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( Rhynchota)
Die bescheidenen Blüten der Linden hauchen ihren lieblichen Duft in die Lüfte und locken Tausende von Bienen und andern Honigsaugern herbei, welche sie in freudigem Gesumme umkosen und nicht müde werden, aus den süßen, nimmer versiegenden Quellen zu schöpfen. Nichts natürlicher, als daß auch wir zu dieser Zeit den ächt deutschen Baum nicht blos seines Schattens wegen mit Vorliebe aufsuchen, sondern gleich den Bienen, wenn auch in anderer Weise, schwelgen. Wer nicht trunken wird von dem angenehmen Nervenreize und überhaupt hören und sehen gelernt hat, was in der ihn umgebenden Natur vorgeht, dem ist unmöglich das Gewimmel entgangen, welches gleichzeitig unten an einzelnen Stämmen durch blutrothe, schwarzgefleckte Thierchen hervorgebracht wird. Man möchte glauben, sie wollten den Baum über seiner Wurzel abnagen, oder hielten Rath, wie sie dem bunten Treiben und tollen Lärme oben in der Krone ein Ziel setzten, oder sonst mit vereinten Kräften etwas Großes ausführten; denn sie sammelten sich zu gar auffällig gedrängten Schaaren.
Dem ist aber nicht so; die Bäume stehen noch, wie sie vielleicht schon vor Hunderten von Jahren standen, obgleich eben solche Schaaren von je her, auch vor der Blütezeit und nach derselben dort versammelt waren; auch kommen sie den lustigen Zechern oben im grünen Busche niemals zu nahe, bilden, mögen auch einzelne am Stamme empor klettern, keine beaufsichtigende Schutzmannschaft. Dort schützt man sich selbst durch seinen angebornen Ordnungssinn, welchen nichts, auch nicht die ausgelassenste Freude besiegen kann.
Es läßt sich für jene Erscheinung kein anderer Grund anführen, als die von Geschlecht zu Geschlecht vererbte, altherkömmliche Gewohnheit, nach welcher diese schwarz-rothen Thiere gerade Linden-, nächst ihnen Rüsternstämme so massenhaft aufsuchen; fehlen ihnen beide, so nehmen sie auch mit einer kahlen Lehmwand fürlieb. Wer hätte sie nicht schon an dergleichen Orten vom Frühjahre an bis in den Spätherbst beobachtet? Jedes Kind kennt sie unter dem Namen der »Franzosen« oder »Soldaten« vielleicht weil sie in der Regel, wie letztere, geschaart sind und die Farben französischer Uniformen tragen; wenigstens wüßte ich keinen weiteren Grund für diese sehr allgemein verbreiteten Bezeichnungsweisen anzugeben. Der Insektenbeflissene gab ihr zuletzt den Namen Pyrrhocoris apterus, zu deutsch die flügellose Feuerwanze, er zählt sie somit den Wanzen, gleich reich an Gattungen wie an Arten zu, und zwar denjenigen Langwanzen, welche ihrer lebhaften brennrothen Farbe wegen obige Namen erhalten haben. Sie zeichnen sich durch ihr kleines, die Mitte des Hinterleibes nicht erreichendes Schildchen und die viergliedrigen, faden-, auch keulenförmigen, auf der Unterseite des dreieckigen Kopfes eingelenkten Fühler aus.
Die Gattung »Feuerwanze« entbehrt zum Unterschiede von den übrigen Langwanzen der Nebenaugen, außerdem pflegt ihr erstes Fühlerglied etwas länger als das zweite zu sein, wenn auch nur sehr unmerklich, die Ränder des Vorderrückens sind scharf und wenigstens die seitlichen etwas aufgebogen. Von den 50 Arten, welche bekannt sind, leben nur zwei in Europa, und die unsrige wird leicht kenntlich an ihren stummelhaften Flügeln. Man könnte geneigt sein, diese Thiere für verurtheilt zu halten, in ewigem Larvenstande auf der Erde zu wandeln, so wenig unterscheiden sie sich in der Bildung ihrer Flügel von dieser Lebensstufe, wenn wir sie mit andern ihrer Verwandten vergleichen.
Die im Freien auf Gebüsch lebenden Wanzen nämlich tragen vier Flügel, zwei dünnhäutige zusammengefaltete, längere und breitere unten, und zwei kleinere, schmalere, jene in der Ruhelage verbergende darüber. Diese Flügeldecken nun zeigen uns eine höchst eigenthümliche Bildung, sie bestehen nämlich an ihrer Wurzelhälfte aus einer pergamentartigen, festen Masse, welche an der eigenartigen Körperfärbung des Thieres Theil nimmt, und aus einer dünnhäutigen, infolge vollkommener Farblosigkeit oder verschiedenen Grades von Trübung mehr oder weniger durchsichtigen Spitze. Unserer Wanze fehlen nun, wie ihr Name besagt, die Hinterflügel ganz und die Decken verkümmern in der Regel an ihrer Hautspitze, sie bilden einen, die letzte Leibeshälfte freilassenden, schön rothen Waffenrock mit zwei und zwei schwarzen Flecken, wie Knöpfe gerundet, einem schmalern oder breiteren schwarzen Saume am Ende, und einem sehr gleichmäßigen beiderseits des dreieckigen Schildchens. Die ihren Verwandten verliehene und gern von ihnen benutzte Fähigkeit des Fliegens ward ihnen somit versagt, nur in höchst seltenen Fällen findet sich unter den gedrängten Schaaren auch einmal ein geflügeltes Einzelwesen, ein Adjutant, welches sich aber schwerlich durch den Gebrauch dieser Werkzeuge über seine Kameraden erhebt, sondern gleich ihnen nur zu Fuße geht.
Sobald der Winter vorüber ist, also in der Regel schon im März, verlassen sie allmählich ihren Hinterhalt und schleichen einzeln an geschützten, den rauhen Winden nicht ausgesetzten Stellen umher. Je milder das Wetter, desto mehr fallen sie in die Augen, weil man sie nun eher gruppenweise antrifft. Vom Juli an bilden sie größere Familien und verleben so den Sommer und einen Theil des Herbstes: denn im Oktober, unter Umständen im November sieht man sie noch in derselben Weise. Man unterscheidet nämlich in Färbung und Größe sehr verschiedene Abstufungen, je nach dem Alter. Bei genauer Aufmerksamkeit finden sich Wanzen von der Größe eines Stecknadelknopfes neben Erwachsenen von fast 10 mm. Länge, und die dazwischen liegenden Größen. Die kleineren haben einen rothen Hinterleib und schwarze Flügelansätze. Nach dreimaliger Häutung erhalten sie ihre vollkommene Größe und Färbung. Die Flügeldecken verlängern sich dabei, vertauschen die anfänglich schwarze Färbung mit der später vorherrschend rothen, dafür umgekehrt am Hinterleibe die anfangs mehr rothe mit der nachherigen schwarzen; denn dieser glänzt zuletzt schön schwarz und zeigt nur rothe Seitenränder und am Ende des Bauches eine oder zwei dergleichen Querbinden. Kopf, vorderes Bruststück und Beine scheinen sehr bald ihre beständige Färbung anzunehmen. Jener mit seinen Anhängen: den Fühlern und dem viergliedrigen Schnabel, zeigt sich schwarz, wenn erst das Junge, welches bleich aus dem Eie kam, ausgefärbt ist, und behält diese Farbe, nur ein kleines Seitenfleckchen am Grunde des Schnabels bleibt roth. Das vordere Bruststück ist oben und unten sehr bald schwarz und behält nur rothe Rändersäume ringsum. Auch die Beine glänzen schon in der Jugend ganz schwarz, aber ein Fleckchen über ihnen, an der Brust, bleibt roth. In den angegebenen Färbungen und Größen tummeln sich diese Thiere nun und erscheinen eher träge als geschäftig, auf ihren kleinen Spaziergängen bleiben sie häufig stehen, aber nicht, um zu ruhen, sondern um zu genießen. Zwei, drei und noch mehr stehen um eine größere Insektenleiche her und saugen sie aus, gleichviel ob sie von einem ihres Gleichen herrühre oder von einem andern Kerfe. Nie greifen sie ein lebendes Thier an, wie so viele andere Wanzen, es sei denn eine in der Häutung begriffene Larve ihrer Gesellschaft, deren geschwächten Zustand sie gern benutzen, um sie anzubohren und auszusaugen; auch stechen sie die jungen Lindentriebe an, um ihnen den Saft zu entziehen. Wie die Schaaren dieser harmlosen »Soldaten« sich dem unbefangenen Blicke darstellen, haben wir gesehen, forschen wir nun auch nach ihrer Entstehung. Zwischen die Zeit vom April bis Mitte August fällt die Paarung. Hierauf legt das Weibchen innerhalb eines halben Tages seine perlweißen Eier zu 40 bis 60 Stück in eine Grube, welche es selbst gräbt und dann wieder mit Erde bedeckt, wenn es kein feuchtes Laub vorfindet, unter welches es dieselben gleichfalls sicher bettet. Bei gefangen gehaltenen Wanzen beobachtete Herold, daß die Männchen sehr lüstern nach den Eiern waren und sie gern aussogen, weshalb er dieselben bald entfernte um das nöthige Beobachtungsmaterial nicht zu verlieren. Nach 6 bis 8 Wochen schlüpfen die Lärvchen aus den Eiern, während die Aeltern allmählich absterben. Der oben angegebene Zeitraum, in welchem das Fortpflanzungsgeschäft betrieben wird, erklärt die ungleiche Entwicklung und die verschiedenen Altersstufen in den Gesellschaften, auf denen sie dann später auch von dem Winter überrascht werden.
Der unangenehme Geruch, welchen die Baumwanzen und andere Familiengenossen verbreiten, ist eine so bekannte Thatsache, daß man den »Wanzengeruch« gleich dem »Goldglanze« als eine bestimmte Art der Wahrnehmung bezeichnet. Bei unserer Art scheint dieser Familiencharakter etwas anders geartet zu sein als gewöhnlich. Die reifen Geschlechtsthiere haben ihn überwunden, nur die Larven – – stinken und zwar aus drei Drüsen, welche mitten auf dem Rücken des Hinterleibes ausmünden, je eine auf drei aufeinander folgenden Ringen. Die hinterste von ihnen ist größer als die beiden vorderen zusammengenommen, und alle drei finden sich bereits vollständig entwickelt bei einer nur 3 mm. langen Larve. Reizt man eine solche nur mäßig, so sieht man aus der mittleren Drüse ein Tröpflein klarer Flüssigkeit heraustreten, welche allmählich verdunstet und einen scharfen, etwa an flüchtige Fettsäure erinnernden Geruch verbreitet. Wird der Reiz verstärkt, indem man die Larve festhält, zwischen den Fingern drückt, ihr ein Bein, einen Fühler abschneidet, so wird der eigenartige Wanzengeruch bemerkbar, indem gleichzeitig aus der hintersten Drüse eine Flüssigkeit als kleiner Strahl entleert wird. Bei der ausgewachsenen Wanze ist anfangs der saure Geruch noch wahrnehmbar, er verschwindet jedoch bald und die drei Drüsen zeigen keinen Inhalt.
Von der letzten Hälfte des Septembers bis zur zweiten Woche des Oktobers in dem durch feinen trocknen und heißen Sommer ausgezeichneten Jahre 1859 besuchte ich fleißig die uns benachbarte, schon mehrfach erwähnte Haide, um unter dürrem Laube ein Eulchen ( Orrhodia erythrocephala) aufzusuchen, welches mir zufällig und für hiesige Gegend neu auf einem Spaziergange zu Gesicht gekommen war und, wie ich mich bald überzeugt hatte, ausnahmsweise in bedeutenden Mengen sich zeigte, obwohl es im allgemeinen für selten gilt. Daß der Sammler dergleichen außergewöhnliche Gelegenheiten nicht unbenutzt vorübergehen läßt, sondern sie möglichst ausbeutet, darf nicht befremden. Nach einigen rauheren Tagen, an welchen die Schmetterlinge fester saßen und durch Klopfen und Aufrühren des Laubes weniger flink an das Herausspazieren aus demselben gingen, stellte sich wieder ausnehmend milde Witterung ein, und der Fang ward ergiebiger, aber auch durch größern Aufwand gespannter Aufmerksamkeit schwieriger. Die vom dürren Laube durch ihre Farbe wenig abstechenden Eulchen liefen nämlich bei ihrer größeren Lebhaftigkeit mit zitternden Flügeln eine kleine Strecke fort und entfernten sich bald auf diesen, so daß sie für den betrogenen Jäger unerreichbar wurden.
Dieser Umstand war aber nicht die einzige Schwierigkeit, welche dem Fange entgegentrat, weil die Schmetterlinge nicht die einzigen kleinen Wesen waren, welche durch die Wühlereien aufgescheucht wurden. Vielmehr war das dürre Laub, welches die Strahlen der Sonne immer noch trocken erhalten hatten, von Hunderten, ja Tausenden der verschiedenartigsten Blatt- und Baumwanzen belebt, die alle bunt durch einander krabbelten, nicht wie jene geräuschlos, sondern unter beständigem Geknister und Genistel der dadurch bewegten Blätter und vertrockneten Aestchen. Das Heer dieser überall in Feld und Wald, Wiese und Garten zerstreuten Wesen, welche, begünstigt durch den trocknen Sommer, ihre größte Fruchtbarkeit entwickelt haben mochten, hatte sich bereits in seinen Winterverstecken zusammengerottet, noch aber nicht das Mindeste von seiner Lebhaftigkeit und Energie verloren. Der Laubfall, damals noch nicht eine Folge nächtlicher Fröste, sondern vielmehr begünstigt durch die vorangegangene, anhaltende Dürre, mochte die Thierchen daran erinnert haben, daß auch für sie nun die Zeit gekommen wäre, ein schützendes Obdach zu suchen für den sich vorbereitenden Winter, ein Plätzchen, in welchem sie den starrkrampfartigen Schlaf ausschlafen könnten während der allem Leben feindlichen Fröste. Sie hatten sich geschaart unter dem noch warmen Laube, aus welchem einzelne noch wochenlang während des Sonnenscheins freiwillig hervorkommen mochten, um der schon kärglich gewordenen Nahrung nachzugehen.
Jetzt aber störte man sie in der ihnen bereits wohlthuenden Ruhe, man erschütterte das Laub, rührte es um und versetzte sie um so mehr in Angst und Schrecken, als ihnen jene Umwälzungen neu und unerwartet vorkommen mußten. Daher ihr planloses Durcheinanderrennen. Wurde diese und jene gerade von der Sonne beschienen, wenn sie unter dem Laube hervorkam, so besann sie sich in der Regel nicht lange, gebrauchte ihre Schwingen und schnurrte nach einem benachbarten Kiefernbäumchen oder sonstigen Ruheplätzchen. Das rege, Besorgniß und panischen Schrecken athmende Leben, welches sich schon auf einige Schritte Entfernung dem Ohre verrieth, nahm mein Interesse vielfach in Anspruch und ließ mich zeitweise den eigentlichen Zweck meiner mühevollen Arbeit gänzlich vergessen: denn nie sah ich dieses verachtete, durch seinen Geruch meist widerliche Insektengesipp so mannigfach und massenhaft und dadurch so übersichtlich auf so kleine Räume zusammengedrängt.
Zunächst war stark vertreten die Familie der Randwanzen, kenntlich an den scharfen Rändern ihres breiten, über das Bruststück seitlich vorstehenden Hinterleibes; denn zahlreich spazierten als die größten (13 mm.) unter allen die braunen, etwas buckligen Saumwanzen ( Syromastes marginatus, Fig. b) mit der bronzefarbenen, dichtgeaderten Flügeldeckenspitze und den viergliedrigen, im ersten und letzten Gliede besonders kräftigen Fühlern. Sie sitzen im Sommer gesellig auf Gebüschen der Wollweide und sonst vielfach umher und verbreiten für manche Nasen einen angenehmen Apfelgeruch, der au Baldrian erinnert, wenn sie todt sind. Hie und da fand sich unter ihnen ein bleicherer, kleinerer Bruder mit sechsseitigem Hinterleibs, welcher beiderseits in je einen rechten Winkel ausgezogen ist ( Velusia rhombea, früher Coreus quadratus).
Auch die Schreitwanzen mit ihrem langen, hinter den vorquellenden Augen halsartig verdünnten Kopfe, welcher haarfeine, viergliedrige Fühler und eine nur dreigliedrige Schnabelscheide trägt, und deren Beine ohne Haftlappen sind, wurden durch einzelne Stücke der breitbäuchigen, stummelflügeligen Nabis brevipennis vertreten, deren Vorderschenkel etwas angeschwollen sind. Manche bunt bemalte, in allen ihren Gliedern zarte und zerbrechliche, gestreckte Blumen- und Wiesenwanze kam zum Vorscheine, ward aber unter den größern leicht übersehen. Man trifft sie in gelben und rothen Farben zierlich gefleckt oder gestrichelt an warmen Sommertagen als fleißige und höchst bewegliche Besucher von Gras und den verschiedensten Blumen, verrenkt ihnen aber leicht ihre Gliedmaßen und bringt die ungemein weichen Flügeldecken aus ihrer gewohnten Lage, selbst wenn man sie möglichst behutsam zwischen die Fingerspitzen nimmt.
Die genannten und noch viele andere spielten indeß eine untergeordnete Rolle gegen die, wandelnden Wappenschildern in ihren Umrissen vergleichbaren Glieder einer großen, von aller Welt gekannten und gemiedenen Familie der sogenannten Schildwanzen. Die viergliedrige Schnabelscheide und die zwei Hautlappen, Ballen, neben den Krallen ihrer Füße, haben sie mit andern gemein, lassen sich aber leicht durch ein Kennzeichen, dem sie auch ihre Benennung verdanken, von allen übrigen unterscheiden: durch das große, mindestens bis zum halben Hinterleibe herabreichende Schildchen, jenes gleichschenkelige, mit der Spitze nach hinten gekehrte Dreieck auf dem Rücken. Bei einigen erreicht es sogar die Spitze des Hinterleibes, dessen Seitenränder es nur als schmalen Streifen unbedeckt läßt, so daß der unkundige nichts von Flügeln bemerkt. Bei näherer Betrachtung finden sich diese aber sammt ihren Decken vor, sauber und glatt mit Ausschluß ihres Vorderrandes unter jenes Riesenschild geschoben.
Die Mehrzahl, oder gewiß die Hälfte aller in ihrer Ruhe von mir aufgestörten Wanzen mochte einer großen, neuerdings von den Entomologen weiter zerfällten Gattung angehören, welche wir unter ihrer ältern Firma »Baumwanzen ( Cimex)« zunächst zum Erkennen der zugehörigen Arten kurz charakterisiren und sodann die Lebensgeschichte einer dieser letzteren erzählen wollen. Zu dieser an Arten so zahlreichen, die Grundform der Schildwanzen bildenden Gattung rechnen wir mit Burmeister alle diejenigen, bei welchen der dünne Schnabel bis an das Ende der Brust oder nur wenig darüber hinausreicht, und mit dem ersten Scheidengliede in einer Rinne an der Kehle liegt, das Brustbein keinen Kiel und der Bauch keine Längsrinne hat, das Schildchen keinen Theil der Vorderflügel bedeckt, die Fühler stets aus fünf Gliedern bestehen, von welchen das zweite mit dem dritten in der Größe wechselt, die letzten aber theils walzig, theils stumpf dreikantig gestaltet sind. Der Kopf ist klein, dreiseitig, nach vorn abgerundet, oder verlängert und führt über seine Mitte zwei Längsrinnen, welche die wulstige Stirn einschließen. Der Bauch trägt am Grunde bei einigen Arten einen spitz vorragenden Dorn, bei andern einen bloßen Höcker, ist bei den meisten aber ganz unbewehrt und glatt. Auf den Flügeldecken zählt man 5-8 gleichlaufende Adern, deren zweite sich nahe an ihrem Ursprunge gabelt. Im Baue des Kopfes und des Vorderrückens, welcher sich nicht selten durch je einen spitzeren oder stumpferen Seitendorn erweitert, Formen, die indessen nicht ohne Uebergänge sind und darum nicht immer spezifische Charaktere abgeben, bieten sich allerlei und neben der gegenseitigen Länge der vorher bezeichneten Fühlerglieder wichtige Unterschiede der sehr zahlreichen, nicht immer in der Färbung beständigen Arten.
Eine der gemeinsten, auf Brombeeren oder Himbeeren häufig saugenden und diesen dadurch jenen widerlichen, ihrem Gerüche entsprechenden Geschmack mittheilenden, ist die bis fast l0 mm. lang werdende gemeine Beerenwanze (Qualster, Cimex, bei den Neueren Pentatoma baccarum, Fig. c). Auf der Oberseite erscheint ihr Kleid röthlich- oder gelblichbraun, unten weißlich, schwarz punktirt. Die schwarzen Fühler, deren zweites Glied das dritte an Länge etwas übertrifft, sind weißringelig, die Spitze des Schildchens, sowie einige Randflecke des Hinterleibes treten ebenfalls durch ihre weiße Färbung in helleres Licht.
Weniger in die Augen fallend, aber gewiß schon von manchem meiner Leser beobachtet sind die Larven. Sie entstehen aus den hellen, zierlichen Eiern, welche das Weibchen in Häufchen von größerer oder geringerer Stückzahl an Baumrinde, Blätter oder sonstige Pflanzentheile zu legen pflegt. Durch ein Deckelchen entschlüpfen ihnen, wenn ihre Zeit gekommen, die kleinen, anfangs bleichen und stets ziemlich weichen, durch ihren sehr platt gedrückten Körper und dünnen Bauch an unsern lästigen Hausgenossen, die stets ungeflügelte Bettwanze erinnernden Larven. Sie tragen in jeder Beziehung das Gepräge des Unreifen, noch nicht Vollendeten an sich; weiche Behaarung schützt ihren scheibenförmigen, zarten Leib einigermaßen vor allerlei feindlichen Einflüssen von außen; den Fühlern fehlt noch die spätere Gestalt, dem Rücken jede Spur von Flügeln, der Färbung der wahre, bestimmte Ausdruck, düstere, schmutzige Kleidung charakterisirt beinahe alle, nur die grasgrünen pflegen von frühester Jugend an ihre Farbe nicht zu wechseln. Unter dreimaliger Häutung schreitet das Wachsthum je nach den begünstigenden oder hemmenden Witterungsverhältnissen schneller oder langsamer vor, bis durch die Entwickelung der Flügelstumpfe und des Schildchens zwischen ihnen eine größere Annäherung an die Formen des vollkommenen Infekts eintritt. In der Lebensweise ändert sich dadurch nichts. Der Saft von Pflanzen, vor allen aber der Insekten, welche die meisten sich selbst fangen, dient in gleicher Weise der Larve wie der vollendeten Wanze zur Nahrung, und in dieser Hinsicht kann man die ganze Sippschaft nach unsern Begriffen eher für nützlich als schädlich bezeichnen, wenn auch so leicht niemand seine Freundschaft für sie so weit ausdehnen dürfte, daß er ihre Nähe und weitere Berührung mit ihnen begehren sollte, es sei denn zu wissenschaftlichen Zwecken.