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Hiyaku. Die Geheimmittel im Geschlechtsleben

Zu den Erzeugnissen des Hauses Yotsumeya zählten auch die Yotsumeya-gusuri, die wir oben kurz erwähnten. Es sind die »Medizinen des Hauses Yotsumeya«, alle aus Arzneien, Drogen und sonstigen Stoffen hergestellten Hilfsmittel für das Geschlechtsleben, die man auch mit einem allgemeinen Namen »Irogusuri«, Liebestränke, nannte. Statt dessen sagte man auch »Hiyaku«, geheime Arzneien, was unserem Wort »Geheimmittel« entspricht, nur daß man unter Hiyaku fast ausschließlich Aphrodisiaca versteht, also Mittel, die den Geschlechtstrieb fördern.

Eine japanische Eigentümlichkeit besteht darin, die Kenntnisse über solche, den Geschlechtstrieb befördernden Mittel in die weitesten Kreise zu tragen. Man bedient sich dazu eines sehr einfachen Weges: man nimmt alles das, was zur Liebe in jeder Gestalt gehört, in die Bücher auf, die man bei uns als »Liebesbriefsteller« bezeichnet. Satow fand in verschiedenen »Endo Fumi no Shiori« die gegen Ende der Yedo-Periode veröffentlicht worden sind, Erläuterungen zur Liebeskunst und zu den achtundvierzig Stellungen beim Koitus, Anleitung zur Herstellung der geschlechtlichen Instrumente, wie Harikatas usw., und schließlich die Vorschriften für mehrere Aphrodisiaca. Das als Muster für eine Seite eines solchen Buches beigegebene Bild zeigt uns unten einen Teil der Antwort auf den Brief eines treulosen Liebhabers. Und über diesem Liebesbrief (jap.: Irobumi) stehen die Vorschriften für die Herstellung von zwei Aphrodisiaca, dem Meiôtan und dem Kiinhô! Bild aus Bd. 2 des »Fumi-no-Hayashi« (Hain der Liebesbriefe), zusammengestellt von Taiijin sanjin.

siehe Bildunterschrift

Irobumi.

Die älteste Erwähnung einer geheimen Arznei in Japan findet man in dem Buch »Ishimpô«, Führer zu Arzneivorschriften, verfaßt von Tamba Yasuyori Shôshin und veröffentlicht im November des zweiten Jahres der Eikwan-Periode (984 u.Z.). In diesem Buche sind unter der Überschrift »Bônaihen« (Die Schlafzimmer-Abteilung) mehrere geheime Arzneien angegeben. Obwohl es sich bei dem Ishimpô um ein ernstes medizinisches Werk handelt, sind seine Vorschriften später doch in die erotischen Bücher übergegangen, um dem Vergnügen der Leute zu dienen. Eines von diesen alten und berühmten Büchern ist das öfter erwähnte »Kōshoku Tabimakura« (die wollüstige Reiselektüre), das im achten Genroku-Jahr (1695 u.Z.) erschien. Im folgenden geben wir einige Musterbeispiele für die Zusammensetzung solcher geheimen Arzneien: Das Aumeitan (Medizinische Buschsängers-Lebenspaste oder Medizinische Nachtigallengesang-Paste) wird in dem erotischen Buch »Koso Myoron« erwähnt. Es hat folgende Bestandteile:

Sekiryūhi, Rinde des Granatapfelbaumes;
Mokkō, Platycrater japonicum, Saxifragacea;
Jashōshi, Selinum japonicum, Umbellifera;
Gohitsu, Achyranthes bidentata, Spreublume.

Gebrauchsanweisung: Stoße die gleiche Menge der oben angegebenen vier Stoffe zu Pulver und knete sie mit Speichel gut durcheinander. Bevor du den Penis in die Scheide einführst, bestreiche ihn gut mit dieser Masse.

Das Nerigi (nicht zu verwechseln mit dem Nerigi oder Nerigikon, das von Päderasten gebraucht wurde, worüber später) setzte sich folgendermaßen zusammen:

Das Weiße von zehn Eiern.

Arrow-root (Stärkemehl aus der Pfeilwurzel, Maranta arundinacea) 10 momme. 10 momme = 1 Ryō; 1 momme = 1 Sen; 1/10 momme = 1 Fun oder 1 Rin; 1 Sen = 3,75 g.

Füge etwas Leim hinzu, streiche die Masse dick auf Papier und lasse sie trocknen. Dies muß mehrere Male wiederholt werden. Wenn man das Nerigi kaut, wird es bald im Munde flüssig werden und ist dann fertig zum Gebrauch.

Das Chōmeigwan (Langes-Leben-Pillen) ist eine von Quacksalbern hergestellte Medizin, der geschlechtstriebfördernde Eigenschaften zugeschrieben werden. In dem erotischen Buch »Makura Bunko« (Die Boudoir-Bücherei) von Insai Hakusui (Keisai Eisen) wird folgende Vorschrift gegeben:

Kōmō Chōmeigwan no Seiho (wie man das rasch wirkende [?] Chōmeigwan herstellt):

Chōji (Gewürznelken) 1 sen;
Ahen (Opium) 1 sen;
Hiso (einheimisches Arsenik) 1 sen;
Shishōka (Lippita japonica) 1 sen;
Ryūnō (gereinigter Borneo-Kampher) 5 rin;
Jakō (Moschus) 5 rin.

Man pulvert die Stoffe und bestreicht mit der Mischung den Penis; kurz vor dem Koitus wäscht man ihn ab. Dieses Mittel ist sehr wirksam.

siehe Bildunterschrift

18. Werbeblatt für ein Aphrodisiacum. (Farbenholzschnitt, Mitte des 19. Jh.)

Shishōka heißt auch Murasaki-kozuinoki oder Bōshūboku. Lippita gehört zu den Verbenaceae; die japanische Art wächst im Sommer und Herbst im Gebirge; die Blüten sind weißlich-blaßblau.

 

Eine andere Vorschrift lautet:

Chōji (Gewürznelken);

Ryūnō (gereinigter Borneo-Kampher).

Zum Gebrauch mischt man die beiden Bestandteile gepulvert mit dem Schleim einer Muschel. (Es handelt sich um eine eßbare Muschel, Venusmuschel oder Zangenmuschel.) ´

siehe Bildunterschrift

Chōmeigwan 1.

Das Chōmeigwan wurde selbstverständlich auch von den Yotsumeyas hergestellt; über seine Zusammensetzung ist nichts Genaues bekannt, obwohl es die berühmteste Marke war. In den beigegebenen zwei Bildern sehen wir die Verpackung der beiden Haupthäuser mit ihrem bekannten Warenzeichen, den vier Augen. Das erste Bild stammt aus einem Buch mit humoristischen Erzählungen »Chaban Tonchi Ron« (etwa: humoristische schlagfertige Debatten), das im fünften Kayei-Jahr (1852 u. Z.) veröffentlicht wurde. Es ist der Umschlag des Chōmeigwan, das der Yotsumeya aus Ryōgoku, Tōkyō, verkaufte. Das zweite Bild ist nach dem Originalumschlag der Verpackung des Yotsumeya in Ōsaka gezeichnet. Interessant ist das glückbringende Schiff oben links, das den Käufer des Mittels an sich schon mit den besten Hoffnungen auf die Wirksamkeit erfüllen mußte. In der Anpreisung des Chōmeigwan steht, daß das Mittel zuerst von Nagasaki eingeführt worden sei; ein holländischer Arzt soll die Vorschrift zuerst herausgegeben haben. Während der Yedo-Periode waren es zwei Häuser, von denen in erster Linie diese Arznei verkauft worden ist. Es waren die genannten Yotsumeya von Shinmachi-bashi, Ōsaka, deren Geschäft heute noch vorhanden ist, und Yotsumeya von Yagenbori, Ryōgoku, Tōkyō. Im geheimen ist das Chōmeigwan auf den Märkten heute noch zu haben, ein Beweis dafür, eine wie günstige Aufnahme es beim Volk gefunden hat.

siehe Bildunterschrift

Chōmeigwan 2.

Früher wurde diese Arznei öffentlich auf den Straßen angeboten. Wir bringen im folgenden den Ausruf, mit dem die Händler mit solchen Quacksalbereien ihre Ware anpriesen:

»Honke Ryōgoku Yotsumeya
         Muramura zaizai ni kakure nashi
Oranda Sanjùrokumi chōgō
         Nihon-ichi hokani nai!«

»Das Hauptgeschäft ist das des Yotsumeya von Ryōgoku! Es ist berühmt selbst in den Dörfern und ländlichen Gegenden! Dies ist eine holländische Arznei, aus sechsunddreißig Bestandteilen zusammengesetzt! Diese allein ist die beste in Japan und es gibt auch nichts einigermaßen Ähnliches neben ihr!«

Sehr mißtrauisch spricht sich über die Langes-Leben-Pillen ein Senryū aus:

»Chōmei no Kusuri
         Jumyō no doku to nari.«

»Eine Arznei für Langlebigkeit ist weiter nichts, als Gift für das Leben!«

Einen ähnlichen Gedanken, wie das obige Senryū, spricht ein anderes aus; es überträgt aber den Gedanken der Langes-Leben-Pillen auf den Mörser, in dem die Bestandteile gepulvert werden, und verwendet diesen Mörser wieder zu einer Anspielung auf den Cunnus:

»Yawarakai Yagen de
         Inochi suri herashi.«

»Mit dem weichen Arznei-Mörser hat er die Länge seines Lebens vermindert!« Dieses Yagen, der Arznei-Mörser, ist eine Art eiserner Mörser, in der Form einem Schiffchen ähnlich, in dem ein Rad mit einem durch seine Achse gehenden Handgriff hin und her gerollt wird, um Drogen zu Pulver zu zerreiben. Nach der äußeren Form und der Art des Gebrauches ist das Yagen ein Gassenwort für den Cunnus geworden, das hauptsächlich in der Yedo-Periode angewendet wurde, heute aber beinahe veraltet ist. Das nachfolgende Senryū bringt den Arznei-Mörser im übertragenen Sinne mit dem Chōmeigwan in Verbindung:

»Saimatsu wo Yagen e tsukeru Fūtotchō.«

»Eine fette Frau bringt ein Aphrodisiacum auf ihren Cunnus!« Saimatsu, eigentlich: feines Pulver, ist hier für das Chōmeigwan gebraucht, um den Witz mit dem Mörser, als Sinnbild des Cunnus, anzubringen. Außerdem hat das Senryū noch eine andere Bedeutung, indem es darauf hinweist, daß fette Frauen geschlechtlich sehr schwer in Erregung zu bringen sind. Eigentlich sagt also das Senryū: »Eine fette Frau soll ein anregendes Mittel auf ihren Cunnus bringen.«

Statt Chōmeigwan sagte man auch »Hobashiragwan«, die Pillen, die den Penis wie einen Mastbaum steif machen, oder »Fusura« (nicht erklärtes Wort), das auch das Joetsugwan bedeuten soll. (Fūsuru, brünstig sein?)

Das Joetsugwan (Liebesmittel, womit man die Frau befriedigt) wurde auch von den Yotsumeyas verkauft und ist wohl auch heute noch zu haben. Nach dem erotischen Buch »Kōshoku Chie-no-Umi« (Das Meer der Weisheit in Liebesachen), Band 2, soll diese Arznei zuerst von dem Kaiser Shih Huang Ti von China hergestellt und in seinem Palast »A Fang Kung« verwendet worden sein. Die Vorschrift zur Herstellung dieser Arznei lautet so:

Kinmokusai (Osmanthus fragrans) 3 ryo;
Jashōshi (Selinum japonicum) 1 ryo;
Shishōka (Lippita japonica) 1 ryo;
Toshishi (Cuscuta japonica) 1 ryo;
Chōji (Gewürznelken) 3 fun;
Fushi (Galläpfel) 3 fun;
Ishibai (gebrannter Kalk) 3 fun;
Karoku (Hirschhorn?) 3 fun;
Jakō (Moschus) 3 fun;
Koshō (Pfeffer) 3 rin.

Alle Bestandteile sind zu Pulver zu zerreiben und mit Honig zu mischen; damit bestreicht man die Eichel und führt den Penis in die Scheide ein.

Es wird behauptet, daß man die Wirkung dieses Mittels sofort aufheben kann, wenn man nach dem Gebrauch kaltes Wasser trinkt. Ein Senryū kann hierfür als Beweis dienen:

»Joetsugwan otoko Matsugo-no-mizu wo nomi.«

»Nachdem er das Joetsugwan gebraucht hatte, hat er kaltes Wasser getrunken!« Matsugo-no-mizu ist das Wasser, das man jemand unmittelbar vor dem Tod zu trinken gibt, oder vielmehr ihm die Lippen damit netzt. Der Sinn des Senryū ist zweideutig, denn man kann gerade so gut sagen: »Bei diesem Penis ist Hopfen und Malz verloren, der kann ruhig das Todeswasser trinken, wenn er auch vorher das Joetsugwan gebraucht hat.« Wir werden aber gleich davon sprechen, daß man allgemein glaubte, daß die Wirkung von Liebesmitteln durch kaltes Wasser sofort aufgehoben wird.

Von dem Rōgwan oder Kōmō Rogwan, der Wachskugel mit Drogen, die wie ein Rin-no-tama verwendet wurde, haben wir oben gesprochen; wir wollen hier nur daran erinnern, daß die dem Wachs zugesetzten Drogen, wie Kampher, Gewürznelken usw. an das Chōmeigwan oder Joetsugwan erinnern, so daß anscheinend ein Versuch vorliegt, der Frau durch den Scheidenkanal die Bestandteile dieser Mittel zuzuführen.

Um die Kraftverluste infolge des Geschlechtsverkehrs zu ersetzen, nahm man vor dem Essen ein stärkendes Getränk zu sich. Es führte die Namen Sakigwan, Ukigwan oder Yakuwōgwan und wurde während der Yedo-Periode verkauft. Über die Zusammensetzung sind wir nicht unterrichtet; es läßt sich aber vermuten, daß sich die bekannten und berühmten Bestandteile des Chōmeigwan und Joetsugwan auch in diesem Stärkungstrank befanden. Aus den Namen lassen sich keine Schlüsse auf die Zusammensetzung ziehen; Yakugwan z. B. bedeutet lediglich Arzneitrank. Auch über das Aphrodisiacum Kikōgwan (Wundertrank, Trank mit wunderbarem Erfolg), das während der Yedo-Periode von den Drogisten zu Shinsaibashi, Ōsaka, verkauft wurde, sind wir nicht weiter unterrichtet. In der Hauptsache werden sie wohl alle gleich gewesen sein, da ja die Zusammensetzung der berühmtesten Mittel bekannt war.

Ebensowenig sind wir über das Jiōgwan unterrichtet; es war ein Stärkungsmittel und stand in dem Rufe, das Unvermögen der Männer zu heilen. Nach Inouye ist Jiō die Pflanze Rhemannia lutea (?). Als Beweis hierfür können wir zwei Senryûs beibringen:

»Jiōgwan nomu ichi
         Maotoko ga dekiru nari.«

»Während der Ehemann das Jiōgwan nimmt, begeht seine Frau Ehebruch!« Mit andern Worten: Die Frau kann es nicht abwarten, bis sich bei ihrem Manne das Jiōgwan als wirksam zeigt; sie muß schon vorher ihren Geschlechtstrieb befriedigen.

»A-a Jin ga sukunai kana to
         Jiōgwan.«

»Ach! Ich fühle doch, daß es mit meiner Geschlechtskraft nicht so weit her ist!« sagte er und nahm Jiōgwan!« Jin sind die Nieren; demnach war auch in Japan der Glaube verbreitet, daß die Kraft des Mannes in den Nieren sitzt.

Ein sonderbares Mittel, um geschlechtliches Unvermögen des Mannes zu heilen, das aber vielleicht gerade wegen seiner Sonderbarkeit als sehr wirksam galt, war das Bokeri, die Zeugungsteile eines weiblichen Walfisches. Über die Art der Verwendung geben die Unterlagen keine Auskunft. –

In seinem Aufsatz über Reizmittel im Geschlechtsleben der Japaner erwähnt J. Schedel Anthropophyteia, Bd. VI, Leipzig 1909, S. 93 f. auch das Kikeishi, nach Satow »Papier für die geschlechtliche Befriedigung«. Dieses Kikeishi ist ein Aphrodisiacum, das seit Beginn der Yedo-Periode von den Händlern mit solchen »unzüchtigen« Sachen verkauft wurde. In den erwähnten Anpreisungen, die von diesen Händlern während der Jahre 1902 und 1903 verteilt wurden, findet sich folgende Beschreibung:

»Dieses Papier wird auf die Spitze des Penis geklebt, nachdem es gut angefeuchtet ist. Dann führt man den Penis langsam in die Scheide ein und hält ihn nach der Einführung eine Zeitlang (einige Minuten) ganz ruhig ohne Bewegung der Hinterbacken, und wartet das Schmelzen der Arznei ab. Dann wirst du finden, daß der Penis angeschwollen und viel dicker als gewöhnlich ist. In diesem Augenblicke rötet sich das Gesicht der Frau; ein leises Seufzen folgt darauf und sie fängt an die Glieder zu bewegen« usw.

In dem erotischen Buch »Hanamoyo Ama-no-Ukihashi« (die blumengeschmückte himmlische treibende Brücke), verfaßt von Hakusui (Keisai Eisen) und gegen das Ende der Yedo-Periode erschienen, finden sich die folgenden Angaben über die Herstellung des Kikeishi:

Jakō (Moschus) 2 fun;
Ryūnō (gereinigter Borneo-Kampher) 1 fun;
Ahen (Opium) 1 fun.

Bringe diese Arzneien gut zerrieben mit 6,35 Unzen (180 g) Fleisch einer kleinen Muschel und 0,95 Pint (etwa ½ l) guten alten Reiswein in einer Pfanne zusammen und dämpfe das ganze ein, bis eine Art Paste daraus geworden ist. Dann bringe die Masse mehrmals auf Minogami (Papier aus der Provinz Mino) und trockne sie in der Sonnenwärme. Wenn das Papier ganz trocken ist, zerschneide man es in viereckige Stücke von etwa einem sun (3 cm) Seitenlänge und hebe es zum Gebrauch beim Koitus auf. Wenn man das Papier anwenden will, klebt man es mit etwas Speichel auf die Spitze des Penis. Und du wirst sehen, daß die Frau im Schlafzimmer vor Befriedigung zu seufzen beginnt.

Die Schlußbemerkung wird wohl richtiger sein, als die Angaben in der Händleranpreisung über das Anschwellen des Penis beim Gebrauch des Kikeishi. Denn die angegebenen Arzneistoffe könnten höchstens dazu dienen, eine gewisse Beruhigung der Nerven der Peniseichel herbeizuführen und dadurch den Koitus zu verlängern. Ein Aphrodisiacum im eigentlichen Sinne ist dieses Mittel sicher nicht. Man nennt das Kikeishi auch »Enjo-Fusoko-Shi«, das Papier, das beim Koitus Vergnügen macht.

siehe Bildunterschrift

Rinsugusuri.

Als eine Abart des Kikeishi ist das »Rinsugusuri« anzusehen. Es ist ein in Streifen geschnittenes Papier, das in der gleichen Weise wie beim Kikeishi Verwendung findet. Der Name ist belegt in dem erotischen Buch »Kōshoku Tabimakura« (Reiselektüre), das im achten Genroku-Jahr (1695) erschien. Rin-sugu-suri könnte bedeuten: ein Ring, mit dem man sofort »reiben« kann. Vielleicht wurde das Papier, wie aus dem Bild hervorzugehen scheint, ringförmig um den Eichelhals, das Collum glandis, gelegt. –

 

In dem öfter erwähnten Anpreisungsblatt der mit solchen Sachen handelnden Kaufleute wird auch auf das Kietsufun, das ein gutes Gefühl hervorrufende feine Pulver, hingewiesen. Es soll auf die Klitoris der Frau gebracht und mit der Fingerspitze eingerieben werden, um vor dem Koitus das Geschlechtsgefühl der Frau anzuregen. Es wurde auch von Witwen und jungen Mädchen bei der Selbstbefriedigung angewendet. Über die Zusammensetzung des Pulvers ist nichts bekannt. Es wird wohl irgendwelche scharfe Reizmittel enthalten haben. –

Als ein geschlechtliches Anregungsmittel oder eher als eine Art Verjüngungsmittel verschlucken die Japaner die geschlechtlichen Absonderungen der Frau. Um diese Absonderungen aufzufangen, hat man ein besonderes Gefäß erfunden, eine Schale, an der ein künstlicher Penis angebracht ist. Ein solches Gefäß heißt »Heikonoinho« oder »Heikonoimpo« und dient dazu, wie das Bild zeigt bei der Frau durch onanistische Manipulationen, die bis zum Orgasmus fortgesetzt werden, die Absonderungen herbeizuführen und in der Schale aufzufangen. Das erotische Buch »Jitsugokyō Eshō« (Lesebuch über wahre Dinge mit Bildern) sagt darüber:

»In China wird dieses Instrument gebraucht, um das Insui (die Absonderungen) aus dem weiblichen Geschlechtsteil zu sammeln, um daraus ein Aphrodisiacum herzustellen.«

siehe Bildunterschrift

Heikonoinho.

 

Eine besondere Art der Reizmittel, die mit dem Körper überhaupt nicht in Berührung kommen, sind die Räucherstäbchen, »Rarenkō«, der Liebe herbeiführende Räucherstock, oder auch »Hore-Senko«, der Liebes-Räucherstock genannt. Diese Stäbchen sind nach dem Vorbild der Räucherstäbchen hergestellt, mit denen der Weihrauch (Kō) vor den Götterbildern verbrannt wird. In China nennt man sie »Ai Ssu T'ing«. Die Liebes-Räucherstäbchen sollen beim Anzünden durch den Geruch der verbrannten Stoffe den Geschlechtstrieb anregen, wenn man den Rauch einatmet. Über die Masse, mit der die Rarenkōs bestrichen sind, ist nichts bekannt. –

Wir müssen in diesem Abschnitt zum Schluß noch von einigen Liebestränken sprechen, deren Bestandteile einen abergläubischen Anstrich haben und die eigentlich in dem betreffenden Abschnitt hätten behandelt werden müssen. Aber diese Mittelchen gelten auch als Aphrodisiaca oder werden als solche ausgegeben und verkauft. Von den vielen Namen wollen wir nur anführen: »Biyaku«, das lediglich »eine vortreffliche Arznei« bedeutet; »Horegusuri«, der Liebestrank, und »Imori-no-Kuroyaki«, die schwarzgebrannte Wassereidechse (Salamander).

Das »Imori-no-Kuroyaki« wird seit Beginn der Yedo-Periode als Aphrodisiacum verkauft und kann heute noch von den japanischen Drogisten bezogen werden. Eine Vorschrift über die Herstellung dieser Arznei lautet folgendermaßen:

»Setze einen männlichen und einen weiblichen Salamander getrennt voneinander in ein Stück Bambusrohr, bei dem an einem Knotenstück die Scheibe, die die einzelnen Abschnitte des Rohres voneinander trennt, noch erhalten ist. Die beiden Enden werden gut verschlossen. Innerhalb dreier Tage beißen die Salamander das Verbindungsstück durch und begatten sich. In dieser Verfassung werden sie verbrannt und damit ist das Imori-no-Kuroyaki fertig.

Gebrauchsanweisung: Nimm eine kleine Menge dieser Arznei und bringe sie in Sake (japanischen Reiswein). Diesen gib der Frau, in die du dich verliebt hast, zu trinken; sie darf aber keine Ahnung davon haben, daß du das Arzneipulver in den Wein getan hast. Wenn sie das Getränk zu sich nimmt, wird sie sich ganz bestimmt in dich verlieben, selbst wenn sie dich vorher noch so sehr gehaßt haben sollte!«

Eine Geschichte, die sich in scherzhafter Weise mit der Wirkung solcher Liebestränke oder Liebesmittel beschäftigt, steht in einer Sammlung humoristischer Erzählungen, die im zweiten Anyei-Jahr (1773 u. Z.) unter der Überschrift »Horegusuri« (das Liebesmittel) veröffentlicht wurde.

»Er kaufte sich die geheime Arznei Imori-no-kuroyaki bei Yotsumeya und beabsichtigte sie der Tochter eines reichen Mannes über den Körper zu streuen, wenn sie auf der Landstraße spazieren ging. Der Zufall wollte es, daß er bald einem Zuge von Töchtern adliger Familien begegnete, worunter sich die Geliebte befand. Er näherte sich ihr lächelnd und streute eine Prise der Arznei aus. Aber in diesem Augenblicke kam ein Windstoß, so daß das Pulver seinem Diener auf den Leib flog. So befiel denn die Leidenschaft den Diener und er versuchte seinen Herrn zu verführen. Dieser aber sagte: ›So etwas kann ich nicht vertragen!‹ und rannte schleunigst davon. Der Diener jagte in aller Eile hinter ihm her. Aber sein Herr erreichte einen Fluß, sprang in das Fährboot und gelangte an das andere Ufer, wo er mit einem Seufzer der Erleichterung ausstieg. Inzwischen war der Diener mit seiner entflammten Leidenschaft an der Abfahrtstelle des Bootes angelangt, aber er konnte nicht über den Fluß kommen, weil kein anderes Boot dort war. So stürzte er sich denn in den Fluß, sagte aber auf einmal ganz erstaunt: ›Aus welchem Grund bin ich denn eigentlich hierher gekommen?‹«

Wir haben oben bereits darauf hingewiesen, daß man glaubt, kaltes Wasser hebe die Wirkung solcher Mittel sofort auf. Darauf beruht der Witz dieser Geschichte, denn die Leser wissen, worum es sich bei dem plötzlichen Vernünftigwerden des Dieners gehandelt hat.

Der Verfasser eines erotischen Zwiegesprächs, des »Shikidō Kimpi Shō«, gibt an, daß in früherer Zeit die liebebefördernden Arzneien meistens Enso in ihrer Zusammensetzung enthielten. Enso ist das Fett des Gama, des Ochsenfrosches, und aus den Angaben des Matsui Gensui, eines Standkrämers, der auf dem Tempelgebiet des Sensōji, Asakusa, Tōkyō, das Gama-no-Kōyaku (ein Pflaster aus dem Fett des Ochsenfrosches) verkaufte, und zwar vom Ende der Yedo-Periode bis zur Mitte der Meiji-Ära, erfahren wir, wie dieses Fett aus dem Körper des Ochsenfrosches herausgeholt wird:

 

»Wenn du das Fett des Ochsenfrosches sammeln willst, so setze das Tier in einen Kasten, der aus vier Spiegeln hergestellt wird, während der Boden durch ein Drahtnetz abgeschlossen ist. Der Ochsenfrosch wird dann sehr erstaunt sein, wenn er sein eigenes Bild sieht, das von den Spiegeln zurückgeworfen wird. Er spritzt dann das Fett wie Tropfen aus allen Teilen seines Körpers heraus. Dieses Fett, das durch das Drahtnetz hindurchtropft, mußt du sammeln und einundzwanzig Tage lang kochen, wobei mit einem Weidenzweig umgerührt wird, und das aus diesem Fett eingedickte Mittel nennt man ›Gama-no-Kōyaku‹.«

 

Mit diesem Ochsenfroschfettpflaster sollten Schnittwunden, Verbrennungen, Haemorrhoiden usw. geheilt werden.


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