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La mort douce, ursprünglich ein fast scherzhaft klingender Ausdruck gewisser französischer Kreise, ist heute zu einer wissenschaftlichen Bezeichnung des plötzlichen Todes beim oder unmittelbar nach dem Koitus geworden. Über die medizinische Seite der Erscheinung wollen wir uns hier nicht auslassen. In Japan ist der süße Tod im Volk bekannt, wie die volkstümlichen Worte, die dafür vorhanden sind, beweisen. Klar und deutlich besagen die nackte Tatsache: »Fukujō shi«, Sterben, wenn der Bauch droben ist, und »Fukuka shi«, Sterben, wenn man einen Bauch unter sich hat. Beides bedeutet dasselbe und kann sich nur auf den Mann beziehen. Ein allgemeiner Ausdruck ist »Gokuraku Ōjō«, den wir auch für die Überschrift des Abschnittes gewählt haben. Gokuraku Ōjō ist die Wiedergeburt im (buddhistischen) Paradies, bedeutet aber auch Euthanasia, einen schmerzlosen Tod, wie man auch auf der Insel Formosa den plötzlichen Tod beim Koitus bezeichnet. Nach den Schriftzeichen wäre Goku-raku als »sehr großes Wohlbehagen, außerordentliche Ruhe« zu erklären.
Im allgemeinen werden meistens Männer beim Koitus vom süßen Tod überrascht. Aus Japan liegt aber ein Bericht vor, der über das Gokuraku Ojo einer anscheinend völlig gesunden Frau Auskunft gibt:
»Um die Mitte der Meiji-Ära (1868–1911 u.Z.) lebte in Shimbashi, Tōkyō, eine Geisha (ein Singmädchen), die gewöhnlich mit dem Namen ›Araigami-no-Otsuma‹ bezeichnet wurde, weil sie meistens ihr Haar wie nach dem Waschen lose herunterhängen ließ. Man sagte von ihr, daß sie sehr für den Koitus eingenommen war. Nachdem sie ein gewisser Mann losgekauft hatte, heiratete sie ihn und sie lebten mehrere Jahre glücklich miteinander.
Eines Nachts starb die Frau ganz unerwartet und man ließ einen Arzt holen, der aber keinerlei Todesursache feststellen konnte. Er weigerte sich daher, dem Ehemann eine Bescheinigung über den Todesfall auszustellen. Inzwischen war die Angelegenheit bei der Polizeistation bekanntgeworden, worauf man den Ehemann einem Verhör unterzog. Dieser sagte dabei aus, daß der Tod ganz sanft an sie herantrat, als sie gerade in einer Traumwelt lebte (so umschrieb er den Orgasmus der Frau). Die Polizei ließ nochmals eine genaue Besichtigung der Leiche dieser Frau vornehmen, es wurden aber keine krankhaften Abweichungen irgendwelcher Art gefunden. Deshalb wurde eine förmliche Untersuchung angestellt, aber der Ehemann schämte sich, die Einzelheiten mündlich anzugeben. Schließlich versprach er, eine schriftliche Darstellung der Vorgänge einzuschicken. In diesem, der Polizei vorgelegten Schriftstück finden sich folgende merkwürdige Angaben:
›Und sie sagte abermals: ›Iku! Iku‹, und sie hatte mehr als zehnmal hintereinander Orgasmus; da dies aber beim Koitus immer bei ihr der Fall war, hatte ich gar kein Gefühl der Angst ...‹« –
Zu diesem Bericht müssen wir einige Erläuterungen geben. Der Name der Geisha, Araigami-no-Otsuma, Otsuma mit dem aufgelösten Haar, hat seine besondere Bedeutung. Da alle Japanerinnen auf ihren Haarputz großen Wert legen und der Japaner darin neben möglichst prächtiger Kleidung die Hauptzierde der Frau sieht, muß es auffallen, wenn eine Frau das Haar lose herabhängend trägt, »als wenn sie es eben erst gewaschen hätte«. Es gibt aber offenbar Männer, für die das offene Haar einer Frau ein besonderer geschlechtlicher Anreiz ist. Auf unseren Bildern ist das offene Haar nur selten zu sehen, aber in dem Bild »Mikoshi-Bobo« im Abschnitt »Shijū-Hatte« kommt deutlich zum Vorschein, daß damit besondere Absichten verfolgt werden. Denn die Frau, die ihr Haar offen trägt, zeigt damit an, daß sie den Anreiz auf den Mann für sich ausnutzen will. Wie es oben in dem Bericht heißt: »Man sagte von ihr, daß sie sehr für den Koitus eingenommen war.« Man bezeichnet im Volk dieses aufgelöste Haar geradezu als Aphrodisiacum und hat dafür das Wort »Nemidaregami« oder das gleichbedeutende »Nekutaregami«, das im Schlafe aufgelöste Haar, oder in Unordnung geratene Haar, in diesem Sinn festgelegt. Wir können aus Vorstehendem schließen, daß diese Otsuma eine geschlechtlich sehr leicht erregbare Geisha war und daß ihr Tod auf eine Überreizung der Nerven zurückzuführen ist. Wenn der Mann sagt, daß sie mehr als zehnmal während eines einzigen Koitus den Orgasmus durchmachte, so wird das Bild ihres nervösen Zustandes nur vervollständigt. Über »Iku! Iku«, »Es kommt mir!, Es kommt mir!« ist im Abschnitt »Yogarinaku« mehr gesagt worden. –
Im »Wu Yüan Lu«, einem chinesischen Buch über die ärztliche Kunst bei den Gerichten, verfaßt von Wang aus der Yüan-Herrscherfamilie, findet man die Angabe, daß sich bei einem Mann, der während des Koitus gestorben ist, der Penis nicht zusammenzieht. Über diese Sache ließe sich wohl streiten, aber jedenfalls ist in Japan dieselbe Ansicht verbreitet, falls sich der Volksdichter in dem folgenden Senryū nicht in scherzhafter Weise über die Geilheit eines wollüstigen Menschen lustig machen wollte:
»Jimbei ga Henoko
Zaise no gotoku oe.«
»Der Penis eines wollüstigen Mannes ist noch aufgerichtet, als wenn er gar nicht tot wäre!« Das soll heißen: »Der Penis ist bei einem wollüstigen Mann selbst im Tod noch aufgerichtet.« Jimbei ist der Spitzname für einen wollüstigen Mann. Das Wort ist nicht zu erklären; vielleicht hängt es mit dem volkstümlichen Wort »Jimbari« zusammen, das einen kräftigen, wollüstigen Mann bezeichnet. Anscheinend bedeutet Jimbari »Kraft wie Pferdenieren«, worin die alte Anschauung, daß die Manneskraft in den Nieren liegt, zum Vorschein käme. –