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Wir haben bereits viele Ausdrücke für den Koitus angeführt, weil sie zum Verständnis der Senryūs und Volksliedchen erforderlich waren. Das als Überschrift des Hauptabschnitts gewählte Wort »Kōgō« ist zwar ein Wort der Umgangssprache, aber eher der Gebildeten; es entspricht unseren Bezeichnungen Geschlechtsverkehr, Beischlaf, Begattung oder auch Koitus, dazu gehört das Zeitwort Kōgō suru, beschlafen, begatten, den Beischlaf vollziehen. Gleichwertig ist Kōbō und Kōsetsu, das auch in Kōsetsu-funō, wörtlich Unmöglichkeit des Beischlafs, für geschlechtliches Unvermögen, Impotenz, verwendet wird, ferner in Kōsetsu-nō, der Sack für den Beischlaf, d. h. der Hodensack. Satow weist darauf hin, daß Kōsetsu heute nur noch selten gebraucht wird; es scheint mit diesem Wort zu gehen, wie mit unserem Wort »Beischlaf«, das man beinahe als Juristenwort bezeichnen kann. Ebenso anständig wie Kōsetsu sind »Higi«, das geheime Vergnügen, das geheime Spiel; »Inyō no Majiwari«, Verkehr zwischen Männlichem und Weiblichem, und »Inyō no Michi«, der Weg oder der Pfad des Männlichen und Weiblichen. Inyo ist in der wissenschaftlichen Sprache ein aus der chinesischen Philosophie hervorgegangenes Wort für die männliche und weibliche Grundursache; es bedeutet auch Sonne und Mond, bejahend (positiv) und verneinend (negativ); »Jindō«, der Weg der Menschlichkeit, nach Satow bedeutet es im Volksmund auch den Scheidenkanal, es ist also ein etwas zweideutiges Wort. »Toriai«, einander umfassen, kann auch Mißdeutungen ausgesetzt sein, denn es bedeutet noch »sich abarbeiten«.
Ein ganz harmlos klingendes Wort für den Koitus ist »Ichigi«, die Beratung, das auch in der Literatur vorkommt, wenn man in anständiger Weise vom Koitus sprechen will. In dem erotischen Buch »Onna Saigaku Eshō« (Abcbuch mit Bildern, ein Führer zu einer Frau) steht folgendes zu lesen:
»Onna tatoe fukiryō naritomo Otoko wo nabikasu koto tada Keichu no Ichigi ni ari.«
»Eine Frau mag noch so häßlich sein, so kann sie doch in ihrem Schlafzimmer einen Mann zum Koitus verleiten.« Und in dem erotischen Buch »Yoshiwara Kagami« (Bordellspiegel) steht:
»Ikahodo imbun tsuyoki tote sake ni fukaku youte wa Ichigi naranu mono nari.«
»Wenn einer richtig betrunken ist, kann er den Koitus nicht ausführen und wenn sein geschlechtliches Verlangen noch so groß sein mag.« Dieser menschenfreundliche Bordellspiegel, der im dritten Manji-Jahr (1660 u. Z.) erschien, warnt also die Besucher des Yoshiwara, damit sie nicht ihr Geld umsonst ausgeben; er klärt auch noch manche anderen Kunstgriffe auf, wie die Freudenmädchen ihre Gäste zu prellen suchen. Die Verhältnisse lagen also vor 270 Jahren genau so wie heute.
»Kyōdō seikatsu«, das Zusammenleben, und »Jōsai-Ya«, der Pastillenverkäufer, sind gleichfalls ganz unschuldige Ausdrücke. Interessant ist die Begründung für das volkstümliche Wort »Jōsai-Ya«, auch »Yōsai-Ya« gesprochen. Diese Hausierer mit Arzneimitteln für die Heilung von Kopfschmerzen, Schwindelanfällen, Sonnenstichen usw. tragen an einer Stange, die im Nacken liegt, zwei längliche Arzneikästen mit Schubladen. Wenn sie langsam durch die Straßen gehen, klappern die Ziehringe an diesen Schubladen, und dieses Geräusch vergleicht das Volk mit dem Klappern der Ringe der Schubladen im Zimmer, wenn sie durch die Erschütterung beim Koitus in den Häusern in Bewegung geraten. Auf diesem Umweg ist Jōsai-Ya zu einem volkstümlichen Wort für den Koitus geworden. Das umstehende Bild stammt aus dem 1. Band des »Jiguchi Edehon«, des »Buches der Wortspiele mit Bildern«.
Eine noch scherzhaftere Umschreibung für den Koitus ist »Jishin«, das Erdbeben, eigentlich ein Stoß beim Erdbeben. Ein Senryū lautet:
»Kakasan e Jishin ga
Sonna ni ii no kae.«
»Ach, Mama, hast du denn wirklich das Erdbeben so gern?« – Zu ergänzen ist: sagte das Kind, das neben der Mutter im Bett lag. Nach japanischer Sitte ist immer das jüngste Kind nachts bei der Mutter im Bett; bei wohlhabenden Leuten natürlich bis zu einer gewissen Altersgrenze, bei ärmeren Leuten bis es erwachsen ist. Dies hängt von der Anzahl der Räume ab, die zur Verfügung stehen. In den Armenvierteln besteht das ganze Haus nur aus einem Vorraum und dem »Zimmer«, worin sich das ganze Familienleben abspielt. Es ist klar, daß da die Kinder ihre Beobachtungen machen, wie sie in dem Senryū zum Ausdruck kommen. Auch bei wohlhabenderen Familien, die vier oder fünf Räume zur Verfügung haben, ist niemals ein bestimmter Raum als Schlafzimmer festgelegt, sondern die wattierten Decken usw., die als Bett dienen, werden tagsüber in einem Abstellraum beiseite gelegt und abends hervorgeholt. Eine größere Familie verteilt sich zum Schlafen über die Räume. Vgl. Jukichi Inouye, Home Life in Tōkyō, Tōkyō 1910, S.43 ff. Das im Senryū gebrauchte Wort Kaka ist nach Fūjisawa ein »sehr vulgäres« Wort für Frau, das allerdings durch das beigefügte San für japanische Begriffe auch in der niederen Volksschicht, auf die das Senryū hinweist, gemildert wird, so daß es im Deutschen etwa »Frau Mutter« lauten würde. Der Witz liegt vor allen Dingen darin, daß das Kind ein Wort gebraucht, das den Erwachsenen geläufig ist. Man muß auch dabei bedenken, daß Erdbeben oder vielmehr schwächere Erdstöße in Japan sozusagen eine alltägliche Erscheinung sind, mit denen die Kinder schon früh vertraut werden. Der eigenartige Holzbau des japanischen Hauses ist in der dauernden Erdbebengefahr begründet. Eine lustige Geschichte aus der Yedo-Periode verwendet den Erdbebengedanken in folgender Weise:
»Ein Witwer machte am Morgen nach einem Erdbeben im Nachbarhause einen Besuch und sagte: »Hören Sie mal, Frau Soundso, heute nacht haben wir aber ein tüchtiges Erdbeben gehabt!« Darauf erwiderte ihm die Nachbarin: »Nun sagen Sie mir schon wieder so schlimme Dinge!«
Für den Japaner liegt der Humor des Geschichtchens darin, daß die Frau unter Erdbeben ohne weiteres einen Koitus versteht. Bei der leichten Bauart der Häuser würde man selbstverständlich in der Stille der Nacht ein »tüchtiges« Erdbeben im Nebenhause gehört haben und diese stillschweigende Voraussetzung vermehrt für jeden Japaner die Komik der Erzählung.
Das Schlafzimmer, d.h. das Zimmer, in dem die Betten der Eheleute nebeneinander hergerichtet sind, kommt selbstverständlich in vielen Worten vor, die auf den Koitus Bezug haben. »Nemagoto«, das Geschäft im Schlafzimmer; das gleichbedeutende »Neyagoto«; »Toko-Sumō« oder »Toko-Zumō«, der Ringkampf im Schlafzimmer, wären hier zu erwähnen.
»Yonare«, Nachtarbeit, und »Yagyō«, Nachtarbeit, Nachtschicht, haben die Nebenbedeutung des Koitus erst im Volksmund bekommen. Sie stammen wohl aus Arbeiterkreisen oder von Handwerkern, wie auch »Dashu«, das Sägen, und »Fuigo«, der Blasebalg. Namentlich das letztere Wort hat in den Senryūs oft für Scherze herhalten müssen, wofür hier zwei Beispiele:
»Neru to mata Kajiya
Fuigo wo oppajime.«
»Sobald der Schmied ins Bett gekommen ist, beginnt er den Blasebalg in Gang zu setzen.«
»Fuigo ga arai to wakaru yo to
Kaji ga tsuma.«
»›Wenn der Blasebalg zu wild gehandhabt wird, dann wird die Nachbarschaft das hören!‹ sagte die Frau des Schmieds.« Der Witz des Senryū besteht in erster Linie darin, daß man es auch ganz harmlos auffassen kann.
Einfache Bezeichnungen für die Ausübung des Koitus sind »Itasu«, tun, oder wie man im Deutschen mundartlich sagt: es machen; »Osu«, stoßen; »Ichi wo osu«, jemanden stoßen. Ichi wo osu ist wahrscheinlich verderbt aus Ichi-motsu wo osu, mit dem einen Ding stoßen; Ichimotsu ist ein volkstümliches Wort für den Penis, dessen Erklärung im Abschnitt über den Penis im Volksmund gegeben ist.
»Jōhitsu«, ein Pferd reiten, kann selbstverständlich nur vom Mann gebraucht werden, während das in der Umgangssprache verwendete Wort »Nyūba« zweideutig ist. Ba ist ein Wort für das Pferd, das nur in Zusammensetzungen üblich ist; Nyū bedeutet eingetreten, hineingegangen. Uma, das gewöhnliche Wort für Pferd, ist uns wiederholt in der Bedeutung Penis begegnet, so daß Nyūba den Sinn hat »der Penis ist darin gewesen«, d. h. ich habe Geschlechtsverkehr gehabt.
Ein etwas sonderbarer Ausdruck für ein Paar, das in demselben Bett zum Schlafen sich niederlegt, ist »Namasumori«, eine Schale mit Fischsalat füllen. Namasu ist ein Gericht, das aus in Streifen geschnittenem rohem Fisch besteht, der mit Kräutern in Essig gelegt wird. Der Nebensinn des Wortes rührt wohl daher, daß in der Schale diese Streifen neben und übereinander liegen.
In etwas feinerer Weise wird der Koitus eines Ehepaares als »En-au-no-Fusuma«, zusammen im Nest, d. h. im Bett liegen, bezeichnet. Die Redensart stammt von dem Verhalten der Mandarinenenten, weil bei diesen immer ein Pärchen nebeneinander schwimmt. Wir könnten also im Deutschen sagen: in ehelicher Eintracht zusammenliegen. Ungefähr die gleiche Bedeutung haben »Soibushi« und »Soine«. Sie entsprechen unserem Wort Beischlaf (Fujisawa). »Jōji«, eigentlich Liebesgeschichte, Sache, die mit der Liebe zusammenhängt, ist als ganz harmloser Ausdruck der gebildeten Umgangssprache anzusehen. Jōshoku (Fujisawa und Inouye: Joshoku) ist sowohl Frauenliebe als auch Frauenschönheit, daher »Jōshoku ni fukeru«, der Liebe (allzusehr) ergeben sein, und »Jōshoku ni mayou«, von einer Frau entzückt sein. Ein harmloses, wenn auch sehr volkstümliches Wort ist auch »Shimeru«, das den Sinn hat: etwas festziehen, fest anziehen, so daß die Teile näher aneinanderkommen; gesprochen ist das Wort jedoch zweideutig, denn das gleichlautende, aber mit anderen Schriftzeichen geschriebene »Shimeru«, bedeutet: feucht, naß werden, weist also deutlich auf den Koitus hin.
Mundartliche Ausdrücke für den Koitus gibt es in Japan wie überall eine Unmenge. Wir wollen nur einige Beispiele anführen, gewissermaßen als Muster für die Denkart der Japaner in solchen Dingen. In Matsumoto, Provinz Shinsū, nennt man die geschlechtlichen Beziehungen zu einer Frau »Hekida«, etwa: Neigung zur Vulva. Eine Frau, die den Geschlechtsverkehr ablehnt, bezeichnet man als »Hegenu«, eine, die sich nicht abschuppen, abkratzen läßt. In der Provinz Kazusa sagt man zur Ausführung des Koitus »Megusu«, (einer Frau) zuwinken (Mekubase). In der Provinz Niigata hat man dafür das Wort »Ochaumansu (zusammen Tee trinken?). Nicht ganz so dichterisch klingen in der Provinz Shinano »Netsureru« (erhitzt sein, in Hitze sein?) und bei den Bewohnern von Ōsaka »Okisen« (hineinstopfen?).
Allgemeiner verwendete Ausdrücke sind noch »Hada wo furu«, die Haut, d.h. den nackten Körper berühren; »Seji«, weltliche Geschäfte, die Dinge der Welt; und »Himoku-no-Makura«, das Kissen mit dem Wechseln der Blicke, womit ein besonders zärtliches Paar gemeint ist. Himoku ist eine scherzhafte Bezeichnung für dieses liebevolle Ansehen beim Koitus, denn es bedeutet eigentlich »die Augen auf derselben Seite haben«, wie die Plattfische, z.B. die Scholle. Etwas derb ist das Wort »Nikukō«, denn es bedeutet eine Vereinigung von Menschenkörpern oder von Menschenfleisch, während »Nikujō« die seelische Zuneigung bei einem Ehepaar oder bei Blutsverwandten bezeichnet.
Zum Schluß wollen wir einige veraltete Ausdrücke anführen, die insofern wichtig sind, als es sich um heute noch gebräuchliche Wörter und Redensarten handelt, die ihre geschlechtliche Nebenbedeutung gänzlich verloren haben, also gewissermaßen veredelt worden sind. »Aigoto«, ein Zusammentreffen, enthält heute keine Anspielung auf den Koitus mehr. »Aibiki«, beiderseitiger Rückzug, im soldatischen Sinn: beiderseitiges Verlassen des Schlachtfeldes, hat merkwürdigerweise auch die Bedeutung: geheimes Zusammenkommen zweier Liebenden, ein Stelldichein, mit dem Zeitwort »Aibiki suru«, während der verabredete Platz, die Rendez-vous-Stelle, »Aibiki no basho« heißt. Das Zeitwort »Au«, das fast die gleiche Bedeutung: sich treffen, einander begegnen, sich gegenüberstehen, hat, ist in der Umgangssprache und dem Schrifttum heute ohne erotische Auffassung. »Totsugu«, zur Ehe gegeben werden, war ein veralteter Ausdruck für: Geschlechtsverkehr haben, und gehört heute der Schriftsprache an. Das zugehörige Hauptwort »Totsugi«, Ehe, in der alten Redensart »Totsugi-no-michi«, der Weg der Ehe, d.h. die Begattung, ist ganz veraltet, hat sich aber in dem altertümlichen Ausdruck »Totsugi-Oshiedori«, der Vogel, der die Ehe lehrte, d.h. die Begattung, erhalten. Es ist eine dichterische Bezeichnung der Bachstelze im Anschluß an die von dem alten Sagenbuch Nihongi niedergelegte Überlieferung. Die Bachstelze, Sekirei, heißt auch Ishitataki, worin eine ähnliche Tätigkeit, wie in Totsugi-Oshiedoro, zum Ausdruck kommt. Tataku, schlagen, klopfen, peitschen, war früher ein Wort für »Geschlechtsverkehr haben«. Das ganz eindeutige »Sotataki« ist vollständig aus der heutigen Sprache verschwunden.
»Sanedo«, in demselben Bett zusammenschlafen, und »Kuna«, Abkürzung von Kunagu, seien noch als literarisch bezeugte, veraltete Ausdrücke für sich begatten genannt. –