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»Noch 'ne Matte (Getreidemaß) för'n Witten!« – Hanebutt ruft's, der Poltergeist. Darum schnell, Cord, an die Haberkiste, ihm gehorchen, und es nicht mit Hanebutten verderben!
Horch, wiederum, ungeduldig, voll verhaltener Tücke: »Noch 'ne Matte för'n Witten!«
Aber das Schnarchesägen in der Knechtekammer wird nur lauter – Eichenknastholz: Cord schläft, und des Schloßherrn Leibroß, der dicke Schimmel, hungert. Der Schimmel, sein Liebling, – nicht Hack und nicht Mack hat er in der Krippe, schändlich, und gräuliche Verwünschungen stößt der Poltergeist aus, er faucht, er knackst wie ein Schuhu, und zum dritten Male schrillt messerscharf sein Ruf: »Noch 'ne Matte för'n Witten!«
Vergeblich, das ganze alte Kastrum derer hochedeln Herren von dem Knesebecke schlummert weiter.
Ihren Rausch schlafen sie aus, Herrschaft und Gesinde. War ein grauslich Schwieren im Schlosse, noch als die Sonne schon überm Börkeloh herauf; gezecht wurde noch, als allbereits die Dorfeingesessenen mit Sensen und Harken zu Felde gingen. Denn noch mal wieder gefreit hat der alte Herr Paridam, ein hochgeboren Täubchen, blond und blaß und minniglich, das soll ihm nun 48 die Vollmondsplatte streicheln und den wohlgepflegten ritterlichen Knebelbart.
Hanebutt hört endlich auf zu wüten; er besinnt sich und krakelt in sich hinein. »Ha, will euch schon kriegen!«
Ein gespenstischer Hahn, steht er plötzlich da, knallrot, mit einem siebenzackigen Kamm auf dem Kopf, mit blauschillernden, tiefherabhängenden Halsklunkern und mit stahlscharfen Sporen an den Füßen. Ein höhnisch Gegacker stößt er aus; er hebt das linke Bein und macht ein paar Tritte kurz hintereinander weg, er lockert das Gefieder, fuchtelt mit den Flügeln, und zurück wirft er plötzlich den Kopf, die Kehle bläht sich auf, der Schnabel holt tief von unten herauf aus: »Kikeri-kiäh!« erdröhnt's, wie geblasen auf der Posaune des Weltgerichtes; die ältesten Ahnen in der tiefvermauerten Ahnengruft unter der Schloßkapelle sollten stracks darob auf die Beine kommen. Doch nur ein einzig Menschlein hört's und erwacht: Bernd, der Kleinknecht – Cord dagegen, der Großknecht, der dreht sich herum auf die andere Seite und sägt einen neuen Ast an. Verschwunden aber ist der Hahn, als wäre er wie eine Bombe im Krähen zerplatzt.
Die Wirtschaft heute früh, wehe! Und den Schlaf aus den Augen reibend, wendet sich der Bernd und wirft einen giftigen Blick auf den Schläfer neben sich: »Täuw 49 man, hüt' saste mick daan glöwen, mit dinen Hanebutt!«
Einen Pik haben die beiden Knechte aufeinander. Seit die neue Magd in der Küche schaltet, die schöne Abelke, krausköpfig und vollbusig, so ihnen jählings in Minne die Herzen entzündete, ihnen beiden zugleich. Cord aber ist der Begünstigte, dieweil er schlanke Beine hat und einen aufgewichsten Schnurrbart. Der Bernd dagegen mit seinen Säbelbeinen, seinen abstehenden Ohren! Und Cords Schimmel – immer 'ne Matte extra, das schlägt ihm an, freilich. Auch putzt und striegelt Hanebutt ihn, und feiern kann der Cord und zur Abelke gehen. Bernd aber muß ständig sich plagen mit seinem Blessen. Nun aber ist das Maß voll. Kein Poltergeist läßt sich foppen, wahrhaftig, stracks hat er »seinen bösen Kopf auf«. Wie jedoch ihm beikommen?
Auch Hanebutt im Stalle, auf der Raufe überm Schimmel ist in Betrachtungen versunken. Die längste Zeit ist er nun wohl bei den Knesebeckischen gewesen. Im efeuumrankten alten Kastrum, heimisch hat er sich darinnen gefühlt schon manchen lieben Tag. Dafür war er aber auch dankbar den Schloßleuten, Saatgetreide ausgelesen, Holz gespalten hat er ihnen, Wasser geschleppt und gescheuert und geputzt hat er für sie, bis oft der Buckel ihm brannte vom Bücken. Und warum? 50 Wehe, sein Gewissen! Auch die Poltergeister haben ein Gewissen! Seine schweren Missetaten, so er als Schnapphahn begangen hat! Am drögen Vetter (Galgen) dafür der Lohn. Und hernachen keine Ruhe, im Grabe unterm Galgen: umgehen zu müssen immerdar, bis zum Jüngsten Tage, 's ist ein Jammer!
Ganz blümerant wird ihm; schon will er's gut sein lassen für diesmal und sachte auf lange verschwinden – da, was geschieht: Der tückische Bernd kommt geschlichen, und eine Matte mit – Sägespänen schüttet er dem Schimmel ein, und er lacht sich 'was dazu hinten im Halse.
Schändlich! Durchs ganze Kastrum gellt sein Wutgeschrei. Rache schwört der Poltergeist. Im Nu ist er im Wartturm. Einer Fledermaus allhie die Leber herausgerissen und sie hinter den Schornstein geschmissen, überm Rittersaal, um sie hereinzubannen, die bösen »Undinger«. Allsogleich haben die auch Witterung gehabt, und hinabgefahren sind sie durch den Schornstein ins Schloß. Und nicht mehr schlafen können sie, die Herrschaft, das Gesinde, zur richtigen nachtschlafenden Zeit. Ein erschröcklich Geschlurfe jetzund, bis zum ersten Hahnenschrei, immerfort ein Pochen, Hin- und Hertrappeln, Rollern und Bollern, und dazwischen Heulen und Ächzen, Kakern und Krächzen, Blahren, Grunzen, 51 Meckern, Bellen und Miauen. Auf dem Boden, und dann in der Rauch-, dann in der Rumpel-, in der Rüstkammer und sogar unterirdisch zuweilen, im Keller zwischen den Kruken und Fässern, und in der Wagenremise, im Holzstall, im Speicher – jede Nacht ist's wo anders, ja oft hört man's überall zugleich. Haben im Schlosse zuletzt nicht mehr aus und ein gewußt. Und nach Isenhagen zum Kloster der heiligen Mutter hat Herr Paridam geschickt, und ist die Domina gekommen mit all ihren Nonnen. Räucherwerk haben sie abgebrannt, mit dem Weihwedel besprengt jeden Winkel; volle drei Tage lang ist exorzieret worden, jedennoch alles war vergebliche Mühe.
Die Fledermausleber – ha, endlich findet man sie! Schnell »Baute tun« (den Bann brechen): auf den Mist damit!
So. Ausfahren muß jetzt das Gelichter, innerhalb vierundzwanzig Stunden. Aber einen Denkzettel sollen sie mit auf den Weg haben. Herr Paridam deshalb, halb närrisch vor Wut, sich seinen längsten Spieß aus der Rüstkammer geholt, vierzehn Schuh lang, und ein groß Jagen stellt er an mit allen seinen Knappen und Knechten und bewaffneten Lehnsleuten. Jedennoch keine Klaue, keine Feder: unsichtbar hat sich natürlich alles gemacht. Zuletzt aber, als man schon die Hifthörner 52 am Munde und abblasen will, da ist's Herrn Paridam wie leises Gekrakel immerfort dicht vor ihm her: »Kikerik, Kikerik.«
Was, ha, äffen soll er sich noch lassen! Wutschnaubend der Ritter hinterdarein, kreuz und quer, bis zuletzt zum obersten Turmboden hinaus, dicht unterm Hahnenbalken, da verstummt das Gekrakel. Und mit einem Male: ein fast erschröcklich Ungetüm von einem Hahnen sieht er vor sich auf dem Hahnenbalken sitzen, aufrecht, wie ein Geharnischter. Herr Paridam holt aus mit seinem Spieß und triumphiert: »Erzhexenmeister, nun sollst du aber was anderes gewahr werden, ha, nun hab' ich dich!« Auf den Hahn einstechen will er, doch: »Brrr!« – hinausschwingt dieser sich durch die Eulenluke in die freie Luft! Ausfährt der Poltergeist. Das hahnene Ungetüm draußen – immer größer wird's, und seine Flügel rauschen. Dreimal um den Turmknopf kreist's zuletzt, pfui, und nach dem dritten Male läßt's was fallen, dem Ritter prick auf die Nase:
»Kikerik, Kikerek,
Hast 'n ollen Dreck!« 53