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Amt, Kloster und Domäne Fichtenhagen! In herrlicher Lage, in brüderlicher und schwesterlicher Eintracht ragen die amtlich-klosterlichen Baulichkeiten – norddeutsche Ziegelgotik und Fachwerk mit weitübergreifenden und reich mit Schnitzwerk versehenen Geschossen – auf einer Anhöhe gen Himmel, aus einem Kranz uralter Eichen, Linden, Ahorne, Kastanien und Fichten. Und dennoch hat jedes da sein besonderes mit eingemauertes Gerippe, und mit der Harmonie und Eintracht war's auch man so–so in jenen Tagen, als der gute alte Herr Amtshauptmann Ludowig von Rauschenbach da noch regierte. In der Domäne trieb der »verrückte Herr Vetter« sein Wesen. Das war der eigentlich ganz harmlose Vetter des Domänenpächters, Herrn Eberhard Stock, ein mit seinem Examen verunglückter theologischer Kandidat. Der verrückte Herr Vetter halte in seinem vergitterten Eckzimmer manchmal Kirche, so hieß es, und da singe er überlaut die Liturgie, da predige er mit Donnerstimme furchtbare Bußpredigten, predige er von Tod und Teufel und ewiger Verdammnis. Nur der Herr Amtmann und Herr Eberhard verstanden sich – sie sahen aus, trotz ihrer Vatermörder, wie zween alte Römer, in ihrem kurzgeschorenen Grauhaar, ihrem 196 Doppelkinn, ihren Feinschmeckerfalten um den Mund, – ansonsten aber stand alles sich da untereinander verquer und im Wege, so friedlich auch die Zeiten damals waren. Auch zwischen dem Klosterpastoren und dem Klosterküster, sogar unter den Klosterfrölen war ewig Zank und Hader, und der überhaupt schwierigste Mensch da oben war die Domina selber, die wunderliche alte Frau Äbtissin.
Zu den mancherlei absonderlichen Passionen der alten Dame gehörte: sie fuhr gern spazieren in einem zinnoberroten Eselwägelchen, im Klostergarten, auf den buchsumsäumten und sauber geharkten Wegen. Das war das Geheimnis des Klostergartens. Durch den übermannshohen und schwarzgeteerten Klosterzaun waren deshalb überall Löcher gebohrt neugierigermaßen, und man erzählte auch noch, darin wüchsen Feigen, Datteln, Johannesbrot, Rosinen und Korinthen, schier wie den Garten Eden stellte man sich den großen Klostergarten vor.
In früheren Jahren allerdings konnte man die Frau Äbtissin auch öfter draußen sehen in ihrem zinnoberroten Eselwägelchen, im Wiethorn und auch im Dorf, und das war allemal ein großes Gaudium gewesen, sonderlich für die Jugend. Das Eselchen war bunt behängt mit Fuchsschwänzen und Glöckchen. Da aber schreibt eines 197 Tages der Herr Amtmann ans Kloster und wohl nur aus Schabernack, der Kornboden – ein uraltes gotisches Gemäuer, worin Korn lagerte, ursprünglich jedenfalls das alte Fron- und Gerichtshaus und seit langem aber mit eigentlich unklarer Bestimmung –, der gehöre, wie ihm jetzund aus den Akten ersichtlich, mit zum Kloster, und selbiges habe somit für seine Erhaltung zu sorgen. Das, ha, bedeutet Krieg! Trotzdem fährt die Frau Äbtissin vorsichtiglich noch einmal in den Wiethorn hinaus auf feindliches Gebiet, wehe, und nun passiert's, das Grauchen hat plötzlich seine Mucken und will nicht vom Fleck. Und zufällig kommen auch noch der Herr Amtmann und Herr Eberhard um die Ecke darauf zu, da – im selben Augenblick schreit das störrische Vieh mörderlich und rein wie zum Hohn: »I . . . .a!«
Seitdem hat man die Frau Äbtissin in ihrem zinnoberroten Eselwägelchen außerhalb des Klosterzauns nicht mehr gesehen. 198