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Elftes Kapitel.

In welchem Austausch und gegenseitiges Vertrauen stattfindet.


Und nun, O'Donahue«, fuhr M'Shane fort, »wenn Du meiner Gesellschaft noch nicht müde bist, so möchte ich wohl wissen, wie es Dir erging, seit wir uns zum letzten Male gesehen haben. Sei meinetwegen ganz so umfassend, nur nicht so weitschweifig als ich; denn ich fürchte, daß Du an meiner Geschichte übergenug bekommen hast.«

»Nun ja, ich will umfassend sein, lieber Freund, obgleich ich keine so wunderbaren Abenteuer und keinen so glücklichen Ausgang zu berichten habe. Ich war zu Bath, zu Cheltenham, zu Harrow-Gate, zu Brighton und an anderen Orten, wo ich mit Leuten zusammentraf, die ich anderwärtig nicht getroffen hätte. Auch sah ich viele hübsche Mädchen, die, wie ich, fast bettelarm waren, desgleichen auch viele garstige, welche Geld hatten. Bei den ersteren mußte ich mich mit dem Ansehen begnügen, und mit den letzteren hatte ich hin und wieder zu schaffen. Ich holte mir ein paar Körbe, hätte aber auch sieben- oder achtmal heiraten können, wenn nicht, so oft es zum Entschlusse kommen sollte, auf irgend eine Weise das Gesicht eines gewissen Engels, der nun im Himmel ist, vor mir aufgestiegen wäre, und dann hatte ich weder das Herz noch die Herzlosigkeit, fortzufahren. Überhaupt darf ich wohl sagen, daß ich seit unserem letzten Zusammentreffen nur eine einzige Person sah, die einigen Eindruck auf mich machte und die ich einigermaßen für würdig gehalten hätte, an die Stelle der verlorenen zu treten; indes fürchte ich, daß auch sie für mich verloren ist. – Wir wollen also nicht mehr davon sprechen. Du kannst Dir denken, daß ich nur eine Reiche zu heiraten wünsche; aber es ist, als ob stets etwas dazwischen treten müsse, um mich von dem Schritte abzuhalten. Überhaupt scheint Fortuna alle meine Aussichten dermaßen kreuzen zu wollen, daß ich anfange, die Finger nach ihr zu schnippen, und, auf Ehre, ganz gleichgiltig geworden bin. Ich leide nun unter dem Gebreste der Armut, doch wer weiß, welche andere Übel mir vorbehalten blieben, wenn ich, wie die Damen sagen, meine Verhältnisse änderte. Komme übrigens, was da wolle, eines ist ausgemacht – wenn ich nämlich ein Mädchen wegen ihres Geldes heirate, so soll sie es nie zu fühlen kriegen und gut behandelt werden, und da es nur ein Beitrag zu der schwierigen Lage eines Mannes ist, wenn er sein Weib nicht liebt, so sage ich weiter nichts als – Kapitän O'Donahue giebt sich nicht wohlfeil – das ist entschieden.«

»Du hast recht, Du prächtiger Kerl; man findet nicht jeden Tag eine solche Kraftsuppe von einem Jungen: Witfrauen dürfen um Dich beten, denn ohne Schmeichelei, ich halte Dich für einen moralischen Mann, der Alt-England Ehre macht. Entschuldige übrigens, O'Donahue – wenn's nämlich kein Geheimnis ist – wer mag denn die Dame gewesen sein, die Deinem Gehirn nicht wenig zugesetzt zu haben scheint, da sie Dich eine gewisse andere vergessen machen konnte?«

»Ich traf sie an den Seen von Cumberland und wurde mit ihr bei einer Gesellschafts-Partie bekannt, zu der ich eingeladen war. Ich befand mich zehn Tage lang in ihrer Umgebung – zu Windermere, Ambleside, Derventwater und an andern Orten. Sie war eine Ausländerin von hohem Range.«

»Mord und Irland! Ist's Dein Ernst?«

»Ja, und sie besitzt außerdem, wie ich von ihrem Begleiter erfuhr, große Güter in Polen. Sie war in der That ganz so, wie ich es nur wünschen konnte, schön, geistreich, sprach englisch und mehrere andere Sprachen und mochte etwa zwei- oder dreiundzwanzig Jahre zählen –«

»Nichts für ungut – aber ihr Name?«

»Fürstin Czartorinsky.«

»Wie? gar eine Fürstin? und Du erdreistetest Dich wirklich, Dich in eine Prinzessin zu verlieben?«

»Bin ich nicht ein Irländer, M'Shane, und ist eine Prinzessin beim Lichte betrachtet mehr als ein Weib? Bei der Allmacht! ich würde mich in den Papst verlieben und mit ihm davon laufen, wenn er aus demselben Stoffe gebacken wäre, wie man es der Päpstin Johanna nachsagt Eine bekannte Fabel, die im 13. Jahrhundert zuerst aufkam, aber längst widerlegt ist.

»Meiner Treue, O'Donahue, ich glaube wahrhaftig, Du wärest's im stande; nun, fahre fort!«

»Ich verliebte mich nicht nur in sie, sondern loderte so lichterloh auf, daß ich, noch eh' ich sie verließ, die Überzeugung gewann, wenn ich eine Million besäße und sie so arm wäre, als meine teure Judith war, so müßte sie ihren Platz einnehmen. Ich meinte, ich könne nie wieder lieben und mein Herz sei so kieselhart, wie das eines Pfandleihers; ich entdeckte übrigens meinen Irrtum, als es zu spät war.«

»Und erwiderte sie das Kompliment?«

»Daß ich ihr nicht gleichgültig war, kann ich ohne Eitelkeit behaupten. Ich war fünf Minuten, ehe wir uns trennten, mit ihr allein und ersah die Gelegenheit, ihr zu sagen, wie schmerzlich mir der Abschied von ihr falle. Auch entdeckte ich ihr unverholen den Zustand meines Herzens, obschon die innere Bewegung meine Stimme fast erstickte. Ich bin überzeugt, daß sie die Aufrichtigkeit meiner Gefühle in meinem Gesichte las, und sie erwiderte: ›Wenn das, was Sie sagen, wahr ist, so werden wir uns im nächsten Winter in Petersburg wieder treffen – leben Sie wohl, ich erwarte Sie‹.«

»Nun das lautete ziemlich deutlich, wie: ›Bleibe ja nicht aus‹.«

»Allerdings. Ich stotterte, daß ich fest entschlossen sei, dieser Einladung zu folgen, wenn es mir möglich würde, fühlte aber zu gleicher Zeit, daß meine Finanzen zu einem solchen Ausfluge nicht hinreichen würden. – Die Sache war also abgethan. So wahr ich selig zu werden hoffe, ich ginge nicht nur nach Petersburg, sondern um die ganze Welt und hintendrein nach dem Nordpole, wenn ich dadurch die Mittel erhielte, sie noch einmal zu sehen.«

»Du bist auf schlimmem Wege; Dein Herz ist fort und Dein Geld gleichfalls. Meiner Seele, ich bemitleide Dich, aber so geht's in der Welt. Als ich noch ein Knabe war, hing immer der beste und reifste Apfel zu oberst auf der Mauer und außer meinem Bereiche. Soll ich morgen wieder zu Dir kommen? Wenn es Dir dann genehm ist, will ich Dich meiner Frau vorstellen.«

»Es wird mich sehr freuen, Dir und Deiner guten Frau einen Besuch abzustatten, M'Shane. Möge Euch der Himmel mit Glück und Gesundheit segnen! Halt, ich will meinem kleinen Faktotum klingeln, damit er Dich hinauslasse.«

»Apropos – ein prächtiger Junge das, O'Donahue – hat ein Auge so hell wie ein Falke. Wo hast Du ihn aufgelesen?«

»Im Saint-James-Park.«

»Nun, das gesteh' ich – ein wunderlicher Platz, um einen Bedienten zu mieten.«

»Erinnerst Du Dich noch an Rushbrook, der in meiner Kompanie stand?«

»O freilich – er war Dein bester Soldat und ein vortrefflicher Proviantmeister.«

»Es ist sein Sohn.«

»Ja, jetzt entsinne ich mich – er ist ihm sehr ähnlich, obgleich er ein bischen besser aussieht.«

O'Donahue teilte sodann M'Shane die Umstände mit, welche sein Zusammentreffen mit Joey begleitet hatten, und dann trennten sie sich.

Des andern Tages um dieselbe Stunde besuchte M'Shane seinen Freund abermals. O'Donahue war schon angekleidet und bereit, mit ihm zu gehen.

»Nun, O'Donahue, der Besuch bei meiner Frau hat gerade keine solche Eile, denn ich muß Dir noch etwas erzählen, was sie hübscher in Deinen Augen erscheinen lassen wird, als es vielleicht sonst bei der ersten Begegnung der Fall wäre. Laß nur Deine Handschuhe noch liegen und setz' Dich nieder in den Stuhl; Du sollst hören, was für eine kleine Unterhaltung gestern Nacht zwischen uns stattfand, kurz bevor wir in Morpheus' Arme sanken. Ich will alle die Fragen, die sie wegen Deiner stellte, und die Komplimente, die ich Dir hinter Deinem Rücken machte, übergehen; denn Du würdest nur erröten, obgleich Du ein Irländer bist. Sie sagte, es sei eine große Güte von Dir, daß Du mir das Geld geliehen habest, und sie liebe Dich darum, worauf ich versetzte, es thue mir leid, daß Dein Gemütszustand nicht der angenehmste sei und Du Dich sogar unglücklich fühlest. Wie jede andere Frau gethan haben würde, fragte sie mich natürlich nach dem Grund; ich sagte ihr aber bloß, es handle sich um eine Liebesangelegenheit und sei eine lange Geschichte, denn ich war schläfrig. Dies machte sie nur um so neugieriger; ihr zu gefallen blieb ich wach und erzählte ihr, was Du mir mitgeteilt hattest, und wie der Winter komme, ohne daß Du im stande seiest, Dein Versprechen zu halten. Jetzt denke Dir, was die gute Seele sagte! ›Nun‹, sagte sie, ›wenn Du mich liebst, M'Shane, und Deinem Freunde für seine frühere Gefälligkeit dankbar sein willst, so bringst Du ihm morgen Geld genug, und mehr als genug, damit er seinen Wunsch in Ausführung bringen möge. Gewinnt er damit seine Frau, so kann er Dich wieder zahlen – wo nicht, so ist an dem Gelde auch nichts gelegen.‹ ›Das ist sehr freundlich von Dir, meine Liebe‹, versetzte ich; ›aber dann wirst Du auch noch zu etwas anderem ja sagen müssen, denn es könnte ein schwieriger Handel werden und er braucht mich vielleicht. Würdest Du wohl etwas dagegen einzuwenden haben, mein Schatz?‹ (Denn siehst Du, O'Donahue, ich habe mir's in den Kopf gesetzt, daß ich Dir von großem Nutzen werden kann, und außerdem hatte ich einen Gefallen an dem Abstecher, 's gäbe just eine kleine Veränderung.) ›Kann er nicht ohne Dich zu stande kommen?‹ entgegnete sie ernst. ›Ich fürchte, nein; und obgleich ich meinte, für meiner Lebtag eingarnisoniert zu sein und Dich nie wieder zu verlassen, so möchte ich doch um des armen Teufels willen, der so großmütig gegen mich gewesen ist.‹ – ›Und wie lange wollt Ihr fortbleiben?‹ fragte sie. ›Je nun im höchsten Fall zwei Monate‹, entgegnete ich, ›aber wer kann's auf den Tag hin erraten.‹ ›Die Sache will mir gar nicht gefallen‹, sagte sie, ›aber wenn's, wie Du sagst, nötig ist, so soll die Sache nicht halb geschehen‹, fügte die arme Seele mit einem Seufzer bei. ›Nun, dann bleibe ich hier‹, sagte ich. ›Nein‹, sagte sie nach einer Pause; ›ich glaube, es ist Deine Pflicht, und deshalb mußt Du mit.‹ ›Ich richte mich ganz nach Deinen Wünschen, mein Schatz‹, versetzte ich; ›aber wir können ja die Sache morgen weiter besprechen.‹ Diesen Morgen brachte sie die Sache zuerst aufs Tapet; sie sagte, sie sei entschlossen, und es solle geschehen, wie wir's gestern Nacht ausgemacht hätten. Dann ging sie zu der Schublade, langte dreihundert Pfund in Gold und Banknoten heraus und sagte, wenn wir nicht genug daran hätten, sollen wir nur um mehr schreiben. Nun sage, O'Donahue, ist sie nicht ein Juwel? und da habe ich auch das Geld.«

»M'Shane, sie ist in der That ein Juwel – nicht gerade weil sie mir Geld gegeben hat, sondern weil ihr das Herz am rechten Flecke sitzt, und so etwas ist nachhaltig. Aber es will mir nicht recht einleuchten, daß ich Dich mitnehmen soll.«

»Vielleicht meinst Du, ich könne Dir von keinem Nutzen sein?«

»Daran zweifle ich nicht im geringsten, obgleich ich vor der Hand nicht weiß, wie es geschehen könnte.«

»Aber ich weiß, denn ich habe darüber nachgedacht und würde es sehr übel nehmen, wenn Du mich nicht mitgehen ließest. Ich brauche eine kleine Diversion, denn siehst Du, O'Donahue, man muß das häusliche Glück gradweise begründen.«

»So sei's drum: nur fürchte ich, es wird Deiner vortrefflichen Frau schmerzlich fallen.«

»Sie hat alle Hände voll zu thun, und das ist der beste Sorgenbanner. Außerdem mußt Du auch bedenken, welche Freude sie haben wird, wenn ich wieder zurückkomme.«

»Das habe ich vergessen. Nun, wenn es Dir beliebt, so wollen wir aufbrechen, daß ich Mrs. M'Shane meine Achtung bezeugen und meinen Dank abstatten kann.«

»So komm denn!«

Kapitän O'Donahue fand Mrs. M'Shane emsig mit Bedienung ihrer Kunden beschäftigt. Sie war, wie M'Shane gesagt hatte, eine sehr gut aussehende Frau, obgleich etwas korpulent; auch lag in ihrem Gesichte ein so liebenswürdiger Ausdruck von Offenheit und Wohlwollen, daß man notwendig Interesse für sie fühlen mußte. Sie speisten gemeinschaftlich. O'Donahue setzte sich bei der Gebieterin des Hauses völlig in Gunst, und man traf das Übereinkommen, daß sich die beiden Männer heut über acht Tage einschiffen sollten, um über Hamburg nach Petersburg zu reisen, wohin sie Joey als Duodezausgabe von einem Kammerdiener begleiten sollte.


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