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Dreizehntes Kapitel.

In welchem einige Nachrichten über St. Petersburg vorkommen.


O'Donahue besorgte sich für dreihundert Rubel monatlich eine sehr schön ausgestattete Droschke mit zwei prächtigen Pferden, die durch Form und Zierlichkeit ihrer Bewegungen die Bewunderung aller Vorübergehenden auf sich zogen. Sein Kutscher, der Athenasis hieß, hatte den längsten Bart in St. Petersburg, Joey war der kleinste Lakei, und Dimitri einer der schönsten Jäger. Kapitän O'Donahue hatte überhaupt sein Geld gut verwendet, und an einem schönen, sonnigen Tage fuhr er aus, um seine Empfehlungsbriefe abzugeben. Sie waren zwar nur sehr kurz, indessen reichte es zu, daß sie von einem so ausgezeichneten und allgemein beliebten Manne, wie Seine Königliche Hoheit, unterzeichnet waren. Der Gesandte, Lord St. H., öffnete O'Donahue unverzüglich sein Haus und bat ihn für den folgenden Tag zum Diner, indem er sich zugleich erbot, ihn beim ersten Lever dem Kaiser vorzustellen. O'Donahue verabschiedete sich, entzückt über seinen Erfolg, und fuhr dann nach dem Palais der Fürstin Woronzoff, des Grafen Nesselrode und der Fürstin Gallitzin, wo er eine gleich gute Aufnahme fand. Nach Abstattung dieser Besuche fuhr er noch einige Stunden auf den englischen und russischen Kais wie auch in Newsky-Perspektive auf und ab und kehrte dann nach seinem Hotel zurück.

»Es thut mir recht leid«, sagte O'Donahue, nachdem er M'Shane alles, was vorgefallen, mitgeteilt hatte, »meine Zustimmung gegeben zu haben, daß Du thörichterweise als Kammerdiener im Passe verzeichnet wurdest. Du würdest Dich wahrscheinlich so gut, als ich, unterhalten und stündest doch in einer für Dich passenden Stellung.«

»Mir thut's nicht im geringsten leid, O'Donahue, und ich will Dir den Grund sagen. Ich zweifle allerdings nicht, daß ich mich gut, vielleicht nur allzugut amüsieren würde. Wenn man aber mit Gesandten, Fürsten, Grafen und dergleichen gespeist hat, hätte ich da je wieder getrost und zufrieden zu meiner Frau und der Garküche zurückkehren können? Nein, nein – meine Lage will mich ohnehin zuweilen ein bischen wurmen, und wenn ich drei oder vier Monate mit dem russischen Adel Champagner tränke und französische Raritäten speiste, vielleicht gar mit Prinzessinnen tanzte und Herzoginnen ins Ohr flüsterte, müßte ich nicht verächtlich über die Beefsteakpastete die Nase rümpfen, und würde mir nicht meine arme Frau mit all ihrem freundlichen Lächeln zweimal so beleibt vorkommen als je? Beileibe, es ist besser so, wie es ist. Ich mag mir nicht den Kopf verrücken lassen.«

»Du hast vielleicht recht, M'Shane; aber doch will mir's nicht gefallen, daß ich Dein Geld in dieser Weise verthun soll, während Du nicht im mindesten Anteil daran nimmst.«

»Anteil daran? Je nun, O'Donahue – gesetzt, ich wäre auf eigene Faust hierher gekommen, was würde ich für eine Rolle gespielt haben? Ich hätte nicht, wie Du, die liebenswürdige Unverschämtheit aufbieten können, den Obergeneral um Briefe an den Gesandten zu bitten, und wäre auch nicht im stande gewesen, so nobel aufzutreten. Ja, ich hätte mich so dumm benommen wie eine Eule, und würde nichts weiter treiben, als was ich heute den ganzen lieben gesegneten Morgen getrieben habe, weil ich Deiner Gesellschaft entbehren mußte. Mein ganzes Geschäft beschränkte sich darauf, daß ich eine der schwimmenden Brücken über den Fluß betrachtete und ins Wasser spuckte, just als müsse ich selbst auch mein Scherflein zu dem baltischen Meere beitragen.«

»Ich bedaure, daß Du so wenig Unterhaltung findest.«

»Ich unterhielt mich gut, denn ich dachte an das gemütliche Gesicht meiner Frau, was weit besser ist, als wenn ich mich in vornehmer Gesellschaft umhergetrieben und sie darüber vergessen hätte. Laß mich nur nach meiner eigenen Weise vergnügt sein, O'Donahue, weiter wünsche ich nichts. Vermutlich hast Du auf Deinen Wanderungen noch nichts von der polnischen Fürstin gehört?«

»Begreiflicherweise, nein; es wird einiger Takt erforderlich sein, um ihren Namen zur Sprache zu bringen; ich muß thun, als ob es ganz zufällig geschehe.«

»Soll ich unsern Läufer fragen, ob sie nicht zu seiner Bekanntschaft gehöre?«

»Zu seiner Bekanntschaft, M'Shane?«

»Ich verstehe darunter nicht gerade den Visitenfuß, sondern ob er etwas von ihrer Familie und ihrem Wohnort weiß.«

»Nein, M'Shane, ich halte es für besser, wenn wir das unterlassen, da wir ihn zur Zeit noch gar nicht kennen. Ich speise morgen bei dem Gesandten und werde dort große Gesellschaft treffen.«

Während des Tages liefen mehrere Einladungen zu Abendgesellschaften von dem Fürsten Gallitzin und der Fürstin Woronzoff ein.

»Der Knoten schürzt sich rasch, wie's im Sprichwort heißt. Ohne Frage wirst Du die Dame Deines Herzens an einem dieser Orte finden.«

»Ich hoffe das selbst auch«, versetzte O'Donahue. »Andernfalls werde ich, sobald ich etwas bekannter bin, Nachfragen anstellen. Zuerst müssen wir aber behutsam rekognoscieren.«

O'Donahue speiste bei dem Gesandten und besuchte die übrigen Gesellschaften, ohne jedoch den Gegenstand seiner Forschungen zu treffen. Da er als guter Musiker galt, so war er in dem kunstliebenden Zirkel Petersburgs sehr gesucht. Der Kaiser weilte noch in seinem Sommerpalast, und O'Donahue befand sich schon länger als vierzehn Tage in der Hauptstadt, ohne daß der Gesandte Gelegenheit gefunden hatte, ihn bei Hofe vorzustellen.

Dimitri, welchen O'Donahue als Dolmetscher, Läufer oder Jäger angenommen hatte, war ein sehr gewandter und verständiger Bursche, der seinen Herrn bald sehr lieb gewann, weil derselbe so freigebig war, wie Irländer gewöhnlich sind, und sich in jeder Hinsicht als einen sehr nachsichtigen Gebieter erwies. Vielleicht trug auch die eigentümliche Vertraulichkeit zwischen O'Donahue und seinem vermeintlichen Kammerdiener dazu bei, Dimitri besonders zu Gunsten des ersteren zu stimmen, da der Stolz und die Abgemessenheit, welche die Engländer gewöhnlich gegen ihre Dienerschaft beobachten, den Domestiken des Kontinents gar nicht zusagen wollen, indem dieselben, wenn man ihnen Vertraulichkeit gestattet, nicht nur treuer dienen, sondern sich auch mit mäßigerem Lohne begnügen. Dimitri sprach ziemlich gut englisch und französisch, deutsch und russisch aber ganz vortrefflich. Er war ein geborener Russe und im Findelhause zu Moskau erzogen worden, folglich kein Leibeigner. Gegen M'Shane benahm er sich bald sehr zutraulich, und da dieser in ihm einen ehrlichen Kerl erkannte, so ließ er sich's gefallen und behandelte ihn mit viel Herzlichkeit.

»Bemerken Sie Ihrem Gebieter«, sagte Dimitri, »er solle sich in Petersburg ja nicht über politische Gegenstände vernehmen lassen, damit er nicht der Regierung denunziert und polizeilich überwacht werde. Alle hiesigen Diener und Läufer sind Agenten der Polizei – ja man kann sogar sagen, daß je die dritte Person, mit der man zusammentrifft, in diese Klasse gehört.«

»Dann machen Sie vermutlich auch keine Ausnahme?« versetzte M'Shane.

»Nein«, entgegnete Dimitri gelassen, »aber das ist nur um so besser für Ihren Herrn. Ich werde nach ein paar Tagen aufgefordert werden, meinen Bericht zu erstatten, und muß natürlich dem Ansinnen entsprechen.«

»Um welche Fragen wird sich's dann handeln?« sagte M'Shane.

»Zuerst will man wissen, wer und was Ihr Gebieter ist, und ob ich von Ihnen keine Auskunft über seine Familie und seine Bedeutsamkeit in England erhalten habe – ob er sich auf Politik einläßt, und ob ich nicht entdeckt habe, was der eigentliche Zweck seiner Anwesenheit ist.«

»Und was werden Sie auf alle diese Fragen antworten?« entgegnete M'Shane.

»Je nun, das weiß ich selber kaum. Wenn ich nur in dieser Hinsicht seine Wünsche kennen würde, denn er ist ein Herr, den ich sehr liebe. Vielleicht können Sie mir's sagen.«

»Ich weiß allerdings ziemlich viel von ihm. Was seine Familie betrifft, so giebt es keine bessere in Irland oder England, denn wenn es nach dem Recht ginge, so müßte man königliches Geblüt in ihm anerkennen.«

»Wie?« rief Dimitri.

»So wahr, als ich in diesem alten Armstuhle sitze – hat er nicht Briefe von dem Bruder des gegenwärtigen Königs überbracht? Gilt etwas der Art in Eurem Lande nichts, oder schlagt ihr den Wert der Menschen nach der Länge ihrer Bärte an?«

»Die Leute gelten hier nicht nach ihren Titeln, sondern nach ihrem Rang als Offiziere. Ein General steht höher, als ein Fürst«, erwiderte Dimitri.

»Das lasse ich mir gefallen, denn dann bin ich etwas«, versetzte M'Shane.

»Sie?« entgegnete der Läufer.

»Ich meine meinen Gebieter«, erwiderte M'Shane sich selbst verbessernd, »denn er ist Offizier und zwar ein wackerer.«

»Das mag wohl sein, aber Sie haben von sich selbst gesprochen«, bemerkte der Läufer lachend. »Mein guter Freund, in Petersburg schlägt man einen Kammerdiener nicht höher an, als einen der Mujiks, die in den Straßen arbeiten. Gut, ich weiß also, daß unser Gebieter Offizier und von hohem Range ist. Was die Politik betrifft, so habe ich nie etwas anderes von ihm gehört, als daß er die Stadt und natürlich auch den Kaiser bewundert.«

»Vollkommen richtig, und auch die Kaiserin«, entgegnete M'Shane.

»Das ist durchaus nicht nötig«, erwiderte Dimitri lachend. »Ich wüßte wahrhaftig nicht, wozu er nötig hätte, die Kaiserin zu bewundern.«

»Dann findet er auch die Regierung und die Gesetze ganz vortrefflich«, sagte M'Shane; »desgleichen können Sie meinetwegen noch die Armee und die Flotte beifügen, mein guter Freund. Bei der Allmacht! Er ist von allem, was er sieht, ganz hingerissen – ich gebe Ihnen mein Wort darauf.«

»Gut, ich will's so halten; aber dann giebt es noch eine weitere Frage zu beantworten, nämlich, warum er hierher gekommen ist und was er hier zu schaffen hat?«

»Er will sich natürlich ein bischen umsehen, sein Geld verthun, wie ein Gentleman, von seinen Empfehlungsbriefen Gebrauch machen und sich vergnügen«, versetzte M'Shane. »Doch das ist trockenes Gerede, Dimitri; bestellen Sie eine Flasche Champagner, und dann wollen wir unsere Schnäbel anfeuchten, ehe wir fortfahren.«

»Champagner? wird Ihr Gebieter dafür einstehen?« fragte Dimitri.

»Der Tausend auch, warum nicht? Es würde ihm sogar sehr leid thun, wenn er glauben müßte, ich lasse mir's nicht wohl sein. Sagen Sie nur, man solle es auf meinen Namen aufzeichnen – wenn's der Wirt nicht für passend hält, so kann er ja den Herrn fragen.«

Dimitri ging und bestellte den Champagner. Sobald sie die Gläser vor sich hatten, bemerkte der Läufer:

»Ihr Herr ist ein prächtiger, freigebiger Mann, und ich möchte ihm bis zum letzten Tage meines Lebens dienen. Indes sehen Sie, daß die Gründe, welche Sie für seine Anwesenheit angeben, ganz die nämlichen sind, die jedermann geltend machen will, obgleich er vielleicht ein Spion, ein geheimer Emissär oder ein Aufwiegler ist. Eine derartige Auskunft, die freilich oft wahr sein mag, wird daher von der Polizei als gar keine betrachtet, und sie wird sich Mühe geben, ausfindig zu machen, ob sie auch wirklich mit Wahrheit berichtet worden ist.«

»Welchen andern Grund kann ein Gentleman, wie er, für einen Besuch haben? Es fällt ihm gar nicht ein, seine Hände mit Spekulationen, Zwischenträgereien und dergleichen Lumpereien zu beflecken«, versetzte M'Shane, sein Glas zurückstoßend.

»Das will ich auch nicht sagen; aber der Umstand, daß er Briefe von dem Bruder des Königs überbrachte, wird verdächtig erscheinen.«

»Zum Teufel auch, in unserer Heimat würde man weiter nichts daraus folgern, als daß er ein echter und gerechter Gentleman ist.«

»Sie verstehen eben dieses Land nicht!« versetzte Dimitri.

»Wahrhaftig nein – das überbietet mein Fassungsvermögen. Nun, füllen Sie Ihr Glas. Ich hoffe, es ist kein Hochverrat, aber wenn es auch wäre, so muß es heraus. Mein guter Freund Dimitri –«.

»Halt«, versetzte Dimitri, indem er aufstand und die Thüre schloß. »Nun, was haben Sie zu sagen?«

»Ei, eben nicht viel. Seit ich hier in Eurer hübschen Stadt bin, habe ich auch nicht ein einziges hübsches Frauenzimmer gesehen.«

»Darin liegt mehr Wahrheit, als Hochverrat«, versetzte der Läufer; »aber doch giebt es unter den höhern Klassen einige schöne Damen.«

»Das läßt sich hoffen, denn jedenfalls haben sie den geringeren nichts übrig gelassen.«

»Auch ist Polen wegen seiner weiblichen Schönheiten berühmt«, sagte Dimitri.

»Warum holt ihr nicht auch einige hierher?«

»Es halten sich gegenwärtig sehr viele polnische Damen in Petersburg auf.«

»So gehen Sie hinunter und bestellen Sie eine andere Flasche«, entgegnete M'Shane, »wir wollen ihre Gesundheit trinken.«

Sobald die zweite Flasche beendigt war, wurde M'Shane, der zuvor schon getrunken hatte, weniger vorsichtig.

»Sie haben gesagt«, bemerkte er, »daß es viele polnische Damen in Petersburg gebe. Haben Sie je von der Fürstin Czartowinsky gehört? Ich glaube wenigstens, so ist der Name.«

»Czartorinsky, wollten Sie sagen«, versetzte Dimitri; »freilich. Vor einigen Jahren, als der alte Fürst noch lebte, stand ich im Dienste der Familie. Doch wo haben Sie die Fürstin gesehen?«

»Natürlich in England.«

»Nun, das kann wohl sein, denn sie ist mit ihrem Onkel auf Reisen gewesen und erst kürzlich zurückgekommen.«

»Befindet sie sich zur Zeit in Petersburg, mein guter Freund?«

»Ich glaube es, aber warum wünschen Sie es zu wissen?«

»Ei, man darf doch fragen?«

»Ah ha, Mac Shanovich«, denn so pflegte Dimitri im Vertrauen seinen vermeintlichen Mitdienstmann zu benennen; »vermutlich steht diese Prinzessin Czartorinsky in irgend einer Weise mit dem Besuche Ihres Gebieters zu Petersburg in Verbindung? Sprechen Sie die Wahrheit – ist's der Fall? Ich wollte drauf schwören.«

»Dann wissen Sie mehr, als ich«, versetzte M'Shane wieder einlenkend, »denn ich bin in die Geheimnisse meines Gebieters nicht eingeweiht – weiß auch weiter nichts zu sagen, als daß mein Herr sie in England traf und daß sie mir sehr schön vorkam.«

»Und ihm wohl auch?«

»Unter uns gesprochen, das könnte wohl sein. Ich glaube sogar, daß es in diesem Punkte nicht ganz richtig war – indes ist dies weiter nichts, als eine Meinung von mir.«

»Hat er während seines Aufenthalts in Petersburg je von ihr gesprochen?« fragte Dimitri.

»Nur ein einziges Mal. Als ich ihm eines Tages seine Weste hinbot, sagte er: ›Ich möchte nur wissen, ob alle russischen Damen so schön sind, als jene polnische Fürstin, die wir in Cumberland trafen‹.«

»Wenn ich glauben könnte, er wünschte es oder er nehme Interesse an ihr, so würde ich Nachfragen anstellen und bald entsprechende Auskunft verschaffen; andernfalls wäre es aber nutzlos, sich Mühe zu geben«, entgegnete der Läufer.

»Wohlan denn, wenn Sie mir die Hand geben und versprechen wollen, treu zu dienen, so sollen Sie alles erfahren, was ich von der Sache weiß.«

»Bei dem gebenedeiten St. Nicolaus, es gilt!« erwiderte Dimitri. »Sie dürfen auf mich bauen!«

»Gut, so bin ich der Meinung, daß mein Herr über Kopf und Ohren in sie verliebt und aus keinem andern Grunde hierher gekommen ist.«

»Freut mich, dies zu hören; es wird die Polizei zufrieden stellen.«

»Die Polizei? Mord und Irland!« brüllte M'Shane. »Willst Du's gar der Polizei hinterbringen, Du Hallunke?«

»In wen er verliebt ist, gewiß nicht, aber wohl, daß er wegen eines derartigen Abenteuers hierher kam. Man wird sich damit zufrieden geben, denn vor Verliebten fürchtet man sich nicht und läßt sie auch nicht beobachten. Verlassen Sie sich darauf, ich kann nichts besseres thun, um Ihrem Herrn zu dienen.«

»Nun, vielleicht haben Sie recht. Dieser Champagner schmeckt mir nicht – holen Sie eine Bouteille Burgunder, Dimitri! Sie brauchen keine solche Augen zu machen, Dimitri, es hat alles seine Richtigkeit; der Kapitän speist jeden Tag auswärts und hat mir befohlen, für die Ehre des Hauses zu trinken.«

»Das ist ein herrlicher Gebieter,« entgegnete Dimitri, der die Wirkungen der früheren Flaschen zu fühlen begann.

Sobald die dritte Bouteille entkorkt war, fuhr M'Shane fort: »Nun, Dimitri, ich habe Ihnen meine Meinung mitgeteilt und kann Ihnen nur sagen, wenn mein Gebieter, wie ich vermute, wegen dieser jungen Dame hergekommen ist und es ihm gelingt, sie heimzuführen, so könnte sich's für Sie und mich nicht glücklicher fügen; denn er ist so großmütig, wie der Tag, und hat Geld die Hülle und Fülle. Kennen Sie ihre näheren Verhältnisse?«

»Allerdings. Sie ist die einzige Tochter des verstorbenen Fürsten Czartorinsky und steht gewissermaßen unter der Vormundschaft des Kaisers. Die Güter gehen sämtlich auf sie über, ein einziges ausgenommen, das, dem Testamente des Fürsten zufolge, zur Begründung eines Hospitals in Warschau verwendet wurde. Sie ist eine reiche Erbin, und man meint, der Kaiser wolle sie einem seiner Generale geben. Sie wohnt als Ehrendame der Kaiserin im Palaste.«

»Psth!« pfiff M'Shane: »wird's da keine Schwierigkeiten absetzen?«

»Möchte fast glauben«, versetzte der Läufer ernst.

»Er muß mit ihr durchgehen«, sagte M'Shane nach einer Pause. »Wie können wir es angreifen, sie zu sehen?«

»Im Palast kommt er nicht so mit ihr zusammen, daß er sie sprechen kann, denn das ist nicht üblich, indes mag es wohl anderswo sein.«

»Etwa bei einer Gesellschaft oder bei einem Balle?« entgegnete M'Shane.

»Nein, da geht's nicht, denn die Herren und Damen halten sich bei uns in Gesellschaften ganz abgesondert. Höchstens kann er beim Tanze ein paar Worte mit ihr sprechen.«

»Aber wie kann er in diesem verwünschten Platze an sie kommen, wenn sich Männer und Weiber nicht auf Armslängen nähern dürfen?«

»Das muß ihr überlassen bleiben. Sagen Sie mir, ob sie ihn liebt.«

»Der Tausend, das ist eine verfängliche Frage. So viel ist wenigstens gewiß, daß sie's weder ihm, noch mir sagte, obgleich ich inbetreff der Sache meine eigene Ansicht habe.«

»Dann, Mac Shanovich, bemerke ich bloß, daß Ihr Gebieter seine Schritte sorgfältig erwägen muß. Er weiß natürlich nicht, daß Sie mir etwas gesagt haben, aber sobald es ihn passend dünkt, mir zu trauen, will ich alle meine Kräfte aufbieten, um ihm zu dienen.«

»Sie sprechen wie ein vernünftiger, verständiger und einsichtsvoller Läufer«, erwiderte M'Shane; »und nun wollen wir unserer Flasche den Garaus machen. Gut Glück dem Kapitän O'Donahue, lebend oder tot! und nun will ich in weniger als zehn Minuten schlafend auf den Ohren liegen – vorausgesetzt, daß die Fliegen nichts dagegen haben.«


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