E. Phillips Oppenheim
Finanzkönige
E. Phillips Oppenheim

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Kapitel 9.
Verschwörer

Das große Luxusauto fuhr aus dem Park auf die breite Straße, und Stella seufzte leise.

»Ich danke Ihnen, Mr. Littleson. Es war eine herrliche Fahrt.«

Ihr Begleiter lächelte, verminderte jedoch die Geschwindigkeit nicht im mindesten.

»Ich freue mich sehr, daß ich Sie getroffen habe,« sagte er, »aber ich kann Sie unmöglich gehen lassen, bevor Sie nicht etwas gegessen haben. Es ist nahezu ein Uhr.«

Stella lehnte sich wieder in die Polster zurück.

»Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen. Ich dachte, Sie wären so beschäftigt, daß Sie gar keine Zeit hätten, sich lange beim Mittagessen oder derartigen Kleinigkeiten aufzuhalten.«

»Nun, das stimmt nicht ganz. Möchten Sie bei Sherry oder Delmonico speisen?«

»Bei Martin, wenn Sie nichts dagegen haben. Es macht mir soviel Freude, die Leute zu beobachten.«

Sie fanden einen ruhigen Tisch oben auf dem Balkon, und Littleson gab sich die größte Mühe, ein gutes Menü zusammenzustellen. Dann lehnte er sich etwas über den Tisch und sah Stella gerade ins Gesicht.

»Miß Duge,« begann er, »wir kennen uns nun schon ziemlich lange, obgleich ich nicht oft Gelegenheit hatte, mit Ihnen zusammenzusein. Sie werden sicher darüber erstaunt sein, daß ich Ihnen gerade einen Besuch machen wollte, als ich Sie heute morgen traf.«

Sie zog die Augenbrauen verwundert hoch.

»Ach, war das wirklich Ihre Absicht?«

»Gewiß.«

»Aber warum denn? Ich habe Sie doch so selten gesehen?«

»Ich will Ihnen alles erklären, aber zunächst möchte ich eine Frage an Sie richten. Können Sie mir etwas Genaueres über den Zustand Ihres Vaters sagen? Glauben Sie wirklich, daß er krank ist, oder daß er sich nur aus bestimmten Gründen von der Öffentlichkeit zurückziehen will?«

Ein feines Lächeln spielte um Stellas Lippen,

»Nun verstehe ich allerdings Ihr plötzliches Interesse. Aber ich kann Ihnen nichts über meinen Vater sagen, da wir nicht mehr miteinander verkehren. Er hat mir verboten, sein Haus zu betreten, und ich habe ihn seit Wochen nicht gesehen.«

»Das ist mir bekannt. Darf ich Ihnen gegenüber einmal ganz offen sprechen?«

»Selbstverständlich, wenn Sie mir etwas zu sagen haben.«

Littleson war der jüngste in der Millionärsgruppe, die mit Duge zusammenarbeitete, und er war bekannt wegen seiner Eleganz. Er stammte aus einer alten, angesehenen New Yorker Familie und unterhielt sowohl in London als auch Paris eigene Wohnungen. Stella schätzte ihn als begehrenswerten Gesellschafter. Im übrigen war sie nicht eitel und wußte nur zu gut, daß er einen ganz bestimmten Zweck verfolgte.

»Miß Duge, Sie wissen, daß Ihr Vater und mehrere andere Finanziers, zu denen ich auch gehöre, für eine gewisse Zeit eine Art Trust geschlossen haben, um verschiedene große Geschäfte durchzuführen. In den letzten beiden Monaten haben wir uns aber nicht mehr ganz sicher gefühlt. Wir haben wohl alle am selben Strang gezogen, aber jeder von uns hatte das Empfinden, daß etwas nicht in Ordnung sei. Es war ein gewisses Mißtrauen zwischen uns erwacht. Ich möchte Sie nicht beleidigen, Miß Duge, aber ich muß Ihnen offen sagen, daß unserer Meinung nach Ihr Vater versucht hat, gegen uns zu arbeiten und uns zu täuschen.«

Stella nickte.

»Ich wüßte nicht, warum mich diese Worte beleidigen sollten. Es ist mir gut genug bekannt, daß sich die Finanzgrößen, die die Geldmärkte beherrschen, nicht besonders lieben. Bei diesen Leuten entscheidet und rechtfertigt eben der Erfolg. Erfolg ist gleich Recht. Und wer keinen Erfolg hat, ist selbstverständlich im Unrecht.«

»Bis zu einem gewissen Grade stimmt das, was Sie eben sagten. Aber Sie müssen doch bedenken, daß es nach einem alten Sprichwort sogar zwischen Dieben eine Ehre gibt.«

Sie zuckte die Achseln.

»Ich kenne meinen Vater und wäre nicht im mindesten überrascht, wenn Sie recht hätten.«

Er steckte sich eine Zigarette an und reichte ihr das Etui über den Tisch hinüber.

»Es ist ein Vergnügen, sich mit Ihnen zu unterhalten, denn Sie verstehen alles, was man sagen will, im ersten Augenblick. Sie haben die Lage vollkommen richtig erfaßt. Wir vier stehen auf der einen Seite, Ihr Vater auf der anderen. Wie wäre es nun, wenn Sie uns helfen würden und unsere Interessen zu den Ihren machten?« Er sprach langsam und betonte jedes Wort. »Wie würden Sie sich dazu stellen?«

Sie lehnte sich einen Augenblick in dem Stuhl zurück und sah ihn nachdenklich an, während sie einige Ringe in die Luft blies.

»Sie wissen, daß mein Vater mich verstoßen hat?«

»Ja, man sprach darüber«, erwiderte er zögernd.

»Ich gab Mr. Norris Vine einige Informationen über die Transaktionen meines Vaters in Canada. Wenn ich jetzt wieder zu Hause wäre, würde ich dasselbe tun. Ich glaube, daß ich ungefähr dieselben Ansichten hatte wie ein Durchschnittsmädchen in meinem Alter, als ich von Europa zurückkam. Nachdem ich aber zwei bis drei Jahre mit meinem Vater zusammengelebt hatte, war ich vollständig verändert – ich hatte inzwischen viel erfahren. Aber das ist ja gleichgültig. Ich komme ihm jedenfalls nicht gerade mit zärtlichen Gefühlen entgegen. Wenn Sie mir irgendetwas sagen wollen, was gegen meinen Vater spricht, so brauchen Sie deshalb nicht besonders besorgt zu sein.«

»Nun gut. Wir haben eine Vorahnung, als ob jeden Augenblick zwischen uns und Ihrem Vater ein Streit ausbrechen könnte. Die Chancen liegen für uns bedeutend günstiger als für ihn, mit Ausnahme einer Sache. Er hat ein Schriftstück in der Hand, das wir törichterweise eines Abends alle unterzeichneten. Dadurch sind wir vollständig in seine Gewalt gekommen. Wenn dieses Dokument in der Presse veröffentlicht würde, wären wir alle ruiniert, soweit es sich um Prestige und gesellschaftliche Stellung handelt. Wahrscheinlich müßten wir in einem solchen Falle alle das Land verlassen.«

Sie sah ihn erstaunt an.

»Warum haben Sie denn ein solches Schriftstück überhaupt unterzeichnet?«

Er schüttelte den Kopf.

»Das mag der Himmel wissen. Wir waren alle nicht ganz bei Verstand. Auf keinen Fall wollen wir aber nun dieses Dokument im Besitze Ihres Vaters lassen, und deshalb sind wir durch seine Krankheit so sehr bedrückt. Wir müssen annehmen, daß er sich für einige Tage unsichtbar machen will, um dieses gefährliche Papier zurückzuhalten. Sicher täuscht er die Krankheit nur vor.«

»Ich verstehe Sie jetzt allmählich. Aber was sollte ich denn bei dieser ganzen Sache tun?«

»Wir sind bereit, hunderttausend Dollar zu zahlen, wenn uns jemand dieses Schriftstück zurückbringt. Und die Lösung dieser Aufgabe wäre doch nicht unmöglich, wenn man wie Sie das Haus Ihres Vaters kennt.«

Sie sah ihn einige Augenblicke fest an, und er fürchtete schon, sie würde aufstehen und fortgehen. Aber sie lachte nur hart auf und nahm sich eine neue Zigarette.

»Sie vergessen nur, daß ich dort keinen Zutritt mehr habe.«

»Nun, das sollte Ihnen doch verhältnismäßig leicht fallen, in das Haus zu kommen, besonders wenn sich Ihr Vater oben in seinem Schlafzimmer aufhält. Sie wissen doch, wo er seine wichtigen Papiere aufbewahrt?«

»Ja, das weiß ich wohl. Aber es ist doch sehr unangenehm, daß der Einbruch kürzlich nicht gelang«, fügte sie mit einem schlauen Lächeln hinzu.

Er zuckte die Schultern.

»Das war allerdings ein plumper Versuch. Aber trotzdem Ihr Vater alle Vorsichtsmaßregeln getroffen hat, würden Sie doch Erfolg haben können, Miß Duge.«

»Sie meinen in bezug auf das Dokument?«

»Ja, es ist nur ein einfacher Aktenbogen. Ich will Ihnen nicht direkt den Wortlaut mitteilen, aber es enthält einen Vorschlag, eine gewisse Geldsumme zusammenzubringen, um hervorragende Politiker abzusetzen, die den Gesetzesvorschlag gegen die Trusts durchbringen wollen. Bradsley, Weiß, Higgins und ich haben es unterzeichnet. Ihr Vater sollte es eigentlich auch unterzeichnet haben, aber ich glaube, er war zu schlau dazu.«

Sie zog ihre Handschuhe an.

»Es war ein äußerst interessanter Vormittag für mich. Ich danke Ihnen vielmals, daß Sie mir Gesellschaft geleistet haben. Nehmen wir einmal an, ich wäre Ihnen so dankbar, daß ich das irgendwie in schriftlicher Form ausdrücken möchte, an welche Adresse könnte ich da schreiben?«

Er reichte ihr eine Karte, die sie in ihre Handtasche steckte. Dann verließen sie das Restaurant zusammen und sprachen von erfolgreichen Theaterstücken. Er bot ihr an, sie in seinem Auto nach Hause zu bringen, aber sie lehnte es ab.

»Nein, ich wollte gerade hier einen Besuch in der Nähe machen. Leben Sie wohl!«

»Hoffentlich höre ich bald von Ihnen«, entgegnete er und küßte ihr die Hand.

»Das ist nicht unmöglich«, erwiderte sie lächelnd, wandte sich um und ging fort.

 


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