufgethan ward, die Grundpfeiler seines Himmelreichs wurden. Eindrücke der Kindheit also belebten sich, als er in seinen sonderbaren Zustand gerieth, vor ihm personificirt.

Im Jahr 1710 ging er auf Reisen nach England, Holland, Frankreich, Deutschland, brachte vier Jahre auf Universitäten daselbst zu, der Weltweisheit, Mathematik, Naturgeschichte, Naturkunde, Chemie. Anatomie, Theologie obliegend. Sein Geist umfaßte allerlei Wissenschaften und verband sie, wie auch seine Werke zeigen. Im Jahr 1714 kam er nach Schweden zurück, legitimirte sich in Upsala, sprach mehrmals mit Karl XII., der ihm bald darauf ein Assessorat im Bergwerks-Collegium gab, wo er sich denn mit mathematisch-mechanischen Erfindungen hervorthat. Zur Belagerung von Friedrichshall schaffte er 1718 zwei Galeeren, fünf große Böte und eine Schaluppe mit Rollen über Berg und Thal von Strömstadt nach Idefiol, einen Weg von 2½ schwedischen Meilen. Er gab einen »Hyperboreischen Dädalus«, auch Schriften über die Algebra, die Münzen, arithmetische, astronomische Abhandlungen heraus u. s. w. Im Jahr 1719 ward er von der Königin mit dem Namen Swedenborg geadelt, trieb die Chemie, bereiste die schwedischen Bergwerke, 1721 auch die sächsischen und den Harz. Seit 1729 war er ein Mitglied der königlichen Societät in Schweden, vollendete im Jahr 1733 seine Opera philosophica et mineralogica, die er 1734 in drei Foliobänden mit 155 Kupferstichen ans Licht stellte. Die französische Akademie der Wissenschaften hat daraus zu ihrer Geschichte der Künste Swedenborg's Werk vom Eisen als das beste in dieser Materie übersetzt.

In diesen »philosophischen Werken« entwirft Swedenborg ein tief durchdachtes Natursystem, mathematisch, mechanisch. Ein im Unendlichen gegebener Punkt, mit allen Kräften ausgerüstet, soll durch eine innere Spiralbewegung der Kräfte alle Bewegungen, alle Gestalten der Thätigkeit hervorbringen, die Swedenborg in Elemente ordnet. Elasticität, der Magnet, der Aether, die Luft, Dünste u. s. w. sind diese Elemente, die er sodann bis in das Reich der Organisationen verfolgt.

Im Jahr 1740, 1741 gab er seine »Oekonomie des Thierreichs«Oeconomia regni animalis. Lond. 1740. 1741. – H. heraus, ein Werk voll Belesenheit und eigner Gedanken. In ihm ordnet er nach Reihen und Stufen die Naturreiche zu einer Harmonie, die er constabilirt nennt, wo in jeder aus dem Einfachsten eine Wirkung sich durch die ganze Reihe verbreitet. Daß diese Ansichten der Natur als Denkbilder des Verstandes ihm zur Gewohnheit wurden, war natürlich; Reihen und Stufen der Dinge nach Übereinstimmungen, aus dem Einfachsten geordnet, sah er allenthalben in der Schöpfung; eine constabilirte Harmonie war sein Hauptgedanke.

Nachdem Swedenborg solchergestalt sich durch die ganze sichtbare Natur durchgedacht, durchversucht, durchgearbeitet hatte, geliebt, geehrt und geachtet von allen Verständigen seines Vaterlandes, legte er im Jahr 1747 sein Amt mit Beibehaltung seiner Besoldung nieder. Denn schon im Jahr 1743 war ihm, wie er sagt, der Herr erschienen, hatte ihm das Innre aufgethan und die Geisterwelt eröffnet, auch verstattet, mit Engeln und Geistern zu sprechen, in deren Umgange er fortan bis an seinen Tod lebte. Er sähe sich als eine Verbindung zwischen der Geister- und Körperwelt, diesen Umgang sogar als ein Amt an, das ihm der Herr aufgetragen, und zeigte dabei weder einen anmaßenden Stolz noch eine Schwäche des Verstandes. Kein Prahlen machte er davon, wußte aber, wenn er darüber gefragt ward, auch die Spötter in Achtung zu erhalten. Fröhlichen, stillen Gemüths erschien er Jedem, der ihn näher kannte, wirklich als Einer, »der mit Engeln umgeht«, d. i. als Muster ungeheuchelter Frömmigkeit, Güte und Wahrheit. Der Stil seiner Schriften ist schmucklos; oft sehr naiv erzählt er die Unterhaltung mit diesem und jenem Geist und deren Wirkung auf ihn; von einem Truge, den er Andern wissentlich machen wolle, ist, wenn man ihn hört, nie die Frage.

»Mithin war Swedenborg ein Selbstbetrogner?« Das war er. Da aber dies Wort bald gesagt ist und ähnliche Selbstbetrüge, d. i. Mißbräuche der Phantasie, in Köpfen nisten, wo man es kaum erwartet, so lasset uns an diesem berühmten Beispiel der Quelle des Betruges näher treten. Swedenborg's treue Relation in allen seinen Schriften giebt uns darüber warnenden Aufschluß!


Psychologische Erklärung der Swedenborg'schen Geschichte.

1. Von Jugend auf denken wir in Bildern; Worte bringen Gestalten vor unser Auge. Diese Bilder erweckende Kraft nennen wir Phantasie, ohne welche aber auch der Verstand nicht wirkt. Glücklich, wem sich früh und immer wahre Gestalten eindrückten, nicht Phantome, nicht falsche Denkbilder geschriebner Worte!

2. Die Bilder schaffende Kraft in uns und bei Andern ins Spiel zu setzen, haben wir ein eignes Vermögen. Dichter thun es, Maler, Tonkünstler, Redner. Ihre Kunst führt darauf und ist daher erwachsen. Wer keine Idole hervorbringen kann, sagen wir, ist kein Dichter; je leichter er sie, oft nur mit einem Wort, hervorbringt, je natürlicher, länger und lieblicher sie sich bei uns wie einst bei ihm verweilen, desto mehr ist er im Besitz des magischen Stabes. Ihr Künstler aller Art, gebet uns wahre, schöne Idole!

3. Aber auch ohne Kunst schaffen Neigung, Leidenschaft und Gewohnheit dergleichen Bilder. Aus und nach Neigung findet sich jeder Mensch in einer eignen Sphäre von Gestalten, gemein und niedrig, oder schön und edel, die er als Bekannte aufruft. Was wir fixe Ideen nennen, sind dergleichen; ein Wort regt sie auf, ein Umstand bringt sie hervor, und an ihnen hangt eine Welt von Nebenumständen. Leidenschaft, als eine erhöhte Neigung, wirkt also mächtig auf die Ideengebärerin, die Bilder schaffende Phantasie, oft unüberwindlich; denn unmerklich schafft diese und liebt Gewohnheit. Lasse man seiner Einbildungskraft Raum und Zeit, an diesem Ort, zu jener Zeit nur solche und keine andre Bilder hervorzurufen und an sie mit Wohlgefallen zu denken, sie kommen, von Zeit und Raum untrennbar, wieder. Heilige und Verliebte haben dies gnugsam erfahren, gnugsam geübt.

4. Wenn also aus dem Quell der Neigungen unsre Idole aufsteigen, wo quillt dieser Quell am Vollsten, am Reichsten? Im Thal der Jugend. Da schöpften wir die neuesten Bilder; am Tiefsten drangen sie damals in uns, und wie einen verborgenen Schatz bewahrt das Herz sie. Gern steigen sie in Träumen empor und verweben sich sonderbar mit spätern Gestalten; denn nach und nach entgeht der Seele diese Kraft neu zu erzeugender Bilder; sie stützt sich gern auf ihre ältern Freunde. Der Greis spricht am Liebsten von Jugendzeiten, in deren Erinnerung er wieder Jüngling wird; die Wiederholung derselben ist ihm ein Traum des Wirkens, ein unterhaltendes Far niente. Da nun diese ältlichen Reproductionen das Rohe der Jugend abgelegt haben (längst entschüttelten dies die Jahre) und das körperliche Bild jetzt in einer geistigen Gestalt gleichsam verklärt da steht, so wächst die Täuschung. Wir würden uns, wir würden die Gegenstände unsrer jugendlichen Neigung oft nicht kennen, wenn wir sie in ihrer ächten, ersten Gestalt sehen sollten. Wir nennen dies die Poesie des Lebens, die, mit Maß gebraucht, zu unserm Glück beitragen, im Uebermaß aber uns zu süßlichen Thoren machen kann, wie jedes andre Blendwerk.

5. Wenn die Phantasie ihrer Natur nach eine so vergeistende Zauberin ist, indem sie das Schwere sinken läßt und das Leichte hebt, indem sie der Mühe vergißt und nur der Anmuth gedenkt: so macht sie natürlich in reinen Herzen einem Himmel Raum, von welchem man die Hölle scheidet. Jene hellen Gestalten, die auf dem Wege unsers Lebens uns schuldlos erfreuend die Hand boten, malt die Phantasie als Engel und Heilige; das Wilde dagegen, das auch seine Schwere abgelegt hat, schwebt als ein schwarzer Schatte vorüber. Wie der Mensch zwischen Freude und Leid, zwischen guter und böser Erinnrung einhergeht, so fliegt rück- und vorwärts die Einbildungskraft zwischen zwei Extremen, Licht und Dunkel. Es kommt darauf an, wie man sie ansehe und ordne. Jeder ordnet sie nach seinen Lieblingsbegriffen; das ruhigere Alter sollte sie sanft, verständig ordnen. Im Fieber haben wir Fieberträume; eine gesunde, schöne Seele malt schön und rein. Auch den lieblichsten Gestalten giebt sie Maß und Entfernung.

6. Wie es endlich mit den materiellen Bildern zugehe, die, wenn sich unser Organ ermattet schließt, ohn' unsern Willen und ohne an sie geheftete Gedanken, langsam oder schneller vor uns treten, kürzer oder länger vor uns verweilen und wunderbar wechseln: dies Problem möge der Physiolog auflösen. Gnug, um uns Swedenborg's Engel- und Geisterreich Blatt für Blatt zu erklären. Man lese das Folgende als einen Roman seiner Seele.


Ihm, dem Sohn eines frommen Bischofs, waren Religionseindrücke nach damaliger Zeit, also Himmel und Hölle, in der Moral Glauben und Liebe die ersten, die innigsten worden; man sieht auch genau, gegen welche Meinungen der spätere Swedenborg kämpfte, die er in seinem Geisterreich also anders modificirt. Die Dreifaltigkeit z. B. im groben Begriff, das Eins als Drei, Drei als Eins, lasse sich in seinem Himmel der Wahrheit, wie er sagt, nicht aussprechen, indem es die Engel für einen Widerspruch halten. Swedenborg's Secte nimmt den ewigen Vater subststirend im Sohn an; bildlos mochte er sich keinen Gott denken. Als Naturalisten und Pantheisten verbannt er Die aus dem Himmel, die ihn sich bildlos dachten; sein Himmel und aller Himmel haben die Gestalt des Herrn, d. i. Menschengestalt. Die hat jeder Engel, jede Gesellschaft der Engel, deren Neigungen und Kräfte nach Functionen der Glieder bestimmt sind: alle nach dem Lieblingsbilde einer constabilirten Harmonie, die Swedenborg in der Haushaltung des organischen Lebens gefunden hatte, configurirt. So spielt die Phantasie mit uns nicht nur in dichterischen, sondern auch in wissenschaftlichen Träumen.

Hieraus erklären sich Swedenborg's zwei Reiche der Himmel: das Reich des innigen Gemüths, d. i. des wahren Menschen, mithin der höchsten Seligkeit, der Liebe; nach und neben ihm das Reich der Erkenntnisse, des Wahren, des Glaubens. »Aus dem Willen«, meint er, »wirke der Mensch; Gemüth sei der Stamm und die Wurzel seines Daseins. Liebe werde Wahrheit, wenn sie, ohne Rücksicht auf sich, thätig und selig in allen Kräften wirke«. Nicht leicht stärker kann der Vorzug des Gemüths vor dem blos forschenden, wißbegierigen Geist gezeichnet werden, als Swedenborg ihn durch die Trennung dieser Himmel gezeichnet hat. »Die Sphäre der Liebe verbreitet die innigste Seligkeit, die größte Wirksamkeit, Eintracht und Freude.« Ist auch unter Menschen dem nicht also?

»Jeder Mensch und Engel hat seinen Himmel in sich und verbreitet ihn um sich durch eine mächtige Sphäre.« Neigung und Abneigung, die, auch in der Entfernung sogar, auf die Empfindungen Andrer wirkt, trennen Swedenborg's nie vermischte Gesellschaften des Himmels; dort wie hier fliehen oder suchen sich die Wesen, verschieden von einander, und bei aller Mannichfaltigkeit ein Ganzes durch Gemüth, Kenntnisse und thätige Liebe. Wie andre Weltweise, jener eine Sonnenstadt, dieser eine Platonische Republik träumte, so spiegelt Swedenborg, der zu weltklug war, als daß er politische Träume ausspinnen wollte, eine Himmelswelt aus sich heraus, in der das Menschliche im Menschen, Wahrheit und Güte, entnommen dem Irdischen, wirkt, eine Oeconomia coelestis. Der Ausdruck, mit dem er seinen Zustand bezeichnet: »sein Innres sei aufgethan worden«, ist der eigentlichste in einem andern Verstande. Denn allerdings geht sein Innres, sein Ideal menschlicher Natur und Güte in seinen Träumen hervor. Hätte Swedenborg eine Moral geschrieben, würde er sie auf dieselben Normalbegriffe, Wahrheit und Güte, gebaut haben. Die Geheimnisse, die er in der Geisterwelt entdecken wollte, sind in jedes Menschen Geist und Herz geschrieben.

»Wie sprach Swedenborg also mit seinen Engeln?« Wie man mit seinen Gedanken spricht; Engel und Geister waren seine Gebilde. Nur personificirte er wissentlich sie nicht; als Visionen waren sie vor oder in ihm; dieser Zustand war Krankheit. Eine gefährliche Krankheit, weil in sie der Uebergang so leicht ist. In manchen Zuständen des Gemüths sind Menschen der Vision nahe; Neigung und Leidenschaft kann sie fördern. Wahrscheinlich war Swedenborg durch starke Intention der Gedanken, die auch in seinen wissenschaftlichen Werken herrscht, allmählich zu ihr gelangt und hatte sich, da ihm dieser Umgang, ein Gedankenspiel, eine Seelen- und Gemüthsdichtung, angenehm war, darin geübt. Deshalb zog er sich in die Einsamkeit und befand sich also in seinem Himmel, Organ und Confabulist der Engel und Geister, ihr idealischer Mitbruder. Den Zustand, in dem er sich dabei befand, hat er selbst treu geschildert.

Er war von dreifacher Art. Der gewöhnliche, ruhige, in dem er mit Geistern sprach, diese vor und neben ihm erschienen oder in Theilen seiner selbst fühlbar wurden. Der zweite, seltnere, eine Entzückung, in welchem alle Sinne bis aufs Gefühl außerordentlich lebhaft wirkten. Der dritte, da er, vom Geist fortgerissen, in schneller Zeit unzählige Oerter und Gegenstände sah, der seltenste. Alle drei Zustände kennen wir nicht nur aus Träumen und Krankheiten, sondern auch gesund und wachend aus Zuständen, in denen unsre Phantasie lebhaft wirkt. Swedenborg's Himmelsgeheimniß war, daß er diese Phantasien, bei ihm aus seinem innersten Sein entsprungen, mit Ueberzeugung sah und glaubte; diese Ueberzeugung realisirte ihm die Erscheinungen im Innern und stellte sie gegenwärtig den Sinnen dar. Himmel und Hölle waren aus und in ihm, eine Laterna magica seiner eignen Gedanken.

Sehr getäuscht finden sich also Alle, die in diesen Gesichten Aufschlüsse für ihre Neugierde suchen; z. B. was Sokrates, Cicero, Luther u. s. w. mit Swedenborg gesprochen haben mögen. Alle sprechen aus ihm und wie er, wie er aus seinem Innern hinaus sie sprechen machte. Also durchaus eintönig; daher das Lesen dieser Schriften so sehr ermüdet. Vertraute Swedenborg's müssen es sogar gewußt haben, von wem dort und hier das Bild oder die Aeußerung des erscheinenden Geistes unwissentlich abgezogen sei; so treu und genau zeigt sich der Seher mit allen Mängeln und Vorurtheilen seiner Individualität, nach Zeit, Sitten, Religionsmeinungen, Lieblingsideen, ja in seiner geheimsten Organisation selbst. Man sieht, welche Sinne bei ihm die zartesten, welche dagegen minder ausgebildet gewesen. Musicalisch war er eben nicht; dagegen kommen über Sprache, Gestaltungen, Geberden, über Neigungen und Wirkungskreise der Sinne, vorzüglich des Geruchs, über Lohn des moralischen, Strafe des unmoralischen Gefühls so feine Bemerkungen vor, daß man oft wünscht, Swedenborg wäre Dichter gewesen, dies Alles in Handlung zu setzen oder, wie Dante, zu zeichnen. Er bleibt aber ein redlicher Prosaist, ein wiederholender Erzähler. Der Unterschied seiner Planetengeister z. B. ist aus den Metallen gezogen, die mit jenen Weltkörpern einerlei Bezeichnung haben; aus dem Quecksilber werden die Geister des Mercur's, aus Blei die Geister Saturn's charakterisirt u. s. w.

Die Träume dieses Geistersehers durch neue Träume einer fremden Metaphysik zu erläutern, wäre ein überflüssiges gutes Werk; das Nöthigere scheint, sie aus dem Träumenden selbst zu erläutern, da sie seine Metaphysik sind; Metaphysik seines sämmtlichen Wissens, Empfindens, Denkens, Hoffens, Thuns und Lebens, durch einen Mißbrauch seiner Phantasie entstanden und durch ihn fortwirkend.

»Wie aber? hat Swedenborg aus seinem Geisterreich nicht sonderbare Nachrichten und Aufschlüsse gebracht? z. B. in welchem verborgnen Behältniß jenes Papier stecke? daß in Stockholm jetzt ein Brand sei, ob er gleich damals in Gothenburg war? das geheime Gespräch, das die Königin mit ihrem verstorbenen Bruder voreinst in Charlottenburg geführt?«Vom Himmel und der Geisterwelt. Vorbericht. – H. Erzählungen der Art begründen nichts, da Swedenborg selbst kein Neuigkeitforscher aus jener Welt, sondern ein Bote des geistlichen Sinnes der Schrift sein wollte; überdem sind sie aus der trüben Quelle von Hörensagen geschöpft. Und dann, wie weit reicht in unsrer Seele das dunkle Land der Vermuthung, der Ahnung? Sagt uns nicht oft ein Traum, worüber wir wachend lang, aber vergebens nachsannen und speculirten? Und ein verständiger Mann, der vor allen andern sein Traumvermögen in Thätigkeit gesetzt hat, auch wachend muß er viel austräumen.Wenn ein Kopf in Dr. Gall's Sammlung zu dessen Beobachtungen zu wünschen wäre, so ist's Swedenborg's. Es scheint ihm Jahre gekostet zu haben, bis sein Trieb Fertigkeit ward und sich ihm das Geisterreich aufthat. Und fast dreißig Jahre hat er diesen Trieb geübt. – H.

Ernst und bedeutend winkt Adrastea den Menschen durch Swedenborg zu, auch fromme Gedanken, biblische Sprüche und Bilder, einen geistigen Sinn der Schrift u. s. w. nicht über Maß und Ziel zu führen; das zarte Geschäft wird bald Müssiggang der Gedanken, langweiliges Spiel, Wahnsinn. Sie winkt uns zu, keiner Imagination einen unbegrenzten Raum zu geben, auch die reinsten Ideen des Wahren und Schönen dergestalt nicht in Bilder zu kleiden, als ob diese die Wahrheit selbst wären; bei der redlichsten Gesinnung wird durch sie der Selbstbetrogne ein Wahnsinniger, ein Verführer. Endlich zeigt sie uns, daß der ganze Reichthum wissenschaftlicher Kenntnisse, zumal wenn diese den Geist ermattet haben, nicht vor dem Truge bewahre, wenn diesen das ungesättigte Herz begehrt. Offenbar war Swedenborg's Fehler, daß er, ermüdet von wissenschaftlichem und Staats-Unfug, die Kette der Natur, die irdische Oekonomie verließ und sich geistig isolirte. Seinen starken Organen war damit Raum gegeben; er schuf sich die Welt, die er in Gesetzen der mechanisch-animalischen Natur gefunden hatte und sonst nirgend fand, moralisch-geistiger Weise in himmlischen Träumen.

Warnend ist auch für die Metaphysik dies Beispiel; denn treibt unser neuere Idealismus mit seiner Phantasie nicht auch dergleichen, sogar bloße Buchstabenspiele? Hat das verwichene Jahrhundert nicht eine Reihe Geisterseher hervorgebracht, die, in Ansehung einer constabilirten Harmonie, Swedenborg bei Weitem nicht an die Seite zu setzen wären?Hier folgte noch »Himmel und Hölle. Zum Theil nach Swift« (Herder's Werke, III. S. 370 f.), und den Anfang des ersten Stückes des vierten Bandes der Adrastea bildete »Der entfesselte Prometheus. Scenen« (daselbst, II. S. 141–158). – D.

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