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Vitali erwachte. Er konnte sich nicht erinnern, ob er geträumt hatte. Aber er wußte, daß ein Flüstern ihn weckte. Unwillkürlich sah er nach der Uhr. Es war wenig nach vier. Durch die Dämmerung des Zimmers ging ein gleichmäßiges Hellwerden. Er erhob sich und trat in seiner weißen wollenen Schlafkutte, die ihm das Aussehen eines jungen Mönches gab, ans Fenster. Da lag der kleine Garten vor ihm – still und leer. Es mußte nachts geregnet haben. Durch schwarze kahle Äste sah man den dunklen Boden, der schwer und satt schien, als ob die Nacht, flüchtend, in ihn zurückgesunken wäre, statt sich zu den Himmeln zu erheben. Die Höhen waren öde, umwölkt und von hohen Winden bewegt. Aber als Vitali den Blick ziellos über die Wolken zog, hörte er wieder das Flüstern, und jetzt erst wußte er, daß das frühe ferne Lerchen sind, die den Morgen feiern. Ihre Stimmen waren überall, fern und nah, wie aufgelöst in der lauen tauenden Luft, so daß man sie mehr mit dem Gefühl empfing, als mit dem Ohr. Und er begriff mit einem Male, daß diese Stunde voll Stimmen mit keinem Namen zu nennen ist und auf keiner Uhr abzulesen. Daß noch nicht Morgen ist und nicht mehr Nacht. Er näherte sich mit seinem Gefühle dem Garten unter den Fenstern, als ob er sein Gesicht nun besser verstünde; und er erkannte, den er früher nicht bemerkt hatte, den starken Strauch, auf dessen Ästen, groß wie kleine Vögel, Knospen saßen und warteten. Und Alles da unten war Erwartung und Geduld. Die Bäume und die kleinen runden Beete, die man schon vorbereitet hatte auf etwas Neues, erwarteten den Tag von den Himmeln, und zwar keinen sonnigen, strahlenden Tag, einen Tag, aus dem der Regen fiel, ohne sich wehzutun, weil alles in der Natur Hand ward, die ihn empfing. So rührend geduldete sich der kleine Garten. Vitali aber sagte laut über ihn hin: Wie durch ein gotisches Fenster schaue ich. Dann trat er zurück und ging mit ruhigen Schritten zu seinem Lager. Willig nahm er den Schlaf auf sich. Er hörte aber noch, wie draußen ein großer Regen begann und rauschte.