E. Phillips Oppenheim
Finanzkönige
E. Phillips Oppenheim

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Kapitel 15.
Mr. Duge droht

In allen englischen Morgenzeitungen konnte man lesen, daß Phineas Duge in London angekommen war. Die Börse wurde von seiner Ankunft beeinflußt, und wer mit Geldgeschäften zu tun hatte. wartete gespannt, was die Reise dieses Mannes zu bedeuten hatte.

In dem Hotel, in dem er abgestiegen war, sprach man nur mit angehaltenem Atem von ihm, als ob ein Gott auf die Erde herabgestiegen wäre.

Inzwischen schlief Phineas Duge, der eine stürmische Überfahrt gehabt hatte, den größten Teil des Morgens nach der Ankunft. Sein treuer Kammerdiener wartete vor der Türe des Schlafzimmers. Der erste Gast, der vorgelassen wurde, als Duge sich endlich erhoben hatte, war Littleson. Es war dicht vor Mittagszeit, und die beiden begaben sich zum Speisesaal des Hotels.

»Eine ruhige Ecke, wo wir miteinander sprechen können«, bat Littleson. »Ich freue mich, daß ich Sie hier in London besuchen kann. Ich habe das Gefühl, daß wir jetzt ruhig sein können, weil Sie am Platze sind.«

Phineas Duge lächelte ein wenig sonderbar. Sie fanden eine stille Ecke und bestellten ihr Essen.

»Ich bin so froh, daß wir nun Frieden mit Ihnen geschlossen haben«, begann Littleson. »Weiß kabelte mir, daß Sie mit uns zu einer Verständigung gekommen sind, und daß Sie nach England kommen würden, um die andere Sache in Ordnung zu bringen. Der Spaß hat uns ja genügend Millionen gekostet.«

»Bevor wir auf alles Weitere eingehen, möchte ich Sie fragen, ob Sie meine Nichte hier in London gesehen haben.«

Littleson sah ihn erstaunt an. Er hatte geglaubt, daß der harte Phineas Duge seine Nichte nie wieder erwähnen würde.

»Ja, ich bin mit ihr zusammen herübergefahren«, sagte er dann,

»Und nachher haben Sie Virginia nicht wieder getroffen?«

»Ich habe sie noch mehrmals gesehen«, erwiderte Littleson etwas unsicher.

»War sie allein?«

»Nicht immer. Zweimal war Norris Vine bei ihr und zweimal ein junger Engländer, dessen Bekanntschaft sie an Bord gemacht hatte.«

Phineas Duge entgegnete zunächst nichts darauf, sondern betrachtete die Speisekarte interessiert. Aber dann legte er sie plötzlich fort.

»Wissen Sie zufällig, wo sie sich jetzt befindet?«

»Nein, ich habe keine Ahnung. Ich möchte Ihnen auch noch sagen, daß sie auf dem Dampfer sehr unliebenswürdig zu mir war, als ich mit ihr sprach. Sie schien sich nicht gerne mit mir zu unterhalten, und ich hielt es deshalb für das Beste, sie allein zu lassen.«

»Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?«

»Ungefähr vor einer Woche. Sie aß mit Norris Vine bei Luigi zu Abend. Ich war sehr erstaunt darüber. Er scheint irgendwie eine besondere Anziehungskraft auf Mitglieder Ihrer Familie auszuüben.«

Duge sah Littleson kühl an. Der junge Mann merkte, daß er einen Fehler gemacht hatte, aber er tat so, als ob er der bisherigen Unterhaltung keinen Wert beilegte, und begann zu essen,

»Sagen Sie mir jetzt genau,« fragte Duge einige Minuten später, »was Sie bisher gegen Vine unternommen haben.«

Littleson sah sich vorsichtig um.

»Ich habe mit ihm gesprochen und die Sache von allen möglichen Seiten beleuchtet. Aber er war absolut unzugänglich und wollte nicht mit mir verhandeln. Ich fürchte, daß er nur den rechten Moment abwartet, in dem die Veröffentlichung den größten Effekt hervorruft. Aus den Zeitungen sehe ich, daß die Erregung gegen die Trusts jeden Tag wächst. Durch die Annahme dieses Gesetzentwurfes werden wir tatsächlich zu Verbrechern gestempelt.«

»Das würde natürlich für Weiß und die anderen katastrophal werden.«

»Da in England ein solches Gesetz nicht besteht, können wir auch nicht ausgeliefert werden. Ich werde mich schwer hüten, wieder in die Staaten zurückzukehren, bevor die Sache vorüber ist.«

»Wenn sie überhaupt vorübergeht«, bemerkte Duge ruhig. »Nun erzählen Sie mir aber weiter, was Sie mit Norris Vine gemacht haben.«

Littleson sah sich wieder nervös um,

»Sie wissen doch, daß Dan Prince nach England gekommen ist.«

Duge nickte.

»Bisher scheint seine Anwesenheit hier keinen Erfolg gehabt zu haben.«

»Er hat einen Versuch gemacht, das Papier zu bekommen«, flüsterte Littleson. »Er ging in Vines Hotel und wartete in dessen Wohnung. Nach den Nachrichten, die er erhalten hatte, wollte Vine an dem Abend nach Hause zurückkehren. Aber er tauchte dann nicht dort auf. Vor einigen Abenden sind sie ihm über den Trafalgar Square gefolgt, da sie hofften, er würde zum Themseufer gehen. Aber er nahm ein Auto und fuhr zu seinem Klub. Sie warteten, daß er wieder herauskommen sollte. Aber es standen mehrere Polizisten in der Nähe der Türen, so daß sie wieder nichts unternehmen konnten. Wir sind hier nicht in New York, Duge. Hier muß man sich kolossal in acht nehmen, und Prince ist sehr vorsichtig geworden. Er ist jetzt verhältnismäßig reich und will sein Leben genießen. Er ist wirklich ein sehr schlauer Bursche, aber hier hat er zweimal einen Mißerfolg gehabt.«

»Und inzwischen kann Vine das Dokument veröffentlichen.«

»Bis jetzt hat er noch nicht nach New York gekabelt.«

Duge verabredete sich mit Littleson für den Abend, ließ sich dann einen Wagen besorgen und fuhr zur Amerikanischen Botschaft. Er wurde sofort vom Gesandten persönlich empfangen.

»Ich freue mich, Sie wiederzusehen, Mr. Duge. Ich lernte Sie einmal auf einem Fest in New York kennen.«

»Ich kann mich genau darauf besinnen. Wir sprachen damals von den asiatischen Mächten, während wir uns tadellos amüsierten. Aber hat sich nicht alles erfüllt, was ich sagte?«

Deane lächelte.

»Man sagte, daß Sie in Ihren politischen Voraussagen stets recht behalten haben. ›Duge ist unfehlbar‹, habe ich mehr als einmal gehört.«

»Nun, wenn ich Ihre politische Einstellung richtig beurteile, dann werden Sie mir ja meine Macht bald nehmen. Sie gehören doch auch zu den Leuten, die die Trusts unterdrücken wollen.«

Deane wurde etwas steif und schüttelte den Kopf. »Im diplomatischen Dienst kennen wir keine Politik.«

»Aber manchmal kommen Sie doch damit in Berührung. Ich möchte zum Beispiel sehr gerne wissen, welchen Rat Sie Norris Vine wegen eines bestimmten Dokumentes geben wollen.«

Deane sah etwas verärgert aus.

»Ich fürchte, daß ich diese Frage nicht beantworten kann.«

»Wenn Sie ihm überhaupt einen Rat geben, ganz gleich, wie er ausfällt,« entgegnete Duge bedeutungsvoll, »dann strafen Sie Ihre vorherige Feststellung Lügen, daß die Diplomatie nichts mit Politik zu tun haben darf. Wenn Sie ihm einen Rat geben, dann bekunden Sie damit, auf welcher Seite Sie stehen.«

»Ich habe ihm keinen Rat gegeben«, erwiderte Deane kühl.

»Das durften Sie auch nicht tun«, sagte Duge äußerst liebenswürdig. »Das ist nicht Ihre Sache, Mr. Deane, Ich weiß, daß Sie klug und schlau sind und genügend Verstand haben. Aber Sie sind durch Ihre akademische Laufbahn voreingenommen. Sie haben früher nicht direkten Anteil am Leben gehabt. Lassen Sie mich eins betonen. Geld und Reichtum gehören zu den Kräften, die nur starke Hände bändigen und leiten können. Sie sind wie ein Strom, den man wohl ablenken, aber niemals eindämmen kann. Wenn Sie Norris Vine überhaupt einen Rat geben, so müssen Sie ihm sagen, daß er das Dokument ins Feuer werfen oder demjenigen zurückgeben soll, dem es gestohlen wurde.«

»Ich glaube nicht,« sagte der Gesandte, »daß ich Ihre Autorität in diesen Dingen anerkennen kann. Auf keinen Fall haben Sie die Macht, mir zwingende Vorschriften zu machen und das Wort ›müssen‹ mir gegenüber zu gebrauchen. Ich habe bisher immer das getan, was ich persönlich für richtig und gut hielt.«

Phineas Duge verneigte sich.

»Ich will Sie nur an die Tatsachen und Vorgänge erinnern, die zur Zurückrufung unserer Gesandten von Lissabon, Paris und Wien führten. Ich bin nicht stolz auf die Macht und den Einfluß, den ich besitze, aber ich wäre töricht, wenn ich Sie in diesem Augenblick nicht darauf aufmerksam machen würde. Ich habe Sie doch nur darum gebeten, eine passive Haltung einzunehmen. Auf diese Weise entgehen Sie allen Unannehmlichkeiten, und wenn Sie zu der Überzeugung kommen, daß das Klima von Paris Ihnen oder Ihrer Frau mehr zusagt als das von London, so kann ich alles gerne für Sie arrangieren. Aber ich gebe Ihnen nur den guten Rat, sich nicht weiter mit Norris Vine einzulassen.«

Duge sah, daß der Gesandte unsicher wurde.

»Ich möchte keine weitere Antwort von Ihnen haben,« sagte er liebenswürdig, »Sie sollen nicht einmal Ihre Meinung darüber ausdrücken. Wenn Norris Vine das Dokument veröffentlicht, wird er vielleicht eine Million Exemplare seiner Zeitung verkaufen, aber er wird sich dadurch eine Feindschaft zuziehen, der er auf die Dauer nicht gewachsen ist – wie geht es übrigens Mrs. Deane?«

»O danke, sehr gut. Kann ich während Ihres Aufenthaltes in London etwas für Sie tun? Sie wissen, daß wir Ihnen gerne jeden Wunsch erfüllen, der in unserer Macht steht, Sie sind durch Ihr großes Vermögen eine Art ungekrönter König, dem die ganze Welt huldigt. Wollen Sie bei Hofe vorgestellt werden?«

»Nein, daran liegt mir nichts. Aber etwas anderes möchte ich Sie fragen. Ich habe hier eine Nichte, die in einer abenteuerlichen Absicht nach London kam, Miß Virginia Longworth. Haben Sie diese junge Dame zufällig gesehen oder etwas von ihr gehört?«

»Nein, persönlich nicht. Aber ich will einmal meine Sekretäre fragen.«

Er kehrte nach einigen Minuten wieder zurück und schüttelte bedauernd den Kopf.

»Es ist leider nichts über sie bekannt.«

»Sollte sie sich hier an die Gesandtschaft wenden,« sagte Phineas Duge, als er sich erhob und seine Handschuhe anzog, »so unterstützen Sie sie bitte in jeder Weise und benachrichtigen Sie mich sofort. Mit der Zeit muß ihr das Geld ausgehen. Geben Sie ihr jede Summe, um die sie bittet. Ich garantiere für alles.«

Duge fuhr in seinem Auto fort. War es das helle Licht oder der Duft der Blumen oder das weniger angestrengte Leben, was ihn so deprimierte? Sein Interesse an den großen Geldgeschäften war bis zu einem gewissen Grade in den Hintergrund getreten, als er an dem Nachmittag in sein Hotel zurückfuhr. Aber wenn er sich Rechenschaft über seine Gedanken gegeben hätte, wäre er sicher sehr unzufrieden mit sich selbst gewesen. Er dachte daran, wie es wäre, wenn Virginia jetzt neben ihm im Wagen säße und mit ihm durch die Straßen Londons führe. Dauernd schaute er nach dem schmalen, pikanten Gesicht mit den großen fragenden Augen aus, an das er in letzter Zeit mehr denken mußte, als er sich selbst eingestehen wollte.

»Das macht diese verfluchte Reise«, sagte er schließlich zu sich selbst, als er ausstieg und in das Hotel ging. »Man kann eben nicht an vernünftige Dinge denken, wenn man nicht den gewohnten Geschäftsbetrieb um sich hat.«

Er kaufte sich Zeitungen in der Halle. Die Berichte über Amerika überstürzten sich, aber Weiß und seine Freunde hielten sich an die Abmachung.

 


 << zurück weiter >>