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Außerordentliches Vergnügen gewähren die Geberden einer schönen, bunten Afterraupe, welche man im Spätsommer nicht selten auf Ellern-, Lorbeerweiden-, Birken- und Ebereschen-Gebüsch, bisweilen auch auf Haseln und Balsampappeln gesellig bei einander findet. Gewöhnlich trifft man sie bei dem nun einmal allen Larven eigentümlichen, von ihrem Wesen gar nicht zu trennenden Zeitvertreibe, dem Fraße. Dabei garniren sie in größerer oder geringerer Vollständigkeit ganze Blätter. In der Weise, wie es unsere Figur andeutet, sitzt immer eine dieser getigerten Raupen vor der andern, und weil sie ebenfalls, wie die vorigen, das Ende ihres Leibes seitwärts etwas einrollt und deshalb keine so viel Blattsaum beansprucht wie ihre volle Körperlänge beträgt, so faßt ein verhältnißmäßig kleiner Raum eine große Menge von ihnen. Durch ihre angenehme Färbung fallen sie schon aus einiger Entfernung auf. Die Grundfarbe ist mit Ausnahme einer dunkleren, Rückenlinie ein bleiches Grün, welches nach beiden Enden in Gelb übergeht, so daß das erste und in der Regel die drei letzten Glieder (das elfte bis dreizehnte) lebhaft gelb erglänzen, ebenso die Bauchfüße. Jede Körperseite zieren außerdem drei Reihen schwarzer Warzen, von denen auf jedem Gliede zwei kleinere unter das unscheinbare Luftloch und eine über dieses zu stehen kommen; auch der Kopf und die Schwanzspitze sehen glänzend schwarz aus. Das vor- und drittletzte, sowie das vierte Glied sind fußlos, wonach jeder die Anzahl der Beine sich selbst berechnen mag. Zwischen den Bauchfüßen zieht eine Reihe schwarzer Fleckchen hin, die sich bei genauerer Betrachtung als Hautwülste ergeben, welche das Thier im Aerger vorschiebt, wenn es zur Ruhe gekommen ist, wieder einstülpt. Schon nach der ersten Häutung, der noch mehrere nachfolgen, ist die oben beschriebene Färbung vorhanden, wenn auch erst nach und nach die Farben selbst etwas lebhafter und besonders der früher grünliche Kopf schwarz werden. In weit höherem Grade nimmt aber das Gebahren dieser Thierchen unsere Aufmerksamkeit in Anspruch, ja erschreckt uns im ersten Augenblicke. Denn treten wir, um die zierliche Blattgarnirung besser sehen zu können, nahe heran, so wirft die ganze Gesellschaft mit einem Male in der an der Figur sichtbaren Weise den Hintertheil des Leibes mit solcher Macht in die, Höhe und vorwärts, daß die Schwanzspitze über dem Kopfe steht, und verharrt einige Zeit bei dieser Thätigkeit, die Schwingungen nach und nach abkürzend bis sie zuletzt ganz aufhören. Die Erschütterung des Bodens bei unserem Herantreten oder der Hauch, den sie fühlten, war genügend, um sie so in Aufruhr zu bringen. Da stehen sie nun, die lebendigen Fragezeichen, und wollen wissen, ob wir uns in feindlichen Absichten genähert hatten; verstehen wir nicht ihre fragenden und zugleich drohenden Geberden und berühren eine mit dem Finger, so läßt sich nicht nur diese herunter fallen, sondern die ganze Gesellschaft folgt in der Regel nach, sei es aus Furcht, sei es aus brüderlichem Zusammenhalten, den Beweggrund wollen wir ununtersucht lassen. Haben sie eine Zeit lang schmollend wie todt auf der Erde gelegen, manche kam wohl gar nicht bis dahin, sondern blieb unterwegs hängen, so spazieren sie wieder hinauf. Ob sich die ganze Gesellschaft nach so einem unangenehmen Falle wieder in der früheren Weise zusammenfinde, kann ich nicht verrathen, da ich es bisher des Zeitaufwandes wegen nicht für werth hielt, dergleichen Beobachtungen anzustellen; – wer Zeit übrig hat, mag es thun; – denn das sich Wiederaufsuchen wäre die strenge Durchführung der brüderlichen Gesinnung, aus der sie sich alle herabstürzten, wenn sie es eben aus diesem edleren Beweggrunde thaten.
Nach einer Lebensdauer von etwa vier Wochen spinnt jede Larve ein fast schwarzes, etwas rauhes Tönnchen und erwartet in demselben ihre Entwickelung. In der Gefangenschaft heften sie dasselbe an die Futterpflanze, merkwürdigerweise findet man es aber nicht an den Büschen, wo sie im Freien zuletzt gezehrt haben; sollten sie sich jetzt zerstreuen, oder des größeren Schutzes wegen in die Erde gehen? Ueberhaupt scheint ihre Verwandlungsgeschichte noch nicht ganz im Klaren zu sein. Der Eine erzog aus den Puppen schon Ende des nächsten Mai die Wespe, mir schlüpfte eine bereits am 30. April aus, ein Anderer erst nach Jahresfrist; ich fing sie, die im Vergleiche zu den ziemlich häufigen Raupen, mir wenigstens, selten zu sein scheint, in der zweiten Hälfte des August (Männchen) und sogar noch am neunten September, aber auch den siebenten Juni (Weibchen). Dem sei nun, wie ihm wolle; durch eine schiefgeschnittene Oeffnung frißt sie sich aus dem Gespinste heraus und ist ein ungemein zierliches, durch die breiten Hinterbeine leicht kenntliches Thierchen. Die neungliedrigen Fühler sind borstenförmig, an ihrer Wurzel durch eine Stirnleiste geschieden und etwa so lang, wie das ganze Thier ohne Kopf; dieser verhältnißmäßig klein, mit schmalem Scheitel, verschmälert sich nach dem Munde, wo lange, rothe Freßspitzen sitzen. Der ziemlich walzige Hinterleib trägt beim Weibchen jederseits der eingezogenen Säge einen kurzen, fadenförmigen Anhang und ist wenigstens in seiner Mitte rothringelig, während seine Wurzel, das Bruststück und der Kopf schwarz aussehen, öfter geht die rothe Färbung jenes aber auch bis zur Spitze. Die vordern der glashellen Flügel haben eine Rand- und vier Unterrandzellen, von deren zweiter zwei Adern (die rücklaufenden genannt) weiter nach innen ziehen, ein großes, dunkles Randmal und von ihm aus einen dunklen Schein durch die Fläche. An den vier Vorderbeinen ist das erste der fünf hellen Fußglieder so lang wie die übrigen zusammengenommen, die Schienen sind weißlich, besonders an ihrer Wurzel, die Schenkel desgleichen, bisweilen die mittelsten beim Weibe schwarz, wie die Spitze ihrer Schienen. Ganz eigenthümlich gestalten sich aber die Hinterbeine. Ihre Schienen sind an der vordern Hälfte weiß und von gewöhnlicher Rundung, an der hintern schwarz und schaufelartig erweitert, ebenso das erste Fußglied, welches außerdem noch einmal so lang wie alle übrigen, gleichfalls schwarz gefärbten, zusammen ist; die zugehörigen Schenkel mit weißer Wurzel sind schwarz, beim Männchen, dessen Beine überhaupt etwas heller erscheinen, rothbraun mit nur schwarzem Knie.
Das Weibchen legt seine Eier reihenweise in die stärkeren Blattrippen der oben näher bezeichneten Futterpflanzen. Bei diesem Geschäfte handhabt es die Säge wieder in anderer Weise, wie die Kiefern-Blattwespe. Während letztere dieselbe nachschleppt, stemmt sich erstere fest auf das Blatt, krümmt den Hinterleib nach vorn und schneidet nach dieser Richtung die Rippe auf. Ein Paar Hornplättchen am Grunde der Säge umfaßt jene und regelt auch hier den Schnitt. Das Futteral der beiden Sägeplättchen dringt mit in die Wunde ein und innerhalb desselben bewegen sich jene äußerst schnell auf und nieder. Nach Verlauf von 30 bis 35 Sekunden, bisweilen aber auch erst nach längerer Zeit, sieht man das Ei hinabgleiten zwischen den beiden Platten der Säge, die sodann behutsam herausgezogen und in dem Hinterleibe verborgen wird bis dieselbe Arbeit von neuem beginnt. Gegen 150 Eier vertraut nach und nach auf diese Weise ein Weibchen den Rippen eines Blattes in gedrängter Kette an und zwar so, daß ihre Spitzen frei hervorragen. Nach ungefähr acht Tagen kommen die Larven hervor, und wenige Stunden nur sind hinreichend für sie, um das Blatt zu durchlöchern.
Von der Puppe wollen wir nichts weiter erwähnen, als daß sie bis auf die Flügelstumpfe und die Farbe der Wespe vollkommen gleicht und ihre Fühlhörner weit von einander an den Seiten des Leibes hinunterhängen läßt.