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Shinzoku Kantsu. Unerlaubter Verkehr in der Familie

Das Wort und der Begriff der Blutschande ist dem Japaner unbekannt. Der in der Überschrift gegebene Ausdruck bedeutet wörtlich: Verwandtenunzucht, und ist dem Wörterbuch von Fujisawa entnommen. Für diesen unerlaubten Verkehr hat sich aber das Volk seine eigenen Bezeichnungen gebildet und wir stoßen auch hier auf die wiederholt aufgetretene Erscheinung, daß der Geschlechtsverkehr, selbst auch der uns höchst bedenklich erscheinende zwischen Familienmitgliedern, bei den Japanern mit einem gewissen Humor behandelt wird. So nennt man den Geschlechtsverkehr zwischen Eltern und Kindern, d.h. zwischen Vater und Tochter oder zwischen Mutter und Sohn, »Oyako-Domburi«. Oyako ist eine Speise, die aus einer Mischung von Reis mit gekochtem Geflügelfleisch und Eiern besteht; Domburi ist die Schale, in der ein Gericht aufgetragen wird. Der Ausdruck besagt also, daß in derselben Schale das Geflügel und das Ei, das von ihm herrührt, zusammenliegen, mit anderen Worten: eins von den Eltern schläft mit einem Kind zusammen in demselben Bett. Ein veralteter Ausdruck, in dem Oyako die gleiche Bedeutung von Eltern und Kind hat, ist »Oyako-Tawake«, Narrheiten oder Dummheiten zwischen Eltern und Kindern. Geht die Anregung zum Geschlechtsverkehr mit dem Vater von der Tochter, mit der Mutter von dem Sohn aus, dann gebraucht man den Ausdruck »Oya-tawake«, Dummheiten mit den Eltern. Wir sehen also, daß hier eine nach unseren Begriffen sehr milde Beurteilung eines solchen Verhältnisses vorliegt. Wir erinnern auch an das im Abschnitt »Harikata« gebrachte »lustige« Geschichtchen von der Mutter, die ihrem verwöhnten Sohn ohne weiteres für eine Nacht den Geschlechtsverkehr gestattet, »denn der Sohn war ihr verwöhnter Liebling«.

Eine eigentümliche Rolle spielt die Tarowurzel bei den Ausdrücken für den Geschlechtsverkehr zwischen Eltern und Kindern, weil sie mehrfach auch mundartlich in solchen Ausdrücken vorkommt. »Imo« bedeutet zunächst das Taro, eine Pflanze aus der Ordnung Arum, die wegen ihrer eßbaren Wurzeln, die auch getrocknet zu einer Art Mehl verarbeitet werden, in Japan viel angebaut wird. Daneben bedeutet Imo noch die japanische Yamswurzel, die Kartoffel und die süße Kartoffel, letztere wohl wegen Mangel an japanischen Wörtern für die früher dort unbekannten Knollengewächse.

Tarowurzeln, die auf Bambusstöckchen gesteckt sind, überzieht man mit einer Bohnenpaste und backt sie über dem Feuer. Diese Speise, die man dann vom Stöckchen ißt, nennt man »Imo-Dengaku«, oder abgekürzt »Imoden«. Manchmal sagt man auch nur »Imo«, ferner »Imojiru«, Tarosuppe, oder auch »Imozashi«, am Taro haftend oder klebend, für den unerlaubten Geschlechtsverkehr zwischen Vater und Tochter oder zwischen Mutter und Sohn. In der Provinz Tochigi sagt man dafür »Imogushi«, der Tarostock. Werden die Tarowurzeln gebacken und mit dünnem Bohnenbrei (miso) aufgetragen, dann nennt man dieses Gericht »Imodengaku«, worunter man den Geschlechtsverkehr des Schwiegersohnes mit der Schwiegermutter versteht, wenn diese bereits Witwe ist. »Dengaku« allein, gebackener Bohnenbrei mit dünnem Miso begossen, bedeutet den Koitus. »Imo-no-go« oder »Imo-no-ko« bezeichnet in der Mundart von Morioka in der Provinz Sendai den Geschlechtsverkehr zwischen Vater und Tochter. Diese Bezeichnungen für den unerlaubten Geschlechtsverkehr innerhalb der Familie sind etwas verwickelter Natur, es scheint aber festzustehen, daß sie alle vom Imodengaku ihren Ausgang genommen haben. Die größeren Tarowurzeln nennt man »Oya-imo«, Elterntaro, und die kleineren »Ko-taro«, Kindertaro, und da diese beiden beim Backen aneinanderkleben, hat man aus diesem Umstand das Bild für das Zusammenschlafen von Eltern und Kindern genommen, wie man oben beim Oyako-Domburi das Zusammenliegen von Geflügel und Eiern als Anlaß für die volkstümliche Bezeichnung gefunden hat.

siehe Bildunterschrift

Awamaki.

Imo-dengaku wird in erster Linie für den Geschlechtsverkehr zwischen Schwiegervater und Schwiegertochter gebraucht. In der Mundart der Provinz Akita sagt man dafür »Awamaki«, das Hirsesäen. Über die Entstehung des Ausdrucks scheint man nichts mehr zu wissen, wenigstens geben die Unterlagen keine Auskunft. Sonderbar ist jedenfalls, daß man in dem eben erwähnten Bezirk Morioka in der Provinz Sendai den Geschlechtsverkehr (Satow sagt: Ehebruch!) zwischen Schwiegermutter und Schwiegersohn »Hie-Maki« oder »Hie-Magi«, das Hirsesäen, nennt. Hie ist eine Hirseart, die von den Engländern Dekkan-Gras genannt wird, weil sie in Indien sehr verbreitet ist.

 

Eine Geschichte von einem Schwiegervater, der den Versuch macht, mit seiner Schwiegertochter in Geschlechtsverkehr zu kommen, findet man in einem Kusazōshi Ein Kusazōshi ist ein Geschichtenbuch mit Bildern, das meistens von Frauen und Kindern gelesen wird. mit dem Titel »Asakusa-Kari Jissha Engi« (Geschichte der zehn [buddhistischen] Asakusatempel), verfaßt von Ryūtei Tanchiko und erschienen im dritten Kei-ō-Jahr (1867 u. Z.). Das betreffende Kapitel lautet:

»Am achtzehnten jenes Monats war heiteres, den Menschen fröhlich machendes Wetter, das den Körper angenehm durchwärmte. Daher ließ sich Sakudayū (der Schwiegervater) ein heißes Bad bereiten. Als er badete, rief er seine Schwiegertochter herbei und ließ sich von ihr den Schmutz vom Körper abwaschen. Und dabei sprach er also zu ihr: ›O, mein Gott! Ich bin so vergnügt! Wenn du auch noch ein wenig mädchenhaft sein magst, so bist du doch stark genug, und ich bin sehr zufrieden damit, wie du allen Schmutz mir vom Körper heruntergewaschen hast, selbst den geringsten! Du bist eine körperlich so zarte Frau, als wenn du keine Nerven hättest, und du fühlst dich an wie Florettseide. Du bist wie eine Prinzessin, aber trotzdem stehst du niemals teilnahmslos herum, mit gekreuzten Armen, sondern du hältst hier alles gut in Ordnung, ohne jemals fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen, obwohl mehrere Mägde und Diener vorhanden sind. Obendrein stehst du deinem Gatten, meinem Sohn, treu zur Seite, so daß er ganz besonders rasch vorwärts kommt. Das erzähle ich mit großem Stolz allen unseren Leuten im Dorf, daß ich eine wirklich gute Frau für meinen Sohn ausgewählt habe.‹ Sie hörte ihm sehr aufmerksam zu. Als er aber ihre zarten Hände an seinen Zehen fühlte, da ergriff ihn ein sinnliches Verlangen, das ihn sehr bedrückte, weil er solche Gefühle trotz aller Anstrengungen nicht aus seinem Herzen verdrängen konnte. Schließlich sagte er: Da das Kindermädchen und mein Sohn nicht zu Hause sind, hätten wir niemals wieder eine so günstige Gelegenheit! Das ist heute nicht das erste Mal, aber ich habe es dir niemals offen gezeigt, daß ich, schon seit du vierzehn oder fünfzehn Jahre alt warst, dich gern habe und nach dir verlange. Im Sprichwort heißt es: ›Wenn die Katze nicht im Hause ist, spielen die Mäuse!‹ Daher bitte ich dich, glätte die Falten auf der Stirn eines alten Mannes!‹ Mit diesen Worten faßte er sie bei einer Hand und zog sie zu sich heran. Murasaki (dies war der Name der Schwiegertochter) wurde rot bis in die Wurzeln ihrer Haare und ihr Herz stand fast still, als sie sein wollüstiges Verlangen hören mußte. Sie antwortete ihm: ›Das nenne ich, den Scherz zu weit treiben! Der Vater hält seine Tochter fest, und was soll daraus werden?‹ ›Ach, du mein lieber Gott! Ich bin doch nur der Schwiegervater und habe doch gar keine nahe Verwandtschaft zu meiner Schwiegertochter! Sei doch nicht so blöde! Was bist du für eine bäuerische Person!‹ sagte der Schwiegervater leise. ›Auch ein Fremder würde es niemals versuchen, mit der Frau eines andern Ehebruch zu begehen!‹ erwiderte sie ihm heftig. ›Ich bin aber wirklich dein Schwiegervater und deshalb darfst du dich nicht gegen meine väterliche Gewalt auflehnen, denn sonst ist deine Pflicht als Tochter, die du schon seit langer Zeit erfüllst, gar nichts wert. Wenn man seine Kindespflicht nur auf das erstreckt, was jeder andere auch tun kann, dann ist das nichts besonderes. Es ist aber wahre Kindespflicht, zu tun, was ein anderer nicht kann! Gehorche also dem Befehle deines Vaters!‹ Er kam ganz nahe an sie heran, aber sie riß sich los und rannte auf die Veranda hinaus, wohin er ihr nachlief. Dort trafen sie auf Jusaburō (eine der Personen der Geschichte), der fünf oder sechs Bände der Aobyōshis Die Aobyōshi sind die chinesischen Klassiker, wie die Schriften der Philosophen Konfucius und Mencius, usw. auf den Armen trug. Sakudayū schämte sich vor Jusaburō, obwohl dieser sein eigener Sohn war, nahm ein Uchiwa auf, das da herumlag, und fächelte sich damit, wobei er sich große Mühe gab, ganz unbefangen auszusehen.«

Das Bild stammt aus dem ersten Band des oben angeführten Buches »Asakusa-Kari Jissha Engi« und ist von Baichō-ro Kunisada gemalt. –

Ein Senryū beschäftigt sich in der auch bei uns bekannten Weise in Form eines Rätsels mit den aus solchem unerlaubten Geschlechtsverkehr entstehenden Verhältnissen:

»Tonda Yome waga Ko mo umeba
         Mago mo umi.«

»Eine erstaunliche Schwiegertochter bringt zu gleicher Zeit ihr eigenes Kind und ein Enkelkind zur Welt!« Hier hat also der Geschlechtsverkehr mit dem Schwiegervater Erfolg gehabt; wir brauchen wohl keine Auflösung des Rätsels zu geben. –


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