E. Phillips Oppenheim
Finanzkönige
E. Phillips Oppenheim

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Kapitel 3.
Sturmwolken

Mr. Phineas Duge hatte sich seit dem Tode seiner Frau von dem gesellschaftlichen Leben zurückgezogen und ließ sich höchstens von ein paar Freunden einladen, mit denen er in geschäftlicher Verbindung stand. Als er jedoch seine Nichte Virginia zu sich nahm, öffnete er die Tore seines sonst so gastlichen Hauses wieder. Die Empfangsräume strahlten aufs neue in festlichem Glanz, die Diener erhielten neue, prunkvolle Livreen und Mr. Phineas Duge eröffnete ein besonderes Büro, das nur für die Vergnügen und Lustbarkeiten in seinem Hause zu sorgen hatte.

Mrs. Trevor wurde als Gesellschafterin für Virginia engagiert, und diese Dame wunderte sich sehr über die plötzliche Wandlung, die mit Mr. Duge vorgegangen war. Man hatte ihn in den letzten Jahren für einen Menschenhasser und einen Feind der Gesellschaft gehalten.

»Wenn ich Ihren Onkel nicht für einen Mann hielte, der keiner Zuneigung fähig ist, dann würde ich glauben, er hätte sich in Sie verliebt«, sagte sie eines Tages zu Virginia, als die beiden bei einer Tasse Tee zusammensaßen.

Virginia, die auch schon ähnliche Bemerkungen gehört hatte, sah ganz erstaunt auf.

»Ich kann mir nicht denken, warum alle Leute meinen Onkel für einen herzlosen, harten Mann halten. Ich habe noch keinen liebenswürdigeren und freundlicheren Menschen kennengelernt als ihn. Er sieht doch schon so hübsch und sympathisch aus!«

Mrs. Trevor lachte leicht und lehnte sich etwas vor. »Mein liebes Kind, die New Yorker Gesellschaft kennt Ihren Onkel nun schon seit fünfundzwanzig Jahren, und ich kann wohl sagen, daß wir alle unter ihm gelitten haben. Leute wie er bringen ihre großen Vermögen nur auf Kosten anderer Leute zusammen. Viele Leute verloren ihre Existenz, damit Phineas Duge ein reicher Mann werden konnte.«

Virginia schüttelte den Kopf.

»Das verstehe ich nicht.«

»Ihr Onkel hat einen eisernen Willen. Er denkt nur an sich und hat noch niemals aus Gründen des Gefühls oder Mitleids gehandelt. Er geht über Leichen. Aber in Amerika tadelt man ja solche energischen, zielbewußten Männer nicht. Die Starken siegen im Kampf ums Dasein, die Schwachen müssen zugrundegehen. Aber offen gestanden können wir dieser neuen Entwicklung nicht folgen. Ich weiß aus langer Erfahrung, daß ihr Onkel nichts ohne Zweck tut.«

»Sie haben eben behauptet,« entgegnete Virginia langsam, »daß er kein Herz hat. Warum hat er aber nach mir geschickt? Seitdem ich bei ihm bin, hat er die Schulden und Hypotheken bezahlt, die auf dem Grundstück meines Vaters lasteten und ihm das Leben verbitterten. Er hat meinem Bruder das Studium auf der Universität ermöglicht und mir versprochen, für meine ganze Familie zu sorgen. Wenn Sie wüßten, wie sich das Leben meiner Eltern dadurch verändert hat, würden Sie verstehen, daß ich nicht gerne derartig über meinen Onkel sprechen höre.«

Mrs. Trevor sah Virginia nachdenklich an,

»Was Sie mir eben erzählt haben, klingt sehr sonderbar. Ich kann nicht einsehen, warum er das alles getan hat. Das wäre wirklich großzügig von ihm. Er sollte Sie eigentlich heiraten, das wäre die beste Lösung.«

Virginia errötete leicht und wurde unruhig.

»Bitte, sagen Sie das nicht. Ich möchte meinem Onkel nur helfen.«

»Welche Hilfe könnten Sie ihm denn geben?«

»Das weiß ich allerdings noch nicht, aber er hat es mir selbst gesagt.«

Mrs. Trevor sah nachdenklich vor sich auf den Tisch. Dann steckte also doch eine gewisse Absicht hinter allem. Aber das ging sie ja nichts an. Sie war seit Jahren mit der Familie befreundet und Phineas Duge hatte ihr ein großes Gehalt für die Stellung geboten, die sie jetzt einnahm.

Die Unterhaltung wurde unterbrochen, denn es kam Besuch. Mrs. Perrin hielt das erste At home zu Ehren Virginias ab. Virginias schlanke, elegante Gestalt kam in einem prachtvollen Kleide wundervoll zur Geltung. Herrliche, dunkle Augen brannten in ihrem blassen, ovalen Gesicht. Sie war sofort der Mittelpunkt, und alle bemühten sich um sie und erwiesen ihr Aufmerksamkeiten. Plötzlich trat eine junge Dame an sie heran, die Virginia noch nicht bemerkt hatte, berührte sie leicht am Ann und zog sie ein wenig beiseite. Virginia war aufs höchste überrascht, als sie ihre Kusine Stella erkannte.

»Ich möchte ein wenig mit Ihnen sprechen – wollen Sie sich zu mir setzen? Sie füllen Ihren Posten vorzüglich aus.«

Virginia war zuerst ein wenig scheu und wußte nicht, ob sie mit ihrer Kusine sprechen dürfte. Aber sie beugte sich dem stärkeren Charakter Stellas.

»Natürlich weiß ich,« fuhr Stella fort, »daß ich bei meinem lieben Vater in Ungnade gefallen bin, und daß Sie sich fürchten, mit mir zu sprechen. Aber Sie müssen auch eine gewisse Rücksicht auf mich nehmen, denn Sie haben meine Stelle in diesem Hause eingenommen und mich gewissermaßen verdrängt.«

»Bitte, sprechen Sie nicht so«, erwiderte Virginia ruhig. »Sie wissen doch sehr gut, daß ich das nicht getan habe. Als mein Onkel mich nach New York holte, wußte ich nicht, daß Sie sein Haus verlassen hatten.«

»Drei Jahre habe ich mit ihm zusammengelebt, seitdem ich von Europa zurückkam. Das ist wirklich ein Rekord, den so leicht niemand wieder erreichen wird. Ich schätze, daß er mit Ihnen nach drei Monaten fertig ist.«

»Das glaube ich kaum. Ich finde, mein Onkel ist sehr leicht zu behandeln. Man kommt glänzend mit ihm aus, solange man seinen Willen tut.«

Stella lächelte.

»Nun ja, ich möchte Sie nicht entmutigen. Sie sind ein so nettes, liebes Kind. Ich fürchte, Sie haben den Charakter meines Vaters noch nicht richtig erkannt. Das wird aber nicht ausbleiben. Bis dahin würde ich mir an Ihrer Stelle das Leben so schön wie möglich machen. Wie gefällt Ihnen New York?«

»Ich bewundere es selbstverständlich. Ich wußte bisher noch nicht, was Luxus war, aber jetzt habe ich eine ganze Flucht von Räumen, eine Zofe, ein eigenes Auto und viele prachtvolle Dinge.«

»Werden Sie aber auch den Preis dafür zahlen wollen, wenn die Zeit kommt?« fragte Stella ruhig.

Virginia sah sie erstaunt an.

»Welchen Preis meinen Sie denn?«

Stella lachte ein wenig hart.

»Sie sind noch sehr jung. Merken Sie sich, daß mein Vater noch nie etwas Gutes ohne Absicht getan hat. Stets denkt er irgendwie an seinen Vorteil oder erwartet eine Gegenleistung, wenn er sich mit jemand anfreundet. Ihre Zeit ist noch nicht gekommen, aber sie wird auch nicht sehr fern sein.«

Virginia hatte sich hochaufgerichtet. Sie war ganz blaß geworden, und ihre Augen glänzten.

»Ich möchte mit Ihnen gerne mehr sprechen, Stella, weil Sie mit mir verwandt sind und ich keine Freundin habe. Aber ich höre Ihnen nicht zu, wenn Sie so unfreundlich über meinen Onkel reden, besonders da er nahe mit uns beiden verwandt ist.«

Stella neigte sich zu ihr und streichelte ihr gutmütig die Hand.

»Sie sind noch sehr jung, aber ich hoffe, daß wir eines Tages doch noch sehr gute Freunde werden. Es ist Ihnen wahrscheinlich verboten, mich zu besuchen?«

»Ohne Erlaubnis meines Onkels würde ich nicht kommen.«

»Das dachte ich mir. Setzen Sie sich deswegen auch keiner Gefahr aus. Wir treffen uns schon ab und zu, besonders da mein Vater den Entschluß gefaßt hat, wieder gesellschaftlich zu verkehren und sein Haus allen Leuten zu öffnen. Nebenbei noch eine Frage. Hat er mit Ihnen schon über mich gesprochen?«

»Er sagte nur, daß Sie ihn getäuscht hätten.«

»Hat er irgendwelche Einzelheiten erwähnt?«

»Ich weiß nicht, ob ich mit Ihnen darüber sprechen darf.«

Stella runzelte die Stirn.

»Also wissen Sie, warum er mich fortschickte?«

»Ja.«

Stella zuckte die Achseln und erhob sich.

»Ich will Sie nicht ganz allein mit Beschlag belegen, sonst wird man mir böse sein.«

Sie verabschiedete sich durch ein leichtes Kopfnicken. Virginia fühlte sich nicht recht wohl, und als sie später Mr. Duge traf, hielt sie es für besser, ihm von dieser Begegnung zu erzählen. Sie stand neben ihm in dem großen Empfangssalon, während sie auf die Gäste warteten, die zum Abendessen geladen waren. Außer ihnen befanden sich nur noch einige Diener in dem Raume, die die Kerzen an dem großen Kronleuchter ansteckten.

»Onkel«, sagte Virginia plötzlich, »ich habe Stella heute nachmittag getroffen und mich mit ihr unterhalten.«

Er sah sie ruhig an.

»Nun – und?«

»Ich dachte, ich müßte es dir sagen. Ich weiß nicht, wie du darüber denkst.«

»Ich habe nichts dagegen, wenn du gelegentlich mit ihr sprichst. Sie soll aber nicht in dieses Haus kommen. Lade sie also bitte nicht ein. Dulde auch nicht, daß sie dich hier besucht.«

»Ich verstehe.«

»Hast du diesen Mr. Norris Vine auch schon getroffen?«

»Ich habe ihn seit dem Abend auf dem Dachgarten nicht wieder gesehen.«

»Was ich eben von Stella sagte, bezieht sich natürlich auch auf ihn. Keiner der beiden darf die Schwelle meines Hauses übertreten, denn sie sind im Bunde gegen mich. Aber sie sind zu unbedeutend, um im Ernst über sie zu sprechen.«

Virginia war vollständig verwirrt.

»Es gibt hier Formen in unserem Leben,« fuhr Phineas Duge nach einigem Zögern fort, »die du nicht verstehen kannst, selbst wenn du in New York geboren wärest. Aber vielleicht verstehst du, was ich dir jetzt sage. In den Kreisen der höheren Finanz wird sehr viel intrigiert, und es ist daher Diplomatie nötig, wenn man sich behaupten will. Ich habe stets Geheimnisse, die niemand anders erfahren darf, und ich bin manchmal gezwungen, Dinge zu tun, die ich vor anderen aus reinem Selbsterhaltungstrieb geheimhalten muß. Seit Jahren befasse ich mich mit Geschäften, deren Erfolg ganz und gar von der Heimlichkeit abhängt, mit der sie ausgeführt werden. Natürlich habe ich Gegner. Auf dem großen Markt gibt es Käufer und Verkäufer. Wenn ich verdiene, müssen andere verlieren. Ich werde deshalb immer Feinde haben. Die Geheimgeschichte der großen Finanzleute, die in der letzten Zeit in diesem Lande emporgekommen sind, würde einen spannenden Roman abgeben. Aber hier kommen unsere Gäste.«

 


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