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VI. Die gleichgeschlechtliche Liebe in Japan

Nanshoku. Die gleichgeschlechtlichen Männer

siehe Bildunterschrift

22. Homosexueller Verkehr unter Männern (Nanshoku). Holzschnitt im Stil des Kunisada aus einem erotischen Buch.

Wenn wir als Bezeichnung für die gleichgeschlechtliche Liebe unter Männern oder besser: unter Personen männlichen Geschlechts in Japan das Wort »Nanshoku« an die Spitze stellen, so geschieht es deshalb, weil aus verschiedenen Gründen gerade dieses Wort in Europa besonders bekannt ist. In Japan genießt das Wort Nanshoku eine solche Bevorzugung nicht. Man sagt auch »Danshoku« oder »Danshokujō« (jō = Leidenschaft), ferner »Mitsudō«, der geheime Weg; »Monjujiri«, »Shudō«, »Yadō«, der Weg eines Mannliebhabers, »Nyakudō«, der Weg der Jugend oder des Jünglings. Nyakudō ist schon fast ein Gassenwort, das in der Yedō-Periode gebraucht wurde und namentlich in den Erzählungen der Genroku-Periode vorkommt. »Keikan« oder »Keikwan« bedeutet nach Satow: den Hahn vergewaltigen. Aus der Verbrechersprache sei »Dandan« angeführt; in der Umgangssprache bedeutet dieses Wort: nach und nach; die Umdeutung ist nicht ohne weiteres zu erklären.

Die gleichgeschlechtliche Liebe unter Männern nennt man auch »Tomogui«, sich gegenseitig aufessen. Wir haben oben gesehen, daß man unter Tomogui auch den doppelten Godemiché versteht, den gleichgeschlechtlich veranlagte Frauen benutzen.

Einen besonderen Ausdruck für das Nanshoku hat die Gruppe der Hooligans, der Rowdys von Yokohama, nämlich »Esu«, Esu ist der Buchstabe S, der gewöhnlich als Anfangsbuchstabe von »singing-girl«, Singmädchen, als Gassenwort für eine Geisha gebraucht wird. Es handelt sich hier wohl um eine Art Rotwelsch, um die Fachsprache einer bestimmten Gruppe. In gleicher Weise wird auch »Etchi«, das japanische Wort für den Buchstaben H, verwendet, wofür die Unterlagen keine Erklärung geben. Man weiß aber, daß der gleichgeschlechtliche Verkehr bei den Hooligans auf Coitus inter femora beschränkt ist, also der übliche Analkoitus nicht ausgeführt wird. Den Coitus inter femora nennt man »Sumata«, leere Schenkel. Weil Sumata mit S beginnt, wäre es möglich, daß man das Wort Esu als unverdächtige Bezeichnung ihres Geschlechtsverkehrs gewählt hat. Das Wort Sumata ist auch bei den Freudenmädchen im Gebrauch; sie verstehen unter »Sumata wo kuwaseru«, die leeren Schenkel zu fressen geben, den Coitus inter femora mit einem Besucher, den sie nicht leiden können. Dieses Verfahren ist in den Vierteln der Halbwelt allgemein verbreitet.

Für den aktiven Päderasten geben die Unterlagen keine Bezeichnung an; Inouye hat »Keikan-sha«, das lediglich einen Mann bedeutet, der den Analkoitus ausführt. Keikan ist gewissermaßen das offizielle Wort für die Päderastie, nachdem es neben »Waisetsuzai«, das Verbrechen der Unsittlichkeit, in »Keikanzai«, das Verbrechen der Päderastie, im japanischen Strafgesetzbuch gestanden hat. Seit 1907 ist das Keikanzai wieder aus dem neuen Strafgesetzbuch verschwunden; das Volk hat in dieser Hinsicht niemals ein »Verbrechen« gekannt. »Onnagirai«, der Frauenhasser, enthält wohl nur einen ganz leichten Anklang an den aktiven Päderasten. Karsch-Haack F. Karsch-Haack, Das gleichgeschlechtliche Leben der Ostasiaten: Chinesen, Japaner, Koreer, München 1906, S. 73. Vgl. S. 63–126, bisher die beste und ausführlichste Zusammenstellung aller Nachrichten über das Nanshoku. führt ferner die Bezeichnung Nanshokuka, d. h. einer, der Nanshoku betreibt, und Kitsu oder Okitsu, dessen Bedeutung nicht ganz klar ist, an.


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