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Keine zweite Ordnung der Insekten ist so mannigfaltig in ihrer Entwickelungsart wie die Fliegen. Die Larven der einen leben im Wasser, die der andern in oder auf der Erde. Hier wieder von allerlei Pflanzen, lebenden oder abgestorbenen, kleinen Thieren oder den verwesenden Ueberresten der großen. Wir wollen jetzt eine genauer kennen lernen von der Zahl derjenigen, die sich als Larven die Leiber von Hufthieren und einiger anderer kleinerer Säuger auserwählen, aber nicht der todten, sondern der lebendigen. Da nicht vorausgesetzt werden darf, daß meine geneigten Leser, mit vielleicht geringer Ausnahme, Gelegenheit hatten, eins dieser sonderbaren Thiere zu beobachten, so sei es erlaubt, einige allgemeine Bemerkungen über dieselben, welche unter dem Namen der Oestriden eine kleine Familie bilden, einleitungsweise zu geben.
Die Fliegen sind meist schwer zu finden und gelten darum für selten, erlangen die durchschnittliche Größe und Gestalt einer Honigbiene und oft durch starke Behaarung eine gewisse Hummelähnlichkeit. Ihre Lebensdauer ist sehr kurz, während welcher sie keine Nahrung zu sich nehmen, weil sie nicht können; denn ihnen fehlen Rüssel und Mundöffnung entweder gänzlich, oder sind wenigstens in verkümmerter Weise vorhanden. Die kurzen dreigliedrigen Fühler mit einer Endborste sitzen in einer kleinen Stirngrube und werden daher leicht übersehen. Außer den großen Netzaugen trägt der Kopf auf seinem Scheitel drei Nebenaugen, in ein Dreieck gestellt. Der vier- bis fünfgliedrige Hinterleib endet beim Weibchen in eine ausschiebbare Legröhre. Die Füße sind fünfgliedrig und tragen die gewöhnlichen zwei Klauen, zwischen denen ein aus zwei bis drei Nebenklauen gebildeter Ballen steht.
In den heißesten Monaten, Juni, Juli und August, schwärmen die Fliegen und zwar auf hohen, sonnigen Punkten. Hier finden sich unter starkem Gesumme die Geschlechter zusammen, und die Weibchen suchen nun in ausdauerndem Fluge die ihnen eigenthümlichen Wohnthiere auf. Diese kennen ihre Feinde sehr wohl und suchen sich denselben durch eigenartige Bewegungen und Geberden zu entziehen. Die Hirten bezeichnen bei den Rind- und Schafherden diese Erscheinung mit dem Namen des »Biesens«. Mit erhobenen Schwänzen rennen sie wild durcheinander, nehmen die Köpfe zwischen die Beine oder suchen dieselben im Grase, in Buschwerk zu verbergen. Indem sie schnauben und brüllen, suchen sie zu entrinnen oder sich in das Wasser zu stürzen. Das Hochwild geberdet sich nicht minder unbändig und sucht das dunkelste Dickicht aus, wenn es die bei ihm schmarotzenden Oestriden summen hört.
Die Nasenbremen, zu denen u. a. die Gattungen Oestrus, Cephenomyia gehören, legen nach Brauers Die vollständigsten Kenntnisse über diese ebenso interessante, wie schwer zu beobachtende Fliegenfamilie verdanken wir den unermüdlichen Untersuchungen von Friedrich Brauer, welcher dieselben in seiner »Monographie der Oestriden mit 10 Kupfertafeln Wien 1863« niedergelegt, und spätere Nachträge in den Verhandlungen der zoolog. botan. Gesellschaft in Wien veröffentlicht hat. Beobachtungen keine Eier, sondern bereits ihre im Mutterleibe entschlüpften Larven. Diese werden mittels einer Flüssigkeit den Wohnthieren an die Nasenlöcher gespritzt und gelangen von hier durch die allen Oestridenlarven eigenen Nagehaken und Stachelkränze an den Leibesringen in die Schleimhäute der Nasen- und Stirnhöhle, wo sie sich weiter entwickeln.
Die Hautbremen ( Hypoderma, Cuterebra u. a.) kleben ihre Eier an die Rückenhaare der Wohnthiere. Die denselben nach kurzer Zeit entsprossenen Larven bohren sich in das Zellgewebe unter die Haut ein, erzeugen hier die sogenannten » Dasselbeulen« und ernähren sich von der Eiterbildung in denselben. Wenn sie reif geworden sind, bohren sie sich aus der Haut heraus, um sich flach unter der Erde zu verpuppen. Diese Stellen vernarben zwar wieder, jedoch nicht vollständig; denn wenn der Handschuhmacher gar gemachte Felle von Wild oder Renthieren bezieht, so kann es ihm begegnen, daß runde Löcher, wie mit einer Büchsenkugel geschossen, aus dem Leder förmlich herausfallen, so daß ein und das andere Fell wie ein grobes Sieb durchlöchert erscheint, wie ich mich mit eigenen Augen überzeugt habe.
Bei der Entwickelung der Larven kann man im allgemeinen drei Stufen unterscheiden, deren erste die meiste Zeit in Anspruch zu nehmen scheint und von denen eine jede mit einer Häutung abschließt, wobei Form- und Farbenveränderungen wesentliche Unterschiede gegen die frühere Stufe erkennen lassen.
Die hier näher zu betrachtende Art, zu welcher wir jetzt übergehen, gehört einer dritten Gruppe, den Magenbremen an, deren Entwickelung in der Weise vor sich geht, welche wir sogleich an der Pferdedassel näher kennen lernen werden. Dieselbe ist im Bilde (Fig. e) vorgeführt, welches noch durch folgende Bemerkungen ergänzt sein möge. Am großen Kopfe stehen die dunkelbraunen Augen, beim Männchen näher an einander als beim andern Geschlechte, daher die in ihrer Mitte hellbraun pelzige Stirn hier breiter; das Gesicht ist weißgelb dünn behaart. Den Rücken bekleidet vorn ein dichter, bräunlichgelber Pelz, hinten feine schwarze, die Seitentheile und Brust unten weißgelbe Haare. Der Hinterleib ist an seiner Wurzel durch gleiche, aber dünnere Bedeckung schwarzbraun, weiter hin glänzend goldigbraun, am Bauche heller. Die schwach getrübten Flügel, welche in der Ruhe etwas erhoben und wenig klaffend über dem Rücken getragen werden, sind mit einer wellenförmigen, schwärzlichen Querbinde und drei solchen Pünktchen verziert, deren eines nächst der Wurzel, die beiden andern an der Spitze stehen. Die gelben, schwachen Beine tragen gelb und schwarz gemischte Haare. Bei alten, in Sammlungen aufbewahrten Stücken verbleichen die Farben unter Umständen allmählich.
Hat die Fliege ihre Puppenhülle (Fig. d) durchbrochen, was in der Regel an schönen Tagen in den ersten Morgenstunden in den Monaten Juni bis Oktober geschieht, so ist sie, wie jedes neugeborne Insekt, noch weich und feucht und infolge der zusammengeschrumpften Flügel nicht fähig, zu fliegen. Merkwürdig an ihr ist in diesem Zustande eine große Stirnblase, welche abwechselnd anschwillt und zusammenfällt. In jenem Falle bedeckt sie die ganze Stirn bis über das Genick und ist durchsichtig. Man glaubt, sie leiste dem Thiere beim Durchbrechen der Puppenhülse gute Dienste. Schnell von der Sonne getrocknet und erhärtet, fliegt das Thierchen auf, um sein anderes Ich zu suchen, und man meint eine Biene zu sehen.
Nach der Paarung geht das Weibchen an sein Geschäft, flüchtig und unstät umschwärmt es das Pferd, welches ihm auf der Weide, auf dem Acker oder der Landstraße begegnet, und zwar nur bei heiterer Witterung, umklammert seine Haare so lange als nöthig ist, um ein bis zwei und auch mehr Eier an diese in kurzen und gleichen Abständen anzukleben, fliegt auf, kommt wieder in derselben Absicht und fährt fort, so lange Tageszeit, Witterung und der Aufenthalt des Pferdes im Freien es ihm gestatten; in die Ställe oder das Wasser folgt es den Pferden nie, ruht auch bei Nacht und unfreundlichem Wetter. Der Leib eines Weibes ist durchaus mit Eiern angefüllt, deren Zahl sich bis auf siebenhundert belaufen mag. An Hals, Brust und Vorderbeinen der Pferde (oder Esel) werden die anfänglich weißen, später gelblich gefärbten Eier abgesetzt; sie sind länglich, etwas gebogen und am stumpfen, freien Ende schief abgestutzt. Hier schließt sie ein glänzender Deckel, welchen die nach wenig Tagen ausschlüpfende Larve abstößt. Wärme der Luft und starke Ausdünstung des Pferdes befördern die Entwickelung. Die jungen Larven schlängeln sich instinktmäßig selbst nach den Lippen ihrer Wohnthiere oder werden von andern Stellen infolge des durch sie veranlaßten Hautreizes weggeleckt und verschluckt. Sie sind, wie Fig. b zeigt, gestreckt, vorn mit zwei ankerartigen Nagehaken und an den Leibesgliedern mit Kränzen steifer, nach hinten gerichteter Stachelborsten versehen, die namentlich hinter der Mundöffnung so gedrängt stehen, daß sie an den Hakenkranz der Bandwürmer, insbesondere der Echinorhynchen erinnern. Die beiden Endzäpfchen stellen die jetzt noch sichtbaren Luftlöcher dar. Im Magen, auch einzeln im Schlundende haken sich die Larven nun fest, und man findet sie in von ihnen gebildeten Gruben oder Zellen, besonders bei Weidepferden nicht selten in ganzen Nestern von fünfzig bis hundert beisammen, größere und kleinere. Sie saugen an der Schleimhaut wie Blutegel, erzeugen Grübchen und nach und nach größere Höhlungen, welche eine eiterähnliche Flüssigkeit absondern, von welcher sie sich ernähren. Diese Stellen vernarben auch wieder, wenn sie verlassen sind. Anfangs wachsen die Maden sehr schnell und ändern bisweilen ihren Aufenthaltsort. Haben sie nach zweimaligen Häutungen, mit denen Formveränderungen verbunden sind, durchschnittlich zehn Monate ihr Unwesen getrieben, so verlassen sie das gequälte Thier, wie bereits erwähnt, vorherrschend im Mai, Juni und Juli. Auf ihrem langen Wege durch die Därme, welchen sie, unterstützt durch die peristaltischen Bewegungen derselben, in verhältnißmäßig kurzer Zeit zurücklegen, scheinen sie ihre vollkommene Entwicklung noch zu erlangen; denn es hat nur in äußerst seltenen Fällen gelingen wollen, aus solchen Larven die Fliegen zu erziehen, welche dem Magen zu Grunde gegangener Pferde entnommen worden sind.
Die reife Larve wird durch Fig. c vergegenwärtigt. Sie ist in Vergleich zu ihrer früheren Form hinten wesentlich dicker geworden und abgestutzt. Der elfte Ring zeigt, von hinten gesehen, eine breite Querspalte, welche von oben und unten her durch je eine ebenso breite Wulst lippenartig begrenzt wird und sich vollkommen durch dieselben verschließen läßt. Innerhalb der Höhle zwischen diesen Lippen liegt die Fläche mit den beiden Luftlöchern, die also jetzt versteckt sind. Die Dornenwarzen, am Grunde bräunlich, an der Spitze fast schwarz, sowie die sie bemehrenden Dornen zeigt unsere Abbildung. Die Hautfarbe ist gelblich fleischfarben.
Auf der Erde mit dem Kothe angelangt, gräbt sich die Larve senkrecht ein, bis sie vollkommen von jener bedeckt ist, kehrt sich um und verpuppt sich, d. h. sie schrumpft ein, erhärtet, das Kopfende zieht sich zurück, statt seiner treten die Enden zweier Athemröhren etwas hervor und bilden zwei kurze Hörnchen der etwas gekrümmten, sonst tonnenförmigen Puppe, die natürlich auch die hinteren Luftlöcher in der Spalte sehen läßt. Zur Ausbildung der Fliege sind bei einigermaßen günstigen Witterungsverhältnissen durchschnittlich sechs Wochen hinreichend; nach Vollendung derselben sprengt sie die Puppenhülse am Kopfende in zwei muschelförmige Hälften, wovon die obere mit den Hörnchen gewöhnlich abfällt, und geberdet sich, wie oben schon erzählt wurde.
Sie ist über ganz Europa verbreitet, kommt in Asien, Nordamerika und im Süden und Norden von Afrika vor.