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Revenons a la nature, sagte Mr. Helge Pierrepont Pickles, indem er sich gegen die Balustrade des gyroskopischen Zugs lehnte und mit dem rechten Arm ein eben erhaltenes drahtloses Telegramm entfaltete, während er mit dem linken, der künstlich war, seinen Vortrag pointierte, indem er hin und wieder einen Satz durch ausdrucksvolle Gesten seines rechten Beines betonte, das auch künstlich war und auf sehr feine Nuancen reagierte. Mr. Pickles sprach außerordentlich fließend, und die kunstvollen Glieder knarrten wundervoll, indem sie ab und zu durch ein leises Knirschen, wie der gewisse Coleopterer es mit seinen Mundteilen hervorbringt, die Auswechslung der elektrischen Maschinerie verrieten, deren fabelhaft kompliziertes System von Helge Pierrepont Pickles wie ein intellektuelles Spiel beherrscht wurde.
… In zehn Minuten wird dieser Zug mich zu meinem Landsitz gebracht haben, 140 Kilometer von meinem Kontor in der Hauptstadt entfernt. Dadurch liegen, wie Sie sehen, 1⅓ Grad zwischen meiner ungeheuer forzierten Arbeit im Zentrum der Großstadt und meiner Rekreation auf dem Lande. Die Durchführung dieser Luftveränderung, zu der frühere Generationen ein Leben gebraucht haben und die sie meistens nur nach einer Richtung vornahmen, mache ich jeden Tag in beide Richtungen. Vormittags Geschäfte, den Rest des Tages pflanze ich meinen Kohl – womit ich meine Orchideen meine. Ich habe augenblicklich eine seltene und kostbare Gongora in Blüte, und dieses drahtlose Telegramm, das ich eben empfangen habe, teilt mir mit, daß sie auf der Orchideenbörse in London für 1100 Pfund an einen Fürsten verkauft worden ist, dessen Braut sie schmücken soll. Annehmlichkeiten des Landlebens. Außer meiner Orchideerie vermiete ich kleinere Areale zu Laubenkolonien für das Proletariat; die Flucht aus der Stadt, mein Herr, die im vorigen Jahrhundert anfing und immer mehr um sich griff, hat naturgemäß zur Anbringung von flüssigem Kapital in Landbesitz herausgefordert, wohlgemerkt, in damaliger Zeit, und glücklicherweise habe ich zu jenen gehört, die auf diesem Gebiet ihrer Zeit voraus waren. Eine einfache Berechnung sagte mir, daß der wachsende Verkehr schnellere Eisenbahnen zeitigen würde, was ja auch zugetroffen ist, und daß das Gebiet, das man den Rekreationsgürtel nennen kann, in eine größere Peripherie um die Stadt hinausgeschoben werden würde, weshalb ich ganz ruhig eine Wildnis mehrere Tagereisen entfernt aufkaufte, weit draußen in dem dunkelsten Bauernland. Jetzt reichen die Vorstädte bis dorthin, und mein Grund und Boden kann schlechterdings nicht durch Geld ausgewogen werden. Man spricht von der Reserve der Bauern, womit man wohl diese Art Bodenspekulation gemeint hat …
Hier schlug Mr. Pickles eine kindliche Lache auf und ließ, auf einem Bein stehend, sein rechtes künstliches einen Augenblick durch die Luft sausen, daß es nur noch wie eine Glorie anzusehen war. Ebenso schnell hielt er es aber wieder an, indem er Benzin durch ein Ventil am Knie ausließ, worauf er fast drohend ernst wurde:
Sie irren nicht, wenn Sie glauben, daß ich ein Zyniker bin. Aber ich bin ein Naturmensch. Durch die moderne Zivilisation geht ein Heimweh, eine Sehnsucht zur Rückkehr nach dem einfachen Ich. Laßt uns natürlich sein. Überall sucht man das Primitive, nicht wahr, das Ganze, die rücksichtslose Urkraft, mit der man sein Wesen erkennt und hebt. Die großen Gefühle sind tatsächlich zurückgekehrt, sowohl in der gradlinigen Energie, mit der geschwindelt wird, als auch in der Bewunderung, mit der man dem Verbrecher folgt, solange er nicht stückweise handelt. Die Zeit will Natürlichkeit, und ihr wird zuteil, was ihr not tut. Diese Rückkehr zur Natur im sublimen Sinne, diese innere Freimachung charakterisiert gerade meine Persönlichkeit. Ich bin Parasit.
Gestatten Sie mir eine Erklärung. Eine Pflanze war der erste tierische Organismus, der den Richtweg fand, sich durch eine andere Pflanze zu ernähren, statt selbst mühsam die gebundenen, organischen Stoffe aus der Erde zu spalten. Hierdurch, in Parenthese bemerkt, meine Vorliebe für die Orchidee; sie ist auf dem Weg zum Tier. Aber dieser Nichtweg in der Natur, sage ich Ihnen, ist das Gesetz für jede neue Entwicklungsstufe. Wo ein Mensch einen anderen ausnutzt, entsteht Kultur, kraft eines arbeitssparenden Prinzips. Ich bin Anthropophage. Ein Blick auf meine Züge wird Sie davon überzeugen, daß ich in einem unheimlichen Grade an einen Kopf auf einem Bild von Breughel erinnere, an den Mageren, der in die Backe des Fetten beißt. Das gleicht jedenfalls meinem Appetit. Von mir hat Joseph geträumt, als er die mageren Biester vom Strande kommen sah, die die fetten verschlangen, ohne daß sie dadurch satter wurden.
Mr. Pickles nahm seine 32 Zähne aus dem Mund, hielt sie im ausgestreckten Arm von sich ab und ließ sie nackt durch die Luft grinsen, worauf er sie wieder mit einem Knall an ihren Platz setzte.
Also ich ernähre mich auf Kosten anderer. Forschen Sie nicht nach meiner Moral, fragen Sie nach meinem Glück. Da aber die Natur nicht arbeitende Organe verfallen zu lassen liebt, hat dieses kraftsparende Prinzip seine Kehrseite. Hohe Kultur, die bequem durch Raub erworben worden ist, führt notwendig Degeneration in anderer Beziehung mit sich. Sie sehen, daß ich Invalide bin. Die Anlage dazu liegt bereits viele Generationen zurück, indem meine Vorfahren, soweit ich sie verfolgen kann, sich ausschließlich durch ehrenwerte Bemühung anderer ernährten, wodurch sie mehr und mehr verfeinerte Individuen wurden, alle durch diesen oder jenen anatomischen Schwund gezeichnet, Mangel an Kinn, bisweilen an Geschlecht, ja, sogar, verstehen Sie mich recht, in bildlichem Sinn, durch Mangel an Kopf. Meine Biologie bietet, wie Sie leicht erkennen werden, eine wenig schmeichelhafte Analogie mit der des Adels, für wen wenig schmeichelhaft, will ich ungesagt sein lassen. Diese Disposition in meiner Familie trug in Verbindung mit gewissen Umständen bei meiner Entstehung zu einer frühzeitig embryologischen Atrophie bei, wodurch ich den linken Arm und das rechte Bein bereits im Mutterleib zusetzte. Räumen Sie indessen ein – abgesehen davon, daß die Fähigkeit meiner Familie, auf Kosten anderer zu leben, bei mir nicht geringer geworden ist – daß man eine so hohe Entwicklung der modernen Technik, wie sie durch meine künstlichen Glieder repräsentiert wird, ohne meine physische Unvollkommenheit nicht erlebt haben würde. Gestatten Sie mir, Ihnen den illustrierten Katalog der Fabrik für künstliche Gliedmaßen mit Evaporation und Dynamik, Limited, zu überreichen, eine Aktiengesellschaft, an der ich beteiligt und für die ich Agent bin.
Appelliere ich an Ihr Mitgefühl? Ich bin nicht ordinär. Meine Invalidität verleiht mir wirklich alle Vorteile, auch diejenigen, die Sie auf Ihrer Seite zu haben meinen, mein Herr, ich besitze durch meine körperlichen Fehler ein sehr bedeutendes Verteidigungsmittel, indem ein an und für sich lächerliches, aber tief eingewurzeltes und sehr opportunes Vorurteil den Krüppel gegen Gewalttätigkeit schützt, ein Umstand, der zu meinem vollkommenen persönlichen Schutz dient und selbst Leuten mit den glänzendsten Fertigkeiten mir gegenüber nicht die geringsten Chancen gibt. Physisch genieße ich also, wenn auch so zu sagen im konkaven Sinne, alle Vorteile eines Athleten. Ich selbst möchte jedoch gewisse innere Eigenschaften, evolutionsmäßig gesehen, als hervorragendste Eigenart meines Typs bezeichnen, nämlich meine Lebensanschauungen.
Mr. Pickles nahm sein Glasauge heraus, putzte es und setzte es wieder ein:
Ich bin Sammler von Lebensanschauungen. Es gibt wenige, die ich mir nicht angeeignet habe. Bereits in jungen Jahren habe ich, natürlich begünstigt durch meine Konstitution, jede Lebensanschauung, die durch Lektüre erworben werden kann, gesammelt und einregistriert, sämtliche Religionen und philosophischen Systeme, außerdem alle Sonderbetrachtungen, die wichtigsten, typischen Wahnvorstellungen und eine Auswahl Weltbetrachtungen, die unter die Kategorie reiner Blödsinn gerechnet werden müssen; es wäre eine Unmöglichkeit, sich diese vollzählig anzueignen. Daß ich die individuelle Eigentümlichkeit jeder einzelnen Person, mit der ich im Leben in direkte Berührung gekommen bin, angenommen habe, versteht sich von selbst; einige der hübschesten Charaktere, die man sich überhaupt denken kann, sowie die abscheulichsten sind in meiner Sammlung.
Wollen Sie mir glauben, daß es lange Zeit eine bestimmte Klasse Menschen gegeben hat, deren innere Form und moralischen Habitus ich mir nur durch ungeheure Mühe angeeignet habe, nämlich diejenigen, die sich durch eine gewisse selbstverständliche Freiheit im Wesen und Auftreten auszeichnen, die wirklich Freigeborenen, von denen Ihnen vielleicht Beispiele begegnet sind. Sie sterben aus, es gibt nicht mehr viele davon, aber ich habe dennoch genug gekannt, um ihrem Charakter eine Art Unvergänglichkeit in meiner Sammlung zu sichern. Sie können doch nicht leugnen, daß ich mit einer bedeutenden Offenheit auftrete, nicht wahr, dieses Freimütige, der freie Mann, der nichts zu verbergen hat; diese Charaktereigentümlichkeit habe ich von den wenigen Gentlemen gelernt, die mir in meinem Leben begegnet sind. Im allgemeinen hat die Aneignung von sogar recht fremdartigen und fernliegenden Lebensanschauungen mir keine Mühe gekostet, ich kann Sie versichern, daß gerade die eigenartigsten und exzentrischsten nicht viel Kopfzerbrechen machen.
Natürlich folge ich mit der Zeit. Ich darf wohl sagen, daß ich immer einer der ersten bin, der sich einen neu auftauchenden Gedanken aneignet. Etwas Epochemachendes ereignet sich selten, aber ich nehme alles mit, jede neue Sache, all die kleinen Blitze, die nach Originalität schmecken und sich ein Jahrzehnt oder so halten können, ich nehme sie in mich auf und mache sie mir zu eigen, sie leben glücklich in meiner Verdauung weiter, ebenso wie die Maus in den Adern der Katze wiederersteht; meine Gelehrigkeit ist wie ein zweites Leben für die Ideen aller anderen Menschen. Nun, man kann auch zu bescheiden sein; ich könnte ein oder zwei tragende Gedanken nachweisen, die von Genie geprägt sind, und die jeder Zeitgenosse als meine eigenen betrachten wird. Sehen Sie, es gelang mir, diese kostbaren Ideen dadurch zu monopolisieren, daß der Urheber entweder hoffnungslos anonym blieb, sich totschweigen oder auf andere Weise eliminieren ließ. Eigentlich produktiv, ursprünglich, bin ich ja nicht, deshalb brüte ich nicht ohne Eifersucht über diesen wenigen originellen Sachen, die ich in meiner Sammlung habe. Man kann sich durch erfolgreiche Selbstsuggestion wirklich dahin bringen, zu vergessen, woher man sie hat. Was aber diese wirklich wertvollen Funde anbelangt, so muß ich gestehen, daß ihr Besitz mit dem Gefühl einer inneren totalen Leere verbunden ist. Wie Sie wissen, kann der Verbrecher es nicht lassen, um den Ort seiner Tat zu kreisen, genau so empfinde ich den Urhebern der Ideen gegenüber, die ich mir zu eigen gemacht habe, ich muß an sie denken, sie gehen mir wie eine Verfolgung durch die Seele. Da ich indessen kaltblütig genug bin, um zu wissen, daß jedes psychische Leiden seinen organischen Ursprung hat, so helfe ich mir dadurch, daß ich ein Aloepräparat einnehme und auf der Treppe der Person, die zu meiner Sammlung beigetragen hat, quittiere. Ein gemeiner Streich verwischt den anderen. Geistiges Eigentumsrecht ist ja immer eine mißliche Sache. Ich hatte mal einen Fall, wo ein Mann, von dem ich einen genialen Gedanken hatte, auf Indizien verurteilt und davon überzeugt wurde, daß im Gegenteil er es sei, der seine Erfindung von mir habe! Der Mann war nämlich genial genug, sich beim Publikum zu beschweren!
Mr. Pickles brach in ein herzliches Gelächter aus und evaporierte aus Arm und Bein, daß es nur so pfiff.
Jetzt glauben Sie wohl, daß meine gesammelten Lebensanschauungen nur eine Passion von mir sind, daß sie nummeriert in meinem Gedächtnis ruhen und nichts weiter bedeuten. Aber das ist ein Irrtum von Ihnen. Sie vermischen sich praktisch mit meinem täglichen Leben, sie bestimmen meine Handlungsweise. Ich bin aus diesem Grunde vielseitig wie wenige. Die Psychologie besitzt nicht eine einzige Definition, die nicht auf Äußerungen meiner Initiative angewendet werden kann. Mein umfassendes Seelenleben macht mich kriechend und brutal zugleich, je nachdem ich Kapitalist oder Sozialdemokrat bin, alle Temperamente stehen mir zur Verfügung, ich nähre mich von jeder Verirrung. Während ich in so hohem Maße modern bin, daß ich mich selbst als Zukunftsmenschen bezeichnen kann, teile ich mit wirklichem Interesse die häßlichsten Verirrungen des Obskurantismus, ich bin Anarchist und Reaktionär, Suffragette und griechisch-katholisch, Jesuit, Sozialist, aus Respekt vor der Majorität Mohammedaner, aus Neigung Aristokrat, durch mein Geschlechtsleben Pavian, ich bin wohltätig auf offener Straße und sauge arme Familien im Hinterhaus, deren Mitglieder sich mit dem Ungeziefer auf der Treppe herumschlagen, bis aufs Blut aus, ich bin Friedensfreund und Totschläger, Atheist und Wiedertäufer, Theosoph und Grundtvigianer, Derwisch, Bettler und Bankier, kurz gesagt, ich stehle. Ich bin ein geborener Dieb und habe meine Anlagen durch Trainieren erweitert.
Während des Vorhergegangenen hatte Mr. Pickles ein Bund Dietriche aus der Tasche gezogen und sie wie eine Begleitung zu seinen Worten herumgeschwenkt, jetzt hielt er plötzlich damit inne, so daß man sie alle sehen konnte, und rief aus:
Glauben Sie mir, ich breche jeden Tag bei mir selbst ein, wenn ich aus dem Geschäft komme! Ich breche bei mir selbst ein. Und wenn ich nach umständlicher und schlauer Durchspähung des Hauses und der Treppe die Tür mit dem Dietrich geöffnet habe, schleiche ich in meinen eigenen Zimmern mit einer kleinen Diebslaterne umher, einer funkelnagelneuen englischen Erfindung, mit radioaktiver und automatischer Zündung, ich brülle mir selbst vor dem Spiegel hands up zu, ich nehme kubische Maße von dem Inventar. Mein Schlafzimmer ist genau wie eine Zuchthauszelle eingerichtet! Alles, was ich besitze, ist erschwindelt oder gestohlen. Ich hasse rechtmäßigen Besitz. Mein ganzes Eigentum hat eine Patina, durch die es unschätzbar wird, es gehört eigentlich anderen. Ich besitze Dinge, die ich sogar mehrmals gestohlen habe. Als Gauner besitze ich Phantasie, wirkliche, echte Schöpferkraft. Sie werden wohl schon lange geahnt haben, daß ich Jurist bin. Natürlich, denn obwohl ich ein Privatdieb bin, wollte ich doch nicht auf den Vorteil verzichten, meine Finger öffentlich legalisiert zu bekommen.
Und ich bin verdorben. Ich besitze Häuser in der Stadt, wo man lebt. Ich selbst behalte mir nur ein Guckloch vor, ich, der Besitzer, ein ganz kleines Loch in der Wand, wodurch ich ungesehen alles verfolgen kann. Das ist mein Familienleben, so sitzt das Heimchen am Herde. Bin ich nicht widerwärtig?
Aber – und Mr. Pickles' bleifarbige Züge nahmen langsam einen ehrlichen Ausdruck an – jetzt sehne ich mich trotzdem nach etwas anderem, nicht nach etwas neuem, sondern nach etwas, das ich entbehre. Die Losung der Zeit ist, wie Sie vielleicht gehört haben, Gefühl, echtes Gefühl. Mein Charakter ist auf eine Weise echt genug und dient dem Selbsterhaltungstrieb so effektiv, wie man es nur verlangen kann, aber das ist es nicht. Ich fühle den Mangel an Naivität, mein Herr, an einfacher Struktur, mit einem Wort, an Wärme. Meine ganze blendende Aneignungsfähigkeit kann nicht darüber wegtäuschen, jedenfalls mich selbst nicht, daß ich nicht bin. Weh! Weh! Inne Wärme, Seelenwärme, Mittelpunkt! Man hilft sich mit Schadenfreude, bleibt aber doch unbefriedigt. In allernächster Zeit reise ich nach Paris und will mir bei selber Gelegenheit etwas echte Natürlichkeit in meine künstlichen Extremitäten einführen lassen, jedenfalls in eine derselben.
Der gyroskopische Zug, im Volksmund »Skope« genannt, hielt, und Helge Pierrepont Pickles stieg aus, von einem Lächeln der Mitfahrenden im Kupee begleitet, die ihn kannten und wußten, daß er in Wirklichkeit ein kleiner, unschädlicher und strebsamer Antiquitätenhändler aus einer Seitenstraße in der Stadt war.
Ein trüber Tag, grauer Himmel und milder Regen.
Die Gräben sind bis an den Rand mit Wasser gefüllt und ein kaltes Gelee von Schnee ist unter der Oberfläche sichtbar.
Aus den Wolken läßt eine unsichtbare Lerche ihr Gezwitscher ertönen, hell und winzigstem. Die Frösche haben angefangen sich zu versammeln, sie quaken in dem stillstehenden Wasser, ein Gnomenkonzert. Es klingt so gesellschaftlich und so unterdrückt tätig, wie ein Hexenkessel, der unter der Erde brodelt. Die Luft riecht durchdringend nach Wasser, die Weidenzweige recken sich mit flaumigen Knospen in den Nebel hinauf. Aus weiter Ferne kommt über die Ebene der leise wimmernde Klang einer Kirchenglocke.
Ganz unmerklich hat es angefangen zu dämmern, der Regen bildet Augen in der Oberfläche des Wassers, die neblig blinzeln, sich vergrößern, sich wie Häutchen auf dem Wasser verlieren, und sich dann langsam blinzelnd wieder öffnen, wie Sonnensysteme, die entzündet werden, Ringe bilden und verlöschen, die blinde Bestrebung der Natur sehend zu werden.
Buchdruckerei Roitzsch, Albert Schulze, Roitzsch.