Heinrich Pestalozzi
Lienhard und Gertrud
Heinrich Pestalozzi

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146.
Es fängt an, ernst zu werden.

Ihre Angst vermehrte sich einen Augenblick darauf noch mehr, da jetzt der Befehl zur Linde kam: die Vorgesetzten alle und die größern Bauern, zusammen ihrer siebzehn, sollen auf der Stelle zum Junker ins Pfarrhaus kommen.

Was will er mit uns allein tun? sagten die Kerls.

Was weiß ich? antwortete der Wächter.

Sie waren aber kaum fort, so fing es an, den Gemeinen nicht ganz übel zu gefallen, daß er diese allein rufe.

Hans und Heini murmelten in den Bänken: Wenn er Schelme sucht, so hat er sicher die rechten.

Ein Leisi sagte: Es wäre wohl gut, wenn er es mit diesen allein ausmachen würde, und uns andere gehen ließe.

Einer, den sie Hallöri nannten, sagte: Es sind etliche unter ihnen, die sind bei Gott schlimmer als der Vogt.

Einer, der Stickelhauer hieß, sagte seinem Nachbar ins Ohr: Ein Stück ab der Allmend wäre doch nichts so Schlimmes!

Sein Nachbar erwiderte: Wenn die Siebzehn nicht wären, so würden unter den andern nicht mehr sechs sein, die nicht auch gerne eins hätten.

Der arme Michel sagte gar überlaut: Wir wollen doch nicht wider unser eigen Brot sein.

Etliche antworteten ihm: Wenn die nicht wieder zurückkommen, so ist dir kein Mensch dawider.

Aber die Hartknöpfe und die Ehrenverwandtschaft der siebzehn Männer streckten die Köpfe gegen diejenigen, welche also redeten, so stark, und machten gegen sie so große Augen, daß das Wort den meisten, fast ehe es ihnen heraus war, im Halse erstickte.

Indessen suchte Arner die siebzehn Männer im Pfarrhause mit Freundlichkeit zu einem freiwilligen Bekenntnis zu bringen; aber es war umsonst. Sie glaubten jetzt vielmehr, er fürchte sich, da er so um den Brei herum rede; und der Kalberleder unterbrach ihn sogar, fast ehe er ausgeredet hatte, und sagte: Wir wissen und begreifen nicht, weder was Sie sagen, noch was Ihre Klage ist.

Junker. Wer sind die »Wir«, in deren Namen du redest?

Kalberleder. Ha, niemand; ich rede nur in meinem Namen.

Junker Nein, Kalberleder, ihr habt es abgeredet, und darum ist dir das »Wir« entronnen. Darüber aber verliere ich kein Wort. Ihr wollet meine Klage wissen? Sie ist diese: daß ihr das Gemeindgut veruntreut, die Gemeindrechnungen verfälscht, und mit allem, was unter euern Händen war, wie meineidige, untreue Buben gehandelt habt!

Das war jetzt deutlich, und mehr und härter, als sie erwartet hatten. Sie sahen einander an, und eine Weile redete niemand. Doch bald darauf sagte der Moosbauer: Ich für mich begehre Recht und Gericht wider diese Klage in aller Form und Ordnung. Die andern Bauern begehrten, zwar betroffen, aber doch aus einem Munde, das Gleiche; und schlugen dem Junker ab, neben dem Hummel ein Wort auf alles, was dieser anbringen möchte, zu reden. Der Junker warnte sie noch einmal; aber sie blieben standhaft, und behaupteten, sie seien unschuldig.

Es ist genug, sagte jetzt der Junker, und von dem Augenblick an seid ihr Gefangene. Ihr werdet nicht anders als mit einer Wache nach euren Plätzen an die Gemeinde zurückkehren; und es ist euch verboten, daselbst mit irgend jemand weder über wenig noch über viel euch zu unterreden. Entfernt euch!

Die Wache folgte ihnen auf dem Fuße nach, und die Befehle, sie zu bewachen, waren scharf.

Aber der Renold, der bei ihnen war, stand zuhinterst und außer der Türe. Die andern drängten sich ihm mit Fleiß vor, damit er dem Junker nicht zu nahe unter die Augen komme; und da die Stube des Pfarrers klein war, so kamen die Hintersten nicht völlig hinein, und der Renold, dem das Herz so groß war, daß er, wenn er gekonnt hätte, wohl gerne hundert Stunden weit von allem gewesen wäre, stand in einer Ecke in der Laube, weit von der Türe, und wußte noch kein Wort von allem, was vorgefallen war, als Arner jetzt laut der Wache befahl, sie zu begleiten.

An der Gemeinde ward es plötzlich mäusestill, als die Männer mit der Wache zurückkamen. Freunde und Vettern standen jetzt um sie her, und fragten: Was ist das? Aber ihre Antwort »wir dürfen nicht reden« schlug allen denen, die mit ihnen leugnen wollten, den Mut nieder; und der Hartknopf, der jetzt wider den Hühnerträger, wie das letzte Mal wider den Pfarrer, eine Rede studiert hatte, sagte zu seinem Nachbar: Es ist heute nicht gut predigen.


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